Benutzer:Macmatrix/SzustakPaul

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Vorlage:Paul Szustak

Paul Szustak als Untersuchungsgefangener in der Untersuchungshaftanstalt Rennelberg in Braunschweig, 1948

Paul Christian Gustav Szustak (* 9. August 1906 in Wolfenbüttel; † 25. März 1978 in Wolfenbüttel), war ein deutscher SS-Hauptsturmführer, ursprünglich gelernter Kaufmann.

Er war verantwortlich für den Tod des damals 17-jährigen Juden Hans (Martin) Marburger im Rahmen einer Aktion nach der Reichspogromnacht am Vormittag des 10. November 1938 in Peine. Im Rahmen dieser Aktion wurde auch die im Jahr 1907 errichtete neue Peiner Synagoge durch Brandstiftung weitgehend zerstört.

Frühe Jahre, Zwischenkriegszeit

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Der Sohn eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter besuchte in Wolfenbüttel die katholische Volksschule bis zu seinem 14. Lebensjahr. Er hatte zwei Brüder und eine Schwester. Nach Beendigung seiner Schulzeit besuchte Szustak die Grones kaufmännische Privatschule (Handelsschule)[1] in Braunschweig für ein Jahr. Nach Abschluss seiner Ausbildung hatte er vorübergehend als kaufmännischer Angestellter in einem Manufakturwarengeschäft Beschäftigung gefunden. Im Anschluss schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten im Straßenbau, in Fabrikunternehmen und einige Zeit bei der Post als Briefträger in Wolfenbüttel durch. Im Februar 1928 trat er in die NSDAP Ortsgruppe Wolfenbüttel ein und wurde im gleichen Zeitraum auch Mitglied der SA. Bis zum Eintritt in die SS am 09.11.1931 war er „Truppenführer“ der SA.

Nationalsozialistische Diktatur

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Die Übernahme Szustaks in die SS erfolgte als SS-Mann. Im Verlauf der Zeit wurde er SS-Unterscharführer, wo er in den Stab des Abschnitts IV kam und die Stabswache mit ca. 9 Mann im Petritorwall 18 in Braunschweig übernahm, wo sich die Zentrale des SS-Abschnitts für das gesamte norddeutsche Gebiet befand. Er war damals ohne feste Beschäftigung und wurde von der SS-Führung mit kleineren Geldbeträgen zzgl. Verpflegung für den (nicht hauptamtlichen) Dienst als Sicherungskraft des Dienstgebäudes der SS vor eventuellen Überfällen und Angriffen von Angehörigen „linksgerichteter Kreise“ unterstützt. Dies bis zum 21.04.1933.

Bis Anfang Juli 1933 war er dann in gleicher Tätigkeit in München beim Abschnitt Süd beschäftigt, nachdem sein damaliger Abschnittsleiter, der spätere SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln dorthin versetzt worden war und ihn mitnahm. Wegen des Verdachts der Ermordung eines Häftlings (ein SA-Mann aus München namens Sebastian Nefzger, der dort wegen angeblicher Konspiration mit Kommunisten einsaß) im KZ Dachau in der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 1933, wurden - nach dem Krieg - am 03.12.1952 die Strafakten 3/2 K 2/48 (Staatsanwaltschaft Hildesheim) und 1 KS 29/49 (Staatsanwaltschaft Braunschweig) durch den Untersuchungsrichter Dr. Nikolaus Naaff / Landgereicht München II angefordert. Das Opfer hatte angeblich Selbstmord begangen, was nach den Ergebnissen der Autopsie jedoch in Frage gestellt wurde.

Infolge einer Rückversetzung Jeckelns nach Braunschweig folgte Szustak erneut seinem Abschnittsleiter. Hier bekam er einen Posten in der neu aufgestellten SS-Hilfspolizei, eingesetzt als SS-Unterscharführer, dies bis zum 01.09.1933. Danach trat Szustak zunächst „von der politischen Bühne ab“ (Fußnote) und nahm eine Stellung als kaufmännischer Angestellter der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) in Wolfenbüttel an, wo er bis 01.04.1934 arbeitete. Zu diesem Zeitpunkt bekam er ein Angebot für die Tätigkeit als Kriminalangestellten bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Braunschweig, die er bis zum 31.12.1937 ausführte. Er wurde hier im Dezernat für kirchliche Angelegenheiten eingesetzt, welche ihn nach eigenen Angaben nicht sonderlich interessierte, so dass er hier seine Tätigkeit beendete. Im Laufe der Zeit wurde er in der Allgemeinen SS am 30.01.1936 zum SS-Untersturmführer befördert. Hier wurde er in Folge - hauptamtlich beschäftigt - ab 01.01.1938 mit einem monatlichen Netto-Einkommen von 250 RM beim Stab SS-Oberabschnitt Mitte eingestellt. Als alleiniger Sachbearbeiter betreute er den dortigen Personalbereich bzgl. Aufnahmen und Entlassungen und ferner auch die Urlaubsanträge der SS-Angehörigen. Diese Tätigkeit übte er bis zum 30.09.1940 aus und bekleidete damals den Rang eines SS-Hauptsturmführers. Zuvor wurde er am 30.01.1938 zum Obersturmführer und dann am 30.01.1939 zum - letztendlich höchsten Rang - eines SS-Hauptsturmführers befördert.

Reichspogromnacht 1938

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Peiner Synagoge in Brand am 10. November 1938/ Foto im Schaukasten am Erinnerungsort

Von Mitte 1938 bis Sommer 1939 war Szustak ferner Führer des SS-Sturmes in Peine. Nach den von Joseph Goebbels befohlenen reichsweiten Pogromen gegen die Synagogen als Rache für das Attentat des Juden Herschel Grynszpan gegen den Legationssekretär Ernst Eduard vom Rath in Paris – ausgegeben am 07. November 1938 – begannen die Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung Peines erst am Morgen des 10. November 1938 mit einem Treffen ab 6:00 Uhr in der damaligen Polizeistation am Markt. Der Befehl zur Umsetzung weitreichender Aktionen gegen die Juden von Jeckeln, der sich bereits am 8. November wegen der Feierlichkeiten zum Putschversuch am 9. November in München befand und um 22:00 h seinen Stellvertreter in Braunschweig anrief, wurden in der Nacht von diesem nach eigener Aussage weder weitergeleitet noch durchgeführt[2], was dann eine Versetzung des Verantwortlichen, Francis Müller, zur Folge hatte. Ausgegeben war von Jeckeln, alle Juden in seinem Dienstbereich verhaften zu lassen, die Geschäfte zu zerstören und die Synagogen in Brand zu stecken. Um 00:30 h war dann zwischenzeitlich eine Anordnung Himmlers angekommen, das die SS sich nicht an der Judenverfolgung beteiligen dürfe, sie sollte sogar mit den örtlichen Polizeidienststellen den Schutz der jüdischen Geschäfte und Wohnungen vor Plünderungen übernehmen. Polizei und SS waren offenkundig an vielen Orten im Reich von den Pogromen überrascht worden, die eine Stunde, bevor man sie informiert hatten, bereits begonnen hatten.

Datei:Klassenfoto mit Hans Marburger Collage I.jpg
Klassenfoto vor der Wallschule in Peine mit Hans Marburger (dritte Reihe rechts, Nr. 29, oben rechts: vergrößerter Ausschnitt), ca. 1935

Am Vortag hatten die Peiner Polizei und SS-Verbände wegen der Erinnerung an den "Marsch auf die Feldherrenhalle" in München am 09. November 1923 ausgiebig gefeiert. Jeckeln veranlasste am Morgen des 10. November dann, dass Szustak eine „Judenaktion“ durchzuführen habe. Daraufhin rief Szustak gegen 4:00 h morgens einen SS-Mann in Peine an und gab ihm den Befehl, den stellvertretenden SS-Führer zu benachrichtigen, sich mit 10 bis 15 Mann in "Räuberzivil" - wie es damals hieß - um 7:00 h bei der Polizeidienststelle einzufinden. Mindestens 5 Peiner SS-Männer und 5-10 Braunschweiger SS-Männern – unter ihnen auch Szustak - trafen dort aufeinander.

Auf Befehl der Geheimen Staatspolizei Hildesheim waren bereits in den frühen Morgenstunden des 10. Novembers alle männlichen Juden der Stadt Peine verhaftet, zum örtlichen Amtsgericht gebracht, Haftbefehle erlassen und von dort weiter nach Hildesheim gebracht worden. Auch der 17-jährige Hans Marburger[3] war dabei zusammen mit seinem Vater inhaftiert worden, dann aber wegen seiner "schmächtigen kleinen Gestalt und seiner Jugend"[4] wieder freigelassen worden. Im Wohn- und Geschäftshaus der Familie Marburger auf dem Damm 37 erschienen am Vormittag besagte SS-Männer, die die Wohnungseinrichtung demolierten und schließlich den Sohn Hans, der seiner Mutter beistehen wollte als die SS-Leute diese in der Wohnung bedrängten, in einem Fahrzeug mit sich nahmen. Szustak behauptete, dass er den jungen Marburger nur mitgenommen habe, um in der an sich kleinen und übersichtlich gebauten Synagoge einen ortskundigen Führer zu haben. Die Einäscherung der Synagoge sollte dann nach Willen Szustak`s ohne Beteiligung von Peiner SS-Männern stattfinden, so dass er zunächst allein mit dem jungen Marburger die Synagoge betrat. Dem späteren Mitangeklagten Henze hatte er zuvor noch den Auftrag erteilt, Benzin als Brandbeschleuniger herbeizuschaffen. Szustak ließ sich - seiner eigenen Darstellung nach - allein von dem jungen Marburger die Räumlichkeiten der Synagoge zeigen und nahm dann am Eingang des Gebäudes die von Henze von einer nahegelegenen Tankstelle herbeigeschafften Kanister mit Benzin in Empfang. Als bereits weitere SS-Angehörige in die Synagoge eingedrungen waren, trafen sie auf die Ehefrau des Synagogenverwalters Laube, die im Begriff war, mit zusammengerafften Habseligkeiten das Haus zu verlassen.

Über den eigentlichen Tathergang gibt es sehr abweichende Berichte. Szustak selbst leugnete in einer ersten Vernehmung am 23.07.1948 zunächst gänzlich, sich zu besagter Zeit in Peine aufgehalten zu haben. Als in der weiteren Befragung die Ermordung von Hans Marburger angesprochen wird, führte Szustak dazu aus: "(...) und ich bleibe nach wie vor dabei, dass ich mit dieser Tat in keinem Zusammenhang stehe", und ergänzte dann noch wenig glaubwürdig: "Bemerken muss ich jedoch, dass ich einmal einen Bericht über den Synagogenbrand und über die Ermordung des Marburger auf Befehl meiner SS-Führung niederzulegen hatte. Weshalb man von mir seinerzeit die Berichterstattung verlangte, ist mir heute nicht erinnerlich." Gegenüber dem Peiner Kriminalbeamten Karl Schaubode hatte er kurz nach der Tat angegeben (so in einer späteren Zeugenaussage von besagtem) dass er den jungen Marburger "auf der Flucht erschossen habe".
Nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt, Dietrich Giffhorn, am 24.07.1948 - als die Beweislage bereits erdrückend war - widerrief er zwei Tage später seine bisherigen Aussagen und gab die Tötung des jungen Marburgers zu. In diesem Geständnis berief er sich jedoch auf Notwehr. Marburger habe ihn mit einem Küchenmesser angegriffen, als er gesehen hatte, dass er die Teppiche in Brand gesetzt habe. Er habe sich dann lediglich zur Wehr gesetzt, den Befehl, jeden Widerstand mit Waffengewalt zu brechen, umgehend umgesetzt... Erschossen wurde Hans Marburger wohl aus nächster Nähe [5], nach Zeugenaussagen mit mehreren Schüssen aus einer Mauser-Pistole, Kaliber 7,65 mm, von denen mindestens eine Kugel den Kopf des jungen Marburgers traf.[6]. Nach Aussagen vom Mitangeklagten Henze habe er hingegen nur einen Schuss gehört. Szustak habe dann "sehr aufgeregt" daneben gestanden und die dazukommenden SS-Männer mit Schweigegebote belegt. Marburger lag - mit dem Gesicht zum Boden - tödlich getroffen auf dem Vorplatz der Laubesches Wohnung, in der Nähe der Küchentür. Der Eingang zur Laubeschen Wohnung befand sich - von der Vorderseite der Synagoge aus gesehen - auf der linken Seite an der früheren Bodenstedter Straße, die später - zum Gedenken an das Opfer dieses traurigen Tages - in Hans-Marburger-Straße umbenannt wurde[7].

Nachdem die SS-Angehörigen die Synagoge verlassen hatten, verbrannte mit dem Gebäude auch die Leiche des Hans Marburger. Das Feuer wütete verheerend. Doch wie an anderen Orten auch, wurde die Peiner Feuerwehr an einer effektiven Brandbekämpfung gehindert. Im offiziellen Brandbericht ist nachzulesen, dass der Einsatz von 10:15 h morgens bis 21:30 h am gleichen Tag gedauert habe. Die Peiner Synagoge stand also den ganzen Tag über in Flammen und zog dementsprechend viele Schaulustige an. Es wurden auch heimlich einige Fotoaufnahmen der Szenerie von Anwohnern gemacht, die heute noch dem Stadtarchiv Peine vorliegen. Die Feuerwehr begründete die halbherzigen Löschversuche mit dem "stark verqualmten und durch Zufuhr frischer Luft zu großer Stärke enfachten Feuers"[8] Man beschränkte sich daher auf den Schutz der Nachbargebäude, von denen besonders das Haus Goethestr. 11 durch Funkenflug bedroht war "als in den Nachmittagsstunden der ganze Dachstuhl der Synagoge brannte". In den Prozessakten finden wir dazu noch ferner den Hinweis, dass Szustak noch vor der Aktion die Peiner Feuerwehr oder den Polzeihauptmann dazu angewiesen habe, die Feuerbekämpfung nicht zu schnell in Gang zu bringen. So gelang es, dass die Synagoge ausreichend Feuer fing und in der Folge abbrannte, ohne das sie von den Löschkräften gerettet werden konnte.[9]
Dafür spricht, dass die Feuerwehr dann tatsächlich erst 40 Minuten nach dem Alarm durch einen Nachbarn am Brandort eintraf.[10]

Gedenkstein Hans Marburger an dem Platz, wo einst die Peiner Synagoge stand

Obwohl alle Anwesenden zum Schweigen verpflichtet waren, verbreitete sich das Gerücht, dass der junge Hans Marburger in der Synagoge erschossen und verbrandt worden war, noch am selben Tag. Aus diesem Grund mussten die nicht ganz verbrannten sterblichen Überreste der Leiche noch am selben Abend beseitigt werden. "Drei Peiner Bürger legten ihn in einen eimerähnlichen Behälter und luden ihn dann in einen PKW. Einer von ihnen fuhr damit zur Rosenthaler Kanalbrücke und warf die verkohlten Überreste samt Behälter dort in den Mittellandkanal.[11] Eine genauere Bezeichung dieser "Peiner Bürger" ergab sich dann später aus dem Geständnis des Mitangeklagten Henze, dass er zusammen mit zwei weiteren SS-Angehörigen, Lerch und Ritter, und dem damaligen Leiter der freiwilligen Feuerwehr, Heinrich Habenicht, die Leichenteile beseitigt habe. Habenicht gab dann in einer späteren Befragung zu, dass er allein die Leichenteile fortgeschafft habe.

Gefangenschaft / Internierung

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Im zweiten Weltkrieg hatte Szustak 1939/1940 und dann wieder ab 1944 bei der Waffen-SS gekämpft.[12] In der Vernehmung vom 23.07.1948 führte er dazu selbst ganauer aus, dass er vom 9. Dezember 1939 bis Ende August 1940 nach einer Ausbildung in Prag und Brünn bei der Waffen-SS kurzfristig in Norwegen stationiert war, jedoch krankheitshalber entlassen wurde. Seine zweite Einberufung erfolgte dann am 1. April 1944, wo er an der Front in Italien eingesetzt wurde. Am 5. Januar 1945 geriet er dann in Gefangenschaft und kam zunächst nach Ägypten in ein dortiges englisches Kriegsgefangenenlager. Dort wurde er im September 1947 entlassen und sollte nach Deutschland ins britisch kontrollierte Munsterlager überstellt werden. Er wurde dann jedoch am 01.10.1947 ins Internierungslager Neuengamme bei Hamburg überführt, weil gegen ihn bereits ein Ermittlungsverfahren wegen der Vorkommnisse im Juli 1933 in Rieseberg am Elm und weiterer Vergehen eingeleitet worden war. Am 26. Januar 1948 wurde er dann in die Untersuchungshaftanstalt Rennelberg in Braunschweig überstellt und in Überhaft genommen. Der Haftbefehl[13] dazu wurde bereits am 16.04.1946 durch das Amtsgericht Braunschweig[14] gegen ihn erlassen. Als Begründung wurden hier folgende Straftatbestände angegeben: Verbrechen gegen §§ 47, 211, R.Str.G.B.

Nachkriegsprozesse

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Nein, ich habe ein ganz ruhiges Gewissen[15]


Prozess / Schwurgericht Hildesheim

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Parallel zu den Ermittlungen in Braunschweig bemühte sich die Staatsanwaltschaft in Hildesheim in einem weiteren Ermittlungsverfahren[16], die Brandstiftung an der Peiner Synagoge - und damit einhergehend - das Tötungsdelikt an dem Juden Hans Marburger aufzuklären. Dem ging voraus, dass im Verlauf des Jahres 1947 die Jüdische Gemeinde Hannover Überlebende dazu aufrief, Berichte über die Ereignisse des 09/10. Novembers 1938 zu liefern. Dies hatte der damals 45-jährige Albert Eichbaum, "der letzte Überlebende der jüdischen Synagogengemeinde in Peine"[17] (wie er sich selbst bezeichnete), dann auch gemacht. Er erschien "unaufgefordert" am 30. Dezember 1947 und berichtete über seine Verhaftung im Rahmen der Aktion in Peine am Morgen des 10. Novembers 1938. Zuvor hatten er und eine weitere Zeugin, Frau Hede (Hedwig) Friedmann[18], bereits am 15.06.1947 bzgl. des Aufrufs vom 11.06.1947 schriftlich über die Ereignisse am 10. November 1938 berichtet. In diesem Schreiben erwähnt Eichbaum auch, dass der ehemalige Leiter der Peiner Kriminalpolizei, Richard Schaubode, ihm "vor kurzer Zeit erzählte, dass der Täter ihm diese Tat gestanden habe, er aber gegen ihn deswegen, weil er SS Führer war, nichts unternehmen konnte."[19]
In einer späteren Zeugenbefragung führte Schaubode zu diesem Sachverhalt weiter aus, dass ihn der spätere Mitangeklagte, Werthmann, auf Nachfrage über die Geschehnisse vor der ausbrennenden Synagoge an einen "Szustack" verwies, den man um 14:00 h in der "Hagenschänke"[20], antreffen könne. Schaubode beschreibt weiter, dass er zu besagter Zeit dort eingetroffen sei und "den Betreffenden kommen ließ"...Szustak habe ihm in dem darauf folgenden kurzen Gespräch bestätigt, dass der junge Marburger unter den Trümmern liege. Er habe sich auf Nachfrage hin selbst als den Täter bezeichnet und dass er ihn "auf der Flucht erschossen habe". Diese Aussagen habe er dann später an die entsprechenden Stellen weitergeleitet, u.a. an die Staatspolizei in Hildesheim. Von dort aus habe dann der Leiter der Kriminalpolizei, Soechting, den Fall weiter bearbeitet.

Der Gestapo-Beamte, Kriminalrat Karl Soechting, geb. am 24.12.1903 in Soltau[21], habe bereits damals Paul Szustak des Mordes überführt. Die Vorgänge seien ihm aber aus der Hand genommen worden und das Verfahren kam "SS-mäßig zur Einstellung"[22]. Von der Tatsache, dass Szustak den Mord an Hans Marburger begangen hat, hätten folgende Personen direkt Kenntnis erhalten: Regierungsrat Leitzmann, Gestapo Hildesheim, Kriminalkommissar Lages, Gestapo Braunschweig und Szustaks direkter Vorgesetzter, SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln, Führer des SS Ober-Abschnitt Mitte in Braunschweig.[23] Die damaligen Vorgänge wurden gemäß des für den Fall zuständigen Kriminalpolizeilichen Inspektor Krocker der Stadtpolizei in Hildesheim, der u.a. die Zeugenbefragungen durchführte, nicht der Staatsanwaltschaft in Hildesheim zugeleitet, sondern gelangten an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD in Berlin. Wesentlich sei noch hervorzuheben, dass Szustak ein Teilgeständnis abgelegt haben soll.

Zum Zeitpunkt der Aussagen der Überlebenden wurde noch gemutmaßt, dass der Haupttäter nicht mehr am Leben und gefallen sei. Dies sollte sich jedoch bald als unwahr herausstellen. Nachdem der mit Haftbefehl des Amtgerichtes Braunschweig Gesuchte am 26.01.1948 in Untersuchungshaft genommen worden war, erging am 24.08.1948 dann auch der Haftbefehl vom Amtsgericht Peine. Mitangeklagte waren die beiden Peiner SS-Männer Friedrich Werthmann, geb. am 12.12.1900, mal beruflich als "Angestellter" mal als "Arbeiter" angegeben und Helmut Henze, geb. am 12.12.1905, Automechaniker, der auch als Szustaks Fahrer fungierte.

Am 15.03.1949 erging dann das Urteil gegen Henze, Werthmann und Szustak (Aktenzeichen 3/2 KS 2/48). Bei Szustak hatte die Staatsanwaltschaft zunächst noch auf Todesstrafe (wegen Mordes) plädiert. Dann wurde aber auf Totschlag abgestellt, "da es nicht nachweisbar ist, ob der Angeklagte aus Überlegung oder in einem `Zerstörungsrausch`gehandelt hat"[24]. Das Gerichtsverfahren endete für Szustak im Urteilsspruch mit folgendem Strafmaß: Lebenslängliche Zuchthausstrafe und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Für den Mitangeklagten Henze: 9 Monate Zuchthausstrafe und für Werthmann: 6 Monate Gefängnis.

Gegen das Urteil vom 15.03.1949 wurde dann zeitnah vom Braunschweiger Rechtsanwalt Dietrich Giffhorn mittels Einschreiben am 17.03.1949 das Rechtsmittel der Revision eingelegt. Die Rechtsanwälte der Angeklagten Henze und Werthmann hatten ebenso Revision eingelegt, wie auch die Staatsanwaltschaft. Vom Revisionsgericht, des Oberlandesgerichts Celle, wurde die Revision dann am 13.03.1950 auf Kosten des Angeklagten verworfen, so dass das Urteil gegen Szustak damit rechtskräftig wurde. Im Fall der Mitangeklagten wurde eine erneute Verhandlung vor dem Schwurgericht Hildesheim anberaumt. Das Gericht schloß sich hier der Auffassung der Anklagebehörde an und verurteilte Henze zu einem Jahr und Werthmann zu nun Monaten Gefängnis. Das Urteil ging über die in erster Instanz erkannte Strafe hinaus, weil die neue Verhandlung statt des einfachen einen schweren Landfriedensbruch ergab. Für Henze galt die erkannte Strafe durch die erlittene zweieinhalbjährige Internierungshaft, in die er wegen der Peiner Vorfälle gekommen war, als verbüßt.[25]

Prozess / Schwurgericht Braunschweig "Riesebergmorde"

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Ich kenne keinen Ort, der Rieseberg heißt oder war nie in einem solchen


Grab- und Gedenkstätte für die Riesebergopfer (1933) auf dem Braunschweiger Hauptfriedhof

Mit Haftbefehl vom 16. April 1946 wurde nach den Verdächtigen gefahndet.
Am 13.06.1950 begann der Prozess unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Lüttig (Aktenzeichen 1 KS 29/49) gegen den früheren Regierungsamtmann Peter Behrens, den Angestellten Albert Adler, den Landwirt Reinhard Krügel und den Angestellten Paul Szustak wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Das Verfahren gegen den Mitangeklagten früheren Kriminalsekrtär Hermann Meyer musste eingestellt werden, da dieser zu dieser Zeit flüchtig war. Die vier Angeklagten wurden beschuldigt, im Jahre 1933 und 1934 Andersdenkende aus politischen und rassistischen Gründen verfolgt und misshandelt zu haben.[26] Szustak hatte während des gesamten Prozesses steif behauptet, dass er nie in Rieseberg gewesen sei. Die Beweislage gegen ihn in Bezug auf seine Beteiligung an den Riesebergmorden war dürftig. Seine spätere Ehefrau, Else Minna Johanne Szustak, geb. Samse, hatte ihm bescheinigt, dass sie die fragliche Nacht gemeinsam verbracht hätten. Abgesehen von den ihn belastenden Aussagen Meyers und Adlers konnte die Anklageschrift lediglich anführen, dass er zu den "besonderen Vertrauten Jeckelns" gehört hatte und ein "fanatischer Nationalsozialist und ein eingeschworener Kommunistengegner gewesen war.[27]

In Bezug auf Szustak hielt das Schwurgericht eine Beteiligung an den Riesebergmorden nicht für erwiesen. Die Aussage seiner späteren Ehefrau Else [28], dass sie nach der Beerdigung Gerhard Landmanns, gemeinsam mit ihm nach Wolfenbüttel in ihre gemeinsame Wohnung gefahren sei und beide dort die Nacht verbracht hätten, sei glaubhaft.[29] Ferner rechtfertigten das enge Verhältnis zu Jeckeln und das er bereits wegen Totschlags an dem Juden Marbuger zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden ist zwingend einen Schluss auf die Teilnahme an den Riesebergmorden ebensowenig wie die von ihm selbst zugegeben Tatsache, dass er 1933 ein "Kommunistenhasser" war.

Es waren aber alle Angeklagten an der Errichtung der nazistischen Willkürherrschaft 1933 im Lande Braunschweig beteiligt gewesen und im Riesebergprozess noch wegen weiterer NS-Verbrechen angeklagt. Szustak war nach Ansicht des Schwurgerichts ein fanatischer Nationalsozialist gewesen, der seine politischen Gegner unbarmherzig und gnadenlos verfolgt hatte. Er war seiner Zeit von Jeckeln mit großen Machtbefugnissen ausgestattet gewesen, um die Verfolgung politischer Gegener durchzuführen. Die von ihm praktizierten Foltermethoden hätten seine Opfer in unmittelbare Lebensgefahr gebracht und ihnen n einer Reihe von Fällen auch schwere leibliche und seelische Schädern zugefügt. Das Schwurgericht verurteilte Szustak entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft wegen einfacher bzw. erschwerter Freiheitsberaubung im Amt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Amt und Aussageerpressung in 24 Fällen sowie wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung in 5 weiteren Fällen zu zehn Jahren Zuchthaus und zu zehn Jahren Ehrverlust.[30]

Gegen dieses Urteil legten die Beschuldigten Albert Adler, der Szustak im Riesebergprozess noch maßgeblich belastet hatte, und Paul Szustak durch ihre Rechtsbeistände Revision ein, so dass sich der damals noch in Berlin ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshof mit der Überprüfung des Urteils des Schwurgerichts Braunschweig vom 22. Juli 1952 befassen musste. Im Ergebnis wurde am 15. Mai 1952 das Urteil im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass die Verurteilung wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit entfiel. Das Urteil wurde ferner dahingehend ergänzt, dass die Angeklagten in den Fällen der Anklage, wegen derer sie nicht verurteilt wurden, freigesprochen worden sind. Im Übrigen wurde die Revision beider Angeklagter verworfen.[31]
Die Sache wurde dann zur neuen Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch sowie über die Kosten der Revision an das Schwurgericht Braunschweig zurückverwiesen. Im Ergebnis erhielten Adler und Szustak dann am 03. Oktober 1952 gemäß rechtskräftigem Urteil vom Schwurgericht Braunschweig je eine 10-jährige Zuchthausstrafe.

Zeiten der Haft

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Seit 1952 wurde Szustak von dem Rechtsanwalt Otto Robert Kamm vertreten. Am 24.08.1953 wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens durch Kamm gestellt. Szustak konnte sich - nachdem er rechtskräftig verurteilt war - nunmehr entsinnen, dass er bereits 1938/1939 vor dem Landgericht Braunschweig auf Grund von Notwehr freigesprochen worden war. Das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) - ein grundlegendes Prinzip eines rechtsstaatlichen Strafrechtes - wurde demnach hier ins Feld geführt. Daraufhin wurden vom zuständigen Gericht zahlreiche Anfragen gestellt, weitere Zeugenvernehmungen vorgenommen. Am Landgericht Braunschweig wurden hingegen große Teile des Registers, welches darüber Aufschluß gegeben hätte, durch Feindeinwirkungen zerstört (verbrannt). Befragte Richter konnten sich nach etwa 15 Jahren nicht an einen solchen Fall erinnern bzw. stellten in Abrede, dass ein solcher vor dem Landgericht Brauinschweig je verhandelt wurde. Am 27.04.1954 erfolgte dann eine entsprechende ausführliche Erklärung zum Wiederaufnahmegesuch. Als ausschlaggebend können hier die Aussagen der Schwester Szustaks, Anneliese Busch, und deren Ehemann angesehen werden. Sie machte am 30.09.1953 entsprechende Aussagen bei der Landeskriminalpolizei/ Nebenstelle Wolfenbüttel, dass sie von ihrem Bruder aus dem Wartegau, wo sich seine Familie zeitweise aufhielt, da er dort - bei seinem Bruder - in Lesslau als kaufmännischer Betriebsleiter in dessen Marmeladen- und Süßwarenfabrik gearbeitet hatte, einige Kisten nach Wolfenbüttel zugeschickt bekam, um sie dort einzulagern, da die Front und somit die rote Armee immer näher rückte. Dieses Vorgehen sei zuvor so abgesprochen gewesen. Sie hätten die Kisten zunächst eingelagert und dann - gemeinsam mit ihrem Ehemann - erstmals geöffnet, als die Amerikaner bereits in Wolfenbüttel waren. Sie hätten die Kisten durchgesehen und alles verbrannt, was mit NSDAP zu tun gehabt habe. Bei der Durchsicht sei dann ihrem Ehemann eine Urteilsschrift in die Hände gefallen, die er und sie - nur oberflächlich - gelesen haben. Darin stand, dass ihr Bruder wegen "der Erschießung des Marburger auf der Flucht freigesprochen ist". Dieses Schriftstück bestünde aus mehreren Schreibmaschinenseiten. Nachdem ihr Ehemann diese noch einmal gelesen hatte wurden sie schlußendlich auch mit verbrannt. An der Verhandlung vor dem Schwurgericht in Hildesheim habe sie als Zuhörerin teilgenommen. Hier habe sie dann gehört, dass ihr Bruder den Marburger in Notwehr erschossen haben wollte. Dies sei der Grund gewesen, warum sie zu diesem Zeitpunkt nichts von der Entdeckung gesagt habe.Sie wollte ihrem Bruder in dessen Aussage nicht in den Rücken fallen...[32] Doch all diese hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts recht fragwürdigen Aussagen führten letztlich ins Leere: Am 14.07.1955 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Beschluss als unbegründet verworfen.

Bereits in der Untersuchungshaft - vor den eigentlichen Verurteilungen durch die Schwurgerichte in Hildesheim sowie in Braunschweig - hatte Szustak immer wieder seiner Ehefrau Else Nachrichten (Briefe) aus dem Gefängnis auf verschiedenen Wegen zukommen lassen, um an Tabak und anderes für ihn notwendige zu gelangen. Auch ein Ausbruchsvorhaben ist dabei dokumentiert. Es wurde ein Kassiber abgefangen, in dem Szustak seiner Frau von der "Hedwig-Sache" schreibt: "Leider komme ich vorläufig nicht auf Außenarbeit, so daß aus der Hedw.-Sache ?? nichts werden kann. Vielleicht bietet sich ein anderes Mal die Gelegenheit. Aufgegeben habe ich es noch nicht und werde jede Gelegenheit ausnutzen." Nach längerer Vernehmung gab Szustak dann zu, mit der "Hedwig-Sache" eine beabsichtigte Flucht nach Hedwigsburg bei Wolfenbüttel gemeint zu haben. Dieser Umstand wurde mit Schreiben vom 02.03.1949 an den Untersuchungsrichter Jordan in Braunschweig weitergeleitet. Es seien bereits "Anordnungen getroffen worden, die die Möglichkeit eines Hereinschmuggelns von Tabak oder Briefen unmöglich machten".[33]

Dem anfänglichen Aktionismus in den ersten Jahren der Haftverbüßung folgte dann später eher Resignation. Nach fünfzehn "langen schweren" Jahren in Kriegsgefangenschaft, Internierung und Strafhaft wird dies in einem Gesuch auf Sonderurlaub vom Februar 1959 deutlich, wenn Szustak darin zu Papier bringt: "Seit langen langen Jahren habe ich immer wieder aufgrund der bei mir vorherrschenden fatalen Nervosität gegen mir aufkommende Selbstmordabsichten schwer zu kämpfen. Tag und Nacht sind meine Gedanken bei meiner Frau und meinen Kindern (...)"

Erlaß im Gnadenwege

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Am 13.11.1956 erfolgte der Erlaß im Gnadenwege des damaligen Niedersächischen Ministerpräsidenten in Hannover, Heinrich Hellwege, Mitglied der rechtsgerichteten DP. Darin wurde die gegen Szustak erkannte lebenslange Zuchthausstrafe in eine zeitige Zuchthausstrafe von 10 Jahren umgewandelt. Zugleich wurde ihm im Auftrag des damaligen Niedersächsischen Ministers der Justiz, (Arvid von Nottbeck, FDP), mitgeteilt, dass beabsichtig war, "in 2 bis 3 Jahren zu prüfen, ob die in den Sachen 3/2 Ks 2/48 StA Hildesheim und 1 Ks 29/49 StA Braunschweig dann noch bestehenden Strafreste bedingt ausgesetzt werden können"[34].

Trotz dieses Erlasses versuchte Szustak mit 2 weiteren Anträgen, das gegen ihn verhängte Strafmaß noch weiter herabzusetzen. Dazu reichte er am 17.02.1957 weitere Anträge beim zuständigen Gericht ein. Zum einen beantragte er die Rückgängigmachung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im Wege des Gnadenaktes. Zum anderen die Zusammenlegung der beiden Haftstrafen von je 10 Jahren Zuchthaus zu einer Gesamtstrafe von insgesamt 10 Jahren. Bereits am 16.03.1957 folgte dann postwendend der Antrag auf Zurückweisung durch den Oberstaatsanwalt an das LG Hildesheim. Am 10.07.1957 wurde dann schlußendlich der Antrag des Angeklagten vom LG Hildesheim zurückgewiesen.

Zeiten nach der Haft

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Das offizielle Strafende war zunächst datiert auf den 12.03.1960 (24:00 h). Durch den Vorstand der Strafanstalt Celle, in die Szustak ab 01.06.1955 von der Strafanstalt Hameln zur weiteren Strafverbüßung überstellt worden war, wurde er am 30.07.1959 über seine vorgezogene Entlassung in Bezug auf die mit dem Gnadenerlass vom 17.07.1959 verbundenen Erlass der Reststrafe am nächsten Tage informiert.[35]
Über die Zeit nach der Haft ist nur wenig bekannt. Szustak lebte hier wahrscheinlich bewusst unauffällig - wie so viele in dieser Zeit, die über alles Vergangene nicht mehr reden und nachdenken wollten. Da die Restzeit zur Bewährung ausgesetzt war, musste er sich in den Jahren nach der Haftentlassung auch unauffällig zeigen.
In einem Schreiben vom Ordnungsamt der Stadt Wolfenbüttel vom 23. Juli 1963 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hildesheim (Eingang hier: 27. Juli 1963) wird bestätigt, dass Szustak bereits seit dem 1. Februar 1960 bei der Firma Gebrüder Jürgens in Braunschweig Bienenrode als Lagerarbeiter beschäftigt war. Hier heißt es: "Er verrichtet seine Arbeit regelmäßig und sorgt für seine Ehefrau. Im Hause wird er als fleißiger und ruhiger Mensch geschätzt. Erneute Strafen sind hier nicht vermerkt. Es ist anzunehmen, daß S. in Zukunft ein gesetzmäßiges und ordentliches Leben führen wird. Ein Erlaß der Strafe auf dem Gnadenweg kann von hier aus empfohlen werden."[36]
In einem Bericht des Polizeireviers Wolfenbüttel vom 20.03.1965 heißt es später, er lebe mit seiner Ehefrau und seiner 29-jährigen Tochter vor Ort in "geordneten Verhältnissen". Nachteiliges sei hier über ihn nicht bekannt geworden. In diesem Bericht wird als Tätigkeit bei der bereits genannten Firma "kaufmännischer Angestellter/ Lageristenanwärter" angegeben. Deutlich wird aus diesem Bericht noch, dass Szustak mit Rücksicht auf die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte die Kriegsgefangenenentschädigung verweigert wurde.

Hat er seine menschenverachtenden Taten je bereut ?
In seinem Gnadenheft ist - zumindest als Einschätzung dazu von den ihn Beurteilenden - u.a. zu lesen: "(...) Der Gefangene (scheint) von tiefster Reue erfüllt zu sein und weil er sich mit Gewissensnöten quält, ...wobei er sich immer wieder die Frage vorlegt, welche Motive ihn dazu bewegt haben mögen, den tödlichen Schuss auf den jungen Marburger abzugeben."[37]

Paul Szustak ist laut Standesamtregister der Stadt Wolfenbüttel am 25. März 1978 in Wolfenbüttel[38] verstorben[39] Er hat sein 17-jähriges Opfer, den jungen Hans Marburger, um 54 Jahre überlebt.

Schicksal der Familie Marburger

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Über das weitere Schicksal der Familie Marburger ist wenig bekannt. Nach einem Eintrag im Landesarchiv Hannover starb die Schwester Hans Marburgers, Lotte, bereits am 8. August 1938 im Alter von nur 24 Jahren in Breslau. Die gemeinsame Mutter, Rosa, am 4. Juli 1888 im hessischen Treysa unter dem Namen Moses geboren, kam am 20. Mai 1942 in einem Lager in Warschau zu Tode. Der Vater, Herrmann Marburger, geboren am 19. April 1883 in Bad Laasphe (Nordrhein-Westfalen) starb am 8. Mai 1945 in einem Internierungslager.

Stolpersteine Familie Marburger am Wohn- und Geschäftshaus Damm 37 in Peine
  • Sohn, Werner: Im Spiegel der Nachkriegsprozesse, Die Errichtung der NS-Herrschaft im Freistaat Braunschweig, Hrsg.: Arbeitskreis andere Geschichte e.V., Braunschweig 2003.
  • Oehl, Alfred: Der Massenmord in Rieseberg 1933, Hrsg.: DGB-Kreis Braunschweig-Wolfenbüttel, 1. Aufl., Braunschweig 1981.
  • Bein, Reinhard: Hitlers Braunschweiger Personal, 2. Aufl., Braunschweig 2017.
  • Bein, Reinhard (Hg.): Juden in Braunschweig 1900–1945, Materialien zur Landesgeschichte, 2. Aufl., Braunschweig 1988.
  • Bein, Reinhard (Hg.): Im deutschen Lande marschieren wir, Materialien zur Landesgeschichte, zusammengestellt für die Ausstellung "Braunschweig 1930 - 1945" des Gymnasiums Neue Oberschule, 5. geänderte u. erweiterte Aufl., Braunschweig.
  • Gehrke, Robert: Aus Braunschweigs dunkelsten Tagen - Der Rieseberg Massenmord - Über den Widerstand im ehemaligen Freistaat Braunschweig 1933 - 1945, 1. Aufl., Braunschweig 1961.
  • Kuessner, Dietrich: Pogromnacht im Braunschweiger Land (Vortrag im November 1988), in: Vom Antisemitismus zur Reichspogromnacht, Hrsg. v. Volkshochschule Salzgitter, Arbeitskreis Stadtgeschichte, Bildungsverein Arbeit und Leben, Salzgitter 1988.
  • Binner, Jens (Hg.): Die jüdische Gemeinde in Peine vom Mittelalter bis 1942, Schriftenreihe des Kreisheimatbundes e.V., Band VI, Peine 2009.
  • Mau, Bernd-Detlef; Schikora, Christiane: Die Geschichte der Peiner Juden unter besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1933 - 1945, Peine 1979.
  • Reinowski, Hans (1933): Aus dem ersten Quartal der Hitlerherrschaft. Terror in Braunschweig. Zürich.
  • Wysocki, Gerd: Die Geheime Staatspolizei im Land Braunschweig, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1997.
  • Biegel, Gerd: Im Braunschweiger Land 1933. NS-Terror (!) und Widerstand (?), Braunschweig 2009.


Einzelnnachweise

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  1. Anm.: Paul Szustak machte ironischerweise seinen beruflichen Abschluss zum Kaufmann an einer Privatschule, bei der die Frau des Gründers Heinrich Grone, Frau Helmine Grone, selbst jüdischen Glaubens war, vgl. Bein, Reinhard: Juden in Braunschweig 1900 - 1945, Seite 77.
  2. Gem. Vernehmungsprotokoll vom 09.10.1953
  3. geb. am 28.05.1921 in Peine
  4. NLA Hannover Nds. 721 Hildesheim Acc. 106/80 Nr. 14, S. 10, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  5. geschätzt aus 4-6 Metern
  6. So berichtet von dem Historiker Dr. Jens Binner auf einem Stadtrundgang zu den Ereignisse der Reichspogromnacht in Peine am 07.11.2021 in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis andere Geschichte e.V., Braunschweig und dem Kreisheimatbund e.V., Peine (KHP)
  7. Dies nach 1978, das geht aus einem Schreiben des Städtischen Rats Rathje (Rechtsamt Stadt Peine) an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hildesheim vom 20.11.1978 hervor, eingesehen in den Prozessakten, Stadtarchiv Peine
  8. Erstmaliger Abdruck des Brandberichts in "150 Jahre freiwillige Feuerwehr in Peine-Kernstadt 1852-2002", in: Binner, Jens (Hg.): Die jüdische Gemeinde in Peine vom Mittelalter bis 1942, Peine 2009
  9. Polizeibericht der Abläufe am 10.11.1938, Seite 11, in: NLA Hannover Nds. 721 Hildesheim Acc. 106/80 Nr. 15, S. 163, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  10. so beschrieben in: Mau, Bernd-Detlef; Schikora, Christiane: Die Geschichte der Peiner Juden unter besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1933 - 1945, Peine 1979, S.65
  11. vgl. dazu die Schilderungen in: Mau, Bernd-Detlef; Schikora, Christiane: Die Geschichte der Peiner Juden unter besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1933 - 1945, Peine 1979, S. 65
  12. NLA WO, 62 Nds. Fb.2, Nr. 1443, Bl. 105 f.
  13. 7 Gs 362/46
  14. NLA WO, 62 Nds, Fb.2, Nr. 1422/2 II
  15. aus einer Aussage der Schwester, Anneliese Busch (geb. Szustak), geb. am 13.04.1905 in Wolfenbüttel, vom 30.09.1953 bei der Landeskriminalpolizei, Nebenstelle Wolfenbüttel, als Antwort auf die Frage nach seiner Beteiligung, in: NLA Hannover Nds. 721, Hildesheim Acc. 106/80 Nr. 15, S.90, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  16. AZ 2 Js. 2388/47
  17. Protokoll der Kriminalpolizei in Peine vom 30.12.1947, in: NLA Hannover 721 Hildesheim Acc. 106/80 Nr. 14, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  18. Witwe des Kaufmanns Albert Friedmann, die nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten nicht als Jüdin galt und deshalb nicht - wie ihr Ehemann - in den Tod deportiert wurde
  19. Abschrift des Schreibens vom 15.06.1947 an die Jüdische Gemeinde Hannover in: NLA Hannover 721 Hildesheim Acc. 106/80, Nr. 14, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  20. Hagenmarkt 25, Büro der NSDAP in Peine und Treffpunkt der "Parteigenossen"
  21. nach dem Krieg wurde Soechting durch die Briten nach Belgrad ausgeliefert, wo er sich wegen Mordes verantworten musste und hier am 14.11.1947 exekutiert wurde
  22. vgl. NLA Hannover 721 Hildesheim Acc. 106/80 Nr. 15, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  23. Die beiden letztgenannten werden explizit in folgendem Buch dargestellt: Bein, Reinhard: Hitlers Braunschweiger Personal, 2. Aufl. , Braunschweig 2017
  24. So beschrieben in: Hannoversche Presse vom 17.03.1949, "Lebenslänglich für Synagogenbrandstifter" - Die "Kristallnacht" von Peine wurde gesühnt
  25. in: Hildesheimer Allgmeine Zeitung (HAZ) vom 06.07.1950, 5. Jahrg. Nr. 153
  26. Braunschweiger Zeitung vom 14. Juni 1950, Aus den Deutschen Ländern, Der Riesberg-Mord-Prozeß begann
  27. NLA WO, 62 Nds Fb. 2, Nr. 1441, Bl. 27 a, in: Sohn, Werner: Im Spiegel der Nachkriegsprozesse, S.166
  28. Die Eheschließung fand gem. standesamtlicher Beurkundung am 3. März 1934 statt, vgl.: NLA 10 Kb, Zf. 2015/507 Nr.2
  29. NLA WO, 62 Nds Fb.2, Nr. 1443, Bl. 183, in: Sohn, Werner: Im Spiegel der Nachkriegsprozesse, S.170
  30. NLA WO, 62 Nds, Fb.2, Nr. 1443, Bl. 243, in: Sohn, Werner: Im Spiegel der Nachkriegsprozesse, S.175
  31. 5 StR 21/52, in NLA Hannover Nds. 171, Nr. 37695, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  32. vgl. NLA Hannover 721 Hildesheim Acc. 106/80 Nr. 16, eingesehen in: Stadtarchiv Peine
  33. in: NLA WO, 62 Nds, Fb 2, Nr. 1422, 39, Blatt 31 (Notiz) und 32 (Abschrift des Briefes, 1422/40)
  34. NLA WO, 62 Nds., Fb. 2, Nr. 1467/21, Blatt 19
  35. NLA WO, 62 Nds, Fb. 2, Nr. 1467/47
  36. Stadt Wolfenbüttel - Ordnungsamt - 320/3219/Br. in: NLA Hannover Nds. 721 Hildesheim Acc. 106/80 Nr.17
  37. Blatt 5, 5 R. Gnadenheft
  38. In seiner Wohnung, Am Kurzen Holze 3, um 04:30 h
  39. 10 Kb Zg. 2019/505 Nr. 8