Benutzer:Scho ber

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erziehungswissenschaftler, Sozialpädagoge
  • Dozent an einer Fachschule für Sozialpädagogik
  • Lehrauftrag an der Steinbeis Business Academy

Studium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katholische Stiftungsfachhochschule München Abt. Benediktbeuern 1989-1993
  • Philosophisch-theologische Hochschule Benediktbeuern 1989-1991
  • Universita Pontificia Salesiana, Roma 1991-1993
  • Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1996-2000


Interessensschwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einträge von mir[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Entwurf eines neuen Artikels: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Konzept "Lebensweltorientierte Soziale Arbeit" wurde maßgeblich von Hans Thiersch entwickelt. Es ist sein Versuch, die Soziale Arbeit theoretisch zu begründen. Daneben gibt es auch andere, z.B. das Konzept einer systemischen Sozialen Arbeit von Peter Lüssi oder Mario Bunge. Jedoch ist die Theoriediskussion in Deutschland in den letzten Jahren völlig auf Thierschs Konzept eingeschwenkt, hat es weitergeführt, ausgearbeitet, vertieft und ergänzt. Spätestens seit dem Achten Jugendbericht der Bundesregierung (BmfJFG 1990) gilt die „Lebensweltorientierte Soziale Arbeit“ im Thiersch'schen Sinne als ein zentrales Paradigma der Kinder- und Jugendhilfe, für welche sie ursprünglich entwickelt wurde. Anfang der Jahrhundertwende ist das Konzept der Lebensweltorientierung in vielen Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit (Behindertenhilfe, Drogenhilfe, Obdachlosenhilfe, Psychiatrie,…), in Theorie und Praxis aufgenommen worden und ist in stetigem Gebrauch. Dies verdeutlicht die Vielseitigkeit und Tragfähigkeit des Konzepts. Das Konzept Lebensweltorientierte Soziale Arbeit wurde immer wieder heftig kritisiert. Dafür lassen sich vor allem zwei Gründe ausmachen:

  1. Es wurde verharmlosend verstanden und entsprechend schwach in der Praxis umgesetzt und führte so zu wenig theoretischer und praktischer Umorientierung.
  2. Es ließ manche Bereiche (z.B. betriebswirtschaftliche) völlig unterbelichtet, da es unter großem Zeitdruck entwickelt werden musste. [1]
  3. Es kam zu einem inflationären Gebrauch des Begriffes.

Erstmals wurde der Begriff der Lebensweltorientierung Ende der 1970er in Thierschs Konzept einer „lebensweltorientierten Sozialen Arbeit“ eingeführt. Thiersch versucht, das Wesen eines professionellen sozialpädagogischen Selbstverständnisses und einer Struktur institutionalisierter Hilfen zu bestimmen. Lebensweltorientierung bedeutet bei Thiersch, in Abkehr von klassischen – medizinisch geprägten (Anamnese, Diagnose, Therapie) – Hilfeformen, die individuellen sozialen Probleme der Betroffenen in deren Alltag in den Blick zu nehmen sowie den Selbstdeutungen und Problembewältigungsversuchen der Betroffenen mit Respekt und Takt, aber auch mit wohlwollend-kritischer Provokation im Zielhorizont eines „gelingenderen Alltags“ zu begegnen. Hier wird deutlich, wie Thiersch seine Lebensweltorientierung im Sinne des Alltagsverständnis nach Schütz versteht. Solchermaßen verstandene und strukturierte „lebensweltorientierte“ Hilfe ist zunächst in die sozialen Strukturen auf personaler/lokaler Ebene eingebettet, mischt sich aber auch – in gleichsam anwaltlicher Funktion für die betroffenen Menschen – in die sozialpolitische Gestaltung der soziale Probleme mitbedingenden gesellschaftlichen Rahmenverhältnisse ein.

Der genannte Respekt vor fremden Lebensentwürfen und deren Akzeptanz erschweren eine Standardisierung der Arbeitsabläufe in der sozialen Arbeit. Von den Fachkräften wird ein hohes Maß an kritisch-reflexiver Bewertung ihrer Arbeit und ihrer Rolle in der Lebenswelt der Betroffenen erwartet.


Theoretischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Phänomenologische Wurzeln
  2. Hermeneutisch-pragmatische Erziehungswissenschaft
  3. Kritische Alltagstheorie
  4. Analyse gesellschaftlicher Strukturen

Phänomenologische Wurzeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ansatzpunkt ist auch hier wieder der Alltag. Dieser ist die ausgezeichnete Wirklichkeit für die Menschen und ist strukturiert durch die subjektiv erlebte Zeit, die erfahrenen Räume und die erlebten sozialen und kulturellen Bezüge. In der Bewältigung des Alltags formen sich Deutungsmuster und Handlungsstrategien, wird Bedeutsames von Unbedeutsamem unterschieden. Insofern prägt der Alltag die Menschen, aber prägen die Menschen auch den Alltag.

Hermeneutisch-pragmatische Erziehungswissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pädagogik knüpft am Alltag und an der je individuell interpretierten Welt der Menschen an mit dem Ziel, diesen Alltag und die Menschen in ihrem Bewältigungshandeln besser zu verstehen, um dann wiederum über dieses tiefere Verstehen den Adressaten angemessener helfen zu können. Seit der mit Heinrich Roth in Verbindung gebrachten „realistischen Wende“ soll Pädagogik nicht mehr nur als theoretisch-philosophische Wissenschaft verstanden und praktiziert, sondern durch empirische Forschungen untermauert werden. Roths Assistent Klaus Mollenhauer läutete schließlich die „kritische Wende“ der Pädagogik ein und formulierte Emanzipation als vorrangiges Ziel von Pädagogik: den Adressaten zu helfen, sich von überkommenen Verhältnissen zu emanzipieren.

Kritische Alltagstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kritischen Alltagstheoretiker betonen, dass man den Alltag nicht romantisch verklären darf, nur weil auf den ersten Blick alles irgendwie klappt. Vielmehr ist der Alltag doppelbödig: Einerseits entlasten pragmatische Routinen, bieten Sicherheit, ermöglichen Produktivität, andererseits erzeugen sie aber auch Enge und Engstirnigkeit, Unbeweglichkeit, und behindern menschliches Leben in seinen Grundbedürfnissen und Möglichkeiten. Einerseits finden Kämpfe um bessere Lebensverhältnisse statt, motiviert durch Bedürfnisse, Träume, Hoffnungen oder Wut, andererseits verzagen Menschen auch aus Trauer und Resignation. Lebensweltorientierte Sozialpädagogik muss also den Alltag und die Ressourcen respektieren, aber auch Engstirnigkeiten und Verfahrenes konstruktiv kritisieren und verborgene Chancen aufzeigen. Dafür muss sie die Balance in Widersprüchen finden – mit dem Ziel eines gelingenderen Alltags.

Analyse gesellschaftlicher Strukturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alltag findet in der Lebenswelt statt: Diese Lebenswelt ist immer schon vorgeprägt durch die Gesellschaft, die Lebenswelt ist wie die Bühne in einem Theater, auf der sich das Leben abspielt, wobei das Leben auf der Bühne durch die Vorgaben hinter den Kulissen bestimmt wird (z. B. Rollenmuster von Frau und Mann). In der Lebenswelt treffen also objektive gesellschaftliche Ansprüche und Vorgaben auf subjektiv persönlich-individuelle Muster und Bedürfnisse. Die Lebenswelt stellt also gleichsam die Schnittmenge dar, in der sich das befindet, was in einem jeweiligen Leben möglich ist. Deshalb benötigt die Soziale Arbeit für ihr Handeln umfangreiches Wissen über materielle, soziale, ideologische Ressourcen z. B. Arbeitswelt, Geschlechterrollen, Migrationskultur, Armut / Reichtum etc. und über den je individuellen Umgang der Betroffenen damit. Dieses Wissen erhält die Soziale Arbeit über empirische Forschungen.

Menschenbild[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Mensch findet sich in einer schon vorhandenen, schon vor ihm von anderen Menschen geprägten Welt vor:

  • Er erfährt diese Welt nicht unmittelbar, so wie sie ist, sondern gefärbt durch die bereits vorhandenen und vorgegebenen Muster, „Welt“ wird ihm vermittelt (Symbole und Materialisierung von Werten), und zwar im alltäglichen Leben: als offene versus geschlossene Räume, als geordnete versus chaotische Zeit, als verlässliche versus randständige sowie stützende, herausfordernde versus belastende und unterdrückende Beziehungen und Kultur.
  • Der Mensch will sein Leben leben, seine Bedürfnisse und Träume erfüllen, versucht sich in den vielfältigen Aufgaben zu bewähren und diese irgendwie zu meistern, ist darin immer relativ geschickt (noch ungeachtet dessen, was nachvollziehbar oder vernünftig ist), manchmal bleibt er aber hinter seinen Möglichkeiten und denen der Welt um ihn herum zurück.
  • Weil das so ist, muss eine lebensweltorientierte Soziale Arbeit kritisch sein: muss sie grundsätzlich den Arrangierungsleistungen der Menschen Respekt entgegenbringen, aber auch Elend und tabuisierte Macht- und Unterdrückungsstrategien sehen und Veränderungen anregen und provozieren (dieses Ausbalancieren erfordert Takt).

Arbeits- und Selbstverständnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Arbeits- und Selbstverständnis des Konzepts zeichnet sich vor allem durch folgende Überlegungen aus:

1. versteht sich als professionell und selbstkritisch handelnde
  • Professionell, weil Ehrenamt allein heute nicht mehr zur Bewältigung der sozialen Probleme ausreicht, darin aber
  • immer misstrauisch gegenüber institutionellen und professionellen Entwicklungen, weil diese dazu neigen, sich zu verselbständigen und von den Problemen des Alltags zu entfremden.
  • D.h. lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist immer selbstkritisch und betont immer wieder, dass man an den Erfahrungen, dem Selbstverständnis und den Bewältigungsaufgaben der Adressaten anknüpfen muss.
2. zielt auf soziale Gerechtigkeit
  • Soziale Gerechtigkeit bedeutet, dass die Chancen, an der Gesellschaft und ihren Möglichkeiten teilzuhaben, gerecht verteilt sein müssen (jeder muss grundsätzlich mitmachen und mitbestimmen können),
  • was das heißt, muss im jeweiligen Fall ausgehandelt werden, ist aber nicht beliebig, sondern an den Zielen Solidarität, Produktivität/Kreativität, sinnvolles Leben und Autonomie orientiert.
3. mischt sich ein in die Gestaltung der Rahmenbedingungen
  • Weil das Geschehen auf der Bühne von den Vorgaben hinter den Kulissen bestimmt wird, kann Soziale Arbeit nicht bloß vorne herumbasteln und sozusagen die „Schauspieler reparieren“, sondern muss auch hinter die Kulissen gehen und sich dort einmischen und Verhältnisse verändern.
  • Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist politisch.
4. balanciert Respekt und Provokation aus, ist dabei parteilich für die Adressaten
  • Lebensweltorientierte Soziale Arbeit zeigt Respekt vor Lebensbewältigungsleistungen, auch wenn diese – aus der Sicht des „Normalbürgers“ – ungewöhnlich und heikel wirken,
  • zeigt Respekt vor Lebensinteressen der Individuen,
  • aus diesem grundlegenden Respekt heraus provoziert sie, kritisiert sie, öffnet sie für Veränderungen im Sinne der Adressaten,
  • hilft zuallererst den Adressaten in den Problemen, die sie für sich haben, und nicht etwa der Gesellschaft in den Problemen, die diese mit den Adressaten hat.
  • Lebensweltorientierte Sozialpädagogik ist Anwältin ihrer Adressaten.
5. arbeitet mit dem Medium Aushandeln und Verhandeln
  • Weil die Welt „je meine Welt“ ist, weil Leben heute freier ist als früher und mehr Möglichkeiten bereithält, muss über die Art des Zusammenarbeitens und über die Ziele der Interventionen gesprochen werden, kann man nicht über die Adressaten hinweg bestimmen. Weil die Welt des Sozialpädagogen nur seine Welt ist und seine Sicht der Dinge nur seine eigene und deshalb nicht schon besser, richtiger, wertvoller als die der Adressaten.
  • Lebensweltorientierte Sozialpädagogik arbeitet nicht an den Menschen, sondern mit den Menschen.
6. stärkt dafür methodisch fundiert die Position der Adressaten
  • Weil Adressaten gerade im Aushandeln nicht immer die kompetentesten sind bzw. sich auch in Organisationsformen fügen müssen, die sie allein durch die Form der Organisation schon in unterprivilegierte, einschüchternde Positionen bringen, muss die Soziale Arbeit dafür Sorge tragen, dass das Eigeninteresse und Selbstverständnis der Adressaten auch wirklich zur Sprache kommt, und nicht nur die Sicht der Profis, die diejenige der Adressaten unter sich begräbt.

Struktur- und Handlungsmaximen nach Hans Thiersch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Thiersch schlägt insgesamt neun Richtziele vor, an denen sich die Soziale Arbeit insgesamt orientieren und weiterentwickeln soll. Sie wurden auch im 8. Jugendbericht veröffentlicht. Diese Richtziele nennt er Struktur- und Handlungsmaximen. Sie sollen im Folgenden am Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe vorgestellt werden:

Prävention[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Angebote einer lebensweltorientierten Kinder- und Jugendhilfe sollen so gestaltet werden, dass es zu schlimmen Konflikten und Krisen im Leben von Kindern und Jugendlichen erst gar nicht kommt. Um das zu erreichen, soll Kinder- und Jugendhilfe

  • daran mitwirken, solche Verhältnisse in Deutschland zu schaffen, die allgemein stabil sind und ein lebenswertes Leben ermöglichen. Und
  • vorbeugende Hilfeangebote für solche besonderen Situationen bereithalten, die erfahrungsgemäß belastend sind und zu Krisen auswachsen und sich zuspitzen können (vorhersehbare Übergangsphasen im Leben wie z. B. Eintritt in den Kindergarten oder Einschulung, aber auch unvorhersehbare Veränderungen in der Lebenswelt von Kindern wie z. B. Scheidung der Eltern oder Schicksalsschläge wie Krankheit und Tod).

Bei aller Betonung von Prävention gilt jedoch, dass natürlich auch für solche Kinder und Jugendliche und ihre Familien Hilfen organisiert und bereitgehalten werden müssen, die trotz präventiver Arbeit in schwierige und belastende Lebenslagen geraten sind.

Regionalisierung / Dezentralisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dezentralisierung/Regionalisierung

Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe soll

  • ihre Angebote und Hilfen mehr und mehr in die sich bereits vor Ort befindlichen und organisierten Angebote und Möglichkeiten einbetten (also in vor Ort schon vorhandene Heime, Tagesstätten, aber auch Vereine, private Initiativen und Gruppierungen) und
  • neue Hilfsmöglichkeiten vor Ort entwickeln, wenn es sich zeigt, dass die bereits vorhandenen Angebote nicht ausreichen.

Es gilt also, überregionale zentrale Großeinrichtungen mit einem weiträumigen Einzugsgebiet in Zukunft zu verhindern bzw. zu reduzieren zugunsten von kleineren Einrichtungen vor Ort („Kleinstheim um die Ecke“). Damit sich eine regional verortete Kinder- und Jugendhilfe nicht selbst schwächt, muss sie sich jedoch auch überregional koordinieren und vernetzen.

Alltagsnähe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Maxime bedeutet fünferlei:

  • Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe muss nicht nur regional erreichbar sein (siehe oben), sondern auch im Alltag der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien zugänglich sein. Das heißt, dass alle Barrieren abgebaut werden müssen, die diesen leichten Zugang zu Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe verhindern (organisatorische, zeitliche, institutionelle Barrieren wie z. B. unpassende und unflexible Öffnungszeiten, umständliche Anmeldungsregeln, kalte und unpersönliche Räumlichkeiten,…). Es müssen also freundlich-offene, entgegenkommende, so genannte niedrigschwellige Angebote geschaffen werden.
Systemisch-ganzheitlicher Blick
  • Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe sieht das Kind / den Jugendlichen ganzheitlich und situationsbezogen, d. h. nicht nur das einzelne Kind / den einzelnen Jugendlichen, sondern sieht es / ihn verflochten in ein ganzes Netz von wechselwirksamen Kräften. Sie erweitert ihren Blick also vom einzelnen Individuum auf das ganze „Feld“ von mit ineinander verwobenen individuellen, sozialen und politischen Faktoren. Sie sieht das Kind / den Jugendlichen als „Symptomträger“, also als jemanden, der durch sein vordergründig auffallendes Handeln (meist unbewusst) auf dahinterliegende, versteckte Probleme und Schwierigkeiten des ganzen Systems (der Familie, der Schule, des Gemeinwesens, der Arbeitswelt,…) verweist.
  • Alltagsorientierung bedeutet ferner, dass Kinder- und Jugendhilfe in ihrer Arbeit an die individuellen, subjektiven und persönlichen Muster des Erlebens, Deutens und Handelns der Kinder und Jugendlichen anknüpft. Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe tritt also nicht als fachlich und beruflich ausgewiesener „Experte“ („Besserwisser“) auf, der vorgibt und festlegt, wie Situationen und Probleme „objektiv richtig“ zu deuten und zu „managen“ sind, sondern als Partner, der sich einlässt auf die Gefühle, Meinungen und Weltbilder der Kinder und Jugendlichen und auf das, was sie schon können, auf ihre Stärken und Kompetenzen.
  • Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe ist pragmatisch. Sie orientiert sich am Kleinen, Unscheinbaren, am Alltäglichen, an Typisierungen und Routinen, die sicherstellen, dass man im Alltag zu Rande kommt.
  • Bei alledem ist lebensweltorientierte Kinder und Jugendhilfe dennoch kritisch gegenüber romantisierenden Verklärungen von Alltag. Sie weiß, dass Alltag oft vordergründig „funktioniert“, aber bei genauem Hinsehen doch ungerecht, unterdrückend, stumpfsinnig und vieles mehr ist. Und dass das im Alltag scheinbar gelingende Leben hinter dem zurückbleibt, was eigentlich möglich wäre. Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe nimmt also das Leben in seinem Eigensinn ernst, zielt aber immer auf einen noch „gelingenderen Alltag“, d. h. sie arbeitet daran, den Kindern und Jugendlichen ein freieres, kreativeres, sinnvolleres und solidarischeres Leben zu ermöglichen.

Integration/Normalisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Integration als Leitidee bedeutet, dass alle speziellen Angebote und Hilfen für Kinder und Jugendliche zurückgedrängt werden müssen, bei denen die Gefahr groß ist, dass Kinder und Jugendliche verdrängt und ausgesondert werden (Heime und Schulen für „Schwererziehbare“, „geistig Behinderte“, „Lernbehinderte“, Sonderpädagogiken). Demgegenüber müssen die normalen Hilfen und Angebote so gestaltet und ausgestattet werden, dass in ihnen auch Kinder und Jugendliche mit besonderen Problemen bzw. mit sogenanntem „besonderem Hilfe- und Förderbedarf“ integriert werden können. Normalisierung bedeutet, die Bandbreite für eigensinnige, unterschiedliche und manchmal auch ungewöhnliche Lebenskonstellationen und –entwürfe zu erweitern, also dafür zu sorgen, dass das Maß dessen erweitert wird, was gesellschaftlich für „normal“ erachtet und infolgedessen toleriert wird (vgl. dazu den Artikel „Inklusive Pädagogik“).

Partizipation/Demokratisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dimensionen von Partizipation

Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe zielt darauf, dass sich Menschen als „Subjekte ihres eigenen Lebens“ erfahren können, d. h. dass Menschen sich erleben und einschätzen können als jemand, der selber auf die Gestaltung seines Lebens Einfluss ausüben kann und darf, der sozusagen „Regisseur seines eigenen Lebens“ ist. Um das zu ermöglichen ist Partizipation (also teilhaben, teilnehmen und mitbestimmen können und dürfen) unverzichtbar. Deshalb müssen vor allem die rechtlichen Bedingungen zur Mitbestimmung bis hin zu harten Formen demokratischer Kontrollen (Beschwerdestellen, Vertrauensleute, Berufskammern) in den Arbeitsfeldern ausgebaut und etabliert werden. Deshalb muss Partizipation aber auch auf allen informellen Ebenen ermöglicht werden. Ferner muss sich Kinder- und Jugendhilfe davor hüten, mittels verdeckter, unterschwelliger Möglichkeiten die Kinder und Jugendlichen zur Freiwilligkeit zu „verführen“, ohne dass diese merken, was mit ihnen geschieht.

Vernetzen/Planen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe muss die vielfältig entstandenen und noch zu entwickelnden Angebote und Arbeitsfelder vernetzen und koordinieren, um ein Neben- und Gegeneinander zu verringern, in dem Kräfte unnötigerweise verschlissen werden.

Einmischen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kinder- und Jugendhilfe wurden und werden im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung und vom Gesetzgeber Aufgabenfelder und Zuständigkeiten zugeteilt. Sie muss diese aktiv und beständig erweitern und sich in andere Zuständigkeitsbereiche einmischen, will sie ihrem Selbstverständnis und ihrer Aufgabe entsprechen, Anwalt für Kinder und Jugendliche zu sein.

Aushandeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe erledigt all ihre Aufgaben im Umgang mit Kindern und Jugendlichen vorrangig in Form des Aushandelns: Problemdeutungen, Regeln, Lösungsstrategien, Organisationsformen usw. werden im gemeinsamen, partnerschaftlichen Gespräch mit den Kindern und Jugendlichen entwickelt. Aushandeln bedeutet bisweilen auch ein im persönlichen Umgang faires, in der Sache aber hartes Diskutieren und Streiten. Es gibt darin aber Sachverhalte, die unterschiedlich stark verhandelbar sind.

Reflektieren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alles berufliche Tun und (Unter-)Lassen muss begleitet und überwacht werden von einem methodisch abgesicherten (selbst-)kritischen Nachdenken über die Motive, Ziele und Deutungsmuster sowie über die Wirkungen und Nebenwirkungen des beruflichen Handelns.

Anstelle eines Abstracts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn man sich fragt, was denn nun bei all diesen Überlegungen, bei all diesen Ideen oder Maximen, der Kern oder das Wesen einer lebensweltorientierten Kinder- und Jugendhilfe ist, dann würde die Antwort wohl lauten: Erzieher, Sozialpädagogen, Pädagogen, also alle, die versuchen, entlang der Idee „Lebensweltorientierung“ zu handeln, verstehen sich als Anwälte der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien. Das heißt, sie versuchen, wie Anwälte das Beste für ihre Mandanten (für diejenigen, die sich ihnen anvertraut haben oder die ihnen anvertraut wurden) herauszuholen, selbst wenn sonst alle anderen gegen diese Mandanten sind. Das heißt noch mal anders ausgedrückt, sie stehen auf der Seite der Kinder, der Jugendlichen und ihrer Familien und helfen ihnen vor allem ihr Leben so zu meistern, wie es sich die Kinder und Jugendlichen selbst vorstellen und sie selbst es brauchen. Und nicht etwa so, wie es andere – Politiker, Arbeitgeber, Lehrer, Priester, Journalisten, Richter,… – von ihnen erwarten. Sie helfen den Kindern und Jugendlichen bei den Aufgaben und Problemen, die sie selber haben, und nicht etwa bei denen, die die Gesellschaft mit den Kindern und Jugendlichen hat.

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Thiersch hat in jüngster Zeit in mehreren Artikeln diese Kritik aufgegriffen und theoretisch nach gelegt. Vor allem aber hat er sein Konzept in seinen grundlegenden Forderungen präzisiert und radikalisiert.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Bonn: Bonner Universitäts-Buchdruckerei 1990. (PDF; 17,5 MB)
  • Grunwald, Klaus / Thiersch, Hans (Hrsg.): Praxis Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit. Handlungszugänge und Methoden in unterschiedlichen Arbeitsfeldern. München, Weinheim: Juventa 2004.
  • Thiersch, Hans: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. 6. Aufl. Weinheim, München: Juventa 2005
  • Thiersch, Hans: Die Erfahrung der Wirklichkeit. Perspektiven einer alltagsorientierten Sozialpädagogik. 2., erg. Aufl. Weinheim, München: Juventa 2006
  • Thiersch, Hans: Lebenswelt und Moral. Beiträge zur moralischen Orientierung Sozialer Arbeit. Weinheim, München: Juventa 1995
  • Thiersch, Hans: Positionsbestimmungen der Sozialen Arbeit. Weinheim, München: Juventa 2002
  • Thiersch, Hans: Schwierige Balance: Über Grenzen, Gefühle und berufsbiografische Erfahrungen. Weinheim, München: Juventa 2009

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]