Peer-to-Peer-Kredit

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Peer-to-Peer-Kredite (englisch peer-to-peer lending oder person-to-person lending) sind Kredite, die direkt von Kreditgebern an Kreditnehmer (z. B. Privatpersonen an Privatpersonen (engl. peer to peer) als Privatkredite) vergeben werden, ohne dass ein Finanzinstitut, wie z. B. eine Bank, als Vermittler auftritt (siehe hierzu auch Disintermediation).

Technologisch ermöglicht und verbreitet wurden Peer-to-Peer-Kredite vor allem durch das Internet. Als erstes Unternehmen hat Zopa in Großbritannien eine Vergabe von Krediten über das Internet im Jahr 2005 etabliert. In den USA war es 2006 die Plattform Prosper Marketplace, in Deutschland eLolly 2007 und in der Schweiz hat Cashare 2008[1] den ersten Marktplatz für diese Kreditform eingeführt.

Grundsätzlich ist bei den Peer-to-Peer-Krediten zwischen den Modellen Online-Marktplatz und Family and Friends zu unterscheiden. Eine besondere Spielart ist die Vergabe solcher Kredite als Kleinkredite oder Mikrokredite an Unternehmer in Entwicklungs- und Schwellenländern. Hierbei steht nicht die Gewinnerzielungsabsicht des Kreditgebers, sondern die Unterstützung der Arbeit des Kreditnehmers aus wohltätigen Motiven im Vordergrund (oft bezeichnet als Social Lending).

Modelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Marktplatz-Modell des Peer-to-Peer-Kredits im Internet können private Kreditgeber private Kreditnehmer finden – und umgekehrt. Dieses Modell bringt Kreditnehmer und Kreditgeber durch einen auktionsähnlichen Prozess zusammen. Das Marktplatz-Modell kann weitere Zwischenstufen oder den Verkauf eines Kredits enthalten, der Kredit wird aber am Ende immer an eine Einzelperson oder einen Pool von Einzelpersonen verkauft.

Das Family and Friends-Modell hingegen verzichtet auf den Auktionsprozess und konzentriert sich auf Kreditnehmer und Kreditgeber, die sich schon kennen. Bei diesem Modell steht nicht das Finden eines Kredites, sondern die Zusammenarbeit und die Unterstützung bei der formellen Abwicklung des Kredites im Vordergrund. Eine weitere Form des Peer-to-Peer-Kredits ist das Crowdlending, bei der eine Gruppe einer Einzelperson Geld leiht oder Einzelpersonen einer Gruppe.

Modelle des Peer-to-Peer-Kredits versuchen die soziale Komponente des Kredits, die bei zentralisierten Bankmodellen verloren gegangen ist, wiederzubeleben. Dabei können die Kreditgeber selbst bestimmen, wem sie für welchen Zweck Geld wie lange leihen. Peer-to-Peer-Kredite bauen auch auf der theoretischen Annahme auf, dass existierende interpersonale Beziehungen oder andere Formen sozialer Bindung die fiskalische Verantwortung und damit die Rückzahlungsquote verbessern. Diesen Effekt machen sich auch so genannten Mikrokredite in Entwicklungsländern zu Nutze.

2005 wurden weltweit 118 Millionen Dollar, im Folgejahr 269 Millionen und 2007 schon 647 Millionen US-Dollar mittels Peer-to-Peer-Krediten verliehen. Im Jahr 2012 belief sich das weltweite Volumen auf rd. 1,5 Mrd. Euro. 2015 wurden alleine in Europa Peer-to-Peer-Kredite mit einem Volumen von 2,1 Mrd. Euro vergeben.[2] Der weltweit mit weitem Abstand größte Peer-to-Peer-Kredit-Marktplatz ist die aus den USA stammende Plattform Lending Club. Die zehn größten in Europa sind – gemäß der 2013er Forbes-Rangliste – folgende Plattformen: 1. Zopa (Großbritannien), 2. Ratesetter (Großbritannien), 3. Funding Circle (Großbritannien), 4. Auxmoney (Deutschland), 5. Bondora (Estland), 6. Pret d’Union (Frankreich), 7. ThinCats (Großbritannien), 8. Smartika (Italien), 9. Comunitae (Spanien) und 10. Funding Knight (Großbritannien).[3]

Privatkredite und Mikrofinanzierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peer-to-Peer-Kredite haben sich auch im Mikrokredit-Sektor entwickelt. Über manche dieser Plattformen können Kredite an Institutionen, Unternehmen und Einzelpersonen vergeben werden, die diese nicht bei konventionellen Quellen wie lokalen Banken bekommen haben. Diese Mikrokredite erlauben es Armut zu lindern und Kleinunternehmer in Entwicklungsländern zu unterstützen bzw. für diese finanziell zu garantieren.

Verleihen an Kleinunternehmer

Kiva wurde 2005 als erste Mikrokredit-Plattform gestartet. Über Kiva können Kredite an Kleinunternehmer vergeben werden. Oft geschieht dies über lokale Mikrokredit-Institutionen. Bis November 2008 haben mehr als 100 solcher Partnerinstitutionen mit Kiva zusammengearbeitet. Weitere Mikrokreditplattformen sind MYC4 (Dänemark), Rang De (Indien), dhanaX (Indien) und veecus.com (Frankreich).

Rechtslage in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inwieweit der Betrieb einer Internet-Plattform zur Vermittlung von Peer-to-Peer-Krediten einer Genehmigungspflicht nach § 32 KWG durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegt, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Angebots ab. Da nach Auskunft der BaFin an den Spiegel „jeder einzelne Gläubiger, der sein Geld ‚gewerbsmäßig‘ verleiht, erlaubnispflichtig“ ist, kann Benutzern, die „wiederholt und mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, Kredite anbiete[n]“, eine Erlaubnispflicht erwachsen, „[d]er Plattformbetreiber wäre also indirekt in unerlaubte Geschäfte eingebunden und müsste sich auf entsprechende Konsequenzen gefasst machen.“[4]

Die P2P-Plattformen Auxmoney und Smava haben deshalb Banken in den Kreditvermittlungsprozess eingebunden, die die eigentlichen Vertragspartner zwischen Kreditnehmer und -geber sind. Diese Institute (SWK Bank für Auxmoney bzw. Fidor Bank für Smava) besitzen die nötigen Vollbanklizenzen für derartige Transaktionen.

Die Zinseinnahmen stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar und sind entsprechend zu besteuern.

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich ist seit April 2014 die Plattform Lendico.at der Lendico Deutschland GmbH, einem Unternehmen der Brüder Samwer, aktiv. Diese Plattform arbeitet mit der deutschen Wirecard Bank zusammen und erfüllt somit die regulatorischen Anforderungen der Finanzmarktaufsichtsbehörde.[5] Zuvor war der Versuch von bankless-life.at 2009 nach wenigen Monaten mangels Banklizenz an der Aufsichtsbehörde gescheitert, die den Betrieb untersagte.[6]

Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Schweiz hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 2. November 2016 dafür ausgesprochen, Erleichterungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen für Anbieter von innovativen Finanztechnologien einzuführen. Damit sollen die Markteintrittshürden gesenkt und die Rechtssicherheit für die Fintech-Branche erhöht werden. Diese Massnahmen wurden in drei Etappen per 1. August 2017[7], 1. Januar 2019[8] und 1. April 2019[9] umgesetzt.

Die Fintech-Regulierung setzt folgende drei Massnahmen um:

  • Verlängerung der Haltefrist für Gelder auf Abwicklungskonten von 7 auf 60 Tage
  • Entgegennahme von mehr als 20 Publikumseinlagen bis CHF 1 Mio. (Sandbox)
  • Fintech-Bewilligung für Publikumseinlagen bis CHF 100 Mio.

Für Crowdlending-Plattformen in der Schweiz sorgen die regulatorischen Rahmenbedingungen für Rechtssicherheit bei den Anbietern. Im Zuge der Umsetzung der Fintech-Vorlage wurde das Konsumkreditgesetz (KKG)[10] per 1. April 2019 revidiert und auf Crowdlending-Plattformen erweitert, die eine Kreditvergabe an Privatpersonen ermöglichen.

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem insbesondere der Online-Kreditmarktplatz Auxmoney im Jahr 2010 zunächst in die Kritik geriet,[11] wurde das Geschäftsmodell dort inzwischen modifiziert. Die Stiftung Warentest sieht die Online-Kreditmarktplätze in Deutschland inzwischen als Alternative für Privatpersonen, um außerhalb des Bankensektors Kredite aufnehmen zu können. Anlegern empfiehlt sie, Angebote genau zu prüfen und aufgrund des Verlustrisikos nur einen kleinen Teil ihres Geldes in ein Projekt zu stecken.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fabian Blaesi: P2P-Kredite. Marktplätze für Privatkredite im Internet. Books on Demand, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-8391-4932-4.
  • Dominik Faßbender: P2P-Kreditmärkte als Finanzintermediäre: Eine empirische Analyse deutscher P2P-Kreditmärkte zur Beurteilung der Eignung als Finanzintermediäre. Grin Verlag, München 2012, ISBN 978-3-656-12149-7.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. DV Bern AG: Cashare AG. Abgerufen am 20. Juli 2021.
  2. Moving Mainstream | The European Alternative Finance Benchmarking Report (PDF; 2,8 MB), auf jbs.cam.ac.uk
  3. Crowdfunding In Europe: The Top 10 'Peer-to-Peer' Lenders In: Forbes.com vom 23. April 2013, abgerufen am 16. Dezember 2014.
  4. Private Kreditvergabe im Internet: „Ebay des Geldes“. In: Spiegel Online, 9. November 2006, abgerufen am 16. Dezember 2014.
  5. Hermann Sileitsch-Parzer: Kredite: Ohne Bank geht's – doch nicht. In: Kurier, 18. Oktober 2014, abgerufen am 15. Februar 2016.
  6. Bettina Pflüger: Ein Kredit von mir zu dir. In: Der Standard, 14. März 2014, abgerufen am 9. Oktober 2015.
  7. Bundesrat setzt neue Fintech-Regeln in Kraft. Abgerufen am 20. Juli 2021.
  8. Bundesrat verabschiedet Ausführungsbestimmungen zur FinTech-Bewilligung. Abgerufen am 20. Juli 2021.
  9. Eidgenössisches Finanzdepartement EFD: Revision der Bankenverordnung (BankV) «FinTech-Bewilligung». (PDF) newsd.admin.ch, 30. November 2018, abgerufen am 20. Juli 2021.
  10. Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft: Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG). 1. April 2019, abgerufen am 20. Juli 2021.
  11. Privatkredite über Auxmoney: Falle für Kreditsuchende. In: Finanztest, Nr. 11/2010, 19. Oktober 2010.
  12. Smava und Auxmoney: Privatkredite im Internet. In: Finanztest, Nr. 6/2013, S. 14–15, test.de vom 21. Mai 2013, abgerufen am 16. Dezember 2014.