Eugen Seibold (Schiff)

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Eugen Seibold
Schiffsdaten
Flagge Portugal Portugal
Schiffstyp Kielyacht
Heimathafen Funchal, Madeira
Eigner Stiftung Forschungsschiff Eugen Seibold
Reederei F. Laeisz
Bauwerft Michael Schmidt Yachtbau, Greifswald
Baukosten 3,5 Millionen Euro
Taufe 11. Mai 2018
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 22 m (Lüa)
Breite 6 m
Tiefgang (max.) 3,5 m
Verdrängung 44 t
 
Besatzung 4
Maschinenanlage
Maschine Diesel und Elektrisch
Maschinen­leistung 210 PS (154 kW)
Ab 2018
Takelung Slup
Anzahl Masten 1
Anzahl Segel 2
Segelfläche 350 m²
Geschwindigkeit
unter Segeln
max. 10 kn (19 km/h)
Der Namensgeber Eugen Seibold (1918–2013) an Bord der Littorina, 1978

Die Eugen Seibold ist eine seetaugliche Segelyacht, die speziell für das kontaminationsfreie Sammeln und Analysieren von Meerwasser-, Plankton- und Luftproben entwickelt und gebaut wurde. Seit Ende 2018 ist das Forschungsschiff für die Wissenschaft im Einsatz, um die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Erdatmosphäre zu untersuchen. Betreiber ist das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Namensgeber ist der deutsche Meeresgeologe Eugen Seibold (1918–2013).

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ziel dieser Schiffsneuentwicklung ist es, flexibler und dynamischer auf Umwelt- und Klimaereignisse zu reagieren und sie kurzfristig erforschen zu können. Beispielsweise können nun mithilfe der Segelyacht Eugen Seibold Phänomene wie El Niño oder die Fernwirkungen von Staubstürmen und großen Busch- und Waldbränden schnell in das Expeditionsprogramm aufgenommen und untersucht werden. Diese kurzfristigen Einsätze ergänzen das langfristige Forschungsprogramm, bei dem Stationen regelmäßig und über mehrere Jahre hinweg beprobt werden. Die geringe Größe und ein nachhaltiges Betriebskonzept sollen ein sehr ökonomisches Forschen ermöglichen. Die Bauweise des Schiffs mit einem Rumpf aus glasfaserverstärktem Kunststoff und bis zu neunstündigem Batteriebetrieb ermöglicht die Probenahme von Wasser und Luft, die nicht durch Abgase oder Rost des Forschungsschiffs selbst verunreinigt wurden.[1][2]

Die Konstruktion übernahm Lorenzo Argento Yacht Design (Italien).[3][4][5] Die Umsetzung erfolgte durch Michael Schmidt Yachtbau in Greifswald. Die Architekten Axthelm & Rolvien (Berlin) waren verantwortlich für den Innenausbau.[6] Zusammen mit ZF Friedrichshafen wurde ein Getriebe entwickelt.[6] In Zusammenarbeit von Hydrobios (Kiel) und der mechanischen Werkstatt des Max-Planck-Instituts für Chemie wurde ein Multischließnetz aus Titan gefertigt. Die Werner Siemens-Stiftung finanzierte den Bau der Yacht mit 3,5 Millionen Euro.[1][6]

Mit dem Bau der Yacht wurde 2017 begonnen. Am 11. Mai 2018 taufte Ilse Seibold das Schiff in Kiel im Rahmen eines Festsymposiums zu Ehren ihres verstorbenen Mannes.[7][8] Die Segelyacht wird von der Reederei F. Laeisz betreut, Heimathafen ist Funchal auf Madeira, daher trägt das Schiff die portugiesische Flagge. Eigner ist die eigens gegründete,[1] in Zürich ansässige und gemeinnützige[9] Stiftung Forschungsschiff Eugen Seibold, den Unterhalt trägt die Max-Planck-Gesellschaft.

Die Forschungsyacht Eugen Seibold soll alle Klimazonen und die verschiedenen Meeresgebiete beproben. 2019 brach sie zu einem bis 2021 geplanten Transekt vom tropischen bis in den polaren Nordatlantik und über die Karibik in den Ostpazifik auf.[6]

Ausrüstung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Flagge Portugals befindet sich der Heckgalgen; mit dem Rohr hinter dem Segel werden Luftproben entnommen

Die Segelyacht des Modells Explorer 72 ist 22 Meter lang, 6 Meter breit und hat einen Tiefgang von 3,5 Metern. Das 44 Tonnen[10] schwere Schiff erreicht bei einer Segelfläche von 350 m² in Sluptakelung eine Geschwindigkeit von 8–10 Knoten. Sie erfüllt die Kategorie A der CE-Seetauglichkeitseinstufung. An Bord gibt es acht Kojen für vier bis sechs Wissenschaftler und zwei bis vier Crewmitglieder. Mit 4000-Liter-Dieseltank, 1000 Liter Frischwasser und einer Meerwasserentsalzungsanlage ist die Forschungsyacht bis zu drei Wochen autonom. Die Yacht verfügt über Elektromotoren und Lithium-Eisenphosphat-Akkus mit einer Kapazität von etwa 65 kWh, mit denen der Forschungsbetrieb über bis zu 9 Stunden emissionsfrei möglich ist. Ein 288-Volt-Generator mit 67 PS sorgt für die elektrische Energieversorgung. Ab einer Geschwindigkeit von 3 kn können die Akkus über den Wellengenerator aufgeladen werden.[11] Zudem hat der Forschungssegler einen knapp 210 PS starken Sechszylinder-Dieselmotor.[6][3]

Die Hälfte des Innenraums wird von drei Laboren eingenommen, in denen Proben vor Ort ausgewertet werden können. Das Probenwasser wird über ein Teflon-Rohr im Kiel aus drei Meter Wassertiefe in das Nasslabor gepumpt. Es ist mit Instrumenten zur Chlorophyll-, Partikel- und Kohlendioxid-Analytik, zur Bakterioplankton-Analyse sowie zur Analyse der Primärproduktion ausgerüstet. Weiterhin enthält es Filtrationseinrichtungen, eine Sicherheitswerkbank (Clean Bench), einen Dunstabzug sowie Kühl- und Gefrierschränke. Mit den Geräten im Halb-Nass-Labor können Kohlendioxid-Isotopen analysiert und das Argon-Sauerstoff-Verhältnis zur Ermittlung der Primärproduktion quantifiziert werden. Probenluft wird in etwa zehn Meter Höhe über dem Deck angesaugt und im Luftlabor analysiert. Das Labor ist mit Analytik für atmosphärische Partikel ausgestattet. Anzahlkonzentrationen, Größenspektren und mikrophysikalische Eigenschaften von Partikeln wie Aerosolen und Ruß werden direkt gemessen. Sämtliche Partikel werden auf Filtern gesammelt und für weitere Analysen präpariert.

Am Heck befindet sich ein hydraulischer Heckgalgen,[10] der zum Aufnehmen und Aussetzen von Geräten verwendet werden kann. Die Beprobung der tieferen Wassersäule erfolgt mit CTD-Rosette, in-situ Filtration, Multischließnetz, Bongonetz und Sedimentfalle. Parameter wie Wassertemperatur, Salinität, pH-Wert, Sauerstoffgehalt und Fluoreszenz werden an verschiedenen Positionen in der Wassersäule permanent aufgezeichnet. Ein Sensor auf der Spitze des Masts registriert die photosynthetisch aktive Strahlung (PAR).[12][13]

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abteilung Klimageochemie am Max-Planck-Institut für Chemie, geleitet von Gerald Haug, untersucht mithilfe der S/Y Eugen Seibold die Rolle des Ozeans auf Klimaänderungen. Dafür werden in der Luft und der oberen Wassersäule physikalische Größen wie die Temperatur, biologische Aspekte wie Planktonvorkommen und chemische Größen wie die Konzentration von Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid, Spurenmetallen und Salinität erhoben. Neben einer detaillierten Beschreibung des Zustands der tieferen Atmosphäre und der Meere sollen mithilfe der neuen Daten auch vergangene klimatische Verhältnisse rekonstruiert werden.[1]

Die Untersuchungen umfassen sowohl Luftproben als auch die euphotische Zone, d. h. lichtdurchflutete, produktive obere Wassersäule sowie die darunterliegende Dämmerzone bis 1000 Meter Tiefe. Die meisten der chemischen und biologischen Abbau- und Austauschprozesse finden an der Meeresoberfläche und den oberen 1000 Metern des Ozeans statt.[14] Diese Prozesse haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Verteilung von Treibhausgasen wie dem Kohlenstoffdioxid in der Erdatmosphäre und dem Ozean. Verteilung und Eigenschaften atmosphärischer Aerosole kontinentaler und ozeanischer Luftmassen beeinflussen das Klima durch verschiedene ozeanisch-atmosphärische Austauschprozesse, Wolkenbildung und Strahlungsantrieb.[15]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Eugen Seibold (ship, 2018) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Segelnde Forschungsjacht (Memento des Originals vom 19. April 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wernersiemens-stiftung.ch. Website der Werner Siemens-Stiftung, abgerufen am 18. Mai 2020.
  2. Forschung unter Segeln. In: Business & People – Das Wirtschaftsmagazin aus den Metropolregionen Hamburg und Bremen / Oldenburg. 14. Dezember 2018.
  3. a b Claus Reissig: Der Ozean, der Professor und die Yacht. In: Frankfurter Allgemeine. 11. Januar 2018.
  4. Clare Mahon: Lorenzo Argento on designing 22m explorer sailing yacht Eugen Seibold. In: Boat International. 3. August 2018.
  5. Fridtjof Gunkel: Unterwegs mit Explorer „Eugen Seibold“@1@2Vorlage:Toter Link/www.yacht.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. In: Yacht, 16. April 2019.
  6. a b c d e Das Schiff Eugen Seibold. Website des Max-Planck-Instituts für Chemie, abgerufen am 18. Mai 2020.
  7. Deutsche Meeresforschung trifft sich in Kiel. Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 11. Mai 2018.
  8. „Eugen Seibold“ segelt von Kiel aus. In: Kieler Nachrichten. 11. Mai 2018.
  9. Kantonales Steueramt Zürich: Institutionen, die wegen Verfolgung von öffentlichen oder gemeinnützigen Zwecken steuerbefreit sind, 31. März 2020, S. 72.
  10. a b Labor unter weißen Segeln. In: MaxPlanckForschung. 2/2019, S. 3.
  11. Neue Hochsee-Forschungsyacht für die Meeres- und Klimaforschung: RV Eugen Seibold. Factsheet des Max-Planck-Instituts für Chemie, abgerufen am 18. Mai 2020.
  12. Methoden: Continuous underway sampling of surface ocean. Website des Max-Planck-Instituts für Chemie, abgerufen am 18. Mai 2020.
  13. Max-Planck-Institut für Chemie: The Eugen Seibold – a sailing yacht for oceanic research auf YouTube, 7. August 2019, abgerufen am 18. Mai 2020.
  14. Conny Müller, Khanneh Wadinga Fomba, Hartmut Herrmann: Austauschprozesse zwischen Meeresoberfläche und Atmosphäre – die Bedeutung natürlicher Aerosolpartikel@1@2Vorlage:Toter Link/www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. In: José L. Lozán, Hartmut Graßl, Ludwig Karbe, Karsten Reise (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen & Risiken. 2011, S. 52–59.
  15. Ralf Schiebel, Stephen Barker, Ralf Lendt, Helmuth Thomas, Jörg Bollmann: Planktic foraminiferal dissolution in the twilight zone. In: Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography. 54(5–7), 2007, S. 676–686, doi:10.1016/j.dsr2.2007.01.009.