Rayleigh-Streuung

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Die Rayleigh-Streuung ist die Ursache der Luftperspektive
Die Rayleigh-Streuung verursacht den blauen Farbton des Himmels am Tag und die Rotfärbung der Sonne, wenn sie unter- oder aufgeht.

Die Rayleigh-Streuung [ˈreɪlɪ-], benannt nach John William Strutt, 3. Baron Rayleigh, bezeichnet die (hauptsächlich) elastische Streuung elektromagnetischer Wellen an Teilchen, deren Durchmesser klein im Vergleich zur Wellenlänge ist, also etwa bei der Streuung von Licht an kleinen Molekülen. Bei Streuung in der Erdatmosphäre an molekularem Sauerstoff und Stickstoff wird typischerweise auch die inelastische Komponente durch Rotations-Raman-Streuung mit zur Rayleigh-Streuung gezählt, da diese nur eine Verschiebung der Wellenzahl des Photons um weniger als 50 cm−1 bewirkt.[1] Der Wirkungsquerschnitt dieses Beitrags hat die gleiche Wellenlängenabhängigkeit wie die elastische Komponente.

Der Streuquerschnitt der Rayleigh-Streuung ist proportional zur vierten Potenz der Frequenz der elektromagnetischen Welle. Dies gilt nicht nur für unabhängig streuende Teilchen, also bei Teilchenabständen größer als die Kohärenzlänge der Strahlung, sondern auch bei höherer Teilchenkonzentration für die Streuung an Inhomogenitäten des Brechungsindex durch eine statistische Anordnung der Teilchen, beispielsweise in Gasen oder Gläsern. Blaues Licht hat eine höhere Frequenz als rotes und wird daher stärker gestreut.

Auch die zunehmende Mondsichel erscheint rötlich, wenn sie nur wenige Grad über dem Horizont steht. Das Mondlicht gelangt nun erst nach einer längeren Passage von über 200 Kilometern durch die Erdatmosphäre zum Beobachter.

Die frequenzabhängig unterschiedlich starke Streuung von Sonnenlicht an den Teilchen der Erdatmosphäre bewirkt das Himmelsblau am Tag und die Morgen- sowie die Abendröte während der Dämmerung. Dicht über dem Horizont stehend erscheint ebenso der Mond rötlich.

Rayleigh-gestreutes Licht ist polarisiert, besonders stark bei Streuwinkeln von 90°. Das linke Bild ist ohne, das rechte mit einem Polarisationsfilter in Sperrrichtung aufgenommen.

Rayleigh-Streuung tritt auf, da das einfallende Licht die Elektronen eines Moleküls anregt und ein Dipolmoment induziert, welches genauso schwingt wie die einfallende elektromagnetische Strahlung. Das induzierte Dipolmoment wirkt nun wie ein Hertzscher Dipol und sendet Licht aus, das dieselbe Wellenlänge wie das einfallende Licht besitzt.

Wirkungsquerschnitt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wirkungsquerschnitt der Rayleigh-Streuung für ein einzelnes Teilchen ergibt sich aus dem Oszillatormodell. Im Grenzfall niedriger Frequenzen (im Vergleich zur Eigenfrequenz, ) gilt:

wobei der Thomson-Wirkungsquerschnitt ist. Die Winkelverteilung und Polarisation ist die eines Dipols in Richtung der einfallenden Welle.

Milchopal ist in Transmission rot-orange, weil Dichteinhomogenitäten das blaue Licht seitlich herausstreuen.

Befinden sich mehrere Teilchen im Kohärenzvolumen, so interferieren die gestreuten Wellen. Bei vielen Teilchen pro Kohärenzvolumen wirken räumliche Schwankungen des Brechungsindex als Streuzentren. So beträgt für eine Kugel mit Durchmesser und Brechungsindex in einem Medium der Streuquerschnitt:[2]

Das Blau beziehungsweise das Rot des Himmels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leistungsverteilung von gestreutem Sonnenlicht

Die Rayleigh-Streuung erklärt, warum der Himmel blau erscheint. Die Wellenlänge von blauem Licht, , beträgt rund 450 nm, die von rotem Licht rund 650 nm. Somit folgt für das Verhältnis der Wirkungsquerschnitte:

Im Bild ist die abgestrahlte Leistungsverteilung der Sonne, genähert durch das Plancksche Strahlungsgesetz aus einer Oberflächentemperatur von 5777 K, rot eingezeichnet. Das spektrale Maximum liegt danach bei grünem Licht (500 nm Wellenlänge). Das spektrale Maximum des Tageslichtes liegt hingegen u. a. aufgrund des hier beschriebenen Streueffektes bei 550 nm. Die Leistungsverteilung des Streulichtes (blaue Kurve) ergibt sich durch Multiplikation mit ω4. Demnach wandert das Maximum weit in den UV-Bereich. Tatsächlich liegt es aber im nahen UV, da bei kürzeren Wellenlängen molekulare Absorptionen hinzukommen.

  • Am Tag, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, legt das Licht nur eine kurze Strecke durch die Atmosphäre zurück. Dabei wird nur wenig blaues Licht in andere Richtungen gestreut. Deshalb erscheint die Sonne gelb. Von hochfliegenden Flugzeugen aus erscheint die Sonne „weißer“, weil weniger blaue Lichtanteile weggestreut wurden.
  • Die Summe allen Streulichtes lässt den Himmel aus allen anderen Richtungen blau erscheinen. Auf dem Mond, wo eine dichte Atmosphäre fehlt, erscheint der Himmel dagegen auch tagsüber schwarz.
  • Bei niedrigem Sonnenstand ist die Strecke des Sonnenlichts durch die Erdatmosphäre viel länger. Dadurch wird ein Großteil der hochfrequenten Lichtanteile (blau) seitlich weggestreut, es bleibt überwiegend Licht mit langen Wellenlängen übrig und der Farbeindruck der Sonne verschiebt sich in Richtung rot. Dieser Effekt wird durch zusätzliche Partikel in der Luft (z. B. Dunst, Aerosole, Staub) weiter verstärkt. Für die Blaufärbung des Himmels im Zenit nach Sonnenuntergang ist allerdings die Chappuis-Absorption verantwortlich, die sich bei höherem Sonnenstand kaum bemerkbar macht.

Stärke der Lichtschwächung durch Rayleigh-Streuung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die Stärke der Rayleigh-Streuung quantitativ zu berechnen, ist zu berücksichtigen, dass innerhalb eines Kohärenzvolumens der Strahlung die von den Molekülen ausgehenden Elementarwellen interferieren, sodass nicht Intensitäten nach obiger Formel, sondern Streuamplituden addiert werden müssen. Die Teilchendichte, unterhalb derer dieser Effekt für Sonnenlicht vernachlässigt werden darf, beträgt etwa 1/μm³, sieben Größenordnungen unter dem für die Atmosphäre relevanten Wert. Die mittlere Dichte innerhalb eines streuenden Volumenelements ist für die Streuung irrelevant, wirksam sind die Dichteschwankungen.

Ein Ergebnis der Statistik ist, dass die Schwankungsamplitude der Teilchenzahl gem. der Poisson-Verteilung nur mit der Wurzel der Teilchenzahl zunimmt. Da kürzere Wellenlängen an feineren Strukturen aus entsprechend weniger Teilchen gestreut werden, „sieht“ diese Strahlung stärkere Schwankungsamplituden als längerwellige Strahlung. Bei fester Wellenlänge hängt die Schwankungsamplitude von der Wurzel der Teilchendichte des Gases ab. Die gestreute Intensität hängt aber quadratisch von der Schwankungsamplitude ab, also linear von der Dichte. Insgesamt gilt für die Lichtschwächung in der Atmosphäre bei senkrechtem Einfall nach Paetzold (1952):

Darin ist die sogenannte Extinktion in astronomischen Größenklassen, der Brechungsindex der Luft unter Normalbedingungen, die effektive Dicke der Atmosphäre (Skalenhöhe, siehe barometrische Höhenformel) und die Loschmidt-Konstante (Teilchendichte der Luft unter Normalbedingungen). Dass letztere im Nenner steht, ist nur ein scheinbarer Widerspruch zu dem oben Gesagten, denn der Term ist proportional zur Dichte und steht quadratisch im Zähler.

Aus der Extinktion folgt wiederum die Transmission , das Verhältnis zwischen von der streuenden Schicht durchgelassener und einfallender Intensität:

Das ist die in der Astronomie gebräuchliche Form des Lambert-Beerschen Gesetzes. In der Praxis wird auch

benutzt, mit als optischer Tiefe. Es gilt die einfache Umrechnung:

Transmission der klaren Atmosphäre auf Meereshöhe in Abhängigkeit von Wellenlänge und Einfallswinkel

Bei schrägem Einfall unter einem Zenitwinkel ist die effektive Schichtdicke näherungsweise (bei planparalleler Schichtung):

Nach Paetzold (1952) ist sowie Nach Stoecker (1997) ist . Einsetzen liefert

.

Im Visuellen (550 nm) passieren bei senkrechtem Einfall etwa 90 % des Lichts die Atmosphäre, im Blauen (440 nm) noch etwa 80 %. Bei flachem Einfall unter einem Zenitwinkel von 80° liegen diese Anteile nur noch bei 60 % bzw. 25 %. Die bereits diskutierte Rötung des Lichts durch die Rayleigh-Streuung wird so klar verständlich.

In der Praxis ist die Lichtschwächung durch weitere Streuung an Aerosol- und Staubpartikeln (siehe Mie-Streuung) deutlich größer. Nach Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüchen ist diese zusätzliche Extinktion besonders stark. So fanden Grothues und Gochermann (1992[3]) nach dem Ausbruch des Pinatubo im Jahre 1991 auf La Silla (einer der Standorte des Europäischen Südobservatoriums (ESO)) bei senkrechtem Lichteinfall im Visuellen eine Lichtschwächung von 0,21 Größenklassen (normal sind 0,13 Größenklassen). Die Transmission war also von 89 % auf 82 % vermindert. Im Blauen war der Extinktionskoeffizient von 0,23 auf 0,31 Größenklassen angestiegen, d. h., die Transmission war von 81 % auf 75 % gefallen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andrew T. Young: Rayleigh scattering. In: Applied Optics. Bd. 20, Nr. 4, 1981, S. 522–535, doi:10.1364/AO.20.000533.
  2. Rolf Freitag: Untersuchung der diffusiven dynamischen Lichtstreuung von Substanzen am kritischen Punkt. Diplomarbeit. Diplomica, Hamburg 1996, ISBN 9783832400286, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  3. Hans-Georg Grothues, Josef Gochermann: The influence of the Pinatubo eruption on the atmospheric extinction at La Silla. In: The Messenger. Band 68, 1992, S. 43–44, bibcode:1992Msngr..68...43G.