Benutzer:Toni Oktober/Anette Rose

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Anette Rose (*10. Januar 1962 in Bünde[1]) ist eine deutsche Künstlerin. Bekannt ist sie für ihre Videoinstallationen und speziell für ihre Mehrkanal-Projektionen, in denen sie gleichzeitig mit mehreren Kameras aufgenommene Sequenzen resynchronisiert[2], um Übergange von manueller zu maschineller Arbeit, von verbaler zu nonverbaler Sprache und von implizitem zu explizitem Wissen sichtbar zu machen. Ihre Arbeiten sind Elemente einer ständig wachsenden Enzyklopädie der Handhabungen[3].

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach einer Ausbildung zur Goldschmiedin und mehrjähriger Erfahrung in diesem Beruf nahm Anette Rose 1989 ein Kunststudium auf. Sie studierte 'Experimentelle Medienkunst' an der Hochschule der Künste Berlin und 'Critical Fine Art Practice' am Central Saint Martins College of Art and Design der University of the Arts London. Anschließend absolvierte sie von 1995-1997 in Berlin ein Graduiertenstudium; sie war Meisterschülerin von Valie Export und Heinz Emigholz.[4]

Anette Rose arbeitet konzeptionell, forschungsbasiert und transdisziplinär. Zunächst untersuchte Anette Rose den Zusammenhang von Narration und Gestik. Dabei entstanden die Filme "What you gain on the swings you loose on the round-about"[5] und "16 Traumstücke"[6]. Der letztere, der 2001 im Rahmen von ZDF Das kleine Fernsehspiel produziert und gezeigt wurde, stützt sich bereits auf den Einsatz zweier simultan laufender Kameras. Dieses Verfahren nutzte Rose auch bei ihren Dreharbeiten zur Auseinandersetzung mit Handhabungen im Alltag und im Handwerk, in denen die Kameras auf das Zusammenspiel von Hand und Auge gerichtet waren.[7] Hinzu kamen dann Aufnahmen in Manufakturen und Fabriken. Neben der menschlichen Hand und dem Werkzeug rückten dann auch Maschinen - und deren anthropomorphe Bewegung - ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die einzelnen Unterschungssequenzen, die Anette Rose durchnumeriert und als 'Module' bezeichnet, sind Grundelemente eines visuellen Bewegungsarchivs. Diese Module präsentiert sie im Ausstellungskontext. Sie nutzt Monitore, Flachbildschirme und Mehrkanal-Projektionen als Teile ihrer Videoinstallationen. Die Präzision von Aufnahme und Schnitt dieser Arbeiten lässt Bewegtbildräume entstehen, die dem Körper implizites Wissen sichtbar machen. Ihre ästhetische Wirkung offenbart die Virtuosität der Tätigkeit ihrer Protagonisten. Das gilt in besonderen Maße für Roses Kamera-Beobachtungen von Bäckern aus den 2000er Jahren. Deren Teig formende Hände scheinen von einem Monitor in den nächsten zu tanzen. Ein rezenteres Beispiel ist Glowing Matter, das Arbeitsportrait eines Glasbläsers; diese Mehrkanalinstallation wurde 2022 zum ersten Mal im Bröhan Museum gezeigt. [8]

Mehrere große Werkkomplexe, die sich jeweils aus mehreren Modulen zusammensetzen, sind dem textilen Prozessieren gewidmet. Das gilt zum Beispiel für "Pattern in Motion", eine Zweikanal-Installation zur Jacquardweberei und für "Nestbuilding", eine Arbeit zum Nestbau von Webervögeln - ihrer ersten Arbeit, zu der sie auch nicht-menschliche Akteure einbezieht.[9] Im Zusammenhang der Erforschung von Techniken des Textilen steht auch "Captured Motion", ein Komplex, in dem es um das Flechten und Stricken geht. Diese Arbeit spannt den Bogen von der Zunft der Seilmacher bis zum Hightech Radialflechter in einem Versuchslabor und thematisiert nicht allein die Bewegung sondern auch deren Aufnahme und mediale Wiedergabe.[10]

Anette Rose nutzt verschiedene filmische Aufnahmemethoden: Video-Sync, Motion-Capturing, Zeitlupe, Diagramme, Fotografie und Ton. In einigen Installationen führt sie außerdem eine weitere Kommunikationsebene ein, auf der sich Experten - Handwerker, Designer und beispielsweise ein Handchirurg - verbal und gestisch ihre Handhabungen kommentieren.[11]

Abgesehen von Artists Talks während ihrer Ausstellungen präsentierte Anette Rose die Ergebnisse ihrer künstlerischen Forschung im akademischen Kontext: Im Rahmen von Fragen der Semiotik und Gestik stellte sie ihre frühen Arbeiten zum Beispiel an der Europa Univerität Viadrina, an der Universität Stuttgart, der Universität Hamburg sowie auf dem ersten Weltkongress der International Society for Gesture Studies an The University of Texas at Austin zur Diskussion. Arbeiten zum Textilen und zur Bewegungsnotation waren vor allem Thema an der Zürcher Hochschule der Künste, am Institute for Contemporary Art Research, der School of the Art Institute of Chicago, im Maximiliansforum und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie in Weimar, am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin, an der Technischen Universität Dresden, an der Fakultät für Angewandte Kunst der Westsächsischen Hochschule Zwickau sowie am Human Technology Center und am Fachbereich für Künstlerische Gestaltung der RWTH Aachen.[12]

Einzelausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Capri LI, Capri, Berlin, with Petra Trenkel, 2005.
  • Piano-Archive-Hearing Voices, ETA Project Space, Brighton, with Giles Drayton, 2005.
  • Senatsstipendiaten/05, Kunstbank Berlin, with Susanne Pomrehn, 2006.
  • Enzyklopädie der Handhabungen. Modul # 1–7, Museum für Kommunikation, Berlin, 2006.
  • Griffformen, Cluster, Berlin, 2008.
  • Hand and Work, Gesture and Imprint, Kunsthaus Kloster Gravenhorst, 2009.
  • Arbeits- und Verwendungsformen, Kunstraum Tosterglope, 2011.
  • Poesie & Industrie, Bauhaus-Archiv, Berlin, with Barbara Schmidt, 2013.
  • Captured Motion, Haus am Lützowplatz, Berlin, 2016.
  • Pattern in Motion, Kunsthaus Dresden/Kunstgewerbemuseum, 2017.
  • Trading Zones, Institute for Contemporary Art Research, ZHdK, Zürich, 2019.
  • Techno Textiles, Scharaun, Berlin, 2021.
  • Enzyklopädie der Handhabungen: Braiding Gazes, Dazibao, Montréal; part of Momenta Biennale de l’image 2023, kuratiert von Ji-Yoon Han, 2023.

Gruppenausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Goldrausch/03, Kunstraum Kreuzberg, Berlin, 2003.
  • Uwaga Berlin!, Baszta Czarownic, Video Lounge, Slupsk, 2004.
  • Between Body and Object, Museum Marta Herford, 2006.
  • Work in Progress, Kunsthaus Erfurt, 2007.
  • Work in Progress, Filmhaus Nürnberg, 2007.
  • Work in Progress, Galerie Alter Wiehrebahnhof Freiburg, 2007.
  • Work in Progress, Kulturstiftung des Bundes: Arsenal – Institut für Film und Videokunst, Berlin, 2007.
  • OWL 1, Museum Marta Herford, 2007.
  • Monitoring, 24. Dokfest, Kulturbahnhof Kassel, 2007.
  • Hand-haben, Maschinenhaus and Kunsthalle, Kiel, 2008.
  • Existence in a Letter, Cluster, Berlin, 2008.
  • Die Hände der Kunst, Museum Marta Herford, 2008.
  • 16 Traumstücke, M.1 Arthur Boskamp-Stiftung, Hohenlockstedt
  • Colossal – Art Fact Fiction, XII – Tuchmacher Museum Bramsche , Osnabrück, 2009-2012.
  • Art of Engineering, Deutsches Technikmuseum, Berlin, 2010.
  • Motorenwerke # 2, Galerie oqbo, Berlin, 2010.
  • Paper Files, Galerie oqbo, Berlin, 2011.

Publikationen:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ich fürchte, ich bin im Bild, Berlin: Goldrausch Künstlerinnenprojekt 2003
  • Anette Rose: Enzyklopädie der Handhabungen. 2006-2010. Kerber Verlag, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-86678-445-1.
  • Anette Rose: Greifen, betrachten und begreifen. In: Thomas H. Schmitz/Hannah Groninger (eds.): Werkzeug – Denkzeug. Manuelle Intelligenz und Transmedialität kreativer Prozesse, Bielefeld: transcript 2012, pp. 223–245.
  • Anette Rose: Zwischen, unter, entlang und ringsherum. Zur Enzyklopädie der Handhabungen. In: Thomas Pöpper (ed.): Dinge im Kontext, Berlin/Boston: De Gruyter 2015, pp. 98–104 (text), pp. 106–117 (image series).
  • Anette Rose: Sichtbarmachung als Wissensproduktion. Zur künstlerischen Methode der Enzyklopädie der Handhabungen. In: Anna-Sophie Jürgens/Tassilo Tesche (eds.): LaborARTorium. Eine Medothodenreflexion, Bielefeld: transcript 2015, pp. 199–212.
  • Anette Rose (ed.): Captured Motion, Berlin 2017.
  • Capture, Record and Play. Interview with Christoph Schenker and Anette Rose. In: Barbara Preisig/Laura von Niederhäusern/Jürgen Krusche (eds.): Trading Zones. Camera Work in Artistic and Ethnographic Research. Berlin: Archive Books 2022, pp. 50–67.

Rezeption:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ihre Arbeit wurde im Kontext mit den Bewegungsstudien von Frank Bunker Gilbreth und Lilian Moller Gilbreth gesehen und mit dem enzyklopädischen fotografischen Werk von August Sander und Bernd und Hilla Becher gesehen. Weitere Beschreibungen und Kommentare zu Anette Roses Arbeit findet sich u.a. in Texten der Kunsthistorikerinnen Ines Lindner und Jasmin Mersmann:

  • Petra Wezel: Im heimlichen Winkel der Seele. 16 Traumstücke. In: taz, 26. 02.2001, S. 12.
  • Christian Hanussek: what you lose on the swings, you gain on the roundabouts. In: Rüdiger Tomczak (ed.): shomingeki, film magazine No. 13/14, Berlin 2003, S. 66–70.
  • Ines Lindner: Entfalten medialer Situationen. In: Goldrausch Künstlerinnenprojekt (ed.): Ich fürchte, ich bin im Bild, Berlin 2003, S. 18–25
  • Jan Hoet: Videokunst zwischen Fremdheit und Begierde. In: Marta Herford (ed.): Zwischen Körper und Objekt, Herford 2006, S. 6–7, S. 38–39.
  • Freunde der deutschen Kinemathek e.V. (ed.): Work in Progress, Berlin (b_books) 2007, S. 304, 308.
  • Jule Reuter: Enzyklopädie der Handhabungen. In: Marta Herford (ed.): OWL1, Bielefeld (Kerber Verlag) 2007, S. 69–73.
  • Ines Lindner: Hand und Auge. Zur Enzyklopädie der Handhabungen. In: Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V. (ed.): Colossal – Kunst Fakt Fiktion, Curator: Jan Hoet, Bramsche: Fromm + Rasch 2009, S. 206–213. ISBN 978-3899461305.
  • Ines Lindner: Minimalismus reloaded. Zur Typologie sozialer Tatsachen in Anette Roses Enzyklopädie der Handhabungen. In: Anette Rose (ed.): Enzyklopädie der Handhabungen. 2006–2010, Bielefeld: Kerber 2011, pp. 6–9, S. 10–13 (engl.).
  • Isabella Hammer: Teure Damen, billige Schirme. Beobachtungen über Handfertigkeiten. In: Barbara Buchmaier/Andreas Koch (eds.): von hundert 7 (2011), S. 26–37.
  • Ines Lindner: Synchronizations at Work. Anette Rose’s Encyclopaedia of Manual Operations In: Philippe Despoix/ Nicolas Donin (eds.): synchroniser/synchronizing. Intermédialités. Histoire et théorie des arts, des lettres et des techniques 19 (2012), S. 157–159 (text), S. 161–175 (image series, guest artist: Anette Rose).
  • Vanja Sisek: Enzyklopädie der Handhabungen. Modul # 15. In: Kleine Humboldt Galerie (ed.): Beautiful Minds, Berlin 2013, S. 26–27.
  • Vanja Sisek: Captured Motion. In: Edith-Russ-Haus für Medienkunst (ed.): Women at Work, Oldenburg 2016, S. 13–16.
  • Jasmin Mersmann: Notationen in Bewegung. In: Anette Rose (ed.): Captured Motion, Berlin 2017, S. 1,12.
  • Judith Pichlmüller: Captured Motion. In: Kunst im Traklhaus (ed.): Im Schwarm der Objekte. Salzburg 2018, S. 5–6.
  • Ines Lindner: Captured Motion. Bewegungsnotationen im Raum. In: Jana Bressem/Ellen Fricke (eds.): Gesten. Chemnitz: Universitätsverlag 2019, S. 150–157.
  • Anette Rose: Glowing Matter. In: Barbara Schmidt (ed.): glass – hand formed matter. Berlin 2022, S. 154-155.
  • Kunstverein Bahnitz (ed.): ausgespielt, Bahnitz 2022, S. 50–53.
  • Ji-Yoon Han: Enzyklopädie der Handhabungen. Braiding Gazes. In: Momenta Biennale de l’image (ed.): Masquerades. Drawn to Metamorphosis. Bielefeld/Berlin: Kerber 2023, S. 92–95.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. artfacts.net/artist/anette-rose/72142, abgerufen am 5. Januar 2024
  2. Ines Lindner: Synchronizations at Work. Anette Rose’s Encyclopaedia of Manual Operations. In: Philippe Despoix, Nicolas Donin (Hrsg.): Intermédialités. Histoire et théorie des arts, des lettres et des techniques. synchroniser/synchronizing, Nr. 19. Montréal 2012, 157–159 (text), 161–175 (image series, guest artist: Anette Rose).
  3. Anette Rose: Enzyklopädie der Handhabungen. 2006-2010. Kerber Verlag, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-86678-445-1.
  4. Anette Rose. Abgerufen am 7. Januar 2024 (deutsch, englisch).
  5. Christian Hanussek: what you lose on the swings, you gain on the roundabouts. In: Rüdiger Tomczak (Hrsg.): shomingeki, film magazine. Band 13/14. Berlin 2003, S. 66–70.
  6. Petra Wezel: Im heimlichen Winkel der Seele. 16 Traumstücke. In: die tageszeitung. 26. 02.2001, S. 12.
  7. Ines Lindner: Hand und Auge. Zur Enzyklopädie der Handhabungen. In: Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V. (Hrsg.): Colossal – Kunst Fakt Fiktion, Curator: Jan Hoet. Fromm + Rasch, Bramsche 2009, ISBN 978-3-89946-130-5, S. 206–213.
  8. Barbara Schmidt: Anette Rose: Glowing Matter. In: Barbara Schmidt (Hrsg.): glass – hand formed matter. Kunsthochschule Berlin Weissensee, Berlin 2022, ISBN 978-3-9816991-8-0, S. 154–155.
  9. Ji-Yoon Han: Enzyklopädie der Handhabungen. Braiding Gazes. In: Momenta Biennale de l’image (Hrsg.): Masquerades. Drawn to Metamorphosis. Kerber, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-7356-0934-2, S. 92–95.
  10. Jasmin Mersmann: Notationen in Bewegung. In: Anette Rose (ed.): Captured Motion, Berlin 2017, S. 1,12. In: Anette Rose (Hrsg.): Captured Motion. Berlin 2017, S. 1,12.
  11. Jan Hoet: Videokunst zwischen Fremdheit und Begierde. In: Marta Herford (Hrsg.): Zwischen Körper und Objekt. Herford 2006, S. 6–7, 38–39.
  12. https://www.anetterose.de/cv/