Benutzer:Fährtenleser/Bastelseite3

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Quantendarwinismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sichtbar gemachte Quantendichte eines ultrakalten Gases mit einem stabilen „Peak“ im instabilen „Quantenrauschen“[1]

Der Quantendarwinismus ist eine Hypothese, die eine auf darwinscher Selektion basierende Entstehung der klassischen Welt aus der Quantenwelt beschreibt. Sie wurde von Wojciech Zurek und einer Forschergruppe – zu deren Mitgliedern Ollivier, Poulin, Paz und Blume-Kohout gehören – gemeinsam vorgeschlagen; geht in ihrer Entwicklung aber auf die Vernetzung einiger Forschungsgebiete zurück, die von Zurek vorgenommen wurde. Er beobachtet, dass bestimmte Pointerzustände (pointer states)[2] – d.h. robuste Zustände von Quantensystemen, die nach dem Kontakt mit materiellen Strukturen gemessen werden – häufiger auftreten als andere, obwohl alle Zustände nach der Quantentheorie gleichwertig sein müssten.[3][4]

Zurek erklärte dies mit der Annahme, dass die stabilen Strukturen nur bestimmte Pointer-Zustände zulassen, während unpassendere sich nicht stabilisieren. Er bzeichnete den Effekt als einselection („environment-induced superselection“). Die Übereinstimmung mit dem grundlegenden Funktionsprinzip der Evolutionstheorie nach Charles Darwin führte zur Bezeichnung Quantendarwinismus.[5]

2008 ist es am Institut für Physik der Montanuniversität Leoben zusammen mit Kollegen der Arizona State University gelungen, die Vorhersagen des Quantendarwinismus experimentell zu bestätigen. Dieses Ergebnis wird international als Nachweis gewertet, dass dieser Mechanismus tatsächlich existiert.[2]

Zurek betreibt seine diesbezüglichen Forschungen seit ca. 43 Jahren.

Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Quantentheorie gibt es einige ungeklärte Phänomene. Eines davon ist der Wechsel von den unscharfen und instabilen, wellenartigen Quantenzuständen freier Teilchen in stabile, lokalisierbare Zustände. Nach der Theorie sind alle Zustände (z. B. Drehimpuls, Ort und Geschwindigkeit) gleichwertig.[6] Wenn verbundene Strukturen in der Umgebung (etwa Luftmoleküle oder Metallgitter von Messgeräten) ganz bestimmte Eigenschaften haben, kann es passieren, dass einige Zustände wahrscheinlicher werden. Der Kontakt führt zu einer Wechselwirkung zwischen den freien und gebundenen Teilchen, die beide Seiten nach der Dekohärenztheorie unumkehrbar verändern.[7] Dabei zeigte sich, dass bestimmte Zustände häufiger auftreten als andere, obwohl alle Zustände nach der Quantentheorie gleichwertig sind.[8] Wojciech Zurek entwickelte dazu in den 1990er Jahren folgende Theorie, die beschreiben soll, wie die gesetzmäßig determinierte Welt der großen Gegenstände aus den unsteten Quantenwellen entsteht:

Bildhaft wird das Vakuum zwischen den räumlichen Objekten im Universum als „Quantenschaum“ bezeichnet, der in tatsächlich zufälliger und damit unberechenbarer Weise beständig „brodelt“. Darin entstehen ebenso zufällig ständig kleinste materielle Strukturen. Die meisten davon haben nur eine extrem kurze Lebensdauer. Einige wenige jedoch verbinden sich zu etwas größeren Strukturen, indem sich die Quantenzustände verschränken, d. h., die zufälligen Zustandsänderungen gleichen sich an, so dass sie sich fortan bei allen beteiligten Quanten in gleicher Weise ändern. Verbinden sich solche verschränkten Quanten zu gemeinsamen Strukturen mit immer eindeutiger definierten Zuständen (nach Zurek: „Pointer-Zustand“), wird ihr Verhalten berechenbar und es entstehen stabile Strukturen der makrophysikalischen Welt mit eindeutigem Aufenthaltsort. Welche „Kraft“ aus dem diffusen Quantenschaum feste Strukturen entstehen lässt, ist unbekannt. Zurek beobachtete jedoch, dass die Pointer-Zustände eine eindeutige Relation zur Umgebung aufwiesen: Es stabilisieren sich vorwiegend solche Zustände, die am besten zu den Zuständen der bereits bestehenden materiellen Strukturen passen, mit denen die freien Quanten wechselwirken. Die unpassenden lösen sich hingegen wieder auf. Insofern findet eine Art natürliche Auslese durch die Umgebungsbedingungen statt,[9]

Die drei „darwinschen Mechanismen“ können wie folgt von der Biologie auf die Quantenphysik übertragen werden:[9][10]

  • (Genetische) Variation → Große Vielfalt chaotischer Quantenzustände
  • Selektion → „environment-induced-superselection“
  • Fortpflanzung → Vermehrung der „Pointer-Zustände“ durch das Prinzip der Quantenverschränkung

Beim Kontakt verschiedener Quanten – der vor allem entsteht, wenn freie Quanten auf gebundene Materie stoßen – kommt es automatisch zur Quantenverschränkung. Da die „überlebenden“ Quanten(zustände) aus der Wechselwirkung mit stabiler Materie sich den Zuständen der Umgebung anpassen, finden die unregelmäßigen Zustandsänderungen gleichzeitig auch bei verschränkten freien Quanten statt – selbst wenn sich das freie Teilchen nach dem Kontakt um Lichtjahre entfernt hat. Dieses synchrone Verhalten trotz räumlicher Distanz wird oft als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet, weil (nach klassischer Auffassung) eine Abstimmung der Teilchen mit Überlichtgeschwindigkeit stattfinden müsste. Da dies jedoch unmöglich ist, muss es eine andere – noch unbekannte – Art der Verbindung geben, die unabhängig von Zeit und Raum ist.[11]

  1. Diese Grafik entspricht den beiden Abbildungen in Michael Harder: Die verborgenen Spielregeln des Universums: Wie die Welt wirklich funktioniert auf Seite 91
  2. a b Forscher finden wichtige Indizien für Quantendarwinismus Auch Quantenpunkte haben ein Beziehungsleben - scinexx | Das Wissensmagazin. Abgerufen am 22. Juni 2019.
  3. Eduard Kaeser: Die unfassbare Fassbarkeit eines Tischs. Artikel in Neue Zürcher Zeitung vom 4. Januar 2020, online abgerufen am 11. März 2024.
  4. Das Beziehungsleben der Quantenpunkte - Stabilität & Vermehrung. Abgerufen am 22. Juni 2019.
  5. Michael Harder: Die verborgenen Spielregeln des Universums: Wie die Welt wirklich funktioniert. Books on Demand 2022, ISBN 9-783756-834594, online auf Google-Books abgerufen am 12. März 2024, S. 90–91.
  6. Hubertus Breuer: 150 Jahre "Entstehung der Arten" Die Universalformel. Artikel im Tagesspiegel vom 24. November 2009, online abgerufen am 11. März 2024.
  7. Maximilian Schlosshauer: "Decoherence, the Measurement Problem, and Interpretations of Quantum Mechanics", Reviews of Modern Physics 76(2004), 1267–1305. arxiv:quant-ph/0312059v4.
  8. Eduard Kaeser: Die unfassbare Fassbarkeit eines Tischs. Artikel in Neue Zürcher Zeitung vom 4. Januar 2020, online abgerufen am 11. März 2024.
  9. a b Florian Aigner: Warum wir nicht durch Wände gehen. Brandstätter, Wien 2023, ISBN 978-3-7106-0689-2, S.  162–163, 203–208.
  10. Rolf Froböse: Gott und die These von Darwin: Wer schuf den Menschen? Artikel in der Augustinus-Akademie, online abgerufen am 11. März 2024.
  11. Quantenwelt: "Unabhängig von Raum und Zeit". Artikel im Medienportal der Universität Wien vom 3. Januar 2013, [ https://medienportal.univie.ac.at/uniview/forschung/detailansicht/artikel/quantenwelt-unabhaengig-von-raum-und-zeit/?no_cache=1 online] abgerufen am 16. März 2024.