Torstraße (Berlin)

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Die Torstraße - links unten nach rechts oben führend - am Rosenthaler Platz

Die Torstraße im Berliner Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, ist eine rund 2000 Meter lange Hauptverkehrsstraße zwischen der Mollstraße und der Hannoverschen Straße, die sich aus einem Weg vor der Berliner Akzisemauer entwickelt hat und in Ost-West-Richtung verläuft. Zahlreiche Baudenkmäler liegen an ihren Straßenrändern.

Lage und Namensgebung

Die Torstraße beginnt an der Prenzlauer Allee und führt in Ost-West-Richtung über das Schönhauser Tor und den Rosenthaler Platz zur Friedrichstraße, wo sie am Oranienburger Tor endet. Die Nummerierung der Bauten an der Straße beginnt am Prenzlauer Tor und zählt beidseitig aufwärts bis zur Hausnummer 231, die nördliche Seite enthält alle ungeraden, die südliche Straßenseite alle geraden Nummern. Die Geokoordinate bezieht sich auf die Kreuzung Tor- Ecke Rosenthaler Straße.

Ein Teil der Straße hieß zwischen 1826 und 1872 Straße vor den Thoren, weil sie auf ihrer Strecke vier ehemalige Stadttore tangierte. Zwischen 1872 und 1949 trug der westliche Abschnitt zwischen Rosenthaler Platz und Friedrichstraße den Namen Elsasser Straße, der östliche Abschnitt hieß Lothringer Straße. Die junge DDR widmete dann die gesamte Straße ihrem damaligen Präsidenten Wilhelm Pieck, bevor sie 1994 wieder ihren ursprünglichen Namen Torstraße erhielt.

Geschichte

Die heutige Straße verlief vor der ehemaligen Berliner Zollmauer und bildete um 1800 die Grenze der Spandauer Vorstadt, der Siedlung Neu-Voigtland und zugleich die nördliche Grenze der Bebauung Berlins. In der Euphorie nach dem Deutsch-Französischen Krieg nannte man den Straßenzug jedoch in Elsasser Straße und Lothringer Straße um, nach den neuen deutschen Gebietsteilen Elsass und Lothringen.

Die meisten Mietshäuser in der Torstraße entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts. Ihre Bauweise und Ausstattung orientierten sich an den Vorstellungen und Bedürfnissen der oberen Gesellschaftsschicht der Reichshauptstadt, nicht an der Architektur der kleinbürgerlichen alten Vorstadt. Namhafte Architekten hinterließen ihre gebauten Spuren in dieser Straße, in der es mehr als 50 denkmalgeschützte Gebäude gibt. Die Bauwerke überstanden den Lauf der Jahrzehnte, auch am Ende des Zweiten Weltkriegs waren kaum Schäden zu verzeichnen.

Sehenswürdigkeiten in der Torstraße

Ehemaliges Kredit-Kaufhaus Jonaß&Co
Nördliche Straßenseite

Nummer 1: Auf der Fläche des früheren Prenzlauer Tors steht das 1927–1929 für die jüdischen Geschäftsleute Hermann Golluber und Hugo Haller errichtete Kredit-Kaufhaus Jonaß &Co AG. Architekten des siebenstöckigen Eckgebäudes mit einer Grundfläche von ca. 3.000 m² im Bauhausstil waren Gustav Bauer und Siegfried Friedländer.[1] Im nationalsozialistischen Deutschen Reich befand sich das Haus im Besitz der NSDAP, die hier zwischen 1942 und 1945 die Zentrale der „Reichsjugendführung“ (zur Betreuung der Mitglieder der Hitlerjugend) einrichtete. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Gebäudekomplex verstaatlicht und diente unter der Bezeichnung Haus der Einheit zuerst der SED als Verwaltungszentrale. Der erste Präsident der DDR hatte Arbeitsräume hier, die nach seinem Tod als Gedenkstätte eingerichtet worden waren. Zwischen 1959 und 1989 befand sich das Institut für Marxismus-Leninismus in dem Komplex. Die Nachfolgepartei der SED, die PDS unterhielt in einigen Räumen noch bis 1995 den Verbund Archiv, Bibliothek, Werkstätten, danach stand das Haus leer und wurde durch den Liegenschaftsfonds des Senats von Berlin zum Kauf angeboten. 2004 erwarb das deutsch-britische Unternehmen Cresco Capital den Baukomplex für neun Millionen Euro und lässt unter Beachtung des Denkmalschutzes das „Soho House Berlin“ entstehen, die Umbaukosten werden mit rund 300 Mio. Euro angegeben. Es soll eine noble Residenz für Künstler, Journalisten, Regisseure und Manager aus dem Medienbereich werden. Das Arbeitszimmer von Wilhelm Pieck sowie weitere Räume sollen der Öffentlichkeit zugängig sein.[2]

Nummern 75, 79, 83, 85, 87: Die hier mittels Naturstein und verputzten Ziegelsteinen in zurückgesetzten Höfen gebauten Wohnhäuser wurden 1852 von der „Berliner Gemeinnützigen Baugesellschaft“ bei dem Architekten C. W. Hoffmann in Auftrag gegeben. Die typisierte Wohnanlage erfuhr 1886 eine erste Erweiterung, 1912 eine zweite. Es sind großzügige und gut erhaltene Wohneinheiten. [3] Hier hatte in den 1970er-Jahren der Rechtswissenschaftler Friedrich Karl Kaul Wohnung und Praxis.

An der Einmündung der Schönhauser Allee in die Torstraße gab es jahrzehntelang keine Bebauung, ab den 1990er Jahren wurden die beiden Ecken schrittweise mit neuen Geschäftsbauten zugebaut. Diese heißen „Schönhauser Tor“ und bestehen aus einem winkligen Gewerbeobjekt aus Stahl, Glas und Beton mit einer Gesamtfläche von 19.000 m²[4] sowie aus einem Wohn- und Geschäftsobjekt auf der anderen Seite der Einmündung, der die Hausnummer Torstraße 129/Schönhauser Allee 188 trägt. Dieser Teil wurde mit roten Granitplatten gestaltet, bietet eine Grundfläche von 520 m² und besitzt eine verglaste Viertelrund-Ecke.[5]

Historisches Postamt in der Torstraße

Nummern: 105–107: Eingepasst in die Häuserzeile steht hier ein Baukomplex, der 1901/1902 als Postamt mit großer Schalterhalle und einem hofseitigen Verwaltungsflügel errichtet wurde.[6]

Ansicht des Rosenthaler Platzes aus der ersten Bebauungszeit 1890

Keine Sehenswürdigkeit aber ein sehr bekannter und früh bebauter Platz ist der Rosenthaler Platz, auf den der Weinbergsweg und die Brunnenstraße münden.

Nummer 151: Ein Häuserkarree unter der Torstraße zwischen Bergstraße/Invalidenstraße und Ackerstraße entstand um 1880 auf dem früheren Gebiet der 1752 gegründeten Kolonie Neu-Voigtland. Außer mehrstöckigen Mietshäusern sind Remisen und Fabrikgebäude im Innenbereich erhalten und denkmalgeschützt. [7]

Nummer 205: In diesem Neubau betreibt das Bezirksamt Mitte von Berlin eine Seniorenfreizeiteinrichtung.

Nummer 231: Das letzte Gebäude auf der Nordseite der Torstraße ist ein Eckhaus an der Kreuzung mit der Chausseestraße. Es wurde 1890 als Wohn- und Geschäftshaus im neobarocken Baustil errichtet. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Ladeneinrichtungen.[8] Bis 1990 boten ein Spirituosengeschäft und die Humboldt-Apotheke ihre Waren bzw. Dienstleistungen an. Die Apotheke gibt es hier immer noch und die anderen ehemaligen Ladenräumlichkeiten werden von einer Filmgalerie genutzt.

Südliche Straßenseite

Die Bebauung auf der Südseite der Torstraße beginnt hinter einer kleinen Grünfläche an der Ecke mit der Friedrichstraße. Hier erinnert eine vereinfachte Ansicht des früheren Oranienburger Tors, mit farbigen Putzflächen in den 1980er-Jahren auf einem Giebel gestaltet, an das abgetragene Bauwerk. Die lang andauernde Rekonstruktion dieses Hauses mit den davor aufgestellten Baugerüsten führte zu Graffiti-Schmierereien auf diesem Symbolbild.

Nummern 230 bis 10: Die angegebenen Hausnummern gehören zu mehr als 50 jeweils denkmalgeschützten Mietshäusern oder kompletten Wohnanlagen, die im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert stammen.

Nummer 168: Hinter einem unauffälligen Durchgang ist die katholische St.-Adalbert-Kirche zu erreichen, die ihren Haupteingang in der Linienstraße hat und unter Denkmalschutz steht. [9]

Pfandleihanstalt in der Torstraße
Geschäftshaus Torstraße 140

Nummer 164: Das frühere Königliche Leihamt zeigt seine aus gelben und roten Ziegelsteinen gestaltete Fassade. Es wurde 1847 als eines von mehreren Dutzend Pfandleihhäusern für einen jüdischen Eigentümer gebaut.[10] Seit 1990 wird es anderweitig genutzt.

Ehemaliges jüdisches Krankenheim in der Torstraße
„Alte Seifenfabrik Torstraße 134;
wegen der aufgesetzten Etage gehört die Fabrik nicht zu den Baudenkmälern

Nummer 146: Ein eher unauffälliger Bau ist das 1884 fertiggestellte Israelitische Krankenheim. Es handelt sich um einen kleinen Krankenhausbau für die orthodoxe jüdische Gemeinde „Adass Israel“ in Berlin. Die Entwürfe stammen von dem Architekten Ernst Schmidt, unter Max Fraenkel erfolgte 1908/1909 ein Umbau der Einrichtung.[11][12] Seit Anfang der 2000er-Jahre steht das Gebäude leer und war auch bereits Ziel von Verwüstungen.[13]

Nummer 140/144: Ein gut erhaltenes Geschäftshaus in neoklassizistischen Formen mit Säulenimitaten am Haupteingang und geschwungenen Dachelementen steht neben dem verlassenen Krankenhaus. Es wurde 1911/1912 nach Entwürfen des Architekten Friedrich Kristeller errichtet.[14]

Nummer 134: Der Hinweis „Alte Seifenfabrik“ an dem in auffälligem Rot gestalteten eigenwilligen Bau lässt ein Baudenkmal vermuten. In der Berliner Denkmalliste ist die alte Fabrik jedoch nicht enthalten.

Nummer 120: Der heutige Betreiber des Gebäudes am Rosenthaler Platz (Rosenthaler Straße 72a) ist eine Schnellimbisskette. Dieses Haus wurde 1890 als eines von zahlreichen Filialen der Aschinger Gesellschaft als „Aschingers Bierquelle“ eröffnet. Über die Jahrzehnte diente es immer wieder als Gaststätte und wurde im Inneren umgebaut.

Nummer 66: 1997 zog die neu gegründete „Wissenschaftsakademie Berlin“ hier ein. Diese Einrichtung veranstaltet Abendseminare zu aktuellen wissenschaftlichen Themen in populärwissenschaftlicher Darbietung und wird gut besucht.[15]

„Tanzwirtschaft Kaffee Burger“ in der Torstraße

Nummer 58-60: Hier findet der Besucher das „Kaffee Burger“, das in zwei Teilen (Tanzwirtschaft und Bar) in denkmalgeschützten Bürgerhäusern aus dem Jahr 1890 untergebracht ist. Den Namen erhielt das Kaffeehaus 1936 nach seiner Besitzerin Uta Burger. Seither dient es ununterbrochen als Café und Tanzlokal, in der DDR-Zeit auch als Künstlertreff. 1999 wurde es an einen neuen Besitzer verkauft, der es restaurieren ließ und weiter erfolgreich betreibt.

Verkehr in der Torstraße

Zwischen Prenzlauer Tor und Rosenthaler Platz verkehren die Omnibusse der Linie 240 sowie auf einem eigenen Gleisbett die Straßenbahnen der Linien M1 und M8. An der Kreuzung mit der Schönhauser Allee/Karl-Liebknecht-Straße gibt es am U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz eine Umsteigemöglichkeit in die U-Bahnlinie 2, am Rosenthaler Platz kann in die Linie 8 umgestiegen werden. Die S-Bahnlinien S1 und S2 unterqueren die Torstraße in Höhe der Tucholskystraße, es gibt jedoch keine Umsteigemöglichkeit. Die nächstgelegenen S-Bahnhöfe sind Nordbahnhof bzw. Oranienburger Straße. Die verkehrsreiche Torstraße selbst ist in ihrem östlichen Teil in zwei getrennte Richtungsfahrbahnen aufgeteilt und in der Mitte fahren die Straßenbahnzüge. Der westliche Bereich weist keinen Mittelstreifen auf und wird von der genannten Buslinie bedient.

Bekannte Persönlichkeiten aus der Torstraße

In der Straße wohnten u. a. August Borsig, Johann Friedrich Ludwig Wöhlert, der Bildhauer Ludwig Engelhardt und von 1903 bis 1905 der spätere Bundespräsident Theodor Heuss. In den 1960er-Jahren hatte Friedrich Karl Kaul Wohnung und Rechtsanwaltspraxis in dieser Straße.

Literatur

  • Ganz Berlin – Spaziergänge durch die Hauptstadt. Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2007, ISBN 978-3-89479-390-6, S. 72
  • Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR, Berlin; Hrsg. Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Seiten 302–304; Berlin 1984

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Baudenkmal Torstraße 1
  2. Stefan Strauss: Ein Zimmer DDR – Wo früher die SED regierte, zieht der Klub Soho House mit Swimmingpool, Lounge und Sauna ein, Artikel in der Berliner Zeitung vom 16. Mai 2008
  3. Baudenkmal Torstraße 75–87
  4. Abbildung und Beschreibung des Gewerbeobjekts „Schönhauser Tor“ bei der Immobiliengruppe NPC
  5. Info der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zum Gewerbeobjekt Schönhauser Allee 188
  6. Baudenkmal Postamt Torstraße 105–107
  7. Baudenkmale Torstraße 151
  8. Baudenkmal Torstraße 231/Chausseestraße 1
  9. Baudenkmal St. Adalbert-Kirche, Torstraße 168/Linienstraße 101; 1932-19339
  10. Baudenkmal Torstraße 164: Königl. Leihamt Abt. III, 1847
  11. Baudenkmal Torstraße 146: eh. Israelitisches Krankenheim
  12. eine private Homepage mit der Geschichtsdarstellung der Berliner Jüdischen Krankenhauseinrichtungen; abgerufen am 5. März 2009
  13. Marlies Emmerich: Zahl der antisemitischen Straftaten in Berlin steigt; Artikel in der Berliner Zeitung vom 13. Mai 2002; abgerufen am 5. März 2009
  14. Baudenkmal Torstraße 140-144 / Linienstraße 83-85, Geschäftshaus, 1911-12
  15. Info über die Wissenschaftsakademie in einem PDF-Dokument; Seiten 7-9

Koordinaten: 52° 31′ 48″ N, 13° 24′ 6″ O