Stiftung für appenzellische Volkskunde
Stiftung für appenzellische Volkskunde | |
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Gründung | 1977 in Herisau |
Gründer | Heinrich Tanner, Hans-Ulrich Baumberger, Bertold Suhner und Hans Alder[1] |
Sitz | Herisau (⊙ ) |
Zweck | Sammeln, Darstellen und Erforschen des volkskundlichen Kulturguts des Appenzellerlandes |
Vorsitz | Stefan Sonderegger |
Website | https://www.appenzeller-museum.ch/ueber-uns/stiftung-fuer-appenzellische-volkskunde/ |
Die Stiftung für appenzellische Volkskunde ist eine Stiftung nach Schweizer Recht mit Sitz in Herisau im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Sie bezweckt die Sammlung, den Erhalt und die Erforschung appenzellischer Kulturgüter.
Gründung und Zweck
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Stiftung für appenzellische Volkskunde wurde am 3. Dezember 1977 von Herisauer Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik gegründet. Die Stiftungsurkunde haben unterschrieben: Heinrich Tanner (Rechtsanwalt und Unternehmer, 1926–2023), Hans Alder (Regierungsrat Appenzell Ausserrhoden, 1922–1982), Hans Ulrich Baumberger (Unternehmer, National- und Ständerat, 1932–2022) und Bertold Suhner (Ingenieur, Unternehmer, 1910–1988). Bei der Errichtung betrug das Stiftungskapital Fr. 450'000.[1]
Die Stiftungsurkunde hält folgenden Zweck fest: «Die Stiftung bezweckt, das in ihrem Eigentum stehende oder ihr anvertraute Sammelgut auf dem Gebiet der appenzellischen Volkskunde und Volkskunst zu betreuen und durch weitere Anschaffungen oder Tausch zu ergänzen und abzurunden. Sie ist bestrebt, die Sammlung selber oder in Verbindung mit Dritten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie kann sie zuverlässigen Trägern von Museen und Ausstellungen leihweise mit oder ohne Übernahme der damit verbundenen Kosten zu Ausstellungszwecken zur Verfügung stellen. Die Stiftung kann im Übrigen alles unternehmen, was der Sicherstellung, Bewahrung, Erforschung, Darstellung und Förderung des volkskundlichen Kulturguts des Appenzellerlandes dient.»[1]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Zürcher Galerist Bruno Bischofberger sammelte unter anderem Volkskunst aus dem Appenzellerland und dem Toggenburg, darunter Möbelmalerei, Senntumsmalerei, sennisches Handwerk und Kunsthandwerk. Diese Sammlung stand 1977 zum Verkauf. Herisauer Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft suchten eine Lösung, um die Kulturgüter in den Kanton zurückzuführen. Sie gründeten die Stiftung für appenzellische Volkskunde, die substanzielle Teile der Sammlung Bischofberger aufkaufte.[2]
Diesen Grundstock erweiterte die Stiftung in der Folge durch gezielte Ankäufe, Schenkungen und Deposita wichtiger Konvolute aus privaten Sammlungen. Bedeutsam war der Erwerb von 69 Werken aus der Sammlung Christoph und Alice Bernoulli im Jahr 1983. Die Sammlung des Basler Kunsthändlers und Antiquars umfasste Klassiker der Appenzeller Bauernmalerei: Alpfahrtstreifen, Eimerbödeli und Tafelbilder von Bartholomäus Lämmler, Johannes Müller, Franz Anton Haim, Johannes Zülle, Johann Baptist Zeller, Johann-Jakob Heuscher und anderen.[3] Bei der Erweiterung der Sammlung wurden insbesondere die Bereiche Möbelmalerei und Senntumsmalerei berücksichtigt, so befinden sich unter den Ankäufen etwa eine Wangentruhe mit Schablonenmalerei (2022) oder ein Konvolut von Bildern von Johannes Zülle und Josef Oertle (2016).
Ausser der Sicherung des volkskundlichen Kulturguts des Appenzellerlands gehört zum Zweck der Stiftung auch, dieses der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu arbeitete die Stiftung zunächst mit dem Appenzeller Brauchtumsmuseum Urnäsch zusammen und organisierte einzelne kleinere Ausstellungen in Herisau, Heiden, Teufen oder Waldstatt. Viele Objekte lagerten jedoch mehrheitlich im Depot. So unterstützte die Stiftung ab 1984 die Pläne einer Genossenschaft, in Stein AR ein neues Museum als Zentrum für bäuerliches Leben und Volkskunst aufzubauen. Das Appenzeller Volkskunde-Museum Stein wurde 1987 eröffnet, dessen Abteilung zur Möbel- und Bauernmalerei ist der Hauptausstellungsort von Objekten aus der Sammlung der Stiftung.[4][5] Weitere Objekte der Stiftung sind als Dauerleihgaben im Brauchtumsmuseum in Urnäsch sowie im Museum Herisau, Museum Appenzell und Museum Heiden ausgestellt.
Als Bindeglied zwischen den vier Museen wuchs die Stiftung auch in die Rolle der Koordinatorin hinein. Sie stiess einen verstärkten Austausch mit allen Museen in Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden an und lancierte einen gemeinsamen Prospekt zu Museen im Appenzellerland. 2003 organisierte die Stiftung für appenzellische Volkskunde zudem den ersten Appenzeller Museumstag.[6] Inzwischen ist die Museumskoordination im Amt für Kultur des Kantons Appenzell Ausserrhoden angesiedelt.
Gründungspräsident der Stiftung für appenzellische Volkskunde war Heinrich Tanner, er blieb bis 1990 im Amt. Die folgenden Präsidenten waren: Hans-Rudolf Merz (1990–1993), Heinz Stamm (1993–1999), Stefan Sonderegger (1999–2009), Rolf Degen (2009–2015), Stefan Sonderegger (seit 2015).
Sammlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schwerpunkte der Sammlung sind:[4]
- Möbelmalerei (18. Jahrhundert bis etwa 1850)
- Senntumsmalerei mit Schwerpunkt auf den Klassikern (19. Jahrhundert bis 1930)
- Sennische materielle Kultur: Weissküferei, Sennensattlerei, Alpkäserei, Sennentracht und -schmuck
- Senntumsschnitzerei
- Übriges: Stickerei, Brauchtum, Stiche, Bücher, Archivalien
Aktivitäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Stiftung besitzt, betreut und ergänzt eine Sammlung appenzellischer Volkskunst. Ihre Objekte sind als Leihgaben im Volkskunde-Museum Stein, im Brauchtumsmuseum Urnäsch und in den Museen Herisau, Appenzell und Heiden ausgestellt. Die Stiftung arbeitet fallweise an Ausstellungsprojekten und dazugehörenden Publikationen der drei Museen mit. Die Objekte stehen ausserdem als Leihgaben für Sonderausstellungen anderer Institutionen zur Verfügung.
Die Stiftung inventarisiert die eigene Sammlung und private Sammlungen, die sie als Dauerleihgaben betreut. Sie verfolgt Forschungsprojekte zur Appenzeller Volkskunde, etwa zur Plattstich-Weberei oder zur Bauernhausforschung. Ein grösseres Forschungsprojekt galt der Appenzeller Möbelmalerei: In den Jahren 2008 bis 2014 wurden rund 350 Objekte aus der ganzen Schweiz inventarisiert und die 160-jährige Geschichte der Appenzeller Möbelmalerei aus verschiedenen Perspektiven wissenschaftlich aufgearbeitet; die abschliessende Publikation erschien unter dem Titel Ländliche Bilderfreude. Hauptautor ist der ehemalige Kustos Marcel Zünd.
Organe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Stiftungsrat ist das oberste Organ der Stiftung und besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Er konstituiert und ergänzt sich selbst.[1] Die aktuellen Stiftungsräte sind im Handelsregister Appenzell Ausserrhoden verzeichnet.[7]
Der Stiftungsrat verwaltet die Stiftung. Er ist für die Geschäftsführung verantwortlich, verwaltet das Stiftungsvermögen und entscheidet über die Verwendung der Stiftungsmittel. Die Mitglieder des Stiftungsrats arbeiten grundsätzlich ehrenamtlich. Eine Revisionsstelle überprüft die Jahresrechnung und Vermögenslage. Im Falle eines gesetzlichen Auflösungsgrundes fällt das Stiftungsvermögen unter möglichster Wahrung des Stiftungszwecks an den Kanton Appenzell Ausserrhoden.[1]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Christoph Bernoulli, Erwin Burckhardt: Appenzeller Bauernmalerei. Graf, Basel/Olten 1941.
- Bruno Bischofberger: Volkskunst aus Appenzell und dem Toggenburg. Edition B-Press, Zürich 1973.
- Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde Köln: Das Land Appenzell. Volkskunst und Brauchtum zwischen Säntis und Bodensee. Katalog zur Ausstellung der Sammlung der Stiftung für Appenzellische Volkskunde vom 23. September 1983 bis zum 8. Januar 1984. Wolfau-Druck Rudolf Mühlemann, Weinfelden 1983.
- Stiftung für Appenzellische Volkskunde Herisau: Die Sammlung Christoph und Alice Bernoulli. Wolfau-Druck Rudolf Mühlemann, Weinfelden 1984.
- Regula Buff, Louis Specker: Die Plattstichweberei – eine alte Appenzeller Heimindustrie. Hrsg. von der Stiftung für Appenzellische Volkskunde. Schläpfer & Co., Herisau 1992.
- Rudolf Hanhart, Stefan Sonderegger: Appenzeller Bauernmalerei. Appenzeller Verlag, Herisau 1998.
- Rudolf Hanhart, Stefan Sonderegger, Peter Witschi: Johannes Müller: 1806–1897 – zum 250-Jahre-Jubiläum der Gemeinde Stein AR. Ausstellungskatalog. Kunz, Teufen 1999.
- Denis Buchs, Marcel Zünd, Stefan Sonderegger: Poya. Alpfahrtsbilder aus dem Greyerzerland. Hrsg. von der Stiftung für Appenzellische Volkskunde. Appenzeller Medienhaus, Herisau 2001.
- Marcel Zünd, Esther Ferrari, Roland Inauen: Zellers Bilderleben. Hans Zeller, Kunstmaler, 1879–1983. Hrsg. vom Appenzeller Brauchtumsmuseum Urnäsch. (= Das Land Appenzell, 31). Verlag Appenzeller Hefte, Herisau 2002.
- Sabine Bitter: Franziska Schürch: Expertin für das Sennische. In: Horizonte: Schweizer Forschungsmagazin, Nr. 64/2005, S. 16, Webzugriff via e-periodica.ch
- Franziska Schürch: Landschaft, Senn und Kuh. Die Entdeckung der Appenzeller Volkskunst. Basel 2008.
- Marcel Zünd, Thomas Fuchs, Achilles Weishaupt, Jost Kirchgraber, Monika Luzi-Brülisauer, Thomas Rähm: Ländliche Bilderfreude. Appenzeller Möbelmalerei 1700–1860. Hrsg. von der Stiftung für Appenzellische Volkskunde. Hier + Jetzt, Baden 2014.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e Stiftungsurkunde für die Stiftung für appenzellische Volkskunde, aktualisiert am 9. Mai 2023. Herisau 2023.
- ↑ Hans Koller: Vorgeschichte von alt Gemeindehauptmann Hans Koller. In: Remy Nüesch (Hrsg.): 30 Jahre Volkskunde Museum Stein (Typoskript anlässlich der Jubiläumsfeier). Stein AR 2017, S. 4–5.
- ↑ Heimkehr berühmter «Appenzeller»: Stiftung für appenzellische Volkskunde erwirbt Bernoulli-Sammlung. In: Appenzeller Zeitung. 14. Januar 1984, S. 3.
- ↑ a b Marcel Zünd: Geschichte der Stiftung für appenzellische Volkskunde. 2007.
- ↑ Helen Ramsauer: Das Appenzeller Volkskunde-Museum in Stein (= Appenzeller Kalender. Band 268). 1989, doi:10.5169/seals-376713.
- ↑ Hanspeter Strebel: Stiftung übernimmt Initiative: 13 Museen im Appenzellerland präsentieren sich am 17. Mai gemeinsam. In: Appenzeller Zeitung. 10. Mai 2003, S. 57.
- ↑ Stiftung für appenzellische Volkskunde, auf ar.chregister.ch