Benutzer:Jo Weber/Semmeringfenster

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Geologische Skizze der Alpen. Das Semmeringfenster liegt am östlichen Rand der Alpen direkt südlich der Nördlichen Kalkalpen im Gebiet des Ostalpinen Kristallins, es ist jedoch nicht gesondert dargestellt

Als Semmeringfenster oder Semmeringsystem bezeichnet die Geologie das Gebiet um den Semmering-Pass zwischen Niederösterreich und der Steiermark.

Skizze (lila) von Semmeringfenster und Günser Gebirge (Blau: Mürzzuschlag und Rechnitz)

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abmessungen des Fensters betragen etwa 10 x 20 km, wozu noch schmale Ost-West-Ausläufer kommen.

Gesteine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gesteine der Semmeringdecke sind vielfältig, es finden sich neben Graniten und Gneis (u.a. Zentral-, Augen- und Grobgneis) verschiedene Glimmerschiefer und anderes Kristallin, Phyllite, Quarzite, Metasedimente und Grauwacken.

Kristallin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • monotone Metapelite und -psammite („Hüllschiefer“)
  • phyllitische Glimmerschiefer und Phyllonite
    • Qurzphyllite, graubraun bis grünlichbraun, Grünschiefer-Fazies mit Hgl + Qtz + Chl +- Czo +- Tur +- Py
  • retrograde Glimmerschiefer
    • Ms-Chl-Grt-Schiefer
  • Einlagerungen großer Mengen porphyrischer Granitgneise („Grobgneis“ nach Vacek 1892) mit randlich angelagerten kleinen Gabbro-, Metagabbro- und Amphibolitkörpern
  • Vorkommen von Leukophylliten, die wirtschaftlich genutzt werden

Sedimenthülle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geologischer Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • überlagert das Wechsel-System
  • mehrer Teildecken, von unten nach oben:
    • Stuhleck-Kirchberg-Raabalpen-Decke
    • Mürz-Tachenberg-Decke
    • Roßkogel-Decke
    • Soproner Serie im Ödenburger Gebirge (Grobgneise und Metagabbroamphibolite) werden von Schuster et al. 2002 dem Semmering-System zugerechnet
  • Faltendecken mit sowohl normal als auch invers lagernden Sedimenten des Perms und des Mesozoikums und kristallinen Faltenkernen

Die Platznahme des (heutigen) Grobgneises erfolgte (nach Alfred Pahr) teilweise schon während der variszischen Gebirgsbildung.

Geologische Erforschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Deckenkerne des Semmeringfensters sind wahrscheinlich im Frühstadium der Alpenbildung am Südrand des Penninischen Ozeans entstanden. Durch die Heftigkeit und Weiträumigkeit der tektonischen Bewegungen verlaufen die Grenzen der Einheiten keineswegs parallel, wie z. B. bei der Keuper-Fazies des Semmeringfensters und dem Hauptdolomit des Tauernfensters.

Nach Siegmund Prey ist das Gebäude der unterostalpinen Semmeringdecken während der alt-alpidischen Bewegungen entstanden, doch dürften diese Verschiebungen (abgeschwächt) bis zur jungalpidischen Orogenese angehalten haben. Im Pennikum wurden daher immer nördlichere Räume überwältigt, wobei die Subduktionszone, an der der penninische Ozeanboden verzehrt worden ist, trotz wahrscheinlicher Stillstände während der höheren Oberkreide lange aktiv gewesen sein muss. Demzufolge hat in diesem Raum die langandauernde Subduktion dazu geführt, dass die geologischen Einheiten auf sehr enge Räume zusammengepresst wurden.

Geologische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Semmeringfenster stellt ein tektonisches Fenster dar, bei dem ältere Gesteine (Kristallin) der Österreichischen Zentralalpen über jüngere überschoben wurden - ähnlich wie beim Engadiner, Tauern- und Rechnitzer Fenster. Während jedoch in den Hohen Tauern die alpine Baueinheit des Penninikums freigelegt wurde, die sonst in den Westalpen in der Schweiz und Frankreich die Gipfelregion zahlreicher Dreitausender bildet, ist die geologische Situation am Semmering unterschiedlich: hier werden mehr oder minder verschürfte, aber dennoch mächtige Decken des Unterostalpin, die im Zuge der alpidischen Gebirgsbildung beträchtlich zusammengeschoben wurden, von Gesteinen des Mittelostalpins überlagert.

In letzter Zeit wird die Unterteilung in Unter-, Mittel und Oberostalpin in Frage gestellt. Dies bezieht sich unter anderem auf die Gesteine der so gennanten Stralleg-Komplexes, die zum Semmeringfenster gehören und von einigen Autoren als Teil des ursprüngliochen Unterlagers des Oberostalpins angesehen werden. Ihre Position unter dem Mittelostalpin stellt die klassische Aufteilung des Ostalpins in Frage.[1]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A.G. Angeiras: Geology of Kirchberg am Wechsel and Molz Valley Areas (Semmering Window), Lower Austria. In: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Band 110. Wien 1967, S. 217—243 (Online-Version; 2,73 MB).
  • H. P. Cornelius: Die Geologie des Mürztalgebietes (Erläuterungen zu Blatt Mürzzuschlag 1:75.000). In: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Sonderband 4. Wien 1952 (Online-Version; 4,6 MB).
  • Hans Egger et al.: Geologische Karte von Österreich 1:1.500.000. (Online-Version; pdf-Datei; 1,6 MB).
  • R. Oberhauser, F. K. Bauer: Der geologische Aufbau Österreichs. Springer, 1980, ISBN 3-211-81556-2 (Seite 73-110, 315 ff. in der Google-Buchsuche).
  • Walter J. Schmid: Einige regionaltektonische Probleme am Ostrand der Zentralalpen. In: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Band 76, 1983, S. 133—139 (Online-Version; 502 kB).
  • K. Schuster, R. Berka, E. Draganits, W. Frank & R. Schuster: Lithologien, Metamorphosegeschichte und Tektonischer Bau der Kristallinen Einheiten am Alpenostrand. In: Geologische Bundesanstalt Arbeitstagung 2001 - Neuberg an der Mürz. Beiträge. 2002, S. 29–56 (Online-Version; pdf-Datei; 4,6 MB).
  • Alexander Tollmann: Semmering und Radstädter Tauern: Ein Vergleich in Schichtfolge und Bau. In: Mitteilungen der Österreichischen Geologischen Gesellschaft. Band 50. Wien 1957, S. 325—354 (Online-Version; 1,86 MB).
  • Alexander Tollmann: Eine Serie neuer tektonischer Fenster des Wechselsystems am Ostrand der Zentralalpen. In: Mitteilungen der Österreichischen Geologischen Gesellschaft. Band 68. Wien 1978, S. 129—142 (Online-Version; 998 kB).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schuster et al., S. 30