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Sierpinski-Dreieck

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Sierpinski-Dreieck mit Rekursionstiefe 7

Ein Sierpinski-Dreieck ist ein 1915 von Wacław Sierpiński beschriebenes Fraktal, das durch fortgesetzte rekursive Aufteilung eines Vorgängerdreiecks in vier weitere, zueinander kongruente Dreiecke erhalten wird. Die neuen Dreiecke sind dem Ausgangsdreieck ähnlich. Das Sierpinski-Dreieck – teilweise auch Sierpinski-Fläche genannt – ergibt sich durch Grenzübergang dieses Prozesses. Die fraktale Dimension der so entstehenden Fläche beträgt

Konstruktion

Zur Darstellung des Sierpinski-Dreiecks wird als Ausgangsdreieck meist ein gleichseitiges Dreieck gewählt; das ist nicht zwingend, jedes beliebige Dreieck kann in ein Sierpinski-Dreieck zerlegt werden.

Schrittweise Konstruktion des Sierpinski-Dreiecks

Der „klassische“ Algorithmus, der zur grafischen Demonstration des Fraktalbegriffs verwendet wird, ist folgender:

  1. Zeichne ein Dreieck („Initiator“)
  2. Verbinde die Mittelpunkte der Seiten („Generator“) (dadurch wird das ursprüngliche Dreieck in vier deckungsgleiche Teildreiecke zerlegt)
  3. Entferne das mittlere der vier Teildreiecke (die anderen drei Teildreiecke bleiben übrig)
  4. Wende Schritte 2 und 3 auf die drei übriggebliebenen Teildreiecke an. usw.

Dieser Algorithmus verdeutlicht den Zusammenhang. Es entstehen bei jedem Iterationsschritt an den Ecken drei (zum Initiator ähnliche) Dreiecke mit halber Seitenlänge und einem Viertel der Fläche, die gefärbt werden. Das vierte „innere“ kleine Dreieck, welches dabei entsteht, kann man sich als aus der Dreiecksfläche des vorhergehenden Schritts „herausgeschnitten“ vorstellen.

Das eigentliche Sierpinski-Dreieck im streng mathematischen Sinn ist das Grenzobjekt, das nach unendlich vielen Iterationsschritten übrigbleibt. Es besteht aus unendlich vielen „Eckpunkten“. Zur Darstellung, die meist mit rekursiven Computerprogrammen realisiert und nach Bedarf auf einem Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt wird, reicht meist schon eine Iterations- oder Rekursionstiefe von höchstens zehn. Bedingt durch die Auflösung des darstellenden Mediums (Monitor, Drucker etc.) und des menschlichen Auges sind diese Gebilde vom Grenzobjekt nicht mehr zu unterscheiden. In klassischer planimetrischer Flächenmessung geht die Fläche mit zunehmender Iterationstiefe gegen Null.

Mathematische Zusammenhänge

Das Sierpinski-Dreieck ist selbstähnlich

Als klassisches Fraktal, insbesondere mit einem gleichseitigen Dreieck als Initiator, ist das Sierpinski-Dreieck ein Musterbeispiel für exakte Selbstähnlichkeit: Die in jedem Schritt erzeugten Teildreiecke sind verkleinerte exakte Kopien des Ausgangsdreiecks. Jede Skalierung eines beliebigen Teils des Grenzobjekts erscheint wie das Gesamtobjekt selbst. Es ist somit skaleninvariant.

Von den zugrundeliegenden mathematischen Gesetzmäßigkeiten her ist das Sierpinski-Dreieck eng verwandt mit der Cantor-Menge. Seine Dimension ist der Kehrwert derselben, nämlich . Dies resultiert daraus, dass bei jedem Schritt genau neue Teildreiecke mit der Seitenlänge erzeugt werden. Das Grenzobjekt entsteht, wenn gegen unendlich geht, und es kann daher als „geometrisches Analogon“ zu einem Grenzwert aufgefasst werden. Aus der Bildungsvorschrift lässt sich auch berechnen, welche Punkte der ursprünglichen Fläche zum Grenzobjekt gehören.

Zur Berechnung der Anzahl der Dreiecke nach k Iterationen lässt sich folgende Formel anwenden:

für

Darstellung mittels Hutchinson-Operator

Ein Sierpinski-Dreieck lässt sich auch als Attraktor eines dynamischen Rückkopplungsprozesses, eines deterministisch iterierten Funktionensystems mit geeigneten Parametern aus nahezu jeder beliebigen geometrischen Figur darstellen. Dabei werden wiederholt Mehrfach-Transformationen des Ausgangsobjekt vorgenommen, diese Bilder mit einer Abbildungsvorschrift, dem Hutchinson-Operator, entsprechend angeordnet und diese Prozedur erneut auf das entstandene Gesamtbild angewandt usw. Mit zunehmender Iterationstiefe streben die entstehenden Bilder, falls geeignete Parameter gewählt wurden, einem Sierpinski-Dreieck zu, das in diesem Falle der Attraktor des Funktionensystems ist.

Das Sierpinski-Dreieck ist in diesem Sinne charakterisiert als diejenige kompakte Teilmenge der Ebene, die identisch ist mit der Vereinigung ihrer drei Bilder unter den drei Ähnlichkeitsabbildungen, die das gesamte Dreieck jeweils auf die drei halb so großen Teildreiecke abbilden.

1. Stufe 2. Stufe 3. Stufe 4. Stufe 5. Stufe 6. Stufe 7. Stufe 8. Stufe
Stufe 1 2 3 4 5 6 7 8

Sierpinski-Schwamm

Zwei Sierpinski-Schwämme

Eine Darstellung des Sierpinksi-Dreiecks ist, analog zum Menger-Schwamm, auch in der dritten Dimension möglich: Die Startfigur ist ein Tetraeder. Aus dessen Mitte wird in jedem Iterationsschritt ein Oktaeder mit halber Kantenlänge herausgeschnitten. Übrig bleiben vier Tetraeder, aus denen wieder je ein Oktaeder herausgeschnitten wird, usw. Die Dimension für dieses Gebilde ist , obwohl es sich hierbei um eine Figur im dreidimensionalen Raum handelt. Mit einer zunehmenden Zahl von Iterationsschritten geht das Volumen der Figur gegen 0; die Oberfläche bleibt jedoch konstant.

Chaos-Spiel

Abgesehen von der rekursiven Darstellung gibt es noch einen Zufallspunkt-Algorithmus zur näherungsweisen Konstruktion des Sierpinski-Dreiecks: Das Chaos-Spiel.

Dabei wird ein gleichseitiges Dreieck mit den Ecken A, B, C aufgezeichnet und ein zufälliger Punkt im Inneren des Dreiecks gewählt (er kann aber auch außerhalb liegen, ohne das Ergebnis wesentlich zu verändern). Nun wird pro Schritt eine Ecke zufällig ausgewählt (die Wahrscheinlichkeit für die Ecken sind gleich) und der Punkt gedanklich mit der gezogenen Ecke verbunden. Die Mitte dieser Strecke markiert nun den Punkt für die nächste Runde. Wiederholt man dies sehr oft, bilden die Punkte eine Näherung des Sierpinski-Dreiecks. Wenn man die Punkte auch noch je nach ausgewählter Ecke unterschiedlich einfärbt, also z.B. A = grün, B = rot und C = blau, dann bekommt man drei unterschiedlich gefärbte Sierpinski-Dreiecke im Sierpinski-Dreieck.

Zusammenhang mit dem Pascalschen Dreieck

Mit dem Sierpinski-Dreieck verwandt ist auch das pascalsche Dreieck. Dabei entsprechen die geraden Zahlen im Pascal-Dreieck den Lücken im Sierpinski-Dreieck. Beide Dreiecke haben eine einfache Iterationsvorschrift, nach der stets eine geometrische Ähnlichkeit gegeben ist: wird in einem Schritt beim Sierpinski-Dreieck jedes Initiatordreieck nach oben bereits beschriebener Regel ersetzt, wird beim Pascal-Dreieck lediglich die Anzahl der Zeilen verdoppelt (ungerade Zahlen mit mehr als einer Dezimalstelle werden im Folgenden als # dargestellt).

Initiator:

           1
          1 1

1. Schritt

           1
          1 1
         1   1
        1 3 3 1 

2. Schritt

           1
          1 1
         1   1
        1 3 3 1
       1       1
      1 5     5 1
     1   #   #   1
    1 # # # # # # 1

3. ...

Diese Ähnlichkeit ist auch für ein unendliches Pascal-Dreieck und ein Sierpinski-Dreieck nach unendlich vielen Iterationsschritten gegeben.

Das Erzeugen dieser Ähnlichkeit kann auch aus einer anderen Sichtweise betrachten werden: das Pascal-Dreieck selbst ist als Idee und damit als geometrischer Bauplan immer unendlich, wir können es nur nicht komplett aufschreiben. Ein iterativ erzeugtes Sierpinski-Dreieck aber ist stets durch seine äußere Hülle beschränkt. Somit wird durch fortlaufende Iteration nicht das Pascal-Dreieck an ein Sierpinski-Dreieck, sondern das Sierpinski-Dreieck an den unendlichen geometrischen Bauplan und damit an das unendliche Pascal-Dreieck angeglichen.

Natur

In der Natur kommt dieses Muster auf dem Gehäuse der Muschelart Cymbiola innexa vor.[1][2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie: Muschelgehäuse: Muster mit Formeln erklären. In: Spiegel online. 12. Oktober 2009, abgerufen am 12. Oktober 2009.
  2. Bjørn Jamtveit, Paul Meakin (Hrsg.): Growth, Dissolution and Pattern Formation in Geosystems. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1999, S. 234 (Digitalisat bei Google Books).
Commons: Sierpinski-Dreieck – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien