Benutzer:Richardiberg/Elfriede Elisabeth Schlichter

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Elfriede Elisabeth Schlichter, geb. Koehler, genannt „Speedy" (* 1. September 1902 in Genf; † 3. März 1975 in München) ist eine schweizerische Schauspielerin und Kokotte, Ehefrau und Muse des Künstlers Rudolf Schlichter [1]

Nach dem Studium in Genf soll sie sich in den französischen Kolonien aufgehalten haben. Mitte der 1920er Jahre ging sie nach Dresden, um dort ihre Deutschkenntnisse aufzubessern, danach führte sie ihr Weg nach Berlin. Hier fungierte als Statistin in UFA-Filmen, inszenierte sich als Femme fatale, die Zigarren raucht und verdingte sich als Gelegenheitsprostituierte („Stiefel-Mädchen“). Sie kannte das allgegenwärtige Spiel von Kaufen und Verkaufen aus der Filmbranche, wo die Devise galt: Regisseur und Inspizient, Spieleleiter und Agent prüfen vorher das Talent. 1927 begegnete Rudolf Schlichter der temperamentvollen Schweizerin. Ihren Sprachduktus fand er hinreißend : ( „Eh bien, da aben wir ́eute ́ ohen Besuch, Mon Dieu?“) Die Art ihres Auftretens und die Anziehungskraft ihres Äußeren - besonders ihre auffälligen Stiefel – bestrickten ihn als [[sexuellen Fetischisten. Er nannte sie die „schönste Frau von Berlin“. Koehler avancierte im Kreis der Künstler um Schlichter alsbald zum Mittelpunkt, wie sie da saß mit ihren Knopfstiefeln aus feinstem Leder, die ihre Beine umschlossen wie Glacéhandschuhe. In der Folgezeit stieg sie stieg „dieses blonde, bockige Ding mit den frechen, wasserblauen Augen und dem losen Mundwerk“ als Gefährtin des Künstlers zur „Königin der Kunstszene Berlins“ auf. Nach einer Filmfigur von Schlichter „Speedy“ genannt, war sie ihm Muse und Versucherin, Modell und Domina in einem. In zahlreichen Zeichnungen, Aquarellen und Gemälden hat er sie als femme fatale dargestellt. Die beiden heirateten 1929. George Grosz war Trauzeuge. Speedy besaß einen kleinen Kreis von Liebhabern. Zu ihnen bestand eine gleichsam feste Beziehung, „eine eigene Welt mit eigenem Codex“. Speedy war nicht „käuflich“. Ganz anders: Sie vergab ihre Gunst. Nicht der zahlungskräftige Kunde wählte aus. Sie wählte aus, bestimmte, wer zu ihr kommen durfte, entschied über die Dauer der Beziehung – und den Preis. Zu ihren Günstlingen zählten der Journalist und Theaterkritiker Richard Masseck, der Dichter Ernst von Salomon, die Juristen Otto Blessing und Dieter Sekler.

Schlichter duldete das. Er tolerierte all die zahlungskräftigen Freier, die devot zu ihren Füßen knieten, um an ihren hohen Stiefeln Genugtuung zu erlangen. Im Gegenzug ließ sich der Maler alles detailliert schildern, was seine Schaffenskraft, seine Motiv- und Themenwahl inspirierte. Zu beider Vorteil: Die Finanzierung des mit hohen Kosten verbundenen extravaganten Salons war gesichert. In den frühen 1930er Jahren vollzog sich unter Speedys Einfluss ein radikaler Gesinnungswandel bei Schlichter. (»geistige Wandlung und Umkehr«). Er begann sich aus dem politisch links orientierten Milieu Berlins zurückzuziehen, mit dem Kommunismus zu brechen und sich dem Nationalismus zuzuwenden. 1932 zog das Paar von der pulsierenden Metropole Berlin in die beschauliche schwäbische Bischofsstadt Rottenburg am Neckar. Damit verband Schlichter die Hoffnung auf einen künstlerischen Neuanfang. Er begann, sich akademischen Naturstudien und Porträts zu widmen, wobei die realistische Darstellung der schwäbischen Landschaft in den Mittelpunkt rückte. Speedy zeichnete er jetzt als bürgerliche Frau, mit hochgeschlossener Bluse und modischem Hut. Nur die üppigen Blumenranken im Hintergrund gaben etwas von ihrem Charakter preis. Doch der Lebensstil des Paares passte nicht in die Provinz. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich von seinen homosexuellen und transsexuellen Verirrungen. Seine Obsession als Schuhfetischist und ihre Promiskuität wurden publik. Über all die Gewaltfantasien, diesado-masochistischen Rollenspiele, die nicht alltägliche Beziehung zu seiner Frau – darüber zerriss man sich in Rottenburg, aber auch in Stuttgart und Berlin förmlich das Maul. Auch wurde Speedy als "Ausländerin" bedroht. 1936 erfolgte der Umzug nach Stuttgart, doch auch hier blieben sie im Fokus der NS-Obrigkeit. Ihr Lebensstil ließ sie in der Folgezeit noch tiefer in Konflikt mit der NS-Kulturpolitik geraten: Schlichter wurde angeklagt und der Zuhälterei für schuldig befunden. Er verbrachte zwei Monate in Haft. Nach der Freilassung zog das Paar 1939 nach München, wo Schlichters Atelier und die gemeinsame Wohnung 1942 ausgebombt werden. 1946 erschienen mehrfach Gedichte von Speedy in der Zeitschrift "Der Zwiebelfisch", 1947 veröffentlichte sie bei Weber in München ihren Roman "Polyphem". Nach dem Tod ihres Ehemanns 1955 lebte sie in einfachen Verhältnissen von der Verwaltung seines Nachlasses und von Französischunterricht. Elisabeth Schlichter starb am 3. März 1975 in München.

Beschreibung ihrer Beziehung zu Schlichter

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Für Schlichter war Speedy die Frau seines Lebens. Mit ihr verband ihn die bizarr anmutende Leidenschaft für geknöpfte Stiefel, Fesseln und masochistische Spiele. Die aufgestaute Spannung Schlichters ließ sich nur mit dieser Frau, nur mit Speedy, zähmen. Der Masochist Schlichter braucht sie– um die Bilder, Zeichnungen und Graphiken erschaffen zu können, die sein Ouevre prägten. Was sich in dieser Verbindung abspielte zwischen herrischer Geste, hündischer Ergebenheit und selbstquälerischer Pein, überschritt scheinbar alles, was Wörter und Sätze ausdrücken können. Aber da war die noch größere, ganz andere Sprache, die solchen Empfindungen Zeugnis geben konnte: Die Sprache des Bildes. Hier war Rudolf Schlichter ein Meister, der es verstand, das Unsagbare in Gemälden, Zeichnungen und druckgraphischen Blättern künstlerisch zu Papier zu bringen.

In Speedy hatte er seine "Domina mea" gefunden als die sie auch in seinem Werk erschien - die jedoch bald zu einer rein geistigen Beziehung mutierte. Das Paar bildete eine Zweckgemeinschaft; es verständigte sich auf eine Josephsehe ohne geschlechtliche Vereinigung. Vereint waren sie in anderer Sache: Gemeinsam schufen sie das gehobene Umfeld, in dem Speedy ihren Körper an zahlungskräftige Liebhaber verkaufte.

Literarische Dokumente

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  • Seine stürmische Beziehung zu „Speedy“ enthüllte Schlichter 1931 im Tatsachen-Roman „Zwischenwelt“, in dem er seine masochistische Veranlagung verarbeitete und seinen Damenstiefel-Obsession schilderte. So berichtet er von der Bestellung eines Stiefelpaares für seine Frau:

»Mit einer hastigen linkischen Bewegung fuhr er in seine Taschen, kramte umständlich darin und zog endlich zum heimlichen Gaudium der Angestellten eine Anzahl bekritzelter Zettel heraus, auf denen die Form des Stiefels, Vorder- und Seitenansicht, die Form des Absatzes, der Knöpfe, des Schaftes usw. genau aufgezeichnet waren«  (in: Rudolf Schlichter: Zwischenwelt. Ein Intermezzo, Berlin 1931).

  • Bei einem gemeinsamen Besuch in Schlichters Geburtsstadt Calw, traf das Paar den Turmuhrenbauer Heinrich Perrot, der später die Begegnung umriss:

„Im August 1929 tauchte er in der Werkstatt auf, gefolgt von einem Wesen, einem tollen Weib, das seine Frau sein musste. Die sonst eher dunkle Werkstatt wurde mit einem Paukenschlag taghell! Prima vista, dachte ich, das ist ja ein phantastischer Schmetterling, der sich hierher verirrt hat. Unter dem weißen Hut kräuselten sich rote Haare, sündig-rote Haare. Mir war so, als ob der vertraute Lärm der Werkstatt plötzlich verstummt sei. Die Räder schienen stillzustehen. Der Schmetterling hatte sich mitnichten verirrt. Weder flatterte er vor Angst, noch fürchtete er sich, gefangen genommen und etwa aufgespießt zu werden. Diese Frau stand da mit einer unglaublichen, selbstsicheren Gelassenheit - superb - , die ich noch nie bei irgendeiner im Leben je gesehen hatte. Das Verrückte war, dass sie es wusste. Sie kannte ihre Magie, wusste, dass alle von ihr angezogen, auf sie zufliegen würden. Schlichter stand hinter ihr und lachte .. Offengesagt, ich schaute sie gar nicht an, sondern meine Augen waren schüchtern auf den Boden gedreht und nahmen so nebenbei, verhohlen, zwei schwarze, auf Hochglanz polierte Knopfstiefel wahr, die spitz zuliefen und bleistiftdünne Absätze besaßen. Von unten nach oben hinaufschielend, erfasste ich allmählich die ganze Gestalt. Sie mag dreißig Jahre alt sein, rechnete ich. Wirklich, alles an dieser Frau, vom kleinen Zeh bis hinauf zum Scheitel, hatte Rasse.“

  • Florian Havemann hat in seinem 2019 erschienenen Künstlerroman „Speedy“ dieser besonderen ehelichen Beziehung ein literarisches Denkmal gesetzt.



  • [1], abgerufen am 01. November 2022
  • [2], abgerufen am 01. November 2022
  • [3], abgerufen am 01. November 2022
  • [4], abgerufen am 01. November 2022
  • [5], abgerufen am 01. November 2022
  • [6], abgerufen am 01. November 2022
  • [7], abgerufen am 01. November 2022


Einzelnachweise

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  1. welt.de: Berufswelt einer Muse, abgerufen am 20. Januar 2015