Siegfried Buchenau (Kaufmann)

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Carl Ludwig Siegfried Buchenau (* 30. November 1870 in Bremen[1]; † 16. September 1932) war ein deutscher Kaufmann, Gutspächter und Kunstsammler des frühen 20. Jahrhunderts.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siegfried Buchenau war das vierte Kind[2] des Bremer Botanikers und Pädagogen Franz Georg Philipp Buchenau und seiner Frau Margarethe Auguste, geb. Adami († 1905). Der Numismatiker Heinrich Buchenau war sein ältester Bruder.

Er ging nach Mexiko, heiratete Anna Emilie, geb. Vermehren und war in Torreón sehr erfolgreich im Landhandel tätig. Gemeinsam mit seinem Schwiegervater, dem Vizekonsul des Deutschen Reichs in Torreon Julius (Julio) A. Vermehren[3] besaß er dort große Landflächen.[4]

Klassizistisches Herrenhaus des Gutes Niendorf (2009)
Das Reiterstandbild Wilhelms I.
Gutshaus Warleberg

Am 1. Mai 1913 pachtete er das Herrenhaus Niendorf nebst Zubehör und Jagd (Gut Weißenrode) von der Stadt Lübeck, das er bis zu seinem Tod bewirtschaftete und bewohnte.[5] 1920 erwarb er das Gut Warleberg (Gemeinde Neuwittenbek) hinzu, das bis heute von seinen Nachkommen bewirtschaftet wird.[6]

In Lübeck war Buchenau bereits seit 1908 Mitglied der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit[7].

1921 erklärten Senat und Bürgerschaft in Lübeck der Situation und dem Druck der Sozialdemokraten folgend „das (Reiter)Standbild bestmöglich zu verwerten“.[8] Buchenau erstand die Plastik und ließ es im Park des Herrenhauses aufstellen. Das Denkmal gelangte 1934 wieder in den Besitz der Stadt und steht heute zwischen dem Lindenplatz und Bahnhof.

Zu den Gästen des Paares auf Niendorf gehörte der Kapellmeister und Komponist Hermann Hans Wetzler, der hier 1922 seine Symphonische Phantasie für Orchester, op. 10 vollendete, ihr den Titel Weissenrode gab und sie Anna und Siegfried Buchenau widmete.[9]

Bedeutend wurde Siegfried Buchenau als Kunstsammler und Mäzen. Er gehörte zu den Stiftern der von Karl Schaefer 1918 initiierten Overbeck-Gesellschaft. Der Kulturkritiker Abram B. Enns hebt hervor, dass es zwei qualifizierte Privatsammler in Lübeck gab, die es dem engagierten Museumsdirektor Carl Georg Heise in den Zwanziger Jahren und bis zu seiner Entlassung 1933 ermöglichten, in Lübeck mehrfach moderne Kunst (auch solche aus dem Ausland) auszustellen, neben dem bekannteren Max Linde nennt er Siegfried Buchenau.[10]

Nachfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Edvard Munch im Jahre 1902 im Garten der Lindeschen Villa in Lübeck. Im Hintergrund Das Eherne Zeitalter von Auguste Rodin, das nach dem Ersten Weltkrieg in die Sammlung Buchenaus überging

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Lübecker Museumsdirektor Hans Arnold Gräbke den 1940 „frei gewordenen“ Sockel des Jünglings von Georg Kolbe[11] im Garten des Behnhauses Dank einer Leihgabe der Erben Buchenaus mit dem Ehernen Zeitalter des Bildhauers Auguste Rodin besetzen, diese Leihgabe, die von der Sammlung Max Linde an Siegfried Buchenau übergegangen war, wurde jedoch in den 1950er Jahren zurückgezogen.[12]

Der Sohn Franz (Wilhelm) Buchenau (* 29. September 1900 in Torreón; † 13. März 1969 in Mexiko-Stadt) wurde Manager des Solinger Export-Unternehmens Heinrich Böker.[13]

Die Tochter Margarete (* 1913) heiratete den Drucker Alfred Zantop (* 1900 in Wildungen)[14], der seit 1925 in Barcelona lebte, dort eine Druckerei betrieb und den die Alliierten verdächtigten, ein Abwehr-Agent der deutschen Nationalsozialisten in Spanien zu sein[15] und der in Sachen Raubkunst über eine direkte Ansprechebene bei Hermann Göring verfügte.[16] Er verkaufte mehrere Kunstwerke über den nationalsozialistischen Kunsteinkäufer Alois Miedl.[17] 1955 wird Zantop als Leihgeber der WestberlinerAdolph Menzel“-Ausstellung in Berlin im Katalog erwähnt.[18] Ein Sohn von Alfred und Margarete Zantop war der gemeinsam mit seiner Frau Susanne 2001 ermordete[19] Geologe und Professor am Dartmouth College Half Zantop, in deren Nachlass Sammlungsbestandteile der Sammlung Siegfried Buchenau dokumentiert sind.

Sammlung Buchenau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siegfried Buchenau erwarb eine umfangreiche Kunstsammlung, die er seiner Frau vermachte und aus der seine Witwe Anna Buchenau und die Erben in den folgenden Jahren einzelne Stücke veräußerten. Eine vollständige Dokumentation dieser bedeutenden Sammlung im Zusammenhang ist nicht bekannt, allerdings sind Recherchen zu einzelnen Sammlungsbestandteilen verfügbar. Zur Sammlung Buchenau gehörten nach heutigem Stand der Provenienzforschung aufgrund dokumentierter Transaktionen am Kunstmarkt folgende Werke (nach Verkäufen bzw. letzten Besitznachweisen geordnet):

Verkäufe durch Siegfried Buchenau (bis 1932)
Verkäufe durch die Erben oder Leihgaben der Erben (ab 1933)
Verbleib in der Familie oder unklar
Sonstiges im weiteren Zusammenhang
  • 1922 erwarb er das ursprünglich zur Aufstellung auf dem Lübecker Markt vorgesehene Reiterdenkmal Kaiser Wilhelm I. von Louis Tuaillon[48] und ließ es im Park von Gut Niendorf aufstellen; 1934 erwarb die Stadt Lübeck es zurück.
  • Eines der Hauptwerke des Bildhauers Johannes Junge ist die um 1420 datierte sogenannte Niendorfer Madonna im St.-Annen-Museum Lübeck, benannt nach dem damals von Buchenau gepachteten Lübecker Stadtgut Niendorf, wo sie am Giebel einer Scheune angebracht in den 1920ern wieder aufgefunden wurde. Sie soll dort mit drei weiteren Skulpturen seit Anfang des 19. Jahrhunderts gestanden haben.[49] Das Gut gehörte zu der Zeit dem Lübecker Maire Friedrich Adolph von Heintze. Es wird vermutet, dass sie ursprünglich zur Ausstattung einer der Anfang des 19. Jahrhunderts abgebrochenen Lübecker Nebenkirchen oder Kapelle der Gotik gehört haben könnten.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag zum Vater in Wer ist’s? 2 (1906) S. 156
  2. Eintrag zum Vater in Wer ist's? 2 (1906) S. 156
  3. Verwandt, aber nicht identisch mit Julius Vermehren
  4. Jürgen Buchenau: Tools of Progress: A German Merchant Family in Mexico City, 1865-present. Albuquerque: UNM Press 2004 ISBN 978-0-8263-3088-8, S. 111
  5. Provenienzrecherche (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  6. Gut Warleberg@1@2Vorlage:Toter Link/www.nok-sh.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  7. Lübeckische Blätter 50 (1908), S. 692
  8. 28. November 1921, Verhandlungen der Bürgerschaft im Jahre 1921, Lübeck 1922, S. 911–925.
  9. Symphonic Fantasy in E-flat major, op. 10 (1922) (Memento vom 3. Januar 2015 im Webarchiv archive.today)
  10. Enns, Kunst und Bürgertum. Die kontroversen zwanziger Jahre in Lübeck. Christians/Weiland, Hamburg/Lübeck 1978, S. 173 ISBN 3-7672-0571-8; so auch Carl Georg Heise selbst in seiner Bestandsaufnahme Lübecker Kunstpflege, 1920-1933: Im Auftrage der Vorsteherschaft des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte, Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, Freie und Hansestadt Lübeck 1934, S. 80
  11. Verkündigung (1924), Denkmal für die deutschen Buchhändler; als Nachguss wieder am Platz (File:Overbeck-Gesellschaft09.JPG): Original im Georg-Kolbe-Museum in Berlin
  12. Enns, Kunst und Bürgertum, S. 140
  13. Jürgen Buchenau: Tools of Progress: A German Merchant Family in Mexico City, 1865-present. Albuquerque: UNM Press 2004 ISBN 978-0-8263-3088-8, S. 111 und 211
  14. ESPAÑA Y EL EXPOLIO DE LAS COLECCIONES ARTÍSTICAS EUROPEAS DURANTE LA SEGUNDA GUERRA MUNDIAL (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  15. Eintrag in der Lost Art-Datenbank
  16. First Supplement to the Appendix U.S. and Allied Efforts To Recover and Restore Gold and Other Assets Stolen or Hidden by Germany During World War II - Finding Aid to Records at the National Archives at College Park, 1997, S. 199: Guide to Goering Papers pdf
  17. Post-War Reports: Art Looting Intelligence Unit (ALIU) Reports 1945-1946 and ALIU Red Flag Names List and Index (Digitalisat); en:Alois Miedl
  18. Ausstellung Adolph von Menzel aus Anlass seines 50. Todestages: Berlin, Mai bis Juni 1955 im Museum Dahlem, Arnimallee, Nationalgalerie (West), Museum Dahlem 1955, S. 17; 50
  19. Siehe dazu Eric Francis: The Dartmouth Murders. New York: St. Martin’s True Crime ISBN 0-312-98231-3; en:2001 Dartmouth College murders
  20. Provenienzrecherche (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  21. Charlotte Berend-Corinth: Die Gemälde von Lovis Corinth. München: Bruckmann 1958, S. 75
  22. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  23. Eintrag in der Datenbank zum Munich Central Collecting Point
  24. Auktionskatalog
  25. Auktionskatalog, Lot Nr. 3042, S. 62
  26. Provenienzrecherche (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  27. Walter A. Liedtke: Dutch Paintings in the Metropolitan Museum of Art. New York: Metropolitan Museum of Art 2007 ISBN 978-1-58839-273-2, S. 407 f., Anm. 3
  28. Explore Salomon Konninck
  29. Adriaan E. Waiboer: Gabriel Metsu (1629--1667): Life and Work. Diss. New York 2007 ISBN 978-0-549-25736-3, Kat. B 1, S. 818
  30. Auguste Rodin: Age of Bronze
  31. Auktionskatalog, abgerufen am 3. Januar 2015
  32. Provenienzrecherche (Memento vom 3. Januar 2015 im Webarchiv archive.today)
  33. Provenienzrecherche (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), Eintrag in der Datenbank zum Munich Central Collecting Point
  34. Birgit Schwarz: Geniewahn: Hitler und die Kunst. Wien: Böhlau 2009 ISBN 978-3-205-78307-7, S. 157 mit Abb. 53
  35. Eintrag in der Datenbank zum Munich Central Collecting Point
  36. Walter A. Liedtke: Dutch Paintings in the Metropolitan Museum of Art, Bände 1–2, Metropolitan Museum of Art, 2007, S. 407/408 (Fußnote 3 auf S. 407)
  37. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  38. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  39. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  40. Charlotte Berend-Corinth: Die Gemälde von Lovis Corinth. München: Bruckmann 1958, S. 104
  41. Charlotte Berend-Corinth: Die Gemälde von Lovis Corinth. München: Bruckmann 1958, S. 116
  42. Eric Francis: The Dartmouth Murders. New York: St. Martin’s True Crime ISBN 0-312-98231-3, S. 13; en:2001 Dartmouth College murders
  43. Eric Francis: The Dartmouth Murders. New York: St. Martin’s True Crime ISBN 0-312-98231-3, S. 13; en:2001 Dartmouth College murders
  44. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  45. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  46. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  47. Nachweis des Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie
  48. Kunst im öffentlichen Raum Lübeck
  49. Walter Paatz: Die lübeckische Steinskulptur der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck 9, ZDB-ID 520795-2). Schmidt-Römhild, Lübeck 1929; Hildegard Vogeler: Madonnen in Lübeck. Lübeck 1993, Nr. 40, S. 82.; Anna Elisabeth Albrecht: Steinskulptur in Lübeck um 1400: Stiftung und Herkunft. Reimer, Berlin 1997, S. 86 ff. ISBN 3-496-01172-6