Bieritz-Werft

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Die Bieritz-Werft war eine Bootswerft in Friedrichskoog, die 1995 geschlossen wurde. Das auf den Bau von Holzbooten spezialisierte Unternehmen gehörte bis in die 1980er-Jahre hinein zu den größten Kutterwerften an der deutschen Nordseeküste.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehemalige Bieritz-Werft in Friedrichskoog

Im Jahr 1900 eröffnete Willi Bieritz eine Werft in Meldorf, auf der er kleine hölzerne Fischer- und Sportboote fertigte, zudem konnten Ewer und Kutter auf einer Slipanlage repariert werden.[1] Die Anzahl der Arbeitsaufträge blieb anfangs bescheiden, weil nur wenige Frachtsegler den Meldorfer Hafen anliefen und es dort kaum Fischer gab; im Jahr 1913 waren lediglich ein Besanewer, ein Fischkutter und fünf offene Fischerboote mit Heimathafen Meldorf registriert.[2][3] Zu den größeren Neubauten, die bei Bieritz in Meldorf entstanden, gehören die Fischkutter FRI 14 Kehrwieder (gebaut 1921, Länge 9,1 m), OTT 1 Nordstern (gebaut 1933, Länge 11,7 m), NEU 139 Karin (gebaut 1938, Länge 13,2 m), BÜS 54 Ludwig (gebaut 1941, Länge 13,1 m) sowie die als Ketsch getakelten Kutter FRI 15 Wilhelmine (gebaut 1936, Länge 12,2 m) und NEU 138 Grete (gebaut 1937, Länge 12,5 m).[4][5] Ende der 1930er-Jahre firmierte die Werft unter dem Namen Bieritz & Söhne.

Während die wirtschaftliche Bedeutung des von Verschlammung bedrohten Meldorfer Hafens in den Folgejahren stagnierte, war 1935 im südlich gelegenen Friedrichskoog durch Eindeichungsmaßnahmen ein sturmflutsicherer Dockhafen entstanden, der damals 56 Krabbenkuttern als Heimathafen diente.[6] Die Wasserstraßenverwaltung des Deutschen Reiches, die ab 1937 für den neuen Hafen zuständig war, unterstützte die Ansiedlung einer dortigen Werft. Im Jahr 1943 verlegte Willi Bieritz seinen Betrieb nach Friedrichskoog, gleichzeitig wurde die Werft in Meldorf geschlossen.[7]

Die 1969 gebaute SC 14 Maret

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Unternehmen zur größten Kutterwerft an der Westküste Schleswig-Holsteins. Durchschnittlich wurden etwa zwei bis drei Kutter pro Jahr fertiggestellt. Ab den frühen 1960er-Jahren entstanden auch hölzerne Segelyachten auf der Werft, darunter die 1961 gebaute Ketsch Astarte, mit der Gerhild Wiendieck als erste deutsche Einhandseglerin den Atlantik überquerte.[8] Nach dem Tod von Willi Bieritz übernahm sein 1923 geborener Sohn Peter Bieritz 1962 den elterlichen Betrieb. Der 100. Neubau wurde Mitte der 1970er-Jahre abgeliefert. Im Jahr 1978 beschäftigte die Werft 17 Mitarbeiter, darunter acht Lehrlinge. Zu dieser Zeit entfielen 80 % der Arbeiten auf den Bau von Fischkuttern, 10 % auf den Bau von Sportbooten und 10 % auf Reparaturen.[9] Lehrlinge der Bieritz-Werft fertigten von 1976 bis 1980 vor Ort die drei Zollkutter-Nachbauten Anna, Björn af Brekkukot und Maya nach einem Entwurf von Colin Archer.[10][11][12]

In den 1980er-Jahren nahm die Anzahl der Bauaufträge für gewerbliche Holzkutter kontinuierlich ab, weil in der Fischerei zunehmend Stahlkutter nachgefragt wurden, die in der Herstellung und Instandhaltung günstiger waren. Die Rückgänge im Kutterbau konnte das Unternehmen durch den Yachtbau und die Reparaturaufträge nicht ausgleichen, so dass die Mitarbeiterzahl erheblich reduziert wurde. Die Belegschaft der Werft bestand 1986 aus dem Betriebsinhaber Peter Bieritz, seinem 1947 geborenen Sohn Peter Bieritz (junior), dessen Schwester Gesche sowie acht Lehrlingen.[7] Im Jahr 1995 wurde das Familienunternehmen geschlossen. Bis dahin waren etwa 140 Neubauten, darunter 120 Kutter, auf der Werft entstanden.[13]

Anfang der 2000er-Jahre erwarb der Nindorfer Unternehmer Thede Dörscher die stillgelegte Werft, um in der Bootshalle die Schoneryacht Jolly Celeste zu bauen, mit der er 2003 an der DaimlerChrysler North Atlantic Challenge teilnahm.[14][15] Anschließend wurde die Halle kurzzeitig an den Albersdorfer Unternehmer Hans Peter Sass vermietet, der dort 2003 seine von Georg Nissen entworfene Yacht Jana vun de Geest (auch bekannt als Nissen 39) fertigstellte.[16] Die später geplante Umwandlung des Areals in eine Museumswerft wurde nicht realisiert.[15]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bieritz-Werft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gert Uwe Detlefsen: Häfen, Werften, Schiffe, Chronik der Schiffahrt an der Westküste Schleswig-Holsteins, Verlag H. Lühr & Dirks, St. Peter-Ording, 1987, S. 312
  2. Deutscher Seefischerei-Almanach für 1913, Deutscher Seefischerei Verein, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1913, Seite 95
  3. Handbuch für die Deutsche Handelsmarine auf das Jahr 1913, Reichsamt des Inneren, Berlin 1913
  4. Handbuch für die Deutsche Handelsmarine, Jahrgänge 1926 bis 1939, Reichsamt des Inneren, Berlin
  5. Deutscher Fischerei-Almanach 1952, Krögers Buch- und Verlagsdruckerei, Hamburg-Blankenese 1952
  6. Fischerblatt: Fischereihäfen an Nord- und Ostsee: Friedrichskoog, August 2012, abgerufen am 29. Dezember 2023
  7. a b Gert Uwe Detlefsen: Häfen, Werften, Schiffe, Chronik der Schiffahrt an der Westküste Schleswig-Holsteins, Verlag H. Lühr & Dirks, St. Peter-Ording, 1987, S. 246–248
  8. Museumshafen am Warder e.V., Heiligenhafen, Astrate, abgerufen am 29. Dezember 2023
  9. Gisela Kranefuss: Hier riechen Holz und Teer nach Fernweh, Dithmarscher Landeszeitung 1978
  10. Museumshafen Probstei, Maya, abgerufen am 29. Dezember 2023
  11. Woodvibes: Anna, 1976 - 80, abgerufen am 29. Dezember 2023
  12. Museumshafen Kiel e.V., Henriette, abgerufen am 29. Dezember 2023
  13. Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer: Für mich muss ein Kutter aus Holz sein, 16. Oktober 2018, abgerufen am 29. Dezember 2023
  14. Manager Magazin: Alte und junge Seebären, 26. Mai 2003, abgerufen am 29. Dezember 2023
  15. a b Woodvibes: Zurück in Friedrichskoog, abgerufen am 29. Dezember 2023
  16. Yacht: Nissen 39 „Jana vun de Geest“ – ein moderner Klassiker, 8. Mai 2023, abgerufen am 23. Dezember 2023

Koordinaten: 54° 0′ 16″ N, 8° 52′ 53″ O