Spirostreptida
Spirostreptida | ||||||||||||
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Orthoporus sp. aus Nordamerika im zusammengerollten Zustand | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Spirostreptida | ||||||||||||
Brandt, 1833 |
Die Spirostreptida sind eine Ordnung der zu den Tausendfüßern gehörenden Doppelfüßer. Mit über 1000 bekannten Arten handelt es sich um die drittgrößte Ordnung der Doppelfüßer, nach den Bandfüßern (Polydesmida) und den Samenfüßern (Chordeumatida). Die Ordnung ist vor allem tropisch und subtropisch verbreitet und findet sich in Amerika, Afrika, Südwestasien und von Süd- und Ostasien bis Australien sowie auf verschiedenen pazifischen Inseln. Viele Arten sind beliebte Terrarientiere. Umgangssprachlich werden meist Vertreter der Spirostreptida, der Schnurfüßer oder der Spirobolida gemeint, wenn von Tausendfüßern die Rede ist.
Merkmale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Spirostreptida sind typisch für die Überordnung Juliformia von einer wurmförmigen, zylindrischen Körpergestalt. Der Körper besteht aus 35–90 Körperringen, die Körperlänge beträgt 6–300 mm. Damit gehören die größten lebenden Vertreter der Doppelfüßer zur Ordnung Spirostreptida. Die größte bekannte Art ist Archispirostreptus gigas aus Ostafrika. Die Sternite, Tergite und Pleurite der Spirostreptida sind zu echten Körperringen verschmolzen. Am großen, runden Kopf befinden sich meistens Ommatidien. Die mediane Naht am Kopf ist anders als bei den ähnlichen Spirobolida nicht bis auf das Labrum erweitert. Eine dorsale Rille („dorsal groove“) fehlt bei den meisten Arten, ist aber bei manchen Arten der Familie Cambalidae vorhanden. Seitenflügel (Paranota, Paraterga) sind nicht vorhanden. Einige Arten fallen durch eine bunte Färbung auf. Spirostreptida besitzen Wehrdrüsen und manche Arten können die Wehrsekrete über Distanzen von 25–30 cm versprühen. Die Wehrsekrete mancher Arten können dabei bei Menschen zu starken Hautreizungen führen. Das achte und neunte Beinpaar der Männchen (7. Körperring) ist zu Gonopoden umgewandelt, wobei das Gonopodium des achten Beinpaares der Spermaübertragung dient. Dies stellt eine Apomorphie der Ordnung dar und unterscheidet sie auch von den Spirobolida. Anhand der Gonopodenstrukturen lassen sich auch die Unterordnungen der Spirostreptida differenzieren. Bei der Unterordnung Spirostreptidea ist das achte Beinpaar komplex aufgebaut und in eine Tasche im Körper zurückgezogen, während das neunte Beinpaar reduziert ist. Bei der Unterordnung Cambalidea ist das achte Beinpaar nicht vollständig zurückgezogen und das neunte Beinpaar modifiziert, aber nicht reduziert. Das erste Beinpaar der Spirostreptida ist zu sekundären Sexualstrukturen umgewandelt. Das Promentum des Gnathochilariums ist groß und befindet sich zwischen den äußeren Skleriten („stipites“).[1][2]
Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Gegensatz zu den hauptsächlich auf der Nordhalbkugel verbreiteten Schnurfüßern sind die nahe verwandten Spirostreptida und Spirobolida vornehmlich tropisch und subtropisch verbreitet. Das Verbreitungsgebiet der Spirostreptida reicht in Amerika vom Nordwesten und zentralen Osten der Vereinigten Staaten bis nach Argentinien und Chile. Dabei kommt die Ordnung auch in der Karibik und auf Hawaii vor. In Afrika ist die Ordnung südlich der Sahara verbreitet, inklusive Madagaskar. In Südwestasien finden sich Vorkommen in Israel, auf der Arabischen Halbinsel und im Iran. In Süd- und Ostasien ist die Ordnung von Indien, Nepal, China und den Ryūkyū-Inseln bis nach Borneo und Java verbreitet, außerdem auf zahlreichen Inseln im Indischen und Pazifischen Ozean. Auch in Australien inklusive Tasmanien und auf Neuseeland finden sich die Spirostreptida.[3][4]
Verbreitung der einzelnen Familien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Familie Atopogestidae ist aus der Demokratischen Republik Kongo in Afrika bekannt. Die Familie Cambalidae ist von Nord- bis Mittelamerika verbreitet (In den Vereinigten Staaten im Westen von Washington und Idaho bis Kalifornien und weiter östlich von Ohio und Indiana bis Texas und Florida sowie in Colorado. Weiter südlich außerdem in Mexiko und Belize), außerdem in Chile, auf Hawaii, im Iran, in Ostaustralien und Neuseeland. Die Familie Cambalopsidae kommt in Süd- bis Ostasien vor, nämlich von Indien und China bis auf die Ryukyu-Inseln und Java, außerdem auf zahlreichen Inseln im Indischen und Pazifischen Ozean. Die Familie Choctellidae ist aus den Vereinigten Staaten, vom zentralen Tennessee bis ins nördliche Alabama, bekannt. Die Familie Harpagophoridae lebt im südlichen und östlichen Afrika, in Indien und Sri Lanka und von Nepal bis Südwestchina, auf die Philippinen und Borneo. Die Familie Iulomorphidae ist in Südafrika, Australien und Tasmanien verbreitet. Die Familie Odontopygidae kommt im tropischen Afrika vom Tschad und Sudan bis Südafrika vor, üblicherweise in trockenen Savannengebieten. Die Familie Pseudonannolenidae lebt in der Karibik auf den Westindischen Inseln exklusive Jamaika und in Südamerika von Kolumbien bis Argentinien. Die Familie Spirostreptidae kommt in Amerika und Afrika vor, genauer vom Südwesten der Vereinigten Staaten (Arizona bis Oklahoma) bis Argentinien und Chile sowie in Afrika mit Ausnahme der Sahara, auch auf Madagaskar. Außerdem sind Vorkommen aus Israel und dem Südwesten der Arabischen Halbinsel bekannt.[3]
Lebensweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ernährung kann sich zwischen den Arten unterscheiden, meist werden jedoch totes Pflanzenmaterial (Totholz, Falllaub, abgestorbene Pflanzenteile) oder Pilze gefressen. Manche Arten ernähren sich auch von noch lebenden Pflanzenteilen. Die Tiere finden sich in ihren Habitaten häufig unter Totholz, Steinen, Rinde oder in der Laubstreu und Baumstümpfen.
Äußere Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ordnung Spirostreptida gehört zur Überordnung Juliformia innerhalb der Teilordnung Eugnatha. Diese gehört wiederum zur Infraklasse Helminthomorpha innerhalb der Klasse Diplopoda. Die Spirostreptida bilden nach neueren Erkenntnissen das Schwestertaxon der Julida (Schnurfüßer). Das folgende Kladogramm gibt eine Übersicht über die äußere Systematik innerhalb der Doppelfüßer, einer traditionellen Einordnung folgend:[5]
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Innere Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zur Ordnung Spirostreptida gehören 2 Unterordnungen mit 3 Überfamilien, 9 Familien, über X Gattungen und über 1000 Arten. Die Anzahl der Familien, Gattungen und Arten kann dabei je nach Autor und taxonomischem Werk etwas abweichen. Vermutlich existieren noch zahlreiche unbeschriebene Arten, so dass die tatsächliche Artenzahl höher liegt.[5][6]
- Unterordnung Cambalidea Cook, 1895
- Überfamilie Cambaloidea
- Cambalidae – 21 Gattungen, etwa 75 Arten
- Cambalopsidae – 10 Gattungen, etwa 80 Arten
- Choctellidae – 1 Gattung, 2 Arten
- Iulomorphidae – 9 Gattungen, 35 Arten
- Pseudonannolenidae – 7 Gattungen, etwa 50 Arten
- Überfamilie Cambaloidea
- Unterordnung Spirostreptidea Brandt, 1833
- Überfamilie Odontopygoidea Attems, 1909
- Atopogestidae – 1 Gattung, 1 Art
- Odontopygidae – 40 Gattungen, etwa 340 Arten
- Überfamilie Spirostreptoidea Pocock, 1894
- Harpagophoridae – 32 Gattungen, etwa 160 Arten
- Spirostreptidae – 61 Gattungen, etwa 280 Arten
- Spirostreptidea incertae sedis
- Überfamilie Odontopygoidea Attems, 1909
Die ehemaligen Familien Glyphiulidae und Pericambalidae werden mittlerweile in die Familie Cambalopsidae eingeordnet. Die ehemalige Familie Adiaphorostreptidae wird als Unterfamilie Adiaphorostreptinae mittlerweile in die Familie Harpagophoridae gestellt. Die ehemalige Unterordnung Epinannolenidea ist nicht mehr gültig. Es gibt auch Untersuchungen, die nahelegen, dass die Unterordnung Cambalidea näher mit den Julida als mit den Spirostreptida verwandt sind.[7]
Arten in der Terrarienhaltung (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viele Arten in der Terrarienhaltung werden bei den Händlern unter veralteten Synonymen angeboten. Beliebte Arten für die Terrarienhaltung sind unter anderem:
- Archispirostreptus gigas
- Microtrullius uncinatus
- Odontostreptus sjoestedti
- Ophistreptus guineensis
- Orthoporus ornatus
- Spiropoeus fischeri
- Spirostreptus gregorius
- Spirostreptus servatius
- Telodeinopus aoutii
- Telodeinopus assiniensis
- Thyropygus allevatus
- Tropostreptus hamatus
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Spirostreptida. In: Lucid Key Server. Abgerufen am 22. Dezember 2021 (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Diagnostic Features of Millipede Orders ( des vom 23. Dezember 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF). Milli-PEET, Identification Table 1. The Field Museum, Chicago. Abgerufen am 21. Dezember 2021.
- ↑ Putative apomorphies of millipede clades ( des vom 17. Oktober 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF). Milli-PEET, The Field Museum, Chicago. Abgerufen am 21. Dezember 2021.
- ↑ a b Geographic distribution of Millipede Families ( des vom 28. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF). Milli-PEET: Biogeography of Millipede Families, Identification Table 3. The Field Museum, Chicago. Abgerufen am 21. Dezember 2021.
- ↑ Spirostreptida in GBIF Secretariat (2021). GBIF Backbone Taxonomy. Checklist dataset doi:10.15468/39omei abgerufen via GBIF.org am 21. Dezember 2021.
- ↑ a b Spirostreptida auf millibase.org – A global species catalog of the myriapod class Diplopoda, abgerufen am 20. Dezember 2021.
- ↑ William A. Shear (2011) Class Diplopoda de Blainville in Gervais, 1844 In: Z.-Q. Zhang (ed.). Animal biodiversity : an outline of higher-level classification and survey of taxonomic richness. Zootaxa, S. 159–164. ISBN 978-1-86977-850-7. Link zum PDF.
- ↑ Henrik Enghoff (1979). Taxonomic significance of the mandibles in the millipede order Julida. In: Myriapod Biology, Hrsg. M Camatini, pp. 27–38. London: Academic Press.