Ukrainische Aufständische Armee

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Emblem der Ukrainischen Aufständischen Armee
Flagge der Ukrainischen Aufständischen Armee. Sie symbolisiert das rote Blut der Ukrainer, welches auf dem schwarzen Boden vergossen wurde.[1]

Die Ukrainische Aufständische Armee (ukrainisch Українська повстанська армія / Ukrajinska powstanska armija; kurz UPA, auch als Ukrainische Aufstandsarmee übersetzt) war eine ukrainische Partisanenarmee und der militärische Flügel der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN, Bandera-Fraktion OUN-B). Sie wurde 1942 gegründet und existierte bis etwa 1956. Im Zweiten Weltkrieg kollaborierte die UPA zeitweise mit dem nationalsozialistischen Deutschland und bekämpfte die Polnische Heimatarmee. Nach dem Krieg kämpfte sie weitere fünf Jahre in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik gegen die Sowjetunion.

Nach Schätzungen umfasste sie zwischen 30.000[2] und 200.000[3] Kämpfer. Die Mitglieder waren meist Ukrainer aus der Bauernschaft im Alter von 18 bis 22 (98 %),[4] daneben auch Angehörige weiterer Ethnien der Sowjetunion wie Usbeken (0,35 %), Belarussen (0,14 %) und Russen (0,83 %).[5][6]

Geschichte

Gründung und Zweiter Weltkrieg

Kämpfer der UPA im Juli 1944

Die UPA wurde am 14. Oktober 1942 als militärischer Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten gegründet und war hauptsächlich in der Westukraine aktiv.[7] 1943 wurde Dmytro Kljatschkiwskyj Kommandeur der UPA. Anfang 1944 übernahm Roman Schuchewytsch bis zu seinem Tod 1950 das Amt. Der letzte Oberbefehlshaber war Wassyl Kuk.[8]

Während des Zweiten Weltkriegs kollaborierte sie mit dem nationalsozialistischen Deutschland, von dem sie sich vergeblich Unterstützung für einen unabhängigen ukrainischen Staat erhoffte. In dieser Zeit war die UPA an der Tötung von Juden beteiligt.[9][10] Zugleich waren jedoch auch in der UPA jüdische Kämpfer und Ärzte vertreten.[11] Ob sich diese freiwillig der UPA angeschlossen haben, ist jedoch nicht gesichert.[12]

Da die deutschen Besatzer einen unabhängigen ukrainischen Staat nicht zuließen, wendete sich die UPA gegen die Wehrmacht. Maßgeblich dafür war der Beschluss der Teilorganisation OUN-B von Anfang 1943, die Kontrolle über die bereits in Wolhynien entstandenen ukrainischen Partisanenverbände zu übernehmen, sowie im März der Aufruf der OUN-B an die Mitglieder der Ukrainischen Hilfspolizei, mit ihren Waffen zu den Partisanen überzugehen, dem rund 5000 Hilfspolizisten folgten.[13] Im Sommer 1943 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der UPA und den deutschen Streitkräften in der Oblast Wolyn, bei denen laut Viktor Korol etwa 3000 deutsche Soldaten durch UPA-Kämpfer getötet worden sein sollen.[14] Auf Seiten der UPA starben bei diesen Kämpfen 1237 Personen. Im Herbst desselben Jahres wurden 1500 deutsche Soldaten durch die UPA getötet.[14] Zeitweilig verbündete sich die UPA mit sowjetischen Partisanen gegen die Deutschen.[15]

Zugleich bekämpfte die UPA die Polnische Heimatarmee, die Armee des Polnischen Untergrundstaates. Die Territorialstreitigkeiten endeten im Massaker von Wolhynien und Ostgalizien, bei dem annähernd 100.000 polnische Zivilisten ermordet wurden. Daran beteiligten sich neben den UPA-Einheiten auch ukrainische Zivilisten. Ebenso beanspruchte die UPA Gebiete von Belarus und der Tschechoslowakei, wodurch es auch dort zu einzelnen Kampfhandlungen kam.

Verfeindet war die UPA auch mit im gleichen Gebiet operierenden sowjetischen Partisanen und in der Region ansässigen Kommunisten. Auch mit ihnen kam es zu Kämpfen. Unter diesen Rahmenbedingungen kam es zu vielschichtigen Bündnissen und Konflikten. So erhielt die von den deutschen Besatzungsbehörden aufgestellte Polnische Polizei im Generalgouvernement unter dem Eindruck der UPA-Aktivitäten stärkeren Zulauf und vereinzelt bewaffneten die Deutschen die polnischen Selbstverteidigungszentren, die sich gegen die UPA formiert hatten. Dies führte wiederum zu Massakern gegenüber der ukrainischen Bevölkerung. Eine größere Zahl von Polen ging auch zu den sowjetischen Partisanen über, um sowohl gegen die Besatzungstruppen und -behörden als auch gegen die UPA vorzugehen.[16]

Nachkriegszeit und Auflösung

Nach dem Krieg setzte die UPA ihren Kampf gegen die Sowjetunion fort. Von 1945 bis 1946 gelang es der UPA, die Hälfte der Ukraine unter ihre Kontrolle zu bringen. 1947 schlossen die Sowjetunion, Polen und die Tschechoslowakei ein Geheimabkommen, um die UPA gemeinsam zu bekämpfen. Die UPA löste sich mit der Zeit auf und operierte immer mehr in kleineren Gruppen.[17]

1947 führte die Polnische Volksarmee die Aktion Weichsel durch, bei der etwa 150.000 Ukrainer aus ihrer bisherigen, nun zu Polen gehörenden Heimat vertrieben wurden. Die UPA versuchte diese Umsiedlung zu verhindern und bekämpfte die polnischen Streitkräfte. 1950 wurde Roman Schuchewytsch, der wichtigste Oberbefehlshaber in der Geschichte der UPA, getötet. 1954 wurde die UPA von Truppen der Sowjetarmee und des MGB endgültig zerschlagen.[18]

Gliederung

Peter Oliynik, Kommandant der UPA-Süd

Die UPA bestand aus zwei militärischen Einheiten, der südlichen und der nördlichen. Diese hatten jeweils bis zu 15.000 Mann und waren ihrerseits in Bataillone („Kuren“) zu jeweils 500 Mann aufgeteilt. Eine Kure bestand aus

Historische Einordnung und Beurteilung

Die Beurteilung der UPA – entweder als Unabhängigkeitskämpfer oder als Handlanger des Faschismus und Kriegsverbrecher – spaltet seit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit die Ukrainer selbst und belastet die Beziehungen zu Polen, Russland und Israel. Während in der offiziellen ukrainischen Geschichtsschreibung seit einigen Jahren die vor allem von nationalistischen Westukrainern getragene Heroisierung der UPA dominiert, sehen viele russischsprachige Bewohner sowie jüdische Bewohner der Ostukraine diese als Verbrecher an.

Polen

Die Beurteilung der UPA spielt eine große Rolle in den Polnisch-Ukrainischen Beziehungen. Die Einordnung wird durch die unterschiedliche Sicht der betroffenen Staaten erschwert. Der polnische Staat betrachtet die UPA als „verbrecherische Organisation“ und verantwortlich für einen „Genozid an der polnischen Bevölkerung“ in Wolhynien sowie Teilen Ostgaliziens.[19] Die polnische Bevölkerung überlebte nur in den Großstädten, teilweise gab es aber auch hier schwere Ausschreitungen. Die Provinzbevölkerung dagegen war der UPA zumeist schutzlos ausgeliefert. In der Zeit von 1942 bis 1944 wurden allein in Wolhynien schätzungsweise 35.000 bis 60.000[20][21][22] ethnische Polen, und unter Einschluss der übrigen Gebiete der Ukraine möglicherweise bis zu 100.000[22][23][24][25] ermordet. Rechnet man die Zahl der geschätzten Geflüchteten mit ein, so dürfte die Zahl der polnischen Opfer insgesamt rund 300.000 erreicht haben.[26]

Ukraine

Besonders in der Westukraine setzte seit der Unabhängigkeit 1991 eine Verehrung der UPA ein. In der Ukraine gibt es keinen Konsens über die Bewertung der UPA, große Teile der ukrainischen Bevölkerung lehnen eine Würdigung der Organisation ab. In einigen östlichen Landesteilen wurden Gedenktafeln und Mahnmale errichtet, die an die Opfer der UPA erinnern.[27] Anfang April 2015 entschied sich das ukrainische Parlament, Mitglieder der UPA als Unabhängigkeitskämpfer anzuerkennen.[28]

Gedenken

Literatur

Sachliteratur

  • Ignacy Blum: Udział Wojska Polskiego w walce o utrwalenie władzy ludowej. Walki z bandami UPA. Wojskowy Przegląd Historyczny, Warszawa 1959, Nr. 1
  • Franziska Bruder: Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben! Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) 1929–1948. Metropol, Berlin 2007, ISBN 978-3-938690-33-8 (Zugleich Dissertation an der TU Berlin 2005).
  • J. Czapla: Działalność terrorystyczna kurenia UPA „Zalezniaka“ i jego likwidacja (kwiecień 1944 – listopad 1947). praca magisterska (maszynopis), Biblioteka WAP, Warszawa 1961
  • Jan Gerhard: Dalsze szczególy walk z bandami UPA i WiN na południowo-wschodnich obszarach Polski. Wojskowy Przegląd Historyczny 1959, Nr. 3/12, S. 305–335.
  • Józef Sobiesiak, Ryszard Jegorow: Ziemia płonie. II wyd., Ministerstwo Obrony Narodowej, Warszawa 1967, 322 S.; Burzany, Ministerstwo Obrony Narodowej, Warszawa 1962

Belletristik

  • Jan Gerhard: Feuerschein in den Beskiden (Polnische Originalausgabe Łuny w Bieszczadach), 2. Aufl. Berlin (Deutscher Militärverlag) 1967, 1. Aufl. 1964.

Filme

Commons: Ukrainische Aufständische Armee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. «Свободовцы» послали Лукьянченко красно-черный флаг. In: donbass.comments.ua. 18. Januar 2014, abgerufen am 23. August 2016 (russisch).
  2. Der Ukrainer, der Hitler aus dem Ruder lief. In: Die Welt. 15. Oktober 2009, abgerufen am 23. August 2016.
  3. Ukrainian Insurgent Army. In: Encyclopedia of Ukraine. Abgerufen am 23. August 2016 (englisch).
  4. Die Symbolisierung der ukrainischen Vergangenheit: Stepan Bandera und die UPA. In: Heinrich-Böll-Stiftung. 9. Dezember 2014, abgerufen am 23. August 2016.
  5. Ukrainian Insurgent Army: Myths and facts. In: kyivpost.com. 12. Oktober 2012, abgerufen am 31. Dezember 2016 (englisch).
  6. Ukrainian Insurgent Army. In: encyclopediaofukraine.com. 22. November 1943, abgerufen am 31. Dezember 2016 (englisch).
  7. 5.000 Menschen gedenken in Kiew der Ukrainischen Aufständischen Armee UPA. In: de.sputniknews.com. 14. Oktober 2014, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 31. Dezember 2016.
  8. Kuk, Vasyl. In: encyclopediaofukraine.com. Abgerufen am 31. Dezember 2016 (englisch).
  9. Die Symbolisierung der ukrainischen Vergangenheit: Stepan Bandera und die UPA. In: boell.de. 9. Dezember 2014, abgerufen am 31. Dezember 2016.
  10. Ukrainian Insurgent Army in the Encyclopaedia of the Holocaust, Israel Gutman, editor-in-chief. New York: Macmillan, 1990. 4 volumes. ISBN 0-02-896090-4.
  11. Повстанцы со звездою Давида. In: rubezh.eu. Abgerufen am 31. Dezember 2016 (russisch).
  12. КОЛЛАБОРАНТЫ: УКРАИНСКИЙ НАЦИОНАЛИЗМ И ГЕНОЦИД ЕВРЕЕВ В ЗАПАДНОЙ УКРАИНЕ. Abgerufen am 20. Februar 2023.
  13. Andrzej Friszke, Antoni Dudek: Geschichte Polens 1939–2015, Brill Schöningh, Paderborn 2022, S. 39.
  14. a b Viktor Korol, a historian, reveals truths about Ukraine in WWII. In: wumag.kiev.ua. Abgerufen am 31. Dezember 2016.
  15. Bandera: Immer Angst. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1959 (online).
  16. Andrzej Friszke, Antoni Dudek: Geschichte Polens 1939–2015, Brill Schöningh, Paderborn 2022, S. 39f.
  17. PARTISANEN: Kerenski für die Ukraine. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1950 (online30. März 1950).
  18. Christian Neef: UKRAINE: „Tod den Henkern“. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2002 (online25. November 2002).
  19. Polen: Bandera-Leute für Genozid verantwortlich. In: german.ruvr.ru. 23. Juni 2013, archiviert vom Original am 27. Juni 2013; abgerufen am 31. Dezember 2016.
  20. Ivan Katchanovski: Terrorists or National Heroes? Politics of the OUN and UPA in Ukraine. In: Davis Center for Russian and Eurasian Studies, Harvard University. 26. Juni 2011 (englisch).
  21. Władysław Siemaszko, Ewa Siemaszko: Ludobójstwo dokonane przez nacjonalistów ukraińskich na ludności polskiej Wołynia 1939–1945. Wydawnictwo von borowiecky, Warschau 2000, ISBN 83-8768934-3 (online). online (Memento des Originals vom 11. April 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.naszawitryna.pl
  22. a b Grzegorz Motyka: Zapomnijcie o Giedroyciu: Polacy, Ukraińcy, IPN. Gazeta Wyborcza, 24. Mai 2008, archiviert vom Original am 2. März 2009; abgerufen am 26. Juni 2011.
  23. Gunnar Heinsohn: Lexikon der Völkermorde. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-22338-4, S. 283.
  24. Grzegorz Rossolinski-Liebe: Krytyka. Hefte 3–4; 7–8; 9–10. H-Soz-u-Kult, 2010, abgerufen am 26. Juni 2011.
  25. Grzegorz Rossolinski-Liebe: Celebrating Fascism and War Criminality in Edmonton. The Political Myth and Cult of Stepan Bandera in Multicultural Canada. (PDF; 2,9 MB) Kakanien, 2010, abgerufen am 26. Juni 2011 (englisch).
  26. Vgl. dazu Grzegorz Hryciuk: Polen aus Wolhynien und Ostgalizien: Ermordung und Flucht. In: Detlef Brandes, Holm Sundhaussen und Stefan Troebst (Hrsg.): Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Wien-Köln-Weimar 2010, ISBN 978-3-205-78407-4, S. 529–532, wo auch der aktuelle Stand der Forschung wiedergegeben wird. – Hinsichtlich der Opferzahl zu hoch gegriffen sind die Angaben in Józef Turowski, Władysław Siemaszko: Zbrodnie nacjonalistów ukraińskich dokonane na ludności polskiej na Wołyniu 1939–1945. Główna Komisja Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce – Instytut Pamięci Narodowej, Środowisko Żołnierzy 27 Wołyńskiej Dywizji Armii Krajowej w Warszawie, 1990.
  27. В Крыму открыт монумент же&#. In: lenta.ru. 1. November 2000, abgerufen am 31. Dezember 2016.
  28. Ukraine verbietet Werben für Kommunismus und Nationalsozialismus, Deutsche Welle vom 9. April 2015.