Benutzer:Torwartfehler/Kreisreform Mecklenburg-Vorpommern 2011

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Nach Sachsen-Anhalt (2007) und Sachsen (2008) ist Mecklenburg-Vorpommern das dritte östliche Land der Bundesrepublik Deutschland, in dem eine erneute Kreisgebietsreform erörtert wurde und wird, nachdem in diesen drei Ländern bereits 1994 jeweils Kreisgebietsreformen in Kraft getreten waren. Die bisherigen Reformen reichen nach Meinung der betroffenen Politiker und einiger Verwaltungsfachleute jedoch nicht aus, da die Bevölkerung in allen drei Ländern stetig abnimmt.

Alter und ursprünglicher Plan zur Kreisgebietsreform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beschlussfassung im Dezember 2003[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dezember 2003 beschloss die Landesregierung im Zuge einer umfassenden Verwaltungsreform die Neugliederung des Landes in vier bis sechs Landkreise, in denen auch die kreisfreien Städte als große kreisangehörige Städte aufgehen sollten. Mit dem Ziel, die Verwaltung effizienter zu machen, sollten viele Landesaufgaben an die neuen Landkreise abgegeben werden. Daneben sollten aber auch Aufgaben der Landkreise auf die Kommunen übergehen.

Konkrete Planungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswirkungen der ursprünglich geplanten Kreisreform 2009

Die im Folgenden genannten Landkreise, die gemäß der Entscheidung des Landtages am 5. April 2006 spätestens bis zum 1. Oktober 2009 gebildet werden sollten, entsprachen in der Regel den Planungsregionen des Landes.

Es war zu erwarten, dass einzelne Gemeinden aus den bisherigen Kreisen in den jeweiligen benachbarten Großkreis wechseln würden. Besonders evident war dies im nördlichen Teil des Landkreises Demmin, der bis 1952 zum Kreis Grimmen gehörte, v. a. im Amt Peenetal/Loitz. Aber auch die Stadt Jarmen mit Umland und die Kreisstadt Demmin selbst hatten sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie zukünftig zum Großkreis Mecklenburgische Seenplatte oder zum Großkreis Südvorpommern gehören wollten.

Die geplanten fünf Großkreise, die im wesentlichen den Planungsregionen des Landes entsprachen, sollten wie in der folgenden Liste aufgeführt verwirklicht werden:

Geplanter Großkreis Landesteil Kreisstadt Jetzige Kreise und kreisfreie Städte Einwohner
31. Dezember 2006
Fläche
Mecklenburgische Seenplatte Mecklenburg, teils Vorpommern Neubrandenburg Neubrandenburg, Landkreis Müritz, Landkreis Demmin, Landkreis Mecklenburg-Strelitz 234.608 5.809 km²
Mittleres Mecklenburg-Rostock Mecklenburg Rostock Hansestadt Rostock, Landkreis Bad Doberan, Landkreis Güstrow 423.648 3.601 km²
Westmecklenburg Mecklenburg Schwerin Landeshauptstadt Schwerin, Hansestadt Wismar, Landkreis Nordwestmecklenburg, Landkreis Parchim, Landkreis Ludwigslust 489.413 6.997 km²
Nordvorpommern-Rügen Vorpommern, teils Mecklenburg Stralsund Hansestadt Stralsund, Landkreis Nordvorpommern, Landkreis Rügen 239.653 3.182 km²
Südvorpommern Vorpommern Anklam Hansestadt Greifswald, Landkreis Ostvorpommern, Landkreis Uecker-Randow 238.915 3.584 km²

Gerichtsentscheidung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 26. Juli 2007 urteilte das Landesverfassungsgericht in Greifswald über die Verfassungsbeschwerden mehrerer Landkreise und kreisfreier Städte sowie eine abstrakte Normenkontrolle von 24 Landtagsabgeordneten. Im Urteil wurde festgestellt, dass die Paragrafen zur Bildung der neuen Großkreise unvereinbar mit der Landesverfassung sind. [1] Damit entsprachen die Richter der Verfassungsbeschwerde. Das Urteil stützt sich in der Begründung auf die Konstatierung eines Abwägungsfehlers (oder konkreter eines Ermessensfehlers) im Verfahren. Die Regierung habe die Entscheidung über die neue Kreisstruktur frühzeitig mit dem Zuschnitt der vorhandenen Planungsregionen verknüpft und auf die Entwicklung eines Leitbilds für zukünftige Kreise verzichtet. Der Gesetzgeber habe so die Kreisstruktur lediglich an eine wirtschaftliche sinnvolle Gliederung staatlicher Aufgaben angepasst. Damit sei „der Gesetzgeber von dem Entscheidungsmuster abgewichen [ist], nach dem gemeinhin umfassende Kreisgebietsreformen konzipiert und durchgeführt werden“.[2] Die Nichtbeachtung dieses Schemas im mecklenburg-vorpommerischen Reformprozess bildet dementsprechend die Grundlage des Urteils:

„Die §§ 72 bis 77 FKrG M-V sind verfassungswidrig, weil im Verwaltungsmodernisierungsgesetz wesentlichen Belangen der durch Art. 72 Abs. 1 Satz 2 LV gewährleisteten Selbstverwaltung der Kreise nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht Rechnung getragen worden ist. […] Dem in dieser Lage geltenden verfassungsrechtlichen Gebot, weniger einschneidende Alternativen der Neugliederung wertend in das Gesetzgebungsverfahren einzuführen, ist der Gesetzgeber nicht hinreichend nachgekommen.[3]

Kritisiert wurden vom Landesverfassungsgericht auch die geplante Größe der neuen Kreise. Es wurde aber keine belastbare Einschätzung oder Entscheidung über eine wie auch immer geartete maximale Größe von Kreisen getroffen. Das Urteil beruht also explizit nicht auf der Einschätzung, dass die neuen Kreise zu groß seien oder die kommunale Selbstverwaltung gefährdeten. Das Urteil wird einzig mit der nach Ansicht des Gerichts zu geringen verfahrensmäßigen Berücksichtigung dieser Belange im Gesetzgebungsverfahren - unabhängig vom Inhalt der dann von der Landesregierung getroffenen Entscheidung - begründet.

Das Urteil wird von Rechts- und Verwaltungswissenschaftlern aufgrund juristischer Unzulänglichkeiten und politischer Implikationen massiv kritisiert.[4] [5] [6]

Neuer und endgültiger Plan der Kreisgebietsreform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Prämissen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Verweis auf wirtschaftliche und demographische Entwicklungen im Land wird eine Kreisgebietsreform von Teilen der Politik und vielen Fachleuten als notwendig erachtet, derzeit werden erneut Pläne für eine Neugestaltung der Kreisebene entwickelt. Die neuen Strukturen sollen nun im Jahr 2011 eingeführt werden[7]. Die Prämissen für die neue Reform wurden der Öffentlichkeit im November 2007 vorgestellt:

  • Mindestens zwei der bisherigen Landkreise sollen zu einem neuen Kreis zusammengeschlossen werden.
  • Kein Landkreis soll mehr als 4000 km² umfassen.
  • Jeder neue Landkreis soll im Jahr 2020 mindestens 175.000 Einwohner haben.
  • Nach Möglichkeit soll keiner der bisherigen Landkreise auf verschiedene neue Kreise aufgeteilt werden.
  • Rostock soll kreisfrei bleiben.
  • Die kleineren kreisfreien Städte sollen ihre Kreisfreiheit verlieren.
  • Der Status Schwerins steht noch nicht fest.

Mit den Reformansätzen [8], insbesondere auch mit alternativen Lösungsmöglichkeiten für die Stadt-Umland-Problematik und mit der Frage, welche Städte neben Rostock kreisfrei bleiben sollen, war eine Enquêtekommission des Landtags befasst worden.[9]

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen zur Kreisgebietsreform. Sowohl das Einsparungspotential als auch die Sinnhaftigkeit für die Bürger wird von einem Teil der Fachwelt angezweifelt.

Lösung und konkrete Planungsvariante[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswirkungen der neu überplanten Kreisreform 2011
Die neuen Kreisgrenzen in Bezug auf die historische Grenze zwischen Mecklenburg und Pommern

Die Landesregierung gibt dem Modell mit sechs Kreisen den Vorzug. Rostock und Schwerin werden kreisfreie Städte bleiben. Die Kreisstädte der neuen Kreise stehen auch bereits fest: Es sind dies Wismar, Güstrow, Stralsund und Neubrandenburg, zudem Anklam in Südvorpommern und Ludwigslust in Südwestmecklenburg. Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald und Wismar werden dem Plan nach ihre Kreisfreiheit verlieren. [10] [11][12]

Geplanter Landkreis oder kreisfreie Stadt Landesteil Kreisstadt Jetzige Kreise und kreisfreie Städte Einwohner
31. Dezember 2007
Fläche
Rostock Mecklenburg - Hansestadt Rostock 200.413 181 km²
Schwerin Mecklenburg - Landeshauptstadt Schwerin 95.855 131 km²
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte Mecklenburg, teils Vorpommern Neubrandenburg Neubrandenburg, Landkreis Müritz, Landkreis Mecklenburg-Strelitz, Süden des Landkreises Demmin 257.284 4.910 km²
Landkreis Mittleres Mecklenburg Mecklenburg Güstrow Landkreis Bad Doberan, Landkreis Güstrow, westlichster Teil des Landkreises Demmin 226.353 3.538 km²
Landkreis Südwestmecklenburg Mecklenburg Ludwigslust Landkreis Parchim, Landkreis Ludwigslust 226.058 4.750 km²
Landkreis Nordwestmecklenburg Mecklenburg Wismar Hansestadt Wismar, Landkreis Nordwestmecklenburg 163.689 2.117 km²
Landkreis Nordvorpommern Vorpommern, teils Mecklenburg Stralsund Hansestadt Stralsund, Landkreis Nordvorpommern, Landkreis Rügen 237.191 3.188 km²
Landkreis Südvorpommern Vorpommern Anklam Hansestadt Greifswald, Landkreis Ostvorpommern, Landkreis Uecker-Randow, Norden des Landkreises Demmin 272.839 4.369 km²

Stärken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die größten und deutlichsten Vorteile der neuen Kreisaufteilung sind[13]:

  • Weitgehend gleichmäßige Bevölkerungsstärken der sechs Flächenkreise und der kreisfreien Stadt Rostock.
  • Vergleichbare Flächenausdehnung der sechs Flächenkreise.
  • Zentrale Lage und daher gute Erreichbarkeit aller Kreisverwaltungssitze in Bezug auf ihre neuen Kreise.
  • Die neuen Kreisgrenzen und -namen spiegeln weitgehend historische Einteilungen wider.

Schwachpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Innenministerium sieht als größte verbleibende Schwachpunkte bei diesem Modell[14]:

  • Die Ausdehnung der neuen Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und Südwestmecklenburg auf jeweils über 4500 km².
  • Der Landkreis Nordwestmecklenburg fällt in seiner Bevölkerungszahl hinter den anderen fünf Flächenkreisen zurück.
  • Die Hansestadt Greifswald verliert zwar ihre Kreisfreiheit, wird aber dennoch als weitaus größte Stadt des neuen Kreises Südvorpommern nicht deren Verwaltungssitz, da sie im Gegensatz zu Anklam zu dezentral läge.
  • Die historischen Grenzen zwischen Mecklenburg und Pommern werden nun zwar besser widergespiegelt, doch nach wie vor nicht vollständig erreicht.

Reaktionen aus den einzelnen Verwaltungsbezirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hansestadt Greifswald[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hansestadt Greifswald versucht, den Status als kreisfreie Stadt besonderer Art zu erhalten. Zusammen mit einigen Nachbargemeinden, die aber allesamt selbstständig bleiben, möchte die Hansestadt einen eigenen Stadtkreis bilden.[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christiane Büchner, Jochen Franzke, Michael Nierhaus (Hrsg.): Verfassungsrechtliche Anforderungen an Kreisgebietsreformen. Zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. Universitätsverlag Potsdam, Potsdam 2008. (PDF, 862 KB)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 26. Juli 2007 (PDF, 262 kB)
  2. LVerfG 17/06, S. 44
  3. LVerfG 17/06, S. 42
  4. Mehde, Veith 2007: Das Ende der Regionalkreise? – zur Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. NordÖR 9/2007, 331-337.
  5. [1] Meyer, Hans 2007: Liegt die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns im 19. Jahrhundert? Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Enquete-Kommission "Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung", Kommissionsdrucksache 5/55
  6. [2] vgl. auch die Bezugnahme auf Mecklenburg-Vorpommern durch Bull, Hans Peter 2007: Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei Schleswig-Holstein. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Funktional-, Struktur- und möglichen Kreisgebietsreform in Schleswig-Holstein.
  7. http://www.mv-regierung.de/im/verwaltungsreform/redaktion/download.php?id=43&type=file
  8. etwa der Landesregierung in Gestalt von deren neuem Reformkonzept
  9. Vgl. die Materialien der Enquêtekommission und deren Zwischenbericht mit Variante
  10. http://www.mv-regierung.de/im/verwaltungsreform/Verwaltungsreform_Mecklenburg_Vorpommern.714.html?
  11. http://www1.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/kreisstruktur100.html
  12. http://www.mv-regierung.de/im/verwaltungsreform/redaktion/download.php?id=43&type=file
  13. http://www.mv-regierung.de/im/verwaltungsreform/redaktion/download.php?id=43&type=file
  14. http://www.mv-regierung.de/im/verwaltungsreform/redaktion/download.php?id=43&type=file
  15. http://www.ostsee-zeitung.de/lokal/index_artikel_komplett.phtml?SID=99c1617369e3fbaf1e1ca527a469bcf0&param=news&id=2461159