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Waren einmal Revoluzzer

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Film
Titel Waren einmal Revoluzzer
Produktionsland Österreich
Originalsprache Deutsch, Russisch, Englisch
Erscheinungsjahr 2019
Länge 102 Minuten
Stab
Regie Johanna Moder
Drehbuch Johanna Moder
Produktion Oliver Neumann,
Sabine Moser,
Veit Heiduschka,
Michael Katz
Musik Clara Luzia
Kamera Robert Oberrainer
Schnitt Karin Hammer
Besetzung

Waren einmal Revoluzzer (Arbeitstitel: Russenstory) ist ein österreichischer Spielfilm von Johanna Moder aus dem Jahr 2019 mit Julia Jentsch, Marcel Mohab, Manuel Rubey und Aenne Schwarz.

Der Film behandelt das Gefüge menschlicher Beziehungen im Ausnahmefall: Vier moderne, liberale Menschen geraten in eine außergewöhnliche Situation, weil ihre Leben durch eine Hilfssituation auf den Kopf gestellt werden. Problematisch dabei ist, dass die Protagonisten Hilfe sehr unterschiedlich definieren und sich auch die Hilfsbedürftigen anders verhalten als die Helfenden sich das erwarten.[1][2][3][4]

Die in Wien als Richterin arbeitende Helene trifft auf einer Überraschungsparty zu ihrem 40. Geburtstag ihren Ex-Freund, Therapeut Volker, der ihr erzählt, er veranstalte zurzeit eine Vortragsreihe in Moskau. Helene bittet Volker während seines Russlandaufenthaltes ihrem gemeinsamen Freund Pavel aus Studienzeiten zu helfen. Pavel hatte sich in seiner Heimat politisch engagiert und ist dadurch in Schwierigkeiten geraten. Auf Drängen seiner Freundin Tina willigt Volker schließlich ein, Pavel Geld von Helene zu bringen. Dabei soll es jedoch nicht bleiben und überraschenderweise teilt Volker Tina und Helene per Videocall mit, er wolle Pavel helfen nach Österreich zu kommen.

Helene erklärt sich bereit, Pavel bei sich aufzunehmen und bringt ihre beiden Töchter bei ihren Schwiegereltern unter. Ihr Mann Jakob, ein Musiker, zieht sich in das Wochenendhaus der Familie im niederösterreichischen Kamptal zurück um zwei Wochen lang Songs zu schreiben. Perplex muss Helene jedoch feststellen, dass Pavel nicht alleine, sondern mit seiner Frau Eugenia und seinem kleinen Sohn nach Wien gekommen ist. Schnell ist die Richterin mit der Beherbergung der jungen Familie überfordert. Als sie einen Umzug ins Hotel vorschlägt, eröffnet ihr Pavel, dass Eugenia mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Nach wenigen Tagen greift Helene schließlich zu einer Notlüge und erzählt, ihre Schwiegermutter hätte sich den Arm gebrochen, weswegen ihre beiden Töchter wieder nachhause müssten und kein Platz mehr für die beiden Dissidenten und ihr Kind sei. Sie bringt Pavel und Eugenia kurzfristig in Volkers und Tinas Wohnung unter. Volker ist jedoch von dieser Neuentwicklung nicht begeistert und quartiert die russische Familie auf eigene Faust postwendend bei Jakob in Niederösterreich ein. Tina, die über Volkers rüde Art enttäuscht ist, bleibt bei der Familie, während Volker zurück nach Wien fährt. Jakob ist mit der neuen Lage auch nicht glücklich und kann sich zunächst mit seinen neuen Mitbewohnern nicht anfreunden; außerdem ist er auf seine Frau sauer, nachdem diese die Situation nicht zu seiner Zufriedenheit löst.

Helene schlägt Pavel vor, ihn mit einer Freundin von einer Flüchtlingsorganisation bekannt zu machen. Pavel lehnt allerdings auch dieses Angebot ab und Helene reist unverrichteter Dinge mit ihren Töchtern zurück nach Wien, wo sie wütend bei Volker klingelt. Volker hat allerdings gerade Damenbesuch; es kommt zu einer lautstarken Auseinandersetzung mit Helene. Stunden später fährt Volker zu seiner Ex-Freundin und fleht sie an, Tina nichts von seinem untreuen Verhalten zu erzählen. Als Wiedergutmachung bietet er an, mit seinem Vater, einem einflussreichen Therapeuten, über die Situation zu reden und Hilfe für Pavel und seine Familie zu organisieren. Wieder zurück in Niederösterreich sprechen Pavel und Helene über die Situation und es wird deutlich, dass die beiden eine frühere Liebesgeschichte verbindet. Volker besucht seinen Vater, mit dem er offensichtlich ein distanziertes Verhältnis pflegt, bei seiner Buchpräsentation und bittet ihn um Hilfe, doch dieser lehnt ab.

Nachdem Helene dies telefonisch von Volker erfährt, erleidet sie im Gericht eine Panikattacke. Derweilen nähern sich Tina und Jakob in Niederösterreich an und haben betrunken Sex. Am nächsten Tag ruft Jakob Helene an, um sich von ihr zu trennen. Am anderen Ende der Leitung ist jedoch Volker, der Helene noch am Abend zuvor abgeholt und versorgt hat, und sich mit ihr gerade auf dem Weg ins Kamptal befindet. Während in dem kleinen niederösterreichischen Ort ein Glühmostfest steigt, kommt es im Wochenendhaus von Helene und Jakob zum Eklat: Jakob verliert die Nerven und wirft Pavel und Eugenia aus dem Haus. Die russische Familie reist schließlich ab, Pavel lehnt das Geld, das ihm Volker aufdrängen möchte, brüsk ab. Er und Eugenia verabschieden sich nur von Tina und von Jakob und Helenes Töchtern herzlich. Während sich Helene und Jakob versöhnen und Volker die Wogen zu glätten versucht, ist Tina ob des Verhaltens der anderen konsterniert. Enttäuscht eröffnet sie Volker, dass ihre Beziehung vorbei sei und macht sich auf den Weg zum Bahnhof. Der Film endet mit dem Feuerwerk des Glühmostfests.

Die Dreharbeiten fanden vom 9. Jänner bis zum 28. Februar 2019 statt, gedreht wurde in Wien, Niederösterreich und Moskau. Unterstützt wurde der Film vom Österreichischen Filminstitut, vom Filmfonds Wien, von Filmstandort Austria (FISA) und vom Land Niederösterreich, beteiligt war der Österreichische Rundfunk.[2][4][5]

Produziert wurde der Film von der FreibeuterFilm in Koproduktion mit Wega Film.[4] Die Kamera führte Robert Oberrainer. Für Ton und Sounddesign zeichneten Claus Benischke-Lang, Nils Kirchhoff und Manuel Meichsner verantwortlich, für das Kostümbild Veronika Albert, für das Szenenbild Martin Reiter und Johanna Hierzegger und für die Maske Sam Dopona und Verena Eichtinger.[2][5][3]

Die Darsteller Manuel Rubey und Marcel Mohab waren bereits im Johanna Moders Langspielfilmdebüt High Performance – Mandarinen lügen nicht (2014) zu sehen.[6]

Veröffentlichung

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Die Premiere der Tragikomödie erfolgte am 29. September 2019 im Rahmen des Zurich Film Festivals in der Wettbewerbssektion Fokus Schweiz, Deutschland, Österreich.[1] Im Jänner 2020 wurde der Film im Rahmen des Filmfestivals Max Ophüls Preis gezeigt, wo der Film in den Wettbewerb eingeladen und mit dem Preis des saarländischen Ministerpräsidenten für die beste Regie ausgezeichnet wurde.[7][8][9][10]

Der österreichische Kinostart war ursprünglich für den 20. März 2020 vorgesehen[11] und wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie auf den 28. August 2020 verschoben.[2]

Im ORF wurde der Film am 2. Juli 2022 erstmals ausgestrahlt.[12] Im Oktober 2022 wurde der Film im Rahmen der Edition österreichischer Film von Hoanzl und dem Standard auf DVD veröffentlicht.[13]

Film.at vergab drei von fünf Sternen und bezeichnete den Film als Tragikomödie mit Startschwierigkeiten. Die Handlung kippe in den ersten zwanzig Minuten von einer Komödie in einen Agentenfilm, dann in ein Drama, um schließlich wieder bei der Komödie zu landen. Man brauche eine gewisse Zeit, um sich in der Geschichte zu orientieren und die Beweggründe der Figuren nachvollziehen zu können. Im Zentrum stünden moralische Fragen zu Hilfsbereitschaft, Aufopferung und Egoismus. Leider sei der Diskurs stellenweise allzu didaktisch. Die Figuren belehrten sich ständig gegenseitig darüber, was richtig und was falsch sei, aber adressierten mit ihren Monologen eigentlich das Publikum. Schritt für Schritt breche der Elfenbeinturm der Möchtegern-Revoluzzer in sich zusammen, wobei die Trümmer ihnen die Möglichkeit für einen Neuanfang böten.[14]

Elli Leeb meinte auf filmpluskritik.com, dass der Film voller glaubwürdiger sozialer Konflikte und Emotionen sei, über zwei gut situierte Paare, die etwas in der Welt verändern wollen, nicht zuletzt, um sich selbst etwas zu beweisen, um dann doch wieder in ihrer eigenen, behüteten Bubble zu landen. Leeb urteilte: „Ein sehenswerter Film mit gut gezeichneten Figuren und starker Besetzung“.[15]

Dominik Kamalzadeh befand auf DerStandard.at, dass sich der Film über die „Heuchler-Bobos“ und Scheinheiligkeit der gutsituierten Protagonisten von einer Sittenkomödie mühelos stärker in Richtung Introspektion entwickle. Schicht für Schicht würden die kleinen Verlogenheiten eines sich weltoffen gebenden Bürgertums abgetragen. Seitenhiebe gelängen Moder erstaunlich subtil, sie habe schon in ihrem Spielfilmdebüt High Performance ihr Talent für stimmige wie ironische Nuancen in der Figurenzeichnung bewiesen; etwas, das sie von der zu Grobschlächtigkeit neigenden heimischen Komödie wohltuend unterscheide.[6]

Barbara Petsch schrieb in der Tageszeitung Die Presse, dass Moder das österreichische Wesen präzise durchschaut habe. Ihr Film sei illusionslos, Weltverbesserung fände im Westen allenfalls im Kopf oder in Altbauwohnungen nach einigen Gläschen Chianti zu viel statt. Der Schluss des Films wirke etwas eurozentrisch. Allerdings entspräche er wohl den Realitäten bei solchen Versuchen, zusammenzuzwingen, was oft nicht zusammengeht: Menschen aus Ländern, in denen sie ernsten Bedrohungen ausgesetzt sind, und mittelständische EU-Bürger, die vergessen haben, was es bedeutet, sich nicht auf einen Rechtsstaat oder eine soziale Sicherheit verlassen zu können.[16]

Auszeichnungen und Nominierungen

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Zurich Film Festival 2019

  • Auszeichnung mit dem ökumenischen Preis der Zürcher Kirchen[17][18]

Filmfestival Max Ophüls Preis 2020

  • Auszeichnung mit dem Preis des saarländischen Ministerpräsidenten für die beste Regie (Johanna Moder)[8][7]

Thomas-Pluch-Drehbuchpreis 2020

  • Auszeichnung mit dem Hauptpreis (Johanna Moder)[19]
  • Nominierung für den Spezialpreis der Jury (Johanna Moder)

Österreichischer Filmpreis 2021

  • Nominierung in der Kategorie Beste weibliche Darstellerin (Julia Jentsch)[20][21]
  • Nominierung in der Kategorie Bester männlicher Darsteller (Marcel Mohab und Manuel Rubey)
  • Nominierung in der Kategorie Bestes Drehbuch (Johanna Moder, Marcel Mohab und Manuel Rubey)
  • Nominierung in der Kategorie Beste Musik (Clara Luzia)
  • Nominierung in der Kategorie Bestes Kostümbild (Veronika Albert)

Romyverleihung 2021

  • Nominierung in der Kategorie Bester Film Kino (Johanna Moder)[22]
  • Nominierung in der Kategorie Beste Regie Kino (Johanna Moder)
  • Nominierung in der Kategorie Beste Musik (Clara Luzia)

Darüber hinaus gelangte der Film auch in die Vorauswahl für die Golden Globe Awards 2021 (Bester fremdsprachiger Film).

Einzelnachweise

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  1. a b Waren einmal Revoluzzer - Archiv - Zurich Film Festival. In: Zurich Film Festival. Abgerufen am 12. September 2019.
  2. a b c d Waren einmal Revoluzzer. In: Österreichisches Filminstitut. Abgerufen am 21. November 2019.
  3. a b Filmfonds Wien: Waren einmal Revoluzzer. Abgerufen am 12. September 2019.
  4. a b c Waren einmal Revoluzzer. In: FreibeuterFilm. Abgerufen am 12. September 2019.
  5. a b Waren einmal Revoluzzer bei crew united, abgerufen am 12. September 2019.
  6. a b Dominik Kamalzadeh: "Waren einmal Revoluzzer" und "Lovecut": Heuchler-Bobos und Dating-Kids. In: DerStandard.at. 26. August 2020, abgerufen am 28. August 2020.
  7. a b Johannes Maria Schmit gewinnt Max Ophüls Preis für "Neubau". In: sr.de. 25. Januar 2020, abgerufen am 25. Januar 2020.
  8. a b Auszeichnung für zwei ORF-kofinanzierte Filme beim 41. Max-Ophüls-Preis. 25. Januar 2020, abgerufen am 25. Januar 2020.
  9. Max-Ophüls-Preis: Arash T. Riahi mit Premiere im Wettbewerb. In: Salzburger Nachrichten. 13. Dezember 2019, abgerufen am 13. Dezember 2019.
  10. Waren einmal Revoluzzer. In: Filmfestival Max Ophüls Preis. Abgerufen am 10. Januar 2020.
  11. Presseheft: Waren einmal Revoluzzer. In: Österreichisches Filminstitut. Abgerufen am 12. März 2020.
  12. Rot-weiß-rotes ORF-Programm zum Österreichischen Filmpreis 2022. In: ots.at. 22. Juni 2022, abgerufen am 22. Juni 2022.
  13. #360: Waren einmal Revoluzzer (Johanna Moder). In: hoanzl.at. Abgerufen am 9. Oktober 2022.
  14. "Waren einmal Revoluzzer": Widerstand gegen den Hausverstand. In: film.at. 20. August 2020, abgerufen am 23. August 2020.
  15. Elli Leeb: „Waren einmal Revoluzzer“: Kritik zum Kinostart. In: filmpluskritik.com. 25. August 2020, abgerufen am 25. August 2020.
  16. Barbara Petsch: Leute, geht lieber nicht ins Exil! In: Die Presse. 2. September 2020, abgerufen am 2. September 2020.
  17. Österreichische Tragikomödie gewinnt Filmpreis der Zürcher Kirchen. In: ref.ch. 3. Oktober 2019, abgerufen am 4. Oktober 2019.
  18. Filmpreis der Kirchen geht an «Waren einmal Revoluzzer». In: kath.ch. 3. Oktober 2019, abgerufen am 4. Oktober 2019.
  19. Diagonale-Drehbuchpreise an Kleindienst und Moder. In: Oberösterreichisches Volksblatt. 29. April 2020, abgerufen am 29. April 2020.
  20. Österreichische Filmakademie: Nominierungen 2021. In: oesterreichische-filmakademie.at. 29. April 2021, abgerufen am 29. April 2021.
  21. Österreichischer Filmpreis 2021: "Hochwald" führt Nominiertenfeld an. In: Wiener Zeitung. 29. April 2021, abgerufen am 29. April 2021.
  22. "Ich und die anderen" bis "Landkrimi": Das sind die Nominierten der Branchen-ROMY. In: Kurier.at. 30. April 2021, abgerufen am 30. April 2021.