Benutzer:MDu/Inverse Verwandtschaftsmatrix

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Als Verwandtschaftsmatrix einer Population bezeichnet man die Aufstellung sämtlicher Verwandtschaftskoeffizienten zwischen Individuen dieser Population in Matrixform. Mithilfe einer Verwandtschaftsmatrix kann ein schneller Überblick über sämtliche Verwandtschaftsverhältnisse einer Population gewonnen werden. Zudem kommt der Verwandtschaftsmatrix in der Zuchtwertschätzung eine bedeutende Rolle zu. Hier gibt sie die Varianzstruktur der zu ermittelnden Zuchtwerte vor.

Ein einfaches Beispiel liefert die Verwandtschaftsmatrix einer kleinen Familie bestehend aus einer Mutter, einem Vater und einem gemeinsamen Kind.

  • Vater und Mutter können als unverwandt angenommen werden, ihr Verwandtschaftskoeffizient ist somit 0.
  • Die Verwandtschaft zwischen einem Elternteil und dem Kind ist 0,5
  • Da keine Inzucht vorliegt, besitzen alle Familienmitglieder eine Verwandtschaft zu sich selbst von 1.

Ordnet man die Familienmitglieder in der Reihenfolge Mutter, Vater, Kind, so ergibt sich folglich die Verwandtschaftsmatrix

.

Berechnung der Verwandtschaftsmatrix

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Anstelle der einzelnen Berechnung aller Verwandtschaften mit Pfadkoeffizienten nach Fisher,

Rolle in der Zuchtwertschätzung

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Berechnung der inversen Verwandtschaftsmatrix

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In den Gleichungen des Tiermodells taucht die Verwandtschaftsmatrix nur in Form ihrer Inversen auf. Dies stellt die Aufgabe einer effizienten Inversion von . Da eine Matrizeninversion in der Regel recht aufwändig ist, stellte dies zu Beginn der modernen Zuchtwertschätzung ein Problem dar und begrenzte die praktische Anwendbarkeit des Tiermodells auf kleine Populationen.

Ein Durchbruch gelang 1976, als Charles Roy Henderson eine Zerlegung der Verwandtschaftsmatrix fand, die die Inversenbildung stark vereinfachte.

Hendersons Zerlegung

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Die Cholesky-Zerlegung der Verwandtschaftsmatrix in eine normierte untere Dreiecksmatrix und eine Diagonalmatrix wird oft auch Hendersons Zerlegung (Henderson's decomposition) genannt, da Henderson als erster ihre Bedeutung für die Inversion erkannte. Die Matrizen und Lassen eine biologische Interpretation zu.

Die Diagonalmatrix enthält die Varianzen der Mendelschen Streuungsterme. Konkret berechnet sich der Eintrag als

Hierbei bezeichnet den Inzuchtkoeffizienten des Individuums .

Die normierte untere Dreiecksmatrix gibt die Verwandtschaften zu Vorfahren in direkter Linie an. Von Bedeutung ist jedoch vor allem die einfache Struktur der inversen Matrix , welche von folgender Gestalt ist:

Die schnelle Berechnung der Inversen von ergibt sich nun aus der Zerlegung in dünnbesetzte Matrizen.

Weitere Entwicklung

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Durch die von Henderson gefundene Zerlegung wurde die Berechnung der nicht-invertierten Verwandtschaftsmatrix zum zeitkritischen Schritt in der Berechnung von . In der Berechnung von benötigt man die Diagonaleinträge von bei der Bestimmung von . Verschiedene Ansätze zur Effizienzsteigerung beruhen darauf, dass es nicht nötig ist, die gesamte Matrix zu berechnen um die Diagonalelemente zu erhalten. Die erste Veröffentlichung hierzu stammt von Richard L. Quaas aus dem Jahre 1976. In den Folgejahren beschäftigten sich zahlreiche Forscher mit der effizienten Inversion von Verwandtschaftsmatrizen (u. a. Theo Meuwissen 1992). Der derzeit effizienteste Algorithmos stammt von Mehdi Sargolzei, Hiroaki Iwaisaki und Jean-Jacques Colleau aus dem Jahr 2005.

Nicht-diploide Populationen

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Die Berechnung von Verwandtschaftsmatrizen und deren Inversen ist grundsätzlich auch für polyploide Organismen (wie z. B. viele Pflanzen) möglich. Allerdings gestalten sich die Verwandtschaftsbeziehungen bei solchen Lebensformen komplizierter als bei diploiden. Entsprechend konnte sich die moderne Zuchtwertschätzung bei diesen Organismen nur langsamer durchsetzen. Australischer Forscher beschrieben jedoch 2012 Möglichkeiten, die Verwandtschaftsmatrix auch in der Zucht dieser Lebewesen zu verwenden.[1] 2018 publizierten sie auch eine Methode zur Inversion von polyploiden Verwandtschaftsmatrizen.[2]

Die Schwierigkeit in der Verwandtschaftsberechnung bei Honigbienen liegt in der Haploidie der Drohnen, der schlechten Kontrollierbarkeit des Paarungsvorganges sowie der heterogenen genetischen Zusammensetzung des Biens, welcher die sinnvolle Einheit für Verwandtschaftsberechnungen darstellt. Eine erste Methode der praxistauglichen Verwandtschaftsberechnung für Honigbienen bei Anpaarung auf Belegstellen oder künstlicher Besamung wurde unter Kaspar Bienefeld am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf erarbeitet. Diese ließ auch bereits eine Inversenberechnung nach Henderson zu.[3] 2014 stellten die niederländischen Wissenschaftler Evert W. Brascamp und Piter Bijma eine neue Methode der Verwandtschaftsberechnung für Honigbienen vor, die dem Aufbau eines Bienenvolks aus zahlreichen untereinander verwandten Individuen besser gerecht wird.[4] 2018 wiederum zeigte eine Arbeitsgruppe aus Hohen Neuendorf auf, wie die effiziente Berechnung von auf die Verwandtschaftsberechnungen nach Brascamp und Bijma übertragen werden kann.[5]

genomische Verwandtschaftsmatrizen

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Einzelnachweise

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  1. R. J. Kerr, et al.: Use of the numerator relationship matrix in genetic analysis of autopolyploid species. In: Theor. Appl. Genet. 124. Jahrgang, Nr. 7, 2012, doi:10.1007/s00122-012-1785-y, S. 1271–1282 (springer.com).
  2. M. G. Hamilton, R. J. Kerr: Computation of the inverse additive relationship matrix for autopolyploid and multiple-ploidy populations. In: Theor. Appl. Genet. 131. Jahrgang, Nr. 4, 2018, doi:10.1007/s00122-017-3041-y, S. 851–860 (springer.com).
  3. K. Bienefeld, K. Ehrhardt, F. Reinhardt: Genetic evaluation in the honey bee considering queenand worker effects – A BLUP-Animal Model approach. In: Apidologie. 38. Jahrgang, Nr. 1, 2007, doi:10.1051/apido:2006050, S. 77–85 (apidologie.org [PDF]).
  4. E. W. Brascamp, P. Bijma: Methods to estimate breeding values in honey bees. In: Genet. Sel. Evol. 46. Jahrgang, Nr. 53, 2014, doi:10.1186/s12711-014-0053-9 (biomedcentral.com [PDF]).
  5. R. Bernstein, et al.: Computing inbreeding coefficients and the inverse numerator relationship matrix in large populations of honey bees. In: J. Anim. Breed. Genet. 135. Jahrgang, Nr. 4, 2018, doi:10.1111/jbg.12347, S. 323–332 (wiley.com).