Gaius (Jurist)

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Gaius war ein römischer Jurist. Die Wissenschaft kennt nur wenig aus seinem Leben, und es ist sogar unmöglich, seinen vollständigen Namen in Erfahrung zu bringen, lediglich Gaius oder Caius (siehe: Römische Namen).

Aus seinen Arbeiten kann geschlossen werden, dass er in den Regierungszeiten der Kaiser Hadrian, Antoninus Pius, Mark Aurel und Commodus gearbeitet hat. Seine Werke wurden folglich zwischen 130 und 180 n. Chr. zusammengestellt, zu einer Zeit, als das Römische Reich in seiner Blüte stand und seine Regierung am erfolgreichsten waren. Vermutlich lebte Gaius in einer Provinzstadt, weswegen wir auch keine zeitgenössischen Notizen über sein Leben oder seine Arbeit haben. Nach seinem Tod wurden seine Schriften als von so großer Autorität erkannt, dass die Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. ihn in ihrem Zitiergesetz aus dem Jahr 426, zusammen mit Papinian, Ulpian, Modestinus und Iulius Paulus, zu einem der fünf Juristen ernannten, deren Meinung von Justizbeamten bei zu entscheidenden Fällen gefolgt werden solle. Die Arbeiten dieser Juristen wurden zu den wichtigsten Quellen für das Römische Recht.

Neben den Institutiones (Anweisungen, Belehrungen), die eine vollständige Zusammenstellung der Elemente des Römischen Rechts sind, war Gaius der Autor unter anderem von Kommentaren zu den Edikten der Rechtssprechungsbeamten, zu den Zwölf Tafeln und zur Lex Papia Poppaea. Sein Interesse an der Frühzeit des Römischen Rechts ist offenkundig, und auch deswegen ist sein Werk zur Geschichte der frühen Institutionen äußerst wertvoll. In den Disputen zwischen den beiden Schulen römischer Juristen stand er im allgemeinen auf der Seite der Sabinianer, die Anhänger des Gaius Ateius Capito gewesen sein sollen, über dessen Leben wir durch TacitusAnnalen einige Informationen haben; er verteidigt ein striktes Festhalten an alten Regeln, soweit wie möglich, und verlangt, Neuerungen zu widerstehen. Viele Zitate aus seinem Werk finden wir in den Digesten des Justinian, das so einen dauerhaften Platz im römischen Rechtssystem erwarb; ein Vergleich der Institutiones des Justinian mit denen des Gaius zeigt, das die gesamte Methodik und Anordnung des späteren Werks dem des früheren folgt, und viele Passagen sogar wörtlich übereinstimmen. Vermutlich waren in den drei Jahrhunderten zwischen Gaius und Justinian die Institutiones des ersteren das geläufige Lehrbuch für alle Studenten des Römischen Rechts.

Unglücklicherweise war das Werk für moderne Gelehrte verloren, bis 1816 Barthold Georg Niebuhr ein Manuskript in der von Stiftsbibliothek von Verona entdeckte, das einige Arbeiten des heiligen Hieronymus enthielt, die über frühere Texte geschrieben waren, die sich als die verlorenen Schriften des Gaius herausstellten. Der größere Teil dieses Palimpsest konnte entziffert werden, und der Text ist nunmehr fast vollständig. Die Entdeckung hat viel Licht auf Teile des römischen Rechtsgeschichte geworfen, die zuvor zumeist in Dunkeln lagen. Viel von der geschichtlichen Information, die von Gaius stammt, fehlt in der Kompilation Justinians, sowie im Besonderen die Beschreibung der alten Verfahrensvorschriften. In diesen Vorschriften können Überlebende aus frühester Zeit nachverfolgt werden, die die vergleichende Rechtsforschung mit wertvollen Hinweisen dabei unterstützt, sonderbare Verfahrensvorschriften anderer früher Systeme zu erklären.

Ein weiterer Umstand, der die Schriften des Gaius für die historische Forschung interessanter macht als die Justinians, ist, dass Gaius in einer Zeit lebte, als Verfahren durch das System der Formulae vorangetrieben wurden, förmliche Anweisungen durch den Prätor, vor den der Fall zuerst kam, an den Richter, an den er ihn abgab. Ohne Kenntnis der Bedingungen dieser Formulae ist es unmöglich, die interessanteste Frage der römischen Rechtsgeschichte zu klären, nämlich zu zeigen, wie die dem alten römischen Recht eigentümlichen starren Regeln zu einer gerechten Jurisdiktion der Prätoren modifiziert wurden, wie sie auf neue Bedingungen anwendbar gemacht und in Übereinstimmung mit den Ideen und Notwendigkeiten einer entwickelteren Gesellschaft gebracht wurden. Aus den Belegen des Gaius wird deutlich, dass dieses Ergebnis nicht durch eine unabhängige Gerichtsverwaltung, wie in England vor dem Judicature Act, einem System, das von dem gewöhnlicher Gerichtshöfe differiert, erreicht wurde, sondern durch eine Manipulation der Formulae. Zur Zeit Justinians war die Arbeit getan, und das System der Formulae verschwunden.

Die Institutiones des Gaius sind in drei Themenbereiche (Personae, Res, Actiones - Personen, Sachen, Klagemöglichkeiten) gegliedert und bestehen aus vier Büchern: das erste handelt von Personen und den Statusunterschieden, den sie vor dem Gesetz einnehmen; das zweite handelt von Sachen und den Arten, mit denen Rechte an ihnen erworben werden können, einschließlich der Gesetze über den Willen; das dritte vom nicht testamentarisch geregelten Erbe und den Pflichten; das vierte behandelt den Prozess und die Verfahrensvorschriften.

Der Einfluss der Institutiones des Gaius ist bis heute nachweisbar. Überarbeitet wurden sie nicht nur in das Corpus Iuris Civilis übernommen, sondern prägen als Institutionensystem auch den Aufbau moderner Kodifikationen, vom französischen Code civil über das österreichische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) und den italienischen Codice civile bis hin zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Literatur

Es gibt mehrere sorgfältig durchgearbeitete Ausgaben des Institutiones, beginnend mit der von Göschen (1820), die von Studemund und Krüger (1884), Ulrich Manthe (2004) usw. Einen Vergleich der bei Gaius erwähnten frühen Verfahrensvorschriften und denen primitiver Gesellschaften findet man bei Sir Henry Maine in Early Institutions, Kapitel 9. Weitere Angaben bei M. Glasson, Etude sur Gaius et sur le jus respondendi.