Hanns Hatt
Hanns Hatt (* 8. Juli 1947 in Illertissen) ist ein deutscher Biologe und Mediziner. Er ist Physiologe, der auf dem Gebiet der Elektrophysiologie und Geruchsforschung arbeitet.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanns Hatt studierte Biologie, Chemie und Humanmedizin an der LMU München und promovierte dort 1976 in Zoologie. 1981 erhielt Hatt die Approbation als Arzt, wurde 1983 zum Dr. med. promoviert und habilitierte sich 1984 in Physiologie an der Medizinischen Fakultät (Klinikum rechts der Isar) der TU München, wo er 1991 zum Ordinarius für Physiologie der Medizinischen Fakultät berufen wurde.
Hanns Hatt ist seit 1992 Professor an der Fakultät für Biologie und Inhaber des Lehrstuhls für Zellphysiologie der Ruhr-Universität Bochum.
2009 wurde Hatt als Nachfolger von Manfred J. M. Neumann vom Institut für Internationale Wirtschaftspolitik der Universität Bonn zum Präsidenten der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste für die Amtsperiode 2010 bis 2012 gewählt. 2012 folgte seine erneute Wahl bis 2016. Seine Nachfolge übernahm Wolfgang Löwer.[1] Im Jahr 2012 wurde er zum Mitglied (Matrikel-Nr. 7486) der Leopoldina gewählt.[2] Ab 2013 war er Vizepräsident, seit 2015 ist er Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.
Im Sommersemester 2019 besetzt er die Stiftungsprofessur der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zum Thema „Die Macht der Düfte“.[3]
Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Forschungsschwerpunkte von Hanns Hatt liegen auf dem Gebiet der Neuro- und Sinnesphysiologie, in denen er Beiträge geleistet hat, die in über 200 originalen Publikationen in Fachjournalen dokumentiert sind. So gelang es ihm zusammen mit Kollegen im Labor von Josef Dudel (TU München) durch eine neu entwickelte ultraschnelle Applikationstechnik von chemischen Substanzen auf lebende Zellen erstmals den Strom durch Ionenkanäle zu messen, die im Millisekundenbereich Bereich öffnen und wieder schließen (Acetylcholin, Glutamat, ATP).[4] Weitere Beiträge lieferte er zur Duftwahrnehmung vom Menschen bis zur Fliege. So konnte er den ersten menschlichen Riechrezeptor entschlüsseln und auch erstmals den cAMP-Kanal (Cyclisches Adenosinmonophosphat), verantwortlich für die elektrische Zellerregung, in humanen Riechzellen messen.[5][6] Ebenso wurde in seinem Labor auch die Funktion des ersten Riechrezeptors von Wirbellosen (Fruchtfliege) beschrieben.[7][8] Ferner entdeckte Hatt als erster, dass Riechrezeptoren auch in Zellen außerhalb der Nase eine wichtige Funktion haben. In menschlichen Spermien wurde der Rezeptor für synthetischen Maiglöckchenduft (Bourgeonal, OR17-4) nachgewiesen und gezeigt, dass seine Aktivierung zu einer positiv chemotaktischen Reaktion der humanen Spermien führt und ihre Geschwindigkeit beschleunigt.[9][10] Inzwischen wurden in seinem Labor wichtige Funktionen von weiteren Riechrezeptoren in Spermien des Menschen gezeigt und auch über 20 Duftstoffe im Vaginalsekret von Frauen beschrieben.[11][12] Vor kurzem gelang es, in nahezu allen menschlichen Geweben einige der Riechrezeptoren zum Teil in großer Menge zu finden.[13] So zum Beispiel in der Prostata (-Krebszelle)[14] oder in Hautzellen[15] und damit ein neues Target mit hohem Potential für Diagnose und Therapie in der klinischen Anwendung zu entdecken. Das Labor von Hanns Hatt erforscht auch intensiv die Wirkung von ätherischen Ölen und Gewürzstoffen auf den Nervus trigeminus (TRP-, KCNK-Kanäle).[16][17] In seinem Labor wurde vor kurzem auch gezeigt, dass Aromatherapie und ihre molekularen Wirkmechanismen über die Modulation von Gehirnrezeptoren (GABAA) durch Duftstoffe (Vertacetal) erklärt werden kann.[18][19]
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 2003, 2005 und 2007 Lecturer Award (International Graduate School Neuroscience, Ruhr-Universität Bochum)
- 2005: Philip Morris Forschungspreis
- 2006: Erfinderpreis der Ruhr-Universität Bochum
- 2007: Transferpreis NRW
- 2010: Communicator-Preis für die herausragende Vermittlung seiner Forschungsarbeiten zum Geruchssinn bei Mensch und Tier[20]
- 2010: Robert Pfleger-Forschungspreis „für seine hervorragenden Beiträge auf dem Gebiet der Physiologie des Riechens und des Geruchssinns sowie der Erforschung der biologischen Bedeutung von Riechrezeptoren in menschlichen Organen“
- 2015: Bierkutschermütze der Privatbrauerei Moritz Fiege
- 2018: Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2019
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dem Rätsel des Riechens auf der Spur. Hanns Hatt erzählt Grundlagen der Duftwahrnehmung. Hörbuch. Konzeption/Regie: Klaus Sander. supposé, Köln 2006, ISBN 978-3-932513-70-1.
- mit Regine Dee: Das Maiglöckchen-Phänomen. Alles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt. Piper, München u. a. 2008, ISBN 978-3-492-05224-5.
- Niemand riecht so gut wie du. 3. Auflage. Piper Taschenbuch, 2009, ISBN 978-3-492-25747-3.
- Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken. Albrecht Knaus Verlag, München 2012, ISBN 978-3-8135-0444-6.
- mit Reginde Dee: Die Lust am Duft. Wie Gerüche uns verführen und heilen. Springer, Berlin 2023, ISBN 978-3-662-66185-7.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hanns Hatt bei der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste
- Hanns Hatt an der Ruhr-Universität Bochum
- Lebenslauf (PDF-Datei; 13 kB)
- Eintrag in der Bochumer Hochschulbibliographie
- Literatur von und über Hanns Hatt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Interview mit H. Hatt zum Nobelpreis über GPCRs
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ awk.nrw.de: Löwer, Wolfgang (aufgerufen am 5. Januar 2017)
- ↑ Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Dr. Hanns Hatt (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 12. Juli 2016.
- ↑ EB: Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Dr. med. habil. Hanns Hatt (71). In: Deutsches Ärzteblatt. Band 116, Nr. 21, (Mai) 2019, S. B 885.
- ↑ Ch. Franke, H. Hatt, J. Dudel: Liquid filament switch for ultra-fast exchanges of solutions at excised patches of synaptic membrane of crayfish muscle. In: Neurosci. Lett. 77, 1987, S. 199–204.
- ↑ Ch. H. Wetzel, M. Oles, Ch. Wellerdieck, M. Kuczkowiak, G. Gisselmann, H. Hatt: Specificity and sensitivity of a human olfactory receptor functionally expressed in human embryonic kidney 293 cells and Xenopus laevis oocytes. In: J. Neurosci. 19, 1999, S. 7426–7433.
- ↑ N. Thürauf, G. Kobal, M. Giuric, H. Hatt: Cyclic nucleotide-gated channels in identified human olfactory receptor neurons. In: Eur. J. Neurosci. 8, 1996, S. 2080–2089.
- ↑ C. H. Wetzel, H.-J. Behrendt, G. Gisselmann, K. F. Störtkuhl, B. Hovemann, H. Hatt: Functional expression and characterization of a Drosophila odorant receptor in a heterologous cell system. In: Proc. Natl. Acad. Sci. 98(16), 2001, S. 9377–9380.
- ↑ E. M. Neuhaus, G. Gisselmann, W. Zhang, R. Dooley, K. Störtkuhl, H. Hatt: Odorant receptor heterodimerization in the olfactory system of Drosophila melanogaster. In: Nature Neurosci. 8, 2005, S. 15–17.
- ↑ I. Weyand, M. Godde, S. Frings, J. Weiner, F. Müller, W. Altenhofen, H. Hatt, U. B. Kaupp: Cloning and functional expression of a cyclic-nucleotide-gated channel from mammalian sperm. In: Nature. 368, 1994, S. 859–863.
- ↑ M. Spehr, G. Gisselmann, A. Poplawski, J. A. Riffell, C. H. Wetzel, R. K. Zimmer, H. Hatt: Identification of a testicular odorant receptor mediating human sperm chemotaxis. In: Science. 299, 2003, S. 2054–2058.
- ↑ T. Veitinger, J. R. Riffel, S. Veitinger, J. M. Nascimento, A. Triller, C. Chandsawangbhuwana, K. Schwane, A. Geerts, F. Wunder, M. W. Berns, E. M. Neuhaus, R. K. Zimmer, M. Spehr, H. Hatt: Chemosensory Ca2+ dynamics correlate with diverse behavioral phenotypes in human sperm. In: J Biol Chem. 286 (19), 2011, S. 17311–17325.
- ↑ A. Büttner, H. Hatt: Sperm activating odorous substances in human follicular fluid and vaginal secretion: Identification by gas chromatography-olfactometry and Ca2+ imaging. In: ChemPlusChem. 2013, S. 695–702.
- ↑ C. Flegel, S. Manteniotis, S. Osthold, H. Hatt, G. Gisselmann: Expression profile of ectopic olfactory receptors determined by deep sequencing. In: PLOS ONE. 8(2), 2013, Art. Nr. e55368.
- ↑ E. M. Neuhaus, W. Zhang, L. Gelis, Y. Deng, J. Noldus, H. Hatt: Activation of an olfactory receptor inhibits proliferation of prostate cancer cells. In: J. Biol. Chem. 284(24), 2009, S. 16218–16225.
- ↑ D. Busse, P. Kudella, N. M. Grüning, G. Gisselmann, S. Ständer, T. Luger, F. Jacobsen, L. Steinsträßer, R. Paus, P. Gkogkolou, M. Böhm, H. Hatt, H. Benecke: A synthetic sandalwood odorant induces wound healing processes in human keratinocytes via the olfactory receptor OR2AT4. In: J Invest Dermatol. 134(11), Nov 2014, S. 2823–2832.
- ↑ H. J. Behrendt, T. Germann, C. Gillen, H. Hatt, R. Jostock: Characterization of the mouse cold-menthol receptor TRPM8 and vanilloid receptor type-1 VR1 using a fluorometric imaging plate reader (FLIPR) assay. In: Br J Pharmacol. 141, 2004, S. 737–745.
- ↑ M. A. Sherkheli, H. Benecke, J. F. Dörner, O. Kletke, A. K. Vogt-Eisele, G. Gisselmann, H. Hatt: Monoterpenoids induce agonist-specific desensitization of transient receptor potential vanilloid-3 (TRPV3) ion channels. In: J Pharm Pharm Sci. 12, 2009, S. 116–128.
- ↑ O. A. Sergeeva, A. Kragler, A. Poppek, O. Kletke, W. Fleischer, S. R. Schubring, H. L. Haas, B. Görg, U. Rudolph, X. R. Zhu, H. Lübbert, G. Gisselmann, H. Hatt: Fragrant dioxane derivatives identify β1 subunit-containing GABA(A) receptors. In: J. Biol. Chem. 285(31), 2010, S. 23985–23993.
- ↑ Ein ergänzender Signalübertragungsweg zwischen Spermium und Eizelle, der CatSper-channel, der das Schwimmverhalten von Spermien beschreibt, wurde 2012 publiziert: Christoph Brenker, Normann Goodwin, Ingo Weyand, Nachiket D Kashikar, Masahiro Naruse, Miriam Krähling, Astrid Müller, U Benjamin Kaupp, Timo Strünker: The CatSper channel: a polymodal chemosensor in human sperm. In: EMBO J. 31(7), 4. April 2012, S. 1654–1665. doi:10.1038/emboj.2012.30. PMC 3321208 (freier Volltext)
- ↑ Akademie-Präsident Hanns Hatt erhält Communicator-Preis 2010 der DFG, Pressemeldung, in: Informationsdienst Wissenschaft vom 26. März 2010, abgerufen am 30. März 2010.
Personendaten | |
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NAME | Hatt, Hanns |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Biologe |
GEBURTSDATUM | 8. Juli 1947 |
GEBURTSORT | Illertissen |