Zelzal (Rakete)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zelzal (Rakete)

Zelzal 1 auf einem LKW
Zelzal 1 auf einem LKW

Allgemeine Angaben
Typ Ballistische Kurzstreckenrakete
Heimische Bezeichnung زلزال
Herkunftsland Iran Iran
Hersteller Aerospace Industries Organization
Entwicklung 1980er Jahre
Indienststellung 1990er-Jahre
Einsatzzeit im Dienst
Technische Daten
Länge Zelzal 1: 7,8 m
Zelzal 2: 8,3 m
Zelzal 3: 9,60 m
Zelzal 3B: 9,0 m
Durchmesser 616 mm
Gefechtsgewicht Zelzal 1: 2.950 kg
Zelzal 2: 3.400 kg
Zelzal 3: 3.870 kg
Zelzal 3B: 3.600 kg
Spannweite 1.650 mm
Antrieb Feststoffraketentriebwerk
Reichweite Zelzal 1: 160 km
Zelzal 2: 210 km
Zelzal 3: 200 km
Zelzal 3B: 250 km
Ausstattung
Lenkung keine (Drallstabilisiert)
Gefechtskopf Zelzal 1/2/3B: 600 kg Splittergefechtskopf
Zelzal 3: 900 kg Splittergefechtskopf
Zünder Aufschlagzünder
Waffenplattformen Lastkraftwagen, Anhänger
Listen zum Thema

Zelzal (persisch زلزال, ‚Erdbeben‘) bezeichnet eine Reihe von ballistischen Kurzstreckenraketen die im Iran entwickelt wurden. Die Raketen sind ungelenkt und werden daher auch den Artillerieraketen zugeordnet.[1][2]

In der Endphase des Ersten Golfkrieges (Iran-Irak Krieg) startete der Iran ein umfangreiches Programm zur Entwicklung von ballistischen Raketen. Im Rahmen von diesem Programm entstand neben anderen Raketen die Zelzal-Raketenfamilie. Mit der Zelzal sollte mit geringem Entwicklungsrisiko eine kostengünstige Kurzstreckenrakete mit Feststoffantrieb sowie einer Reichweite von 170 km entwickelt werden. Die Entwicklung erfolgte bei der Aerospace Industries Organization in Zusammenarbeit mit den Islamischen Revolutionsgarden. Dabei wurde der Projektleiter Hasan Moghaddam vermutlich von der Volksrepublik China sowie anderen Staaten unterstützt. Im Rahmen der Entwicklung entstand nach den Entwürfen Iran-130, Mushak-160 und Nazeat-10 schließlich die Zelzal 1. Der erste Teststart einer Zelzal 1 erfolgte im Jahr 1988 und die ersten Raketen wurden vermutlich Anfang der 1990er-Jahre an die Streitkräfte des Irans geliefert. Die Ausführung Zelzal 2 mit einer vergrößerten Reichweite war 1996 einsatzbereit. Basierend auf der Zelzal 2 entstand Mitte der 1990er-Jahre die Fateh-110. Diese Kurzstreckenrakete stellt eine Kombination des Zelzal 2-Raketentriebwerks mit dem Lenksystem der Tondar 69-Rakete dar. Die nochmals reichweitegesteigerten Zelzal 3 und Zelzal 3B entstanden ab 1996 und wurden im September 1999 auf einer Parade in Teheran der Öffentlichkeit präsentiert.[1][2][3][4][5][6]

Start einer Zelzal 3B Rakete

Die Zelzal-Raketen sind ungelenkte, einstufige Kurzstreckenraketen mit Feststoffantrieb. Sie verwenden das generelle Konzept der 9K52 Luna-M (NATO-Codename FROG-7) aus der Sowjetunion. Die Zelzal-Raketen haben einen typischen, schlanken, zylinderförmigen Rumpf mit einem Durchmesser von 616 mm und sind in vier Sektionen aufgeteilt: In der Raketenspitze befinden sich der Gefechtskopf mit einem Gewicht von 600 kg sowie der mechanische Aufschlagzünder. Anschließend folgen vier Rotationstriebwerke. Die Abgase dieser Triebwerke treten aus Düsen aus, die senkrecht zur Längsachse und tangential zum Umfang der Rakete angeordnet sind. Diese Triebwerke werden unmittelbar nach dem Start gezündet und arbeiten für rund eine halbe Sekunde. Dadurch wird die Rakete in eine Umdrehung um ihre Längsachse versetzt, was den Flug stabilisiert. Hinter den Rotationstriebwerken ist das Feststoffraketentriebwerk verbaut. Dieses verwendete anfänglich Doppelbasistreibstoff und später vermutlich Komposit-Treibstoff. Das Triebwerk hat einen spezifischen Impuls von 240 s auf Meereshöhe. Zuhinterst im Raketenrumpf ist die Brennkammer mit der Düse untergebracht. Weiter sind dort auf der Rumpfoberfläche vier trapezförmige Stabilisierungsflächen montiert.[1][3][7][8][9][10]

Transportiert und gestartet werden die Zelzal-Raketen ab Lastkraftwagen vom Typ Mercedes-Benz LA-911 oder Mercedes-Benz 2624. Auf der Ladefläche der Fahrzeuge ist eine Startschiene für die Rakete montiert. Die Startschiene lässt sich in Fahrtrichtung in der Horizontalen drehen und in der Vertikalen anstellen. Weiter können die Raketen auch ab einem Anhänger oder einer transportierbaren Doppellafette gestartet werden.[3][11][12]

Vor dem Start wird das Startfahrzeug auf Hydraulikstützen gestellt. Dann wird für die Raketen-Reichweitesteuerung der Neigungswinkel der Startschiene entsprechend eingestellt. Der Kurswinkel (Azimut) wird vor dem Start grob mit der Richtung des Startfahrzeuges festgelegt und durch Schwenken der Startschiene präzise eingestellt. Nach dem Start fliegt die Rakete auf der Trajektorie einer Wurfparabel zum Ziel, wo der Gefechtskopf bei Bodenkontakt detoniert. Sämtliche Zelzal-Raketen sind ungelenkt, woraus sich aus deren langen Flugdistanz eine sehr große Streuung ergibt. Die Streuung wird mit maximal 5 % der Flugdistanz angegeben. Dies entspricht bei der Zelzal 1, bei der maximalen Schussdistanz einem Streukreisradius (CEP) von rund 8 km. Bei der Zelzal 2 einem solchen von 10,5 km und bei der Zelzal 3B rund 12,5 km. Im Vergleich zu gelenkten ballistischen Boden-Boden-Raketen mit ähnlicher Reichweite sind die Zelzal-Raketen wenig treffsicher. Aufgrund der großen Streuung eignen sich die Raketen nur zum Einsatz als Terrorwaffe.[9][13][14][15]

Die Zelzal-Raketen kamen bzw. kommen bei verschiedenen Konflikten in der Arabischen Welt zum Einsatz. Zum Beispiel im Libanonkrieg 2006, im Bürgerkrieg in Syrien sowie im Huthi-Konflikt im Jemen.[1][16][17][18][19]

Die Zelzal-Raketen befinden sich im Bestand der Streitkräfte des Irans. Der Iran beliefert verschiedene Miliz- und Terrorgruppen mit Zelzal-Raketen. So zum Beispiel die Dschaisch al-Islam in Syrien, die Hezbollah im Libanon, die Huthi in Jemen sowie schiitische Milizen im Irak.[1][11][17][19][20][21]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e Open-Source Analysis of Iran’s Missile and UAV Capabilities and Proliferation. (PDF) In: iiss.org. International Institute for Strategic Studies (IISS), abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  2. a b Robert Schmucker & Markus Schiller: Raketenbedrohung 2.0: Technische und politische Grundlagen. 2015. S. 347–348.
  3. a b c Duncan Lennox: Jane’s Strategic Weapon Systems, Edition 2001. 2001. S. 9.
  4. Iran's Missile Milestones. In: iranwatch.org. Iran Watch, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  5. Fateh 110 ballistic missile. In: iranpress.com. Iran Press, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  6. Iran Missile Chronology. (PDF) In: nti.org. Nuclear Threat Initiative (NTI), abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  7. Norbert Brügge: Iran's newest missiles „Khyber Shekan“ and „Fattah“ in the Fateh-110 category. In: b14643.de. Space Launch Vehicles, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  8. Zelzal-1/2/3. In: missilethreat.com. CSIS Missile Threat, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  9. a b Fabian Hinz: A quick thread on the Tondar 69. In: threadreaderapp.com. Thread Reader, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  10. Design Characteristics of Iran’s Ballistic and Cruise Missiles. (PDF) In: nti.org. Nuclear Threat Initiative (NTI), abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  11. a b Iran’s Ballistic Missile Inventory. In: atlanticcouncil.org. Atlantic Council, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  12. Iran Develops Twin-Launcher for Zelzal-2 Short Range Rocket. In: defense-update.com. Defense Update, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  13. Zelzal 3 Surface to Surface Rocket. In: modlex.ir. IRI Ministry of Defence legion Export, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  14. Zelzal 3-B Surface to Surface Rocket. In: modlex.ir. IRI Ministry of Defence legion Export, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  15. Oliver Schmidt: Iranische Raketen und Marschflugkörper - Stand und Perspektiven. (PDF) In: swp-berlin.org. Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin, abgerufen am 23. Juni 2024.
  16. Striking from the Dark, Jaish al-Islam fires Iranian Zelzal-2 rockets. In: oryxspioenkop.com. Oryx Spioenkop, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  17. a b Zelzal. In: missilethreat.com. CSIS Missile Threat, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  18. Zelzal. In: farsnews.com. FARS News Agency, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  19. a b Panel of UN-Experts on Yemen mandated by Security Council resolution 2342: The Yemen Missile Attacks 2001–2018. United Nations, 2018.
  20. Iran's Missiles: Transfer to Proxies. In: iranprimer.usip.org. The Iran Primer, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).
  21. Missiles and Rockets of Hezbollah. In: missilethreat.com. CSIS Missile Threat, abgerufen am 23. Juni 2024 (englisch).