„Skeptikerbewegung“ – Versionsunterschied

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[[Bild:RANDI.jpg|thumb|[[James Randi]], ein prominenter Zauberkünsler und engagierter Skeptiker]]
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Die Mitglieder der Skeptikerbewegung beanspruchen eine [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistische]] und [[Wissenschaftlicher Realismus|realistische]] Position für sich. Aussagen über die Existenz von [[Entität]]en oder über die [[Natur]] allgemein wären demnach lediglich über die Gesamtheit naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten möglich. Einige Vertreter sind [[Agnostiker]] oder [[Atheisten]] und lehnen deshalb Religion systematisch ab. Häufige von Mitgliedern der Skeptikerbewegung abgelehnte oder verspottete Themen sind unter anderem [[Reinkarnation]], [[Homöopathie]], [[Parapsychologie]], [[Wünschelrute]]ngehen, [[Astrologie]], [[Homöopathie]], [[Tarot]], [[Entführung durch Außerirdische|Entführungen durch Außerirdische]], [[außersinnliche Wahrnehmung]]en, nach [[Carl Sagan]]<ref name =gph/> ebenso das [[Bermudadreieck]], [[Kryptozoologie| vor dem Menschen verborgene Tiere]] wie der [[Yeti]], [[Bigfoot]] oder das [[Ungeheuer von Loch Ness]], selbsternannte Propheten wie [[Edgar Cayce]] oder [[Jeanne Dixon]], übersinnliche Wahrnehmung und [[Telepathie]], moderner Schamanismus wie bei [[Carlos Castaneda]]. Ebenso kritisieren sie [[Verschwörungstheorien_zum_11._September_2001|Verschwörungstheorien]], wie solche in Bezug auf die [[Terroranschläge am 11. September 2001|Terroranschläge des 11. Septembers 2001]] sowie [[AIDS-Leugnung]] oder den Glauben an [[UFO]]s.
Die Mitglieder der Skeptikerbewegung beanspruchen eine [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistische]] und [[Wissenschaftlicher Realismus|realistische]] Position für sich. Aussagen über die Existenz von [[Entität]]en oder über die [[Natur]] allgemein wären demnach lediglich über die Gesamtheit naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten möglich. Einige Vertreter sind [[Agnostiker]] oder [[Atheisten]] und lehnen deshalb Religion systematisch ab. Häufige von Mitgliedern der Skeptikerbewegung abgelehnte oder verspottete Themen sind unter anderem [[Reinkarnation]], [[Parapsychologie]], [[Wünschelrute]]ngehen, [[Astrologie]], [[Homöopathie]], [[Tarot]], [[Entführung durch Außerirdische|Entführungen durch Außerirdische]], [[außersinnliche Wahrnehmung]]en, nach [[Carl Sagan]]<ref name =gph/> ebenso das [[Bermudadreieck]], [[Kryptozoologie| vor dem Menschen verborgene Tiere]] wie der [[Yeti]], [[Bigfoot]] oder das [[Ungeheuer von Loch Ness]], selbsternannte Propheten wie [[Edgar Cayce]] oder [[Jeanne Dixon]], übersinnliche Wahrnehmung und [[Telepathie]], moderner Schamanismus wie bei [[Carlos Castaneda]]. Ebenso kritisieren sie [[Verschwörungstheorien_zum_11._September_2001|Verschwörungstheorien]], wie solche in Bezug auf die [[Terroranschläge am 11. September 2001|Terroranschläge des 11. Septembers 2001]] sowie [[AIDS-Leugnung]] oder den Glauben an [[UFO]]s.


Bereits in der Tradition des [[Szientismus]], eines [[Positivismus|positivistischen]] Verständnisses von Wissenschaft, wurden Aussagen, die sich nicht durch naturwissenschaftliche Methoden begründen lassen, wie z.&nbsp;B. in den Themengebieten [[Religion]] und [[Metaphysik]] als sinnlos bezeichnet.<ref>''Robert Bannister: [http://www.swarthmore.edu/SocSci/rbannis1/AmCult/H47%2313.html „Behaviorism, Scientism and the Rise of The "Expert"“]<br />[[Susan Haack]] (2003). Defending Science Within Reason: Between Scientism and Cynicism. Amherst, NY: Prometheus Books</ref><ref>Rey, Abel. „Review of ''La Philosophie Moderne''“, ''The Journal of Philosophy, Psychology and Scientific Methods'' 6.2 (1909): 51-53.<br />cf. Abraham Maslow: „There are criticisms of orthodox, 19th Century scientism and I intend to continue with this enterprise.“ ''Toward a Psychology of Being'', Preface to 1st edition</ref> In Anlehnung an [[Bertrand Russell]] wird argumentiert, Menschen, die sich auf den Glauben an Übersinnliches berufen, wären leicht zu schädlichen oder zerstörerischen Handlungen zu veranlassen.<ref>[http://www.positiveatheism.org/hist/russell4.htm On the Value of Scepticism]</ref> James Randi bezeichnet von ihm kritisierte parawissenschaftliche Thesen als [[Betrug und Fälschung in der Wissenschaft|wissenschaftlichen Betrug]] und versucht nachzuweisen, dass deren Protagonisten wüssten, dass ihre Behauptungen falsch seien. Es gehe ihnen nur darum, Geld zu verdienen. Es sei nach [[Gerd Antes]] irreführend, von etablierter und alternativer Medizin zu sprechen. Was keine belastbare wissenschaftliche Grundlage habe, sei keine Medizin.<ref>[http://www.tagesspiegel.de/wissen/skepsis-vorher-wissen-was-geschieht/6653268.html ''Vorher wissen, was geschieht''], Jana Schlütter in [[Tagesspiegel]] vom 21. Mai 2012</ref>
Bereits in der Tradition des [[Szientismus]], eines [[Positivismus|positivistischen]] Verständnisses von Wissenschaft, wurden Aussagen, die sich nicht durch naturwissenschaftliche Methoden begründen lassen, wie z.&nbsp;B. in den Themengebieten [[Religion]] und [[Metaphysik]] als sinnlos bezeichnet.<ref>''Robert Bannister: [http://www.swarthmore.edu/SocSci/rbannis1/AmCult/H47%2313.html „Behaviorism, Scientism and the Rise of The "Expert"“]<br />[[Susan Haack]] (2003). Defending Science Within Reason: Between Scientism and Cynicism. Amherst, NY: Prometheus Books</ref><ref>Rey, Abel. „Review of ''La Philosophie Moderne''“, ''The Journal of Philosophy, Psychology and Scientific Methods'' 6.2 (1909): 51-53.<br />cf. Abraham Maslow: „There are criticisms of orthodox, 19th Century scientism and I intend to continue with this enterprise.“ ''Toward a Psychology of Being'', Preface to 1st edition</ref> In Anlehnung an [[Bertrand Russell]] wird argumentiert, Menschen, die sich auf den Glauben an Übersinnliches berufen, wären leicht zu schädlichen oder zerstörerischen Handlungen zu veranlassen.<ref>[http://www.positiveatheism.org/hist/russell4.htm On the Value of Scepticism]</ref> James Randi bezeichnet von ihm kritisierte parawissenschaftliche Thesen als [[Betrug und Fälschung in der Wissenschaft|wissenschaftlichen Betrug]] und versucht nachzuweisen, dass deren Protagonisten wüssten, dass ihre Behauptungen falsch seien. Es gehe ihnen nur darum, Geld zu verdienen. Es sei nach [[Gerd Antes]] irreführend, von etablierter und alternativer Medizin zu sprechen. Was keine belastbare wissenschaftliche Grundlage habe, sei keine Medizin.<ref>[http://www.tagesspiegel.de/wissen/skepsis-vorher-wissen-was-geschieht/6653268.html ''Vorher wissen, was geschieht''], Jana Schlütter in [[Tagesspiegel]] vom 21. Mai 2012</ref>

Version vom 14. März 2014, 14:27 Uhr

Die „Skeptikerbewegung“ ist eine soziale Bewegung von Vereinigungen und Einzelpersonen mit dem Anspruch einer kritischen Auseinandersetzung mit sogenannten pseudo- und parawissenschaftlichen Theorien.

In Deutschland ist die größte Skeptiker-Vereinigung die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Die Skeptikerbewegung ist vom philosophischen Skeptizismus zu unterscheiden, ebenso von der Parapsychologie oder Anomalistik.

Geschichte

Im Jahr 1947 wurde in Belgien das Comité pour l’Investigation Scientifique des Phénomènes Réputés Paranormaux kurz Comité Para gegründet, das sich der Auseinandersetzung mit Hellsehern, Astrologen und Wünschelrutengängern verschrieb, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versprachen, bei der Suche nach Kriegsvermissten zu helfen. Eine frühe Publikation, die zu den Ursprüngen der Skeptikerbewegung gerechnet werden kann, ist Martin Gardners 1957 erschienenes Buch Fads and Fallacies in the Name of Science.

Paul Kurtz gründete nach einem 1975 publizierten, von 186 Wissenschaftlern unterzeichneten Manifest gegen astrologische Erklärungen[1] und nach der Auseinandersetzung mit Michel Gauquelins Mars-Effekt[2] im Jahr 1976 das Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal (CSICOP), das heutige Committee for Skeptical Inquiry. Gründungsmitglied war auch der Soziologe Marcello Truzzi, der ein Magazin namens The Zetetic herausgab, das unter interessierten Akademikern zirkulierte und 1975 erweitert wurde zu einer Informationsplattform über paranormale Erklärungen und deren Kritik. Truzzi trat selbst nach Kontroversen von der Herausgeberschaft zurück, danach wurde die Verbandszeitschrift des CSICOP unter dem Titel Skeptical Inquirer von Kendrick Frazier (zuvor Herausgeber von Science News) herausgegeben.[3] Neben seiner Tätigkeit im Skeptikerverband ist Kurtz auch Vorsitzender des atheistischen Council for Secular Humanism und Geschäftsführer des Verlages Prometheus Books. Truzzi

Die Skeptics Society, die wohl größte derartige Gruppierung in den USA, wurde 1991 von Michael Shermer, Pat Linse und Kim Ziel Shermer gegründet.[4] Skeptikervereinigungen sind auf internationaler Ebene im International Network of Skeptical Organizations organisiert,[5] in Europa im European Council of Skeptical Organisations (ECSO), einer 1995 gegründeten Dachorganisation.

In Deutschland ist die Skeptikerbewegung vor allem durch die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) vertreten, hat aber weniger organisierte Mitglieder als im angelsächischen Raum.[6][7] Umfangreiches Medieninteresse fand ein internationaler Kongress der Skeptikerbewegung in Berlin 2012.[8] Der deutsche Kongress fand mit geschätzten 300 Teilnehmern allerdings in eher überschaubarem Rahmen statt.[9][10].

In Österreich präsent ist die Gesellschaft für kritisches Denken (GKD), eine Wiener Lokalgruppe der GWUP. Die GKD gibt Aufklärung und Information über Pseudowissenschaft und Scharlatanerie, eine Festigung des skeptisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes und die wissenschaftliche Überprüfung parawissenschaftlicher Behauptungen als ihre Ziele an.[11] Neben Zeitschriften und Webseiten ist die Skeptikerbewegung in der Öffentlichkeit auch mit Kongressen, der Verleihung von Negativpreisen und öffentlichen Wetten vertreten. So verleiht die GKD ein Goldenes Brett im Naturhistorischen Museum Wien.[11][12]

Motivation und Mitgliederstruktur

Die Skeptikerbewegung und ihre Vorgänger werden als teilweise im akademischen Umfeld begründete Reaktion auf zeitgenössisch zunehmende irrationale Tendenzen und Interessen gesehen.[13] Die Mitglieder der Skeptikerbewegung sind überproportional Männer mit einem akademischen Hintergrund. Eine agnostische oder atheistische Weltanschauung ist nicht vorausgesetzt, aber überwiegt, ebenso eine gemeinsam und aktiv vertretene Esoterik- beziehungsweise Religionsfeindlichkeit.[13] Es gibt einige personelle Überschneidungen zu den Brights, die ein naturalistisches Weltbild und eine zugehörige Ethik ohne mystische und übernatürliche Elemente propagieren und für sich in Anspruch nehmen.

Bereits deutlich vor der Gründung von CSICOP gab es ausgrenzende Tendenzen gegenüber Meta-, Para- und als Pseudowissenschaft charakterisierten Weltanschauuungen. George P. Hansen nennt Zauberkünstler, Psychologen und Vertreter des Rationalismus/Atheismus als klassische Protagonisten.[13] Allein bei der in den 1970er Jahren gegründeten Vereinigung Resources for the Scientific Evaluation of the Paranormal (RSEP) waren mit Martin Gardner, Ray Hyman, James Randi und Marcello Truzzi eine Reihe von mehr oder minder bekannten Zauberkünstlern vertreten.

Den organisierten Skeptikern wurde auch aus Binnensicht eine gewisse Macho-Attitüde nachgesagt, der Frauen eher abschrecke. Es gehe weniger darum, pseudowissenschaftlich erkannte Glaubenssätze zu erforschen, als sie lächerlich zu machen.[13] Susan Blackmore, eine Parapsychologin und eine der wenigen weiblichen Mitarbeiter bei CSICOP kritisierte 1991 eine weitverbreitete Tendenz typischerweise männlicher Skeptiker, die Antwort schon vor der Untersuchung zu wissen und vor allem bereits vorgesetzte Meinungen und Glaubensstrukturen propagieren zu wollen, als Pseudoskeptizismus.[14]

Positionen und Inhalte

James Randi, ein prominenter Zauberkünsler und engagierter Skeptiker

Die Mitglieder der Skeptikerbewegung beanspruchen eine naturalistische und realistische Position für sich. Aussagen über die Existenz von Entitäten oder über die Natur allgemein wären demnach lediglich über die Gesamtheit naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten möglich. Einige Vertreter sind Agnostiker oder Atheisten und lehnen deshalb Religion systematisch ab. Häufige von Mitgliedern der Skeptikerbewegung abgelehnte oder verspottete Themen sind unter anderem Reinkarnation, Parapsychologie, Wünschelrutengehen, Astrologie, Homöopathie, Tarot, Entführungen durch Außerirdische, außersinnliche Wahrnehmungen, nach Carl Sagan[13] ebenso das Bermudadreieck, vor dem Menschen verborgene Tiere wie der Yeti, Bigfoot oder das Ungeheuer von Loch Ness, selbsternannte Propheten wie Edgar Cayce oder Jeanne Dixon, übersinnliche Wahrnehmung und Telepathie, moderner Schamanismus wie bei Carlos Castaneda. Ebenso kritisieren sie Verschwörungstheorien, wie solche in Bezug auf die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 sowie AIDS-Leugnung oder den Glauben an UFOs.

Bereits in der Tradition des Szientismus, eines positivistischen Verständnisses von Wissenschaft, wurden Aussagen, die sich nicht durch naturwissenschaftliche Methoden begründen lassen, wie z. B. in den Themengebieten Religion und Metaphysik als sinnlos bezeichnet.[15][16] In Anlehnung an Bertrand Russell wird argumentiert, Menschen, die sich auf den Glauben an Übersinnliches berufen, wären leicht zu schädlichen oder zerstörerischen Handlungen zu veranlassen.[17] James Randi bezeichnet von ihm kritisierte parawissenschaftliche Thesen als wissenschaftlichen Betrug und versucht nachzuweisen, dass deren Protagonisten wüssten, dass ihre Behauptungen falsch seien. Es gehe ihnen nur darum, Geld zu verdienen. Es sei nach Gerd Antes irreführend, von etablierter und alternativer Medizin zu sprechen. Was keine belastbare wissenschaftliche Grundlage habe, sei keine Medizin.[18]

Kontroversen

Auseinandersetzungen innerhalb der Skeptikerbewegung

Die Skeptikerbewegung ist vom philosophischen Skeptizismus zu unterscheiden. Bereits in der Antike wurde zwischen akademischer und pyrrhonischer Skepsis (vgl. Sextus Empiricus) unterschieden, die Pyrrhoneer waren auch ihren eigenen Aussagen gegenüber skeptisch. In der frühen Neuzeit wurde die Dreiteilung der Philosophen in „Akademiker“, (pyrrhonische) „Skeptiker“ und „Dogmatiker“ übernommen, und breit rezipiert, ebenso die Bezeichnung „Dogmatiker“ als klassischer Überbegriff für alle nichtskeptischen Philosophen.

Der ehemalige CSICOP-Herausgeber Marcello Truzzi wird einer modernen pyrrhonischen Skeptikertradition zugeteilt, die meisten sonstigen Vertreter der Skeptikerbewegung der akademischen Tradition.[19] Martin Gardner zufolge war Tuzzi im Leitungsgremium von CSICOP gegenüber parawissenschaftlichen Themen aufgeschlossen und an tatsächlichen Diskussionen mit deren Vertretern interessiert, die er keineswegs als Gefahr oder als Spinner charakterisierte. Den anderen Mitgliedern sei dies so vorgekommen, als solle eine linksliberale Zeitschrift Rechtextremisten zu Wort kommen lassen.[20] Truzzi war in den 1980er Jahre im Zusammenhang mit der so genannten Mars-Effekt-Kontroverse der Skeptikerbewegung kritisch gegenüber geworden und in der Folge bei CSICOP ausgeschieden. Er konstatierte ausgrenzende Tendenzen der Skeptiker gegenüber Meta-, Para- und Pseudowissenschaften[21] und kritisierte unter dem Stichwort Szientismus mit Berufung auf britische Wissenschaftler wie Tom Sorell, Mary Midgley und Bryan Appleyard einen neuen und quasi-religiösen Dogmatismus.[21] Die von ihm als Spötter apostrophierten Skeptiker gingen demnach von einer Einheit aller Wissenschaften aus, die keineswegs die Vielzahl historisch belegter Unvereinbarkeiten zwischen verschiedenen Erkenntnissträngen wiedergäbe.[21]

Auseinandersetzungen innerhalb der GWUP in Deutschland führten 1999 zum Ausstieg des Mitbegründers und damaligen Redaktionsleiters des Publikationsorgans Skeptiker Edgar Wunder und zwei anderen Mitgliedern der führenden deutschen Skeptiker-Organisation. Die Zeit sprach von Grabenkämpfen wie in einer Politsekte.[22] Wunder verwendete in einer GWUP-kritischen Schrift den Ausdruck „Skeptiker-Syndrom“.[23]

Nach Wunder – seit seinem Ausstieg ein Kritiker der Skeptikerbewegung – würden Skeptiker das primäre Ziel der Gruppe in Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit sehen, mit dem Ziel, paranormale Vorstellungen in der Bevölkerung zurückzudrängen und aktiven Vertretern solcher Überzeugungen das Handwerk zu legen.[23] Dabei werde der Schwerpunkt mehr auf eine Mission gelegt, die weniger eigene wissenschaftliche Untersuchungen in den Vordergrund stelle, als einer Gesinnungsgemeinschaft und deren politischen Zielen, namentlich einer speziellen Vorstellung von Rationalismus zum Durchbruch zu verhelfen.[23] Im Rahmen dieser Auffassung werde kaum zwischen parawissenschaftlichen Themenfeldern unterschieden, sondern ein allgemeiner Glauben an das Paranormale konstatiert, den es zu bekämpfen gelte.[23] Zudem spielten empfundene Gefahren- und Bedrohungspotentiale des Paranormalen eine große Rolle für Skeptiker und deren Motivation. Vorlage:"-en (die vernunftbasierte Welt vor einer Flut von Unfug zu verteidigen), sei nach Paul Kurtz für Gesellschaft und Menschheit überlebenswichtig.[23] Pseudowissenschaften stellten eine reale Gefahr dar.

Pseudowissenschaft und Wissenschaftlicher Realismus

Der Ausdruck Pseudowissenschaft wird durch die US-amerikanische Skeptiker-Organisation Committee for Skeptical Inquiry und die GWUP mit teils abwertender und ausschließender Absicht verwendet. In der wissenschaftstheoretischen Diskussion wird dagegen mitunter bestritten, dass ein Begriff wie Pseudowissenschaft präzise ausarbeitbar sei. Der Soziologe und GWUP-Kritiker Edgar Wunder hält dies für einen Kampfbegriff ohne analytischen Gehalt. Der Chemiker Ed Storms sprach anlässlich der Dritten Internationalen Konferenz über Kalte Kernfusion (ICCF3) in Nagoya, Japan, im Oktober 1992 von pathologischem Skeptizismus. Truzzi bevorzugt einen Umgang mit solchen Themen im Rahmen der Anomalistik. Ihm zufolge werden mit „Skeptiker“ irreführend oft jene bezeichnet, die tatsächlich „Spötter“ seien.[21] Mit Berufung auf Robert K. Merton sei Skeptizismus zwar eine grundlegende Norm in der Wissenschaft. Der Begriff sei aber mit „zweifeln“ besser als mit „verneinen“ umschrieben, Letzteres aber typisch für die Skeptikerbewegung.[21]

Der wissenschaftliche Realismus selbst ist – in der Wissenschaft – keineswegs unumstritten. Einige Philosophen wie Paul Feyerabend ziehen aus der Wissenschaftsgeschichte den Schluss, die Praxis des Erkenntnisgewinns und der Erkenntnisveränderung erfolge systematisch in eher irrationaler und anarchischer Weise, wobei die bestehenden wissenschaftstheoretischen Grundsätze eher verletzt als eingehalten würden. Feyerabend forderte daher einen Theorienpluralismus[24] und kritisierte vehement eine rationalistische Vereinfachung von Wissenschaftstheorie und Methodologie, Wissenschaft sei – neben beispielsweise Religion oder Kunst – nur eine von vielen Möglichkeiten, Erkenntnis zu gewinnen.[25] Dem Wissenschaftstheoretiker Larry Laudan zufolge[26] wären selbsternannte Realisten keineswegs in der Lage, zu erklären, wieso auch wissenschaftliche Theorien, die keineswegs auf „wahren“ Voraussetzungen oder Begrifflichkeiten beruhten, erfolgreich sein könnten oder dies über eine lange Zeit auch waren. Im Gegenteil gäbe es eine Vielzahl von wissenschaftlichen Theorien, deren ursprüngliche Voraussetzungen sich mittlerweile als nachweislich falsch herausgestellt hätten.[26] Laudan verweist unter anderem auf die ursprüngliche Fassung der Dalton’schen Atomtheorie oder Bohrs Thesen zum Elektron, die in wichtigen Aspekten fehlerhaft und teilweise, wie die Kontinentalverschiebungstheorie Alfred Wegeners, über längere Zeiträume völlig erfolglos gewesen seien.[26] Der Realismus wäre keineswegs in der Lage, den Erfolg von Thesen zu deuten, deren Voraussetzungen oder grundlegende Begrifflichkeiten keineswegs bestätigt seien. In dem Sinne sei der „Realismus“ entgegen dem eigenen erkenntnistheoretischen Anspruch keineswegs in der Lage, tatsächliche Mechanismen im Wissenschaftsbetrieb zu erklären.[26] Im Gegenteil, unter anderem nach Gerhard Lenski [27] und Robert Mertons Thesen haben seit dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart religiöse Überzeugungen und konfessionell motivierte Verhaltensmuster einen starken Einfluss auf weite Bereiche von Staat und Gesellschaft. Sie hätten wesentliche Grundlagen für das Entstehen und die Entwicklung naturwissenschaftlicher Sichtweisen geschaffen.[28][29]

Literatur

  • Jerome Clark, J. Gordon Melton: The Crusade Against the Paranormal, Fate 32/9 (1979): 70–76 und 32/10 (1979), 87–94.
  • Kendrick Frazier: Science and the Parascience Cults, in: Science News 109/22 (1976), 346–350
  • George P. Hansen: CSICOP and the Skeptics: An Overview, Journal of the American Society for Psychical Research 84 (1990), 25–80 / Journal of the American Society for Psychical Research 86 (1992), 20–63
  • D. J. Hess: Science and the New Age: The Paranormal, Its Defenders and Debunkers, and American Culture, University of Wisconsin Press, Madison 1993
  • Paul Kurtz: Neuer Skeptizismus, in: Kern, G., Traynor, L.: Die esoterische Verführung – Angriffe auf Vernunft und Freiheit, Alibri Verlag, Aschaffenburg 1995, 67–78.
  • Jan Pilgenröder: Skeptiker-Organisationen: Eine gesellschaftstheoretische Analyse, Sandhausen 2004.
  • Theodore Rockwell, Robert Rockwell, W. Teed Rockwell: Irrational Rationalists: A Critique of the Humanists’ Crusade Against Parapsychology, Journal of the American Society for Psychical Research 72 (1971), 23–34.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Bok, B.J., Jerome / L.E., Kurtz, P.: Objections to Astrology: A Statement by 186 Leading Scientists, The Humanist 35 (1975), 4–6
  2. vgl. Michel Gauquelin: Is There Really a Mars Effect?
  3. Vgl. Collins/Pinch 1984 und die dortigen Quellenbelege
  4. Vgl. s.v. in Melton 2001
  5. http://www.csicop.org/resources/organizations.html
  6. Lobbyisten gegen esoterische Umtriebe, Christoph Drösser in Zeit Online vom 18. Mai 2012
  7. Alice Ahlers: Skeptiker und Wunder Gottes: Die Jungfrau weint Männerblut. In: Frankfurter Rundschau vom 22. Mai 2012.
  8. Im Kampf gegen die Esoterik, Alexander Mäder in Stuttgarter Zeitung vom 21. Mai 2012
  9. Warum Esoterik und Ufos ernst zu nehmen sind, Wolfgang W. Merkel in Welt Online vom 18. Mai 2012
  10. Skeptiker - Stimmt es wirklich?, Hartmut Wewetzer in Tagesspiegel vom 19, Mai 2012
  11. a b "Herausragendster Unfug" wird gesucht, ORF vom 22. Mai 2011
  12. Skeptikerbewegung: Die Apokalypse in den Köpfen, Stefan Müller in Zeit Online vom 4. Juni 2012
  13. a b c d e George P. Hansen: CSICOP and the Skeptics: An Overview, Journal of the American Society for Psychical Research 84 (1990), 25–80 / Journal of the American Society for Psychical Research 86 (1992), 20–63
  14. Blackmore, S. J., (1994). Women skeptics. In L. Coly & R. White (Eds.), Women and parapsychology, (S. 234–236). New York: Parapsychology Foundation, zitiert nach Kennedy, J.E. (2003b). The capricious, actively evasive, unsustainable nature of psi: A summary and hypotheses. Journal of Parapsychology, 67, 53-74.
  15. Robert Bannister: „Behaviorism, Scientism and the Rise of The "Expert"“
    Susan Haack (2003). Defending Science Within Reason: Between Scientism and Cynicism. Amherst, NY: Prometheus Books
  16. Rey, Abel. „Review of La Philosophie Moderne“, The Journal of Philosophy, Psychology and Scientific Methods 6.2 (1909): 51-53.
    cf. Abraham Maslow: „There are criticisms of orthodox, 19th Century scientism and I intend to continue with this enterprise.“ Toward a Psychology of Being, Preface to 1st edition
  17. On the Value of Scepticism
  18. Vorher wissen, was geschieht, Jana Schlütter in Tagesspiegel vom 21. Mai 2012
  19. [http://www.skepdic.com/refuge/memoriam.html in memoriam Skeptics and Scientists
  20. Gardner, M. (2001). Confessions of a skeptic. In P. Kurtz (Ed.), Skeptical odysseys: Personal accounts by the world’s leading paranormal inquirers (S. 355, 362). New York: Prometheus Books., zitiert nach Kennedy, J.E. (2003b). The capricious, actively evasive, unsustainable nature of psi: A summary and hypotheses. Journal of Parapsychology, 67, 53-74.
  21. a b c d e Marcello Truzzi: Über einige unfaire Umgangsweisen gegenüber paranormalen Behauptungen, 1998, Original "Oxymoron: Annual Thematic Anthology of the Arts and Sciences", Vol. 2, Übersetzung "Forum Perspektiven" (Ausgabe 4/1999, S. 7-11), Newsletter der Gesellschaft für Anomalistik, [1]
  22. Grabenkämpfe, Die Skeptiker gebärden sich wie eine Politsekte, DIE ZEIT Nº /199928. Januar 1999
  23. a b c d e Edgar Wunder: Das Skeptiker-Syndrom
  24. Paul Feyerabend: How to be a Good Empiricist. In: Bernard Baumrin (Hrsg.): Philosophy of Science, The Delaware Seminar 2. New York 1963.
  25. Dazu Thomas Kupka, Philosophie der Wissenschaftkunst, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 36 (2013), 57-82 Abstract und PDF
  26. a b c d A Confutation of Convergent Realism, Larry Laudan, Source: Philosophy of Science, Vol. 48, No. 1 (Mar., 1981), pp. 19-49, The University of Chicago Press on behalf of the Philosophy of Science Association, [2]
  27. Gerhard Lenski: The Religious Factor : A Sociological Study of Religion’s Impact on Politics, Economics, and Family Life. Doubleday U.S., 1961.
  28. I. Bernard Cohen (ed.), Puritanism and the Rise of Modern Science: the Merton Thesis, Rutgers University Press, 1990, ISBN 0-8135-1530-0
  29. Piotr Sztomka, Robert K. Merton, in George Ritzer (ed.), Blackwell Companion to Major Contemporary Social Theorists, Blackwell Publishing, 2003, ISBN 1-4051-0595-X, Google Print, S. 13