Benutzer:Xaver Querkel/Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Land Thüringen über die Änderung der gemeinsamen Landesgrenze

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Die Sächsisch-Thüringischen Staatsverträge über die Änderung der gemeinsamen Landesgrenze sind Bestandteil eines Konfliktes über die Landeszugehörigkeit einiger Kommunen im heutigen sächsischen und thüringischen Vogtland. Sie wurden 1992 und 1994 beschlossen und ratifiziert. Dabei wurden einige Gemeinden von Thüringen nach Sachsen rückgegliedert, die in der DDR vom Bezirk Chemnitz zum Bezirk Gera umgegliedert wurden und die als sogenannte „Krawallgebiete“ die Eingliederung in das sächsische Vogtland forderten.

Abstimmungen 1989/1990 und Verzögerungen

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Alle betroffenen Gemeinden mit 1990 rund sechszehntausend Einwohnern gehörten bis 1952 zum Altkreis Plauen und somit zum sächsischen Vogtland, das bereits seit jeher im Vogtländischen Kreis organisiert war, der weitgehend im heutigen Vogtlandkreis aufging. Die zur Rede stehenden Gebiete befanden sich also schon zu kursächsischer Zeit in dem Ämtern Pausa oder Plauen. Die Grenzziehungen waren bis 1952 verworren, denn Thüringen blieb im 19. und 20. Jahrhundert bisher weitgehend von Grenzbereinigungen verschont. Görschnitz gehörte so beispielsweise auch nur anteilig zum alten Königreich Sachsen. 1952 wurden also 11 Städte und Gemeinden vom Bezirk Chemnitz zum Bezirk Gera umgegliedert. Alle Gemeinden stellten schon damals einen Antrag auf Umgliederung. Obwohl die Länder in der DDR seit 1952 nicht offiziell existierten, wurde die Zugehörigkeitsfrage über die gesamte DDR-Zeit gestellt.

Im Zuge der Wende und der Friedlichen Revolution, die vom vogtländischen Plauen ausging, brach der Konflikt um die Zugehörigkeit erneut auf. Bereits im Dezember 1989 und Januar 1990 schickte der SED-Bürgermeister von Pausa 812 Unterschriften an Peter Moreth, den Leiter der Regierungskommission Verwaltungsreform. Auch Elsterberg, das fast 400 Jahre zu Sachsen gehörte, wollte eine Rückgliederung in den Kreis Plauen. Auch Umfragen wurden durchgeführt. Sie hatten folgende Ergebnisse:

Kommune Datum Für Sachsen Für Thüringen Enthaltung Wahlbeteiligung/Anm.
Mühltroff März 1990 85,1 % (943 Stimmen) 13 % (144 Stimmen) 1,9 % 89,2 % (1.100/1.242)
Fröbersgrün 15. März 81,0 % ? ? ?
Bernsgrün Ende Januar 94,3 % (398 Stimmen) ? ? [Anm. 1]
Ranspach ? 88 % (234 Stimmen) ? ? 266 Wahlberechtigte
Unterreichenau ? 81,6 % (156 Stimmen) ? ? 191 Wähler[Anm. 2]

Der Protest wurde durch eine Großzahl an öffentlichen Bekundungen begleitet. So wurde in Mühltroff zum Boykott der Kreistagswahl aufgerufen, an der sich nur unter 50 % der Wähler, damals relativ wenig, beteiligten. Ende Juli 1990 wurde eine offizielle Bürgerbefragung über die Zugehörigkeitsfrage im Gemeindeverband Pausa durchgeführt. Zirka 98 % der Wahlberechtigten stimmten ab.[1]

Kommune Wahlberechtigte Gültige Stimmen Für Sachsen Für Thüringen heute
Pausa 2.714 1.755 98,57 % 1,42 % SN
Unterreichenau 192 141 83,69 % 16,31 % SN
Bernsgrün 423 397 97,73 % 2,26 % TH
Ebersgrün 357 315 89,84 % 10,16 % SN
Ranspach 267 248 95,97 % 4,03 % SN
Dobia 103 92 6,52 % 94,48 % TH
Arnsgrün 273 245 44,49 % 55,51 % TH
GESAMT 4.329 3.193 89,95 10,05

Auch in den anderen Kommunen stimmten rund 70 % für Sachsen und 30 % für Thüringen. Nach diesem klaren Votum forderten die Initiatoren eine Änderung des Berliner Regierungsentwurfes und sahen im Ländereinführungsgesetz eine „Fortsetzung zentralistischer Machtausübung und stalinistischen Unrechts“. Die Bürgerentscheide wurden ignoriert. Die Städte Elsterberg, Pausa/Vogtl. und Mühltroff wurden mit dem genannten Gesetz vom 22. Juli erstmals in ihrer Geschichte dem Land Thüringen zugeordnet. Besonders die örtliche SPD, die sich bereits im Kreisverband Vogtland organisiert hatten, protestierte gegen dieses Vorgehen. Nach längerem Briefwechsel mit verschiedenen Behörden wurde in den nun thüringischen Gemeinden im Oktober erneut abgestimmt. Das Ergebnis blieb vergleichbar. Ein Wechsel sollte zum 1. Januar 1991 erfolgen. Besonders Sachsen setzte sich für die Vogtland-Kommunen ein.

Als es zur erneuten Verzögerung kam, drohte man am 2. Januar 1991 das Gebiet zur „landesfreien Zone“ zu erklären. Die Landesregierung Thüringens hatte auf Anfragen nicht reagiert.

Thüringer Blockade

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Die Gemeinden, die ggf. für eine Umgliederung in Frage kamen, wurden in „Anspruchsgemeinden“ und „Ermessensgemeinden“ unterteilt. Wie der Name sagt, hatten nur die Anspruchsgemeinden direkten Anspruch darauf, das Land wechseln zu können, während bei den Ermessensgemeinden seitens Thüringens später von einem Wechsel abgesehen wurde. Zu letzterer Gruppen zählten Arnsgrün und Bernsgrün, wobei sich in Bernsgrün eine klare Mehrheit für Sachsen ausgesprochen hatte. Die aufgeheizte Stimmung in der Region um Pausa, die in einer „Vogtlandwolke“ (Zitat: Martina Schweinsburg) schwebe, wurde kritisiert. Trotzdem hatte man selbst in den Anspruchsgemeinden den Eindruck, der Wechsel würde hinausgezögert, was dazu führte, daß man versuchte keinen Zweifel an der eigenen Haltung aufkommen zu lassen. Mitte 1991 war Pausa Mitglied des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, die örtlichen Vereine waren in sächsische Gruppen integriert und das Gebiet war in die Planungen des Landkreises Plauen eingebunden. Mitte September 1991 war man nach jahrelangem Ringen nun endlich zum Ergebnis gekommen, daß Elsterberg, Görschnitz, Langenbach, Mühltroff, Pausa, Ranspach, Thierbach und Unterreichenau umgeliedert werden sollten. Nach wie vor keine Einigkeit bestand bei Langenbuch und den Abstimmungsgemeinden, die vor 1952 zwar zu Thüringen gehörten, bei den Abstimmungen aber für Sachsen stimmten. Die Umgliederung sollte nun zum 1. Januar 1992 vollzogen werden.

Die betroffenen Gemeinden wurden jetzt allerdings von sächsischen Beamten besucht, was vorher durch die sogenannte Erfurter Vereinbarung unterbunden werden sollte. Das nahm die Thüringer Regierung zum Anlaß, die „Verschleppungstaktik“ weiterzuführen, so der Vorwurf der örtlichen Bürgermeister. Von der in Sachsen regierenden CDU kam der Vorwurf, Thüringen sei „wenig kooperationsbereit“. Was den Bürgen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, war die Tatsache, daß Thüringen nicht nur die Ermessensgemeinden behalten wollte, sondern auch bei den Anspruchsgemeinden möglichst wenige an Sachsen abtreten wollte. Nach erneuten Interventionen von Landräten, Bürgermeistern und Landesregierungen, insbesondere um die Gemeinden Thierbach und Langenbach, hieß es am 11. Dezember von Seiten Thüringens, daß die geplante Umgliederung zum Jahreswechsel zeitlich nicht mehr möglich sei. Da man nun um die Reputation der CDU in der Region fürchtete, schaltete sich das Bundeskanzleramt vermittelnd ein.[1]

Wechsel ohne und mit Staatsvertrag

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Nachdem die Umgliederung zum Jahreswechsel 1991/1992 gescheitert war, setzten die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden eigenmächtig einen Wechsel um. Ab Januar 1992 wehten vor den Rathäusern Weiß-Grüne Sachsenfahnen; auch die Ortseingangsschilder wurden entsprechend beschriftet. Die Gemeinden betrachteten sich als Teil des Kreises Plauen. Der Plauener Landrat Röhn spielte mit: Eigenmächtig wurden Kfz-Ummeldungen vorgenommen und Bauanträge in Plauen bearbeitet. Obwohl dieses Verhalten offensichtlich illegal war, kam nun Bewegung in die Sache: Eine erneute Befragung in Thierbach, bei der der Anteil der Bürger, die für Sachsen stimmten im Vergleich zu 1990 um 5,4 % stieg und die eigentlich klare Situation in den anderen Gemeinden sorgen für erneute Gespräche, begleitet vom Androhen des Ausrufens wirtschaftlichen und politischen Notstandes und dem Schließen der Gemeindeverwaltungen ab dem 24. Februar 1992. Am 11. Februar wurde deshalb der Staatsvertrag unterzeichnet. Am 25./26. März wurde der Vertrag, nach längerer Diskussion als im Sächsischen Landtag, vom Thüringer Landesparlament ratifiziert. Die Situation von Cunsdorf war kompliziert, denn das Dorf selbst war zwar Anspruchsgemeinde, aber in eine Ermessensgemeinde eingemeindet worden. Das erforderte eine Ausgliederung des 150-Einwohner Dorfes aus Schönbach und schließlich einen Zweiten Staatsvertrag vom Mai 1994, der zum 1. August des gleichen Jahres in Kraft trat.

Die Eingliederung der Ermessensgemeinden Schönbach, Arnsgrün, Bernsgrün und Cossengrün scheiterte am thüringischen Widerstand.[1]

Erster Staatsvertrag von 1992

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Basisdaten
Titel: Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Land Thüringen über die Änderung der gemeinsamen Landesgrenze vom 11. Februar 1992
Abkürzung: GrÄndStVtr SN/TH
Art: Staatsvertrag
Geltungsbereich: Freistaat Thüringen und Land Thüringen
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht
Erlassen am: 11. Februar 1992
Inkrafttreten am: 1. April 1992
Weblink: Volltext des Staatsvertrages
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Im Staatsvertrag vom 11. Februar 1992 wurden eingedenk „historischer und kultureller Verflechtungen“ folgende Gemeinden umgegliedert:

Görschnitz gehört heute zu Elsterberg. Alle anderen Kommunen sind Teil der heutigen Stadt Pausa-Mühltroff.

Basisdaten
Titel: Zweiter Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Freistaat Thüringen über die Änderung der gemeinsamen Landesgrenze
Abkürzung: GrÄndStVtr SN/TH 2
Art: Staatsvertrag
Geltungsbereich: Freistaat Sachsen und Freistaat Thüringen
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht
Erlassen am: Mai 1994
Inkrafttreten am: 1. August 1994
Weblink: sn/th 2/index.html GrÄndStVtr SN/TH 2
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Zweiter Staatsvertrag von 1994

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Im zweiten Staatsvertrag wurde 1994 noch wie folgt umgegliedert

Cunsdorf gehört heute zu Elsterberg.

  1. Für den Gemeinderat von Bernsgrün war die Zugehörigkeitsfrage nachrangig, da sich die Mehrzahl der Bürger als Vogtländer fühle. Nichtsdestotrotz stimmte der Gemeinderat am 21. März einstimmig für Sachsen.
  2. Am 2. Mai bat der Rat der Gemeinde um eine Umgliederung von Zeulenroda nach Plauen.
  1. a b c Michael Richter: Entscheidungen für Sachsen. Grenzkreise und -kommunen bei der Bildung des Freistaates Sachsen 1989-1994. Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der Technischen Universitä Dresden, 2002, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  2. Siehe dafür: Erster Staatsvertrag über die Änderung der Landesgrenze
  3. Siehe dafür: Zweiter Staatsvertrag über die Änderung der Landesgrenze

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