Sensibilität (Neurowissenschaft)
Unter (somatoviszeraler) Sensibilität (von lateinisch sensibilis: empfindbar, Fähigkeit zu Empfinden) oder Empfindung versteht man in der Physiologie und Wahrnehmungspsychologie alle sensorischen Leistungen eines Lebewesens, die nicht von spezialisierten Sinnesorganen wie Auge, Ohr, Riechschleimhaut oder Zunge erbracht werden, sondern von Sensoren wie freien Nervenendigungen, die in unterschiedlicher Dichte im Körper vorkommen. Die Sensibilität lässt sich in viszerale Sensibilität (Eingeweide) und somatische Sensibilität gliedern, wobei innerhalb letzter Oberflächensensibilität (der „fünfte Sinn“, also das Fühlen über die Haut inklusive Thermozeption und Nozizeption) und Tiefensensibilität (Knochen, Muskeln und Sehnen) unterschieden werden.
Insofern die Somatosensorik auch das sensorische System der Nerven umfasst, kann neben den folgenden elementaren Nervenreizen und den aus ihnen resultierenden Empfindungen auch der psychologische Teil der Sensibilität in das Fühlen (als Sensibilität im allgemeinen Sinne) einbezogen werden.[1]
Einteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach der Art des Reizes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Mechanorezeption (Druck, Vibration, Dehnung usw.)
- Thermorezeption (Temperatur)
- Nozizeption (Schmerz)
- Chemorezeption (Geruchs- und Geschmackssinn, Erfassung von O2 und CO2-Partialdruck und pH-Wert im Blut zur Steuerung des Atemantriebs)
Nach Ursprung des Reizes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Exterozeption: (nähere) Umgebung (erfasst über Haut und Schleimhäute)
- Telezeption: weitere Umgebung (ohne eindrückliches Beispiel beim Menschen)
- Interozeption: das Lebewesen selbst
- Viszerozeption (auch Enterozeption): innere Organen
- Propriozeption: Muskeln (Länge via Muskelspindeln), Sehnen (Spannung via Golgi-Sehnenorgane), Gelenke (Stellung via Mechanosensoren), nichtsensibel: Innenohr (Beschleunigung via Gleichgewichtsorgan)
Nach der zentripetalen Weiterleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- lemniskalen System (Hinterstrang und Lemniscus medialis) als epikritische Sensibilität („Feinwahrnehmung“, gut lokalisierbar)
- extralemniskalen System (Vorderseitenstrang) als protopathische Sensibilität („Grobwahrnehmung“, schlecht lokalisierbar)
Nach der Verschaltung in verschiedenen Kernarealen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- protopathische Sensibilität: Schmerz, Temperatur und grobe Tastempfindungen
- epikritische Sensibilität: feine Tastempfindungen, Zwei-Punktediskrimination
- propriozeptive Sensibilität: Eigenempfindung des Körpers (Lageempfindung, Spannung von Muskeln und Sehnen; Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken)
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Sensibilitätsstörung
- Haptische Wahrnehmung
- Tastsinn (Taktile Wahrnehmung)
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- E. Bruce Goldstein: Sensation and Perception. Wadsworth, Pacific Grove 2002.
- Urs Boschung: Sensibilität. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1321.
- C. Hick: Physiologie. Jungjohann Verlag, 1996.
- Schmidt, Thews, Lang: Physiologie des Menschen. Springer Verlag, 2000.
- M. Trepel: Neuroanatomie. Urban & Fischer Verlag, 2004.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Sensibilität. In: Norbert Boss (Hrsg.): Roche Lexikon Medizin. 2. Auflage. Hoffmann-La Roche AG und Urban & Schwarzenberg, München 1987, ISBN 3-541-13191-8, S. 1565, vgl. gesundheit.de/roche.