Neomycin

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Strukturformel
Strukturformel von Neomycin B und C!
Allgemeines
Freiname Neomycin (INN)
Andere Namen
  • O-2,6-Diamino-2,6-didesoxy-α-D-glucopyranosyl-(1→4)-O-[O-2,6-diamino-2,6-didesoxy-β-L-idopyranosyl-(1→3)-β-D-ribofuranosyl-(1→5)]-2-deosxy-D-streptamin
  • (2S,3R,4R,5R,6R)-5-Amino-2-(aminomethyl)-6-[(2R,3R,4R,5S)-5-[(1S,2R,3S,5R,6S)-3,5-diamino-2-[(2R,3R,4R,5R,6R)-3-amino-6-(aminomethyl)-4,5-dihydroxy-oxan-2-yl]oxy-6-hydroxy-cyclohexyl]oxy-4-hydroxy-2-(hydroxymethyl)oxolan-3-yl]oxy-oxan-3,4-diol
Summenformel C23H46N6O13
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 215-766-3
ECHA-InfoCard 100.014.333
PubChem 8378
ChemSpider 8075
DrugBank DB00994
Wikidata Q423098
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Antibiotikum, Aminoglycoside

Eigenschaften
Molare Masse 614,64 g·mol−1
Löslichkeit

löslich in Wasser (6 g·l−1 als Sulfat)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 361​‐​373
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Neomycin ist ein Breitband-Antibiotikum aus der Gruppe der Aminoglycoside insbesondere gegen gramnegative, aber auch grampositive Bakterien. Es ähnelt stark dem Aminoglycosid-Antibiotikum Paromomycin.

Chemie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neomycin wurde erstmals 1949 in der Gruppe von Selman Waksman aus Streptomyceten (Streptomyces fradiae) isoliert.[3] Neomycin besteht aus drei Komponenten: Neomycin A (Neamin), Neomycin B (Framycetin, Soframycin „Dembach-Roussel“„“ von , erstmals 1947 dargestellt[4]) und Neomycin C. (Erste Handelsformen von Neomycin waren Bykomycin von Byk Gulden und Myacyne von O.W.G.-Chemie). Die Hauptkomponente Neomycin B und Neomycin C sind Stereoisomere. Neomycin A ist ein unwirksames hydrolytisches Abbauprodukt beider Isomere.

Wirkungsmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neomycin blockiert die Proteinbiosynthese empfindlicher Bakterien, indem es an die 30S-Untereinheit der 70S-Ribosomen bindet. Es besteht eine komplette Kreuzresistenz mit Kanamycin, teilweise auch mit Gentamicin.

Einsatzgebiete und Präparate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Humanmedizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neomycin wird als Sulfatsalz ausschließlich lokal bei Haut- und Schleimhautinfektionen, Wunden und Verbrennungen in Form von Tropfen, Cremes und Salben angewendet. Für die Behandlung von Blasen- und Harnwegsinfektionen bei Katheterträgern oder nach urologischen Operationen stehen sterile Lösungen zur Instillation in die Harnblase zur Verfügung. Weiters kann Neomycin zur Behandlung der Hepatischen Enzephalopathie eingesetzt werden: Bei oraler Gabe ist Neomycin im Darm wirksam und tötet dort ammoniakbildende Bakterien ab. Die starken Nebenwirkungen limitieren jedoch die Therapie.[5]

Neben der Verwendung in Monopräparaten kommt es in zahlreichen Kombinationspräparaten vor.

Veterinärmedizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Behandlung von Hauterkrankungen, Mastitis und Augeninfektionen wird Neomycin bei Haustieren auch zur Behandlung von Erkrankungen des Magen-Darm-Kanals angewendet, da es im Darm nur zu etwa 3 % resorbiert wird. Bei Fischen kann es zur Verhinderung bakterieller Sekundärinfektionen bei einer Chilodonelliasis eingesetzt werden.

Kontraindikationen und Nebenwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neomycin ist relativ toxisch und darf nicht bei Neomycin-empfindlichen Patienten sowie bei größeren Wunden angewendet werden. Eine Kombination mit anderen Aminoglycosid- und neurotoxischen Antibiotika ist ebenfalls zu vermeiden.

Besonders hervorzuheben ist die Ototoxizität (Schädigung des Innenohres) lokal und topisch angewendeter Aminoglycosidantibiotika wie Neomycin, Kanamycin und Framycetin. Schon sehr geringe Mengen, die zum Innenohr gelangen und in die Haarzellen der Hörschnecke übertreten, können zu einem irreparablen(!) Verlust von Sinneshärchen führen, mit der Folge von Hörverlust bis hin zur völligen Taubheit und massiven Gleichgewichtsproblemen. Da z. B. Neomycin in Ohrentropfen Verwendung findet, dürfen diese Tropfen keinesfalls im Gehörgang bei perforiertem Trommelfell angewendet werden.[6]

Bei oberflächlicher Anwendung können (selten) allergische Reaktionen auftreten.

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate

Cysto-Myacyne (D), Myacyne (D), Uro-Nebacetin (D), Vagicillin (D)

Kombinationspräparate

Baneocin (A), Baneopol (CH), Betnovate (CH), Cicatrx (CH), Cortidexason comp. (D), Cortifluid (CH), Dermamycin (D), Dexa-Polyspectran (D), Dispadex comp. (D), FML-Neo (CH), Isopto-Max (D), Jellin-Neomycin (D), Maxitrol (CH), Mycinopred (CH), Mycolog (CH), Nebacetin (D), Néocônes (CH), Neo-Hydro (CH), Neosporin (CH), Neotracin (CH), Otosporin (CH), Panotile (CH), Pivalone comp. (CH), POlydexa (CH), Polyspectran (D), Spersapolymyxin (CH), Synalar (CH), Topsym polyvalent (CH),

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag zu Neomycin in der DrugBank der University of Alberta
  2. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von Neomycin im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 3. Februar 2020.
  3. Selman Abraham Waksman, H. A. Lechevalier: Neomycin, a New Antibiotic Active against Streptomycin-Resistant Bacteria, including Tuberculosis Organisms. In: Science. Bd. 109(2830), 1949, S. 305–307. PMID 17782716
  4. Karl Wurm, A. M. Walter: Infektionskrankheiten. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 9–223, hier: S. 54.
  5. Patidar, K. R., & Bajaj, J. S. (2013). Antibiotics for the Treatment of Hepatic Encephalopathy. In: Metabolic Brain Disease. 28(2), 307–312. PMC 3654040 (freier Volltext)
  6. Aktories, Förstermann, Hofmann Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 10. Auflage, S. 823.