Olympia Fulvia Morata

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Olympia Fulvia Morata

Olympia Fulvia Morata (* 1526 in Ferrara; † 26. Oktober 1555 in Heidelberg) war eine italienische Dichterin und humanistische Gelehrte. Ihre „Leistungen führten die Tradition der italienischen Humanistinnen auf die andere Seite der Alpen, wo es bisher wenige solcher Frauen gab“. (Margaret L. King)

Biografie

Ihr Vater Pellegrino Moretto (Peregrinus Fulvius Moratus) unterrichtete die Söhne des Herzogs Alfonso I. d’Este am Hofe von Ferrara. Wegen seiner calvinistischen Neigungen musste die Familie von 1532 bis 1539 im Exil in Vicenza und Venedig leben. Die Gattin des Herzogs Ercole II., Renata von Frankreich, übertrug die Ausbildung ihrer ältesten Tochter Anna dem Schweinfurter Humanisten Johannes Sinapius und wählte Olympia als Gesellschafterin. 1548 verließ sie den Hof, um ihren erkrankten Vater zu pflegen. Anfang des Jahres 1550 heiratete Olympia den aus Schweinfurt stammenden Arzt Andreas Grundler, der zum Kreis der Humanisten am Hofe von Ferrara gehörte. Olympia lebte in ihrer Geburtsstadt Ferrara, ab 1550 in Schweinfurt, wo Grundler den Posten eines Stadtarztes erhalten hatte. Bei der Eroberung Schweinfurts durch Albrecht Alcibiades im Zweiten Markgrafenkrieg im Juni 1554 konnten Olympia und ihr Mann nur ihr nacktes Leben retten, mit ihrem Hab und Gut verlor sie auch ihre persönlichen Schriften. „Als aber dieselbe Stadt außgebrannt/ und ihre Bücher unnd viel guter Schrifften/ so sie gemacht/ durchs Fewer unnd Blünderung umbkommen […][1] Sie flohen mit ihrer Familie zu den Grafen von Erbach im Odenwald. Dort erhielt Grundler einen Ruf auf einen medizinischen Lehrstuhl an der Universität Heidelberg.

Akademische Tätigkeiten in Ferrara und Heidelberg

Der Heidelberger Gräzist Jacobus Micyllus lud Morata ein, selbst an der Universität zu lehren. Zu den „in neueren Forschungsarbeiten unerwähnten oder abgestrittenen Einzelheiten“ zählt die Theologin Elisabeth Gössmann[2] die eigenständigen Informationen des Lexikons Die Lobwürdige Gesellschaft Der Gelehrten Weiber (1631) von Johann Frauenlob über Moratas akademische Lehrtätigkeit:

„[Morata] hat auch allbereit im 16. Jahr ihres Alters / zu Ferrara öffentlich die Paradoxa Ciceronis profitiert und gelesen / hernachmals Commentaria in Homerum […] doselbst [an der Heidelberger Universität] hat sie Philosophien in Griechischer und Lateinischer Sprach privatim [= als Privatdozentin?] mit großem Lob und Verwunderung gelesen.“

Johann Frauenlob: Die Lobwürdige Gesellschafft der Gelehrten Weiber[3]

Gössmann bringt auch eine Nachricht aus Christian Junckers Centuria Foeminarum (1692), in welcher von einem „öffentlichen Lehrstuhl“ in Heidelberg die Rede ist, an dem Morata „ihre Lectiones gelesen“ habe.[4] Was Micyllus persönlich über sie wusste, vor allem, ob er Schriften von ihr kannte, und ob bei der Schweinfurter Plünderung/Brand welche überlebten, müsste erforscht werden. Den Lehrauftrag an der Universität konnte sie wohl nicht mehr lange wahrnehmen, denn ein Jahr später (1555) starb sie, erst 29-jährig, an Tuberkulose; ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof der Heidelberger Peterskirche. Eine Ehrentafel in der südlichen Seitenkapelle der Kirche erinnert an sie.

Nachleben

  • In vielen historischen Schriften des 16.–18. Jahrhunderts über weibliche Gelehrsamkeit ist Olympia Fulvia Morata mit einem Artikel vertreten.[5]
  • Posthum erschienen in Basel ab 1558 Moratas (erhaltene) Gedichte, Übersetzungen, mehr als 50 Briefe und Anderes, für deren Ausgabe der Humanist Celio Secondo Curione sorgte, ein Freund der Familie. Neuauflagen davon erschienen 1562, 1570 und 1582.
  • Olympia Fulvia Morata stand als eine von wenigen Frauen seit 1583 wegen ihrer Dialoge, Briefe und Gedichte („dialogi, epistolae, & carmina“) auf dem Index Librorum Prohibitorum.
  • Ein Lexikon von 1631 des Johann Frauenlob (Pseudonym) widmet ihr einen eigenständigen Artikel.[6]
  • Georg Christian Lehms widmet ihr einen längeren Artikel in: Teutschlands Galante Poetinnen (1715), im Anhang Ausländischer Dames, S. 172.
  • Die Stadt Schweinfurt benannte das Olympia-Morata-Gymnasium nach ihr.

Ausgaben ihrer (erhaltenen) Werke

  • Briefe. Aus dem Lateinischen, Italienischen und Griechischen übersetzt von Rainer Kößling und Gertrud Weiss-Stählin. Reclam, Leipzig 1991, ISBN 3-379-00529-0 (enthält neben den Briefen auch eine Auswahl aus anderen Texten Moratas sowie drei kurze zeitgenössische Mitteilungen über Morata)
  • The complete writings of an Italian heretic. Herausgegeben und übersetzt von Holt N. Parker. The University of Chicago Press, Chicago ca. 2003, ISBN 0-226-53668-8
  • Celio Secondo Curione: Olympiae Fulviae Moratae mulieris omnium eruditissimae Latina et Graeca, quae haberi potuerunt, monumenta, eaque plane divina, cum eruditorum de ipsa iudicijs et laudibus, Basel 1558.

Literatur

  • Jules Bonnet: Vie d'Olympia Morata. Épisode de la renaissance et de la réforme en Italie. 3. Auflage. Paris 1856 (Digitalisat).
    • Deutsche Fassung: Olympia Morata. Ein christliches Lebensbild, bearbeitet von Ottilie Wildermuth, Stuttgart 1854.
  • Reinhard Düchting u. a. (Redaktion): Olympia Fulvia Morata. Stationen ihres Lebens: Ferrara – Schweinfurt – Heidelberg. Katalog zur Ausstellung im Universitätsmuseum Heidelberg 1998. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1998, ISBN 3-929366-86-X.
  • Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit, Gelehrt, mutig und glaubensfest, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-55012-0.
  • Johann. Frauenlob: Die Lobwürdige Gesellschafft der Gelehrten Weiber/ das ist: Kurtze/ Historische Beschreibung/ der fürnembsten gelehrten/ verständigen und Kunsterfahrnen Weibspersonen/ die in der Welt biß auff diese Zeit gelebet haben. Auß unterschiedlichen glaubwürdigen Historicis, sowohl auch eigenen Erfahrung/ zusammen getragen […]. O. O., 1631, S. 26. (Digitalisat).
    • Elisabeth Gössmann (Hg): Eva Gottes Meisterwerk. (Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung, Bd. 2), 2. erweiterte Auflage München, Juditium 2000 (mit ausführlichem, kommentierendem Textteil. Enthält Johann Frauenlobs Die Lobwürdige Gesellschafft der Gelehrten Weiber, S. 114–159), ISBN 3-89129-002-0.
  • Ludwig Geiger: Morata, Olympia Fulvia. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 211–213.
  • Ulrike Halbe-Bauer: Olympia Morata. Das Mädchen aus Ferrara. Brunnen, Gießen und Basel 2004, ISBN 3-7655-1862-X (belletristische Darstellung).
  • Niklas Holzberg: Olympia Morata, in Fränkische Lebensbilder 10, Neustadt/Aisch 1982, S. 141–156.
  • Niklas Holzberg: Olympia Morata und die Anfänge des Griechischen an der Universität Heidelberg, in: Heidelberger Jahrbücher 31, 1987, S. 77–93.
  • Margaret L. King: Frauen in der Renaissance. C.H. Beck Verlag, München 1993, ISBN 3-406-37335-6.
  • Ernst Münch: Olympia Fulvia Morata. Beitrag zur Gelehrten-Geschichte Badens. Wagner, Freiburg im Breisgau 1827.
  • Lisa Saracco: Morato (Morata), Olimpia Fulvia. In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 76: Montauti–Morlaiter. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2012, S. 540–542.
  • Ilona Scheidle: Eine zweite Sappho in Heidelberg. Die Gelehrte Olympia Fulvia Morata (1526–1555). In: Heidelbergerinnen, die Geschichte schrieben. München 2006, S. 11–21.
  • Amelia Gillespie Smyth: Olympia Morata, her times, life and writings. 2. Auflage, London 1834 (Digitalisat).
  • Robert Turnbull: Olympia Morata. Her Life and Times. Boston 1846 (Digitalisat).
  • Dorothea Vorländer: Morata, Olympia Fulvia. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 85 f. (Digitalisat).
  • Dorothea Vorländer, Olympia Fulvia Morata – eine evangelische Humanistin in Schweinfurt, in Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 39, 1970, S. 95–113.
  • Erich WennekerMORATA, Olympia Fulvia. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 106–108.

Weblinks

Nachweise

  1. Siehe Johannes Frauenlob. Die Lobwürdige Gesellschaft der Gelehrten Weiber. 1631, S. 26 und Vorwort zur digitalen Ausgabe ihrer (erhaltenen) Werke.
  2. Elisabeth Gössmann (Hg.): Eva Gottes Meisterwerk. S. 117.
  3. Johann Frauenlob: Die Lobwürdige Gesellschafft der Gelehrten Weiber. S. 26, Artikel Olympia Fulvia Morata.
  4. Gössmann S. 267.
  5. Elisabeth Gössmann (Hg.): Eva Gottes Meisterwerk. 2. Auflage 2000, (Schriften von 14 AuthorInnen, mit Einleitung und Kommentar versehen).
  6. Johann. Frauenlob: Die Lobwürdige Gesellschafft Der Gelehrten Weiber. 1631, S. 26. In: E. Gössmann: Eva Gottes Meisterwerk, S. 114–159. [1]