Hans Modrow

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Februar 2009 um 11:02 Uhr durch Larsredhouse (Diskussion | Beiträge) (Gegen M. wurde nur eine Strafe verhängt, nämlich eine Freiheitsstrafe zur Bewährung. Daneben (§ 56b StGB) wurde gegen ihn eine Geldauflage festgesetzt, vgl. i.ü. http://www.berlinonline.de/berliner-ze). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Hans Modrow

Hans Modrow (* 27. Januar 1928 in Jasenitz, Landkreis Randow, Pommern; heute Police-Jasienica) war ein führender SED-Politiker in der DDR.

Modrow war von November 1989 bis März 1990 Vorsitzender des Ministerrates der DDR. Später war er Abgeordneter im Bundestag und im Europaparlament. Er war Ehrenvorsitzender der PDS.

Jugend und Ausbildung

Datei:SED-PDS.jpg
Wahlkampfzettel der SED-PDS 1989

Hans Modrow wurde 1928 geboren. Nach einer Fachausbildung zum Maschinenschlosser von 1942 bis 1945 wurde er als 17-Jähriger im Zweiten Weltkrieg in den Volkssturm berufen und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. In der Sowjetunion besuchte Modrow eine Antifa-Schule. 1949 wurde er in die DDR entlassen. Dort wurde er Mitglied in der SED, der Freien Deutschen Jugend und dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund. Modrow wurde Funktionär im Zentralrat der FDJ.

Von 1952 bis 1953 besuchte er die Komsomol-Hochschule in Moskau. Von 1954 bis 1957 absolvierte er ein Fernstudium an der Parteihochschule Karl Marx der SED und schloss als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler ab. Von 1959 bis 1961 folgte ein Fernstudium an der Hochschule für (sozialistische) Ökonomie Bruno Leuschner in (Ost-)Berlin, das zum Abschluss als Diplom-Wirtschaftler führte. 1966 promovierte Modrow an der Ost-Berliner Humboldt-Universität zum Dr. rer. oec.

Politik

Innerhalb der SED machte Modrow schnell Karriere: Ab 1954 wurde er Mitglied der Bezirksleitung Berlin der SED. 1958 wurde er Mitglied der Volkskammer und blieb dies bis zum Ende der DDR im Jahr 1990. Im September 1961 wurde er zum 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Berlin-Köpenick gewählt. Danach als Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, zuständig für Agitation. Im Zentralkomitee (ZK) der SED arbeitete Modrow als Abteilungsleiter für Agitation von 1967 bis 1973. Von 1967 bis 1989 war er Mitglied des Zentralkomitees der SED. Von 1973 bis 1989 war Modrow als 'Erster Sekretär' der Bezirksleitung der SED in Dresden tätig.

1975 wurde er mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR und 1978 mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet.

Nach seiner Wahl zum Regierungschef, 13. November 1989

Modrow galt innerhalb der SED als Reformer des sozialistischen Systems, mit relativ großen Sympathien für den sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und dessen Kurs der Perestroika und Glasnost in der Sowjetunion.

Ab dem 8. Oktober 1989 bemühte er sich zusammen mit dem Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer um einen Dialog mit der oppositionellen Gruppe der 20. Am 13. November wurde Modrow als Nachfolger Willi Stophs zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt. Im November 1989 wurde er Mitglied des Politbüros der SED und im Dezember stellvertretender Vorsitzender der in SED-PDS umbenannten Partei.

Die DDR stand vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und Proteste beherrschten das Straßenbild einiger Städte der DDR. Modrow versuchte in dieser Situation, einen Dialog mit den DDR-Bürgerrechtlern aufzunehmen, um den drohenden Untergang der DDR zu verhindern. Am 5. Februar 1990 nahm er Vertreter der neuen oppositionellen Gruppierungen des zentralen Runden Tisches als Minister ohne Geschäftsbereiche in die Regierung auf. Es entstand die Regierung der nationalen Verantwortung.

Hans Modrow, Bundeskanzler Helmut Kohl, der Regierende Bürgermeister (West-Berlin) Walter Momper und im Hintergrund zwischen Kohl und Momper der Oberbürgermeister (Ost-Berlin) Erhard Krack während der Öffnung des Brandenburger Tores am 22. Dezember 1989

Mit dem am 7. März 1990, kurz vor den ersten freien Wahlen zur Volkskammer am 18. März 1990, verabschiedeten sogenannten Modrow-Gesetz gab er DDR-Bürgern die Möglichkeit, die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen, preiswert zu erwerben. Aus rechtlichen Gründen (weil z. B. die Eigentümer in den Westen geflohen waren) war in der DDR oftmals das Eigentum an Haus und Grundstück getrennt.

Nach der Wende (Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland) wurde Modrow Ehrenvorsitzender der PDS. Im Oktober 1990 wurde Modrow Abgeordneter der PDS im Deutschen Bundestag.

1999 wurde Hans Modrow in das Europaparlament gewählt. Er arbeitete dort im Ausschuss für Entwicklungshilfe und war unter anderem für die EU-Beitrittsgespräche mit Tschechien mitverantwortlich. Zur Europawahl 2004 trat er trotz anfänglichen Interesses nicht mehr an, da ihn der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky nach eigenen Angaben für andere Aufgaben dringend brauchte und Modrow daher nicht mehr auf die Vorschlagsliste des Europaparteitags setzte. Seit 2007 ist er Vorsitzender des Ältestenrats der Nachfolgepartei Die Linke.[1]

Rechtliche Aufarbeitung

Hans Modrow, 2008

In seiner Funktion als 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED wird er mitverantwortlich gemacht für die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegenüber Demonstrierenden im Umfeld des Dresdner Hauptbahnhofes am 4. Oktober 1989, als im Transit die Züge mit Botschaftsflüchtlingen aus Prag in die Bundesrepublik Deutschland Dresden durchfuhren. Gemäß seinen eigenen Schilderungen 1991 hatte er versucht, die seiner Ansicht nach „unsinnige Entscheidung“, die Züge durch die DDR zu führen, rückgängig zu machen. Die Befehle für die Einsätze kamen von den Berliner Stäben. Zu den Festnahmen schreibt er am gleichen Ort: „Was ich in diesen Tagen zunächst nicht überblickte und erfasste, war die große Zahl der willkürlichen Festnahmen durch die Polizei. Erst in einer Versammlung im Staatsschauspiel wurde ich damit durch einen Erlebnisbericht konfrontiert. Daraufhin habe ich die sofortige Herstellung der Rechtslage von den dafür Verantwortlichen gefordert.“[2]

1993 wurde er vom Landgericht Dresden wegen Anstiftung zur Wahlfälschung (in der DDR) gemäß der Sanktion der Verwarnung mit Strafvorbehalt verwarnt, nachdem der Bundesgerichtshof die „Strafbarkeit der Fälschung sozialistischer Kommunalwahlen in der ehemaligen DDR“ auch nach der Wiedervereinigung im Jahr 1992 bejaht hatte. Im Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung, insbesondere wegen zu weitgehenden Schuldminderungserwägungen, aufgehoben.[3] Eine andere Kammer des Landgerichtes hat Modrow schließlich 1995 zu einer Bewährungsstrafe von 9 Monaten verurteilt sowie eine Bewährungsauflage von 5000,00 DM gegen ihn festgesetzt.Diese Entscheidung wurde rechtskräftig.[4] Da alle Tilgungsfristen verstrichen sind, gilt Modrow nicht mehr als vorbestraft.

Im April 2006 sorgte Modrow für Aufregung, als er auf die Frage, ob die politische Führung der DDR die Mauertoten nicht billigend in Kauf genommen habe, dem Magazin Cicero antwortet: „Die Verantwortung für die Toten tragen die Verantwortlichen auf beiden Seiten.“ Die DDR sei für ihn der „Versuch einer sozialistischen Entwicklung“ gewesen, „in der auch Demokratie mit Einschränkungen wirksam war.“[5]

Verheiratet ist Modrow mit Annemarie Straubing. Er hat zwei Kinder.

Literatur (Auswahl)

  • Hans Modrow (Hrsg.): Das Große Haus. Insider berichten aus dem ZK dem SED. edition ost, Berlin 1994, ISBN 3-929161-20-6
  • Hans Modrow: Ich wollte ein neues Deutschland. Autobiographie, Dietz Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-320-01953-8
  • Hans Modrow: Von Schwerin bis Strasbourg. Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert Parlamentsarbeit. edition ost, Berlin 2001, ISBN 3-360-01018-3
  • mit Hans Watzek (Hrsg.): Junkerland in Bauernhand. Die deutsche Bodenreform und ihre Folgen. edition ost, Berlin 2005, ISBN 3-360-01066-3
  • mit Ulrich Maurer (Hrsg.): Überholt wird links. Was kann, was will, was soll die Linkspartei. edition ost, Berlin 2005, ISBN 3-360-01068-X
  • Hans Modrow: In historischer Mission. Als deutscher Politiker unterwegs. edition ost, Berlin, 2007, ISBN 978-3-360-01086-5

Weblinks

Commons: Hans Modrow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. "Die LINKE": Ältestenrat der Partei
  2. In Aufbruch und Ende, Konkret Literatur Verlag, 1991.
  3. Hans Modrow erneut vor Gericht. Berliner Zeitung, 1. August 1995 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1995/0801/politik/0053/index.html
  4. Jesse, S. 256
  5. http://www.cicero.de/97.php?ress_id=4&item=1130