Carl Duisberg

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Carl Duisberg um 1930 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid
Carl Duisberg (Porträt von Max Liebermann)
Denkmal für Duisberg im Carl-Duisberg-Park

Friedrich Carl Duisberg (* 29. September 1861 in Barmen (heute zu Wuppertal); † 19. März 1935 in Leverkusen) war ein deutscher Chemiker und Industrieller.

Leben

Nach Ablegen der Reifeprüfung an der Höheren Bürgerschule zu Barmen-Wupperfeld, dem heutigen Carl-Duisberg-Gymnasium in Wuppertal, studierte Duisberg von 1879 bis 1882 Chemie an den Universitäten Göttingen und Jena und schloss sein Studium mit einer Promotion über Acetessigester ab. Nach dem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim bayerischen Leibregiment in München begann er 1883 seine Arbeit bei den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co AG mit Sitz in Wuppertal-Elberfeld. Sein Arbeitsplatz war im ersten Jahr das Chemische Institut der Universität Straßburg. Im Auftrag von Bayer gelangen ihm mehrere Erfindungen auf dem Farbstoffsektor, unter anderem die Synthese des Benzopurpurins, welche als Patente angemeldet wurden.

1888 wurde Duisberg Prokurist und Leiter der wissenschaftlichen Versuche bei Bayer. Er hatte maßgeblichen Anteil an dem Entwurf und der Realisierung des Umzugs der Firma nach Leverkusen. 1900 wurde er zum Direktor und Vorstandsmitglied berufen, 1912 zum Generaldirektor und Vorstandsvorsitzenden der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. ernannt. Angeregt durch Reisen in die USA, wo er das Modell des Zusammenschlusses von Aktiengesellschaften zu einem Trust wie z. B. bei Standard Oil als höchst profitabel kennenlernte, verfasste er 1904 die „Denkschrift über die Vereinigung der deutschen Farbenfabriken“. Als treibende Kraft und geistiger Vater gehörte er somit 1916 zu den Gründern der Interessengemeinschaft Farben.

Schon im September 1914, also noch vor dem Übergang des Ersten Weltkriegs in den Stellungskrieg, wurde durch den deutschen Generalstab eine „Nernst-Duisberg-Kommission“ eingesetzt. Sie hatte den Auftrag, chemische Kampfstoffe zu erforschen und am Gegner zu „erproben“. Die Haager Landkriegsordnung von 1907 erlaubte unter Bedingungen, die im Krieg problemlos geltend zu machen waren, durchaus den Einsatz solcher Stoffe. Auch arbeiteten bald neben Walther Nernst zahlreiche weitere renommierte deutsche Wissenschaftler an diesen Waffen, so James Franck, Fritz Haber, Otto Hahn und Gustav Hertz, die wie Nernst später mit dem Nobelpreis international geehrt werden sollten. Duisberg konnte sich daher in seinem Einsatz für die technisch-industrielle Seite dieses Geschehens gerechtfertigt fühlen. So begeisterte er sich 1915 hinsichtlich einer Neuentwicklung mit Freisetzung des tödlich wirkenden Phosgens in einem Bericht an Major Bauer von der Obersten Heeresleitung:[1]

„Meiner Meinung nach sollte man [...] auch die T-Hexa-Granaten an der Front ausprobieren. [...] Das wichtigste dabei ist aber dann die feste Hexa-Substanz, die als feines Pulver zerstäubt und, mit Pyridin infiziert, langsam, während sie sich in die Schützengräben hineinsenkt, in Phosgen umgewandelt wird. Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. [...] Die einzig richtige Stelle aber ist die Front, an der man so etwas heute probieren kann und auch für die Zukunft nicht sobald wieder Gelegenheit hat, so etwas auszuprobieren. [...] Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen.“

Duisberg gehörte auch – zusammen mit Walther Rathenau und Hugo Stinnes – zu den führenden deutschen Industriellen, die 1916 mit Erfolg Repressionen gegen die Zivilbevölkerung des von Deutschland besetzten Belgiens und die Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland forderten.[2] Beides verstieß gegen geltendes Kriegs- und Völkerrecht.

Bis 1926 war Duisberg bei den Bayer-Werken tätig, von 1925 bis 1935 war er Aufsichtsratsvorsitzender seines Lebenswerkes, der I.G. Farbenindustrie AG, in der die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. aufgegangen waren.

In seiner berühmt gewordenen Rede mit dem Titel „Gegenwarts- und Zukunftsprobleme der deutschen Industrie“ auf der Tagung „Wirtschaft in Not“ des Bayrischen Industriellen-Verbandes am 24. März 1931 forderte er die wirtschaftliche Verständigung mit Südosteuropa und Frankreich, er führte aus:

„Erst ein geschlossener Wirtschaftsblock von Bordeaux bis Sofia wird Europa das wirtschaftliche Rückgrat geben, dessen es zur Behauptung seiner Bedeutung in der Welt bedarf.“[3]

1921 wurde eine Carl-Duisberg-Gesellschaft zur Förderung des Auslandsstudiums gegründet. Von 1925 bis 1931 war er Vorsitzender des Reichsverbands der Deutschen Industrie. Duisberg war finanzieller Förderer des Alldeutschen Verbandes. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten gehörte er bis zu seinem Tod der neu gegründeten Akademie für Deutsches Recht an, in der er den Vorsitz des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz[4] übernahm.

Am 14. Todestag von Carl Duisberg, dem 19. März 1949, wurde durch Bund und Länder die Carl-Duisberg-Gesellschaft zur Förderung wissenschaftlicher Nachwuchskräfte gegründet.

Ehrungen

Aufgrund der Nähe Duisbergs zur Kriegswirtschaft und der Rolle der IG Farben im Nationalsozialismus forderte die Netzwerk-Organisation „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ 2011 eine Aberkennung der Leverkusener Ehrenbürgerschaft Duisbergs und die Umbenennung nach ihm benannter öffentlicher Straßen und Einrichtungen.[8] Im Jahr 2014 befürwortete auch das Stadtarchiv der Stadt Dortmund eine Umbenennung.[9]

Familie

Duisberg war mit Johanna Seebohm verheiratet. Sein Sohn, der Filmregisseur Carl Ludwig Achaz-Duisberg (* 18. Juli 1889 in Elberfeld; † 19. Januar 1958 in München), heiratete Anna Luise Block (1896–1982), eine Tochter Josef Blocks und Nachkommin Moses und Joseph Mendelssohns. Die Tochter Hildegard (* 19. Januar 1892 in Schönfließ; † 8. Oktober 1964 in Münster, Westfalen) heiratete den Anthroposophen und Reiseschriftsteller Hans Hasso von Veltheim (1885–1956). Der zweitgeborene Sohn Walther (1892–1964) studierte ab 1912 Chemie in Dresden und München, wurde bei Willstätter promoviert und ging 1925 für Bayer (ab 1926 IG Farben) in die USA als Patentanwalt. Ab 1933 war er US-amerikanischer Staatsbürger.

Schriften

  • Meine Lebenserinnerungen. Reclam, Leipzig 1933.
  • Kordula Kühlem (Hrsg.): Carl Duisberg (1861–1935). Briefe eines Industriellen. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-71283-4. (Leseprobe bei Google Bücher)

Literatur

Commons: Carl Duisberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kordula Kühlem (Hrsg): Carl Duisberg (1861-1935): Briefe eines Industriellen. Band 68 von Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Oldenbourg Verlag, 2012, ISBN 978-3-486-71283-4
  2. Vgl. Jens Thiel: „Menschenbassin Belgien“. Anwerbung, Deportation und Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg. Essen 2007, S. 109-113.
  3. Zit. n. Wolfgang Schumann, Ludwig Nestler (Hrsg.): Weltherrschaft im Visier. Berlin 1975,S. 219 f.
  4. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 121.
  5. Verzeichnis der Ehrenpromovenden der TH/TU Dresden
  6. Carl-Duisberg-Str. in Bonn
  7. Dr.-Carl-Duisberg-Haus in Marburg
  8. Forderung der CBG aus dem September 2011
  9. Stadt Dortmund: Stellungnahme des Stadtarchivs vom 13. August 2014.
VorgängerAmtNachfolger
Carl RumpffVorstandsvorsitzende der Bayer AG
1912–1925
Ulrich Haberland