Polizei-Bataillon 303

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Das Polizei-Bataillon 303 war eine militärische Einheit der Ordnungspolizei im nationalsozialistischen Deutschland. Es wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Das Bataillon war aktiv am Holocaust beteiligt, insbesondere am Massaker an 33.771 Juden in Babyn Jar bei Kiew am 29. und 30. September 1941.[1][2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polizei-Bataillon 303[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Runderlass des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, vom 11. Oktober 1939 sollten zur Sicherstellung des Bedarfes an Polizeikräften in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten 26.000 ungediente Wehrpflichtige und Angehörige älterer Geburtsjahrgänge als Polizeirekruten angeworben werden. Zu Ausbildungszwecken wurden insgesamt 38 Polizei-Ausbildungs-Bataillone aufgestellt, in denen die Rekruten nach Jahrgängen getrennt aufgenommen wurden. Die Rekruten der späteren Polizei-Bataillone 301 bis 325 entstammten den älteren Jahrgängen 1909 bis 1912. Sie wurden als so genannte „Wachtmeisterbataillone“ bezeichnet. Die Führungspositionen in den Bataillonen wurden meist durch Berufspolizisten besetzt, die die Rekruten ausbildeten. Den Rekruten wurden die Befreiung vom Wehrdienst und rasche Aufstiegsmöglichkeiten versprochen.[3]

Das Polizei-Bataillon 303 wurde im November 1939 aus dem Polizei-Ausbildungs-Bataillon „Bremen“ am Standort der Polizeischule Bremen-Borgfeld gebildet. Anlässlich der Besetzung Österreichs wurde das Bataillon am 11. März 1938 zu seinem ersten Einsatz nach Linz und Krems gefahren.[4] Auch beim „Anschluss“ Sudetendeutschlands war die Bremer Polizeieinheit dabei.

Im Herbst 1940 wurde das Bataillon nach Polen in den Distrikt Krakau des Generalgouvernements verlegt. Der Bataillonsstab mit Kraftfahrzeugstaffel und die 4. Kompanie waren in Jasło, die 1. Kompanie in Nowy Sącz, die 2. in Gorlice und die 3. in Sanok stationiert.[2]

Vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion wurde das Polizei-Bataillon 303 gemeinsam mit dem Polizei-Bataillon 45 und dem Polizei-Bataillon 314 dem Polizei-Regiment Russland-Süd unterstellt. Das Bataillon war im rückwärtigen Raum der Heeresgruppe Süd in der Ukraine eingesetzt.[2]

Das Polizei-Bataillon 303 war vom 26. bis 30. Juli 1941 in der Region Starokonstantinow an so genannten Säuberungen und Hinrichtungen beteiligt, bei denen 814 Juden und sowjetische Soldaten starben. Das Bataillon nahm Anfang September 1941 bei Tschudnow an einem Massaker an 100 Juden teil. Am 18. und 19. September wütete die Einheit in Schitomir. Hier starben 3.145 Juden. Es folgte der Einsatz in Kiew und die Beteiligung an den Massenexekutionen in Babyn Jar am 29. und 30. September 1941. Mehr als 30.000 Menschen, nahezu die gesamte jüdische Bevölkerung von Kiew wurde von den Beamten der Polizeibataillone – unter anderem des Bataillons 303 – in diese Schlucht getrieben und dort systematisch erschossen. Die „Weiberschlucht“ „Babyn Jar“ zu ist 200 Meter breit und 53 Meter tief. Kurt Werner, Mitglied des Sonderkommandos 4a, beschrieb das Morden 1947 vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal so: „Die Schützen standen jeweils hinter den Juden und haben diese mit Genickschüssen getötet. Mir ist heute noch in Erinnerung, in welches Entsetzen die Juden kamen, die oben am Grubenrand zum ersten Mal auf die Leichen in der Grube hinuntersehen konnten.“[5]

Im Oktober und November 1941 folgten dann in Myropil und Solotonoscha weitere Hinrichtungen von etwa 1.000 Juden. Bei mindestens weiteren 28 Einsätzen im Sommer und Herbst 1941 starben 2.583 Juden. Weitere 1.000 bis 1.500 Juden sollen in einem weiteren Massaker im Herbst 1941 dem Bataillon zum Opfer gefallen sein.[2][1]

Darüber hinaus könnte das Bataillon an Hinrichtungen im Raum zwischen Rowno und Schytomyr am 27. und 28. August sowie am 1., 6., 11. und 12. September 1941 mit insgesamt mindestens 3.953 jüdischen Opfern beteiligt gewesen sein. Auch an Massakern in Baranowka, Dubrowka, Isjaslaw, Khazhin bei Berdytschew und Schepetowka am 25. August, 2. und 4. September 1941 mit insgesamt mindestens 5.531 Ermordeten soll das Bataillon mitgewirkt haben.[1]

Am 9. Juli 1942 wurde das Polizei-Bataillon 303 umbenannt in II. Bataillon des Polizei-Regimentes 10.

II./Polizei-Regiment 10[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sommer 1942 wurde das gesamte Polizeiregiment 10 bei Nikolajew in der Ukraine zum Absichern der Beschlagnahme der Ernte („Ernteschutzeinsatz“), im Herbst 1942 im Gebiet der Pripjetsümpfe zur Unterdrückung der Widerstandsbewegung („Bandenbekämpfung“) eingesetzt. In Kämpfen im Hinterland wie an der Front erlitt das Bataillon erhebliche Verluste.[2]

II./SS-Polizei-Regiment 10[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 24. Februar 1943 wurde das Bataillon in II./SS-Polizeiregiment 10 umbenannt. In Polen erfolgte nach den Verlusten die Neuaufstellung. Anschließend wurde es in den Raum Gorizia (Grenzgebiet Italien–Jugoslawien) verlegt, wo es bis Kriegsende verblieb.[2]

Kommandeure[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 25. September 1940 bis 17. November 1941: Major Heinrich Hannibal
  • ab 18. November 1941: Oberstleutnant Robert Franz

Ermittlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem Jahr 1965 führten die Staatsanwaltschaften Regensburg, Darmstadt, Stuttgart, Ravensburg, Braunschweig, Essen, Dortmund und Bremen Ermittlungen gegen das Polizeibataillon. Zu einer Bestrafung kam es in keinem der ermittelten Fälle. In der Regel wurden die Verfahren eingestellt mit Hinweis auf §47 des Militärstrafgesetzbuches – es sei keine Überschreitung von erteilten Befehlen zu erkennen und die Beamten hätten keinen Ermessensspielraum gehabt. 185 Männer allein aus dem Polizeibataillon 303 verrichteten nach 1945 wieder Polizeidienst in Deutschland, davon 70 in Bremen.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stefan Klemp: „Nicht ermittelt“. Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch. 2. Auflage, Klartext Verlag, Essen 2011, ISBN 978-3-8375-0663-1, S. 258 ff.
  • Karl Schneider: „Auswärts eingesetzt“. Bremer Polizeibataillone und der Holocaust. Klartext-Verlag, Essen 2011, ISBN 978-3-837-50527-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c http://www.ordnungspolizei.org [1]@1@2Vorlage:Toter Link/www.ordnungspolizei.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  2. a b c d e f Stefan Klemp „Nicht ermittelt“ Klartext-Verlag, Essen 2005, S. 234–236.
  3. Torsten Schäfer: „Jedenfalls habe ich auch mitgeschossen“. Münster 2007, S. 59 f.
  4. Karl Schneider: „Auswärts eingesetzt“. Bremer Polizeibataillone und der Holocaust. Klartext-Verlag, Essen 2011 S. 98-110"
  5. Otto Langels: „Massaker von Babi Jar. Der Massenmord begann nicht erst in Auschwitz“, Deutschlandfunk Kultur vom 29. September 2016.[2]
  6. Karl Schneider: „Auswärts eingesetzt“. Bremer Polizeibataillone und der Holocaust. Klartext-Verlag, Essen 2011 S. 501, 730

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Beitrag von Klaus Wolschner in der tageszeitung vom 9. Oktober 2010 [3]