Jesuitengesetz

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Basisdaten
Titel: Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu
Kurztitel: Jesuitengesetz (ugs.)
Art: Reichsgesetz
Geltungsbereich: Deutsches Reich
Rechtsmaterie: Besonderes Verwaltungsrecht
Erlassen am: 4. Juli 1872
(RGBl. S. 253)
Inkrafttreten am: 24. Juli 1872
Letzte Änderung durch: § 1 G vom 8. März 1904
(RGBl. S. 139)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
10. März 1904
(§ 2 G vom 8. März 1904)
Außerkrafttreten: 19. April 1917
(§§ 1, 2 G vom 19. April 1917,
RGBl. S. 362)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872 war Teil des Kulturkampfes und verbot die Niederlassungen des Jesuitenordens auf dem Boden des Deutschen Kaiserreichs.

Inhalt und Folgen

Der Schwerpunkt der Kulturkampfmaßnahmen ging auf Gesetze der Bundesstaaten zurück. Neben dem so genannten Kanzelparagrafen gehörte das Jesuitengesetz zu den wenigen auf der Reichsebene geltenden Gesetzen.

Anders als etwa die Einführung von Standesämtern oder die Durchsetzung der staatlichen Schulaufsicht (Schulaufsichtsgesetz) in Preußen, war das Jesuitengesetz von Anfang an ein Kampfgesetz zur Bekämpfung des Ultramontanismus, galten doch die Jesuiten als Speerspitze dieser Bewegung. Vorausgegangen waren in der Öffentlichkeit regelrechte Kampagnen der Altkatholiken und des Deutschen Protestantenvereins. Die liberale Reichstagsmehrheit hatte einen Entwurf des Bundesrates, das heißt des Reichskanzlers Otto von Bismarck, noch verschärft. Am 4. Juli wurde das Gesetz, das die Betätigung der Jesuiten und verwandter Orden betraf, verkündet. Es verbot alle Ordensniederlassungen auf deutschem Boden und ermächtigte die Regierung, Aufenthaltsverbote gegen einzelne Jesuiten auszusprechen sowie ausländische Jesuiten jederzeit aus dem Deutschen Reich auszuweisen.

Auch wenn der Kulturkampf von vielen Liberalen mit vorangetrieben wurde, stimmten eine Reihe liberaler Politiker bei der namentlichen Abstimmung am 19. Juni 1872 gegen das Gesetz, so etwa die Nationalliberalen Otto Bähr, Ludwig Bamberger und Eduard Lasker sowie die Fortschrittler Franz Duncker, Moritz Wiggers, Franz Wigard, Julius Dickert, Edward Banks, Ludwig Joseph Gerstner, Adolf Hermann Wilhelm Hagen, August Ludwig Hausmann, Carl Herz, Moritz Klotz, Julius von Kirchmann und Wilhelm Schaffrath.[1] Sie lehnten das Jesuitengesetz als Ausnahmegesetz, massiven Eingriff in die Grundrechte und eklatante Diskriminierung einer einzelnen Gruppe ab. Eine Anzahl Liberaler blieben der Abstimmung fern, so etwa die Fortschrittler Franz Ziegler, Albert Haenel, Eugen Richter oder der Nationalliberale Karl Biedermann, der sich im Vorfeld ablehnend geäußert hatte.[2] Die überwiegende Mehrheit der Nationalliberalen und ein großer Teil der Fortschrittspartei stimmte Bismarck jedoch zu, als dieser vor dem Reichstag verkündete: „Nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig.“

Das Gesetz blieb auch nach der weitgehenden Beendigung des Kulturkampfes in den 1880er Jahren in Kraft. In der Folge verlangte die Zentrumspartei und andere Organisationen[3] immer wieder vergeblich die Aufhebung des Gesetzes. Ungewollt trug die Weitergeltung des Gesetzes dazu bei, den Zusammenhalt des katholischen Milieus zu stärken.

Erst 1904 wurde das Gesetz gemildert und 1917 abgeschafft. Die Motive lagen in Zugeständnissen an die Zentrumspartei, die inzwischen für die Regierungsbildung unentbehrlich war.

Einzelnachweise

  1. Reichstagsprotokolle, 1872, S.1149-1150.
  2. Karl Biedermann an Eduard Lasker vom 12. Juni 1872
  3. Beispiel einer Petition für die Aufhebung des Gesetzes aus dem Jahr 1912

Literatur

Weblinks

Wikisource: Themenseite Religion – Quellen und Volltexte