Zoon politikon
Zoon politikon (altgriechisch ζῷον πολιτικόν ‚Lebewesen in der Polisgemeinschaft‘) ist ein philosophisch-naturwissenschaftlicher Fachbegriff, der auf den griechischen Philosophen Aristoteles zurück geht, als Fremdwort aber auch von der deutschen Sprache übernommen wurde.[1] Grundsätzlich handelt der Begriff von einer Bestimmung des „Menschen als soziales und politisches Lebewesen“, wie sie Aristoteles in seinen Werken Politik und Die Seele vorgestellt hat.[2] Platons Idealer Staat geht diesen Untersuchungen voran, allerdings noch ohne den Anspruch Aristoteles', die Besonderheiten des Menschen im Unterschied zu den anderen Arten der Tiere (zoon) herauszuarbeiten (wissenschaftliche Abgrenzung; Klassifikation).
Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Folgenden werden verschiedene, u. a. auch mythologische Aspekte des Fachbegriffes behandelt. Dabei ist zu beachten, dass Aristoteles parallel zu seinen teleologischen Erwägungen zwar auch naturwissenschaftlich argumentiert – bemerkenswert wäre an dieser Stelle sein Kommentar zu den gegenwärtig konträr als Staaten bildend bezeichneten Bienen[3] – , in der Forschung aber umstritten blieb, welchen Sinnes genau er den Ausdruck verstanden haben könnte.[4] Einige Wissenschaftler (etwa Wolfgang Kullmann) nehmen an, der Autor habe mit seinem Begriff einen ersten Versuch unternommen, den Menschen als soziales, auf die Bildung und den Erhalt von Gemeinschaft angelegtes Lebewesen zu bestimmen. Dies kennzeichnet indess alle Tierarten, die in sozialen Verbänden organisiert leben, u. a. die erwähnten Bienen.[5]
Andere Forscher, darunter Eckart Schütrumpf, konzentrieren sich daher auf das Phänomen der Politik. So stellt die Fähigkeit, existenzielle Daseinskrisen (Überbevölkerung; davon induzierten Nahrungsmangel) anhand politischer Übereinkünfte zwischen an sich verfeindeten Gruppen zu entschärfen, nach Befunden der modernen Anthropologie einen spezifisch menschlichen Vorzug dar, der ein genügend weit evolutioniertes Bewusstsein voraussetzt. Der potenzierende Beitrag, den unsere artikulierte Sprache hierbei leistet, indem sie das rational reflektierende Denken (logon echon) der 'einzelnen Gehirne' auf akustischem Wege miteinander vernetzt (selbst in der Nacht) und somit die Bildung hocheffizient kooperierender Gruppen begünstigt, wurde bereits von Aristoteles selbst berücksichtigt. Auch Redewendungen wie Das Wort geben und halten; Wortbruch, zeugen von einer engen Verbindung zwischen Sprachvermögen und Politik.
Zusammenhänge dieser Art erklären also auf naturwissenschaftlichem Wege, warum nicht zuletzt unseren nächsten evolutionsgeschichtlichen Verwandten zwar instinktiv hochsoziale Gemeinschaften zu bilden vermögen, ungeachtet ihrer auch technologisch beachtlichen Intelligenz aber gänzlich außer Stande blieben, das Szenario einer Überbevölkerungskrise mittels politischer Verträge zu überbrücken. Eröffnet sich den betroffenen Hordengemeinschaften keine andere Option als Ausweg (Emigration in freie Territorien; rasche Dezimierung durch tödliche Epidemien) müssen sie diese Situation anhand jener Methode auflösen, die dem Menschen infolge einer genetischen Disposition seinerseits allzu vertraut ist: es kommt zu den Kriegen der Schimpansen. Hier 'sprechen' nurmehr rein physische Mittel, ggf. die Waffen.
Mythologischer Hintergrund: Griechenland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Vermögen des Homo sapiens, politische Abkommen zu vereinbaren, liegt vermutlich allen Hochkulturen der Menschheit zugrunde. Ein konkretes Beispiel bietet die griechische Polis, da jeder dieser Stadtstaaten aus wenigstens zwei zueinander hierarchisch positionierten Gemeinschaften bestand. Darauf bezieht sich Aristoteles' Argumentation bei der Definition des Begriffes im Wesentlichen. Dies wurde in der hellenischen Kultur auch mythisch begründet anhand des Bündnisses, in dem sich – Hesiods Theogonie zufolge – die Partei der Titanen Epi- und Prometheus verpflichtete, an der Seite der Götter um Zeus zu kämpfen, bis ein interner Konflikt um die gerechte Verteilung eines Rindes, den Umgang mit den Frauen der Zeuspartei sowie allgemein mit dem Feuer das friedliche Miteinander beendige: dem Titanen Epimetheus wurde zur Strafe (oder im Sinne einer strategisch unschädlich machenden Maßnahme) ein fatales Hochzeitsgeschenk hergestellt (s. Pandora) und sein Bruder Prometheus in den Kaukasus verbannt.[6]
Sumerische Kosmogonie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein weiteres mythische Relikt politischer Art liegt der Forschung in Gestalt der sumerischen Genesis vor: Zunächst erschafft der Gott Enlil Erde und Luft inmitten des kosmischen Süßwasser-Urozeans, dann beginnt die Urbarmachung Mesopotamiens. Gemäß des Epos Atrahasis kooperieren dabei wiederum zwei hierarchische Parteien: die unteren Götter graben als Körper-Arbeiter, die anderen von Oben her als Überblick habende Arbeiter des Geistes zwei gewaltige Bewässerungskanäle aus, anhand derer ihnen gelingt, die öde Steppe (sumerisch: Eden) in eine blühende Gartenlandschaft zu verwandeln. Auch das weitere Geschehen ähnelt frappant dem oben erwähnten griechischen Mythos: Die unterlegene Götterpartei ist unzufrieden mit den Nachteilen ihres Aufgabengebietes und erhebt sich zu einer Revolte, woraufhin die oberen Götter den Versuch unternehmen, diesen Konflikt mittels Herstellung eines ersten Paares von Menschen (Arbeitssklaven) zu befrieden.[7]
Diesen speziellen Aspekt der sumerischen Schöpfungsgeschichte datiert das Epos auf ungefähr 4 Tausend Jahre vor der Sintflut – ein Ereignis, das der urhebende Dichter als von der oberen Götterpartei bewusst inszeniert darlegt und mit ihrer Absicht verbindet, die sich inzwischen stark vermehrt habende Menschheit wieder zu beseitigen. Das Alte Testament behandelt den politisch-ökonomischen Hintergrund dieses mythisch misslungenen Genozids eher aus der monotheistisch moralisierten Perspektive.[8] Gezielte Massenvernichtung gilt aber noch bei Homer als legitimes Mittel zur Behebung bedrohlicher Überbevölkerungskrisen: Das Argument, mit dem er die olympischen Götter den Trojanischen Krieg verursachen lässt, beruft sich eben darauf, dass die Mutter Erde unter der Last allzu vieler auf ihr wandelnder Menschen leide. Dies stellt eine Anthropomorphisierung dar (so wie bereits die projektive Übertragung des weiblichen Gebärvermögens auf unseren Planeten bzw. jede unbelebte Mater-ie); so ist klar, es geht um eine die Menschheit selbst anbetreffende Problematik.
Ansätze des Zoon politikon bei Platon[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Mythos bezüglich des Bündnis zwischen Zeus' Partei und den beiden o. e. Titanen, galt den Griechen als historisches Dokument über die Früh- oder Vorgeschichte der Polis Athen (benannt nach der Frauengemeinschaft um Athena). In der Politeia u. U. noch weiter zurück, bis hin zum Beginn des Krieges ganz Ioniens mit dem sagenhaften Bündnis Atlantis (dem Pro- und Epimetheus ursprünglich angehörten) beschreibt Platon in seinen Werken Politikos und Phaidros den Menschen als ein von Natur aus doppelt angelegtes Wesen. Durch seine physische Beschaffenheit ist er im Weltlichen verankert (das schwer zu lenkende der Pferde am zwiespännigen Seelenwagen), während seiner metaphysisch-göttlich beheimateten Vernunft über das Daimonion die Möglichkeit gegeben ist, ein Modell des idealen Verhaltens und Zusammenlebens zu entwickeln. Anhand dieses Ideals – des Staates als Abbild der wohlgegliederten Seele[9] – kann sich der Mensch vervollkommnen und über seine Grundgemeinschaften hinaus politische Superstrukturen bilden. In der Aufgabe der Staatenlenkung, zu der Platon beide Geschlechter gleich befähigt sieht, vollendet sich daher der Mensch als dem Vorbild der Götter nacheiferndes Wesen. Wie der weise Weltschöpfer Sorge trägt für die Ordnung des Kosmos, so sorgen die Staatenlenker für das Wohl der Menschen, indem sie ihre sich andernfalls bekriegenden Einzelnen zu Staaten einen.[10]
Die höchste Aufgabe der Staatslenkung besteht im Philosophieren (Ringen um Wahrheitserkenntnis) und in der Formulierung der während dessen entdeckten Gesetze, durch deren verhaltensmäßige Umsetzung der Staat entsteht und seine Kontinuität gewährleistet ist. Unter pädagogischer Anleitung (Erziehung im Sinne der Gesetze) entfaltet der Mensch von Kindheit an seine Anlagen (unter der Erde, noch vor der Geburt nach vier Klassen der Tüchtigkeit prädestiniert) und wird ihm sein jeweils angemessener Platz in der politischen Gemeinschaft bewusst;[11] dies fördert die gesunde Entwicklung vom Kind hin zum Bürger und bindet sie als Staat aneinander.
Verkörpert wird die Staatsführung von ab dem 60igsten Lebensjahr wählbaren Bestbewährten aus der Klasse der Goldenen Wächer[12] so gilt sie als Herrschaft der Philosophen. Sie erörtern und artikulieren das Schöne, das Gute und das Wahre gemäß eines Ideals der Gerechtigkeit, welches für Platon kein im Himmel der Ideen-Lehre gelegenes Abstraktum bleibt, sondern die gesunde Seele im Zusammenhang des Empfindens, Denkens und der zwischenmenschlichen Beziehungen darstellt. Erst anhand dieses Modells (im Kontrast zu ihm) lassen sich potentielle Abweichungen definieren und ggf. feststellen (gestuft bis hinab zum Extrem der tyrannischen Seele), wodurch den Menschen die Möglichkeit gegeben wird, erkannte Schwächen an Leib und Seele therapeutisch zu behandeln und/oder prophylaktische Maßnahmen zu ergreifen.
Der Staat als organisch gliederte Seele ist optimal strukturiert, wenn seine philosophisch herrschende Vernunft dafür zu sorgen vermag, dass all seine Teile (Bürger; Organe) die ihrer jeweiligen Beschaffenheit entsprechenden Tätigkeiten ausüben und Übergriffe in fremde Zuständigkeitsgebiete unterbleiben.[13] Kommt es hierbei zum Versagen, hat dies notwendig Missstände zur Folge, was sich im Außen als Schwächung v. a. der militärischen Fähigkeiten bemerkbar macht, intern wiederum hinführen kann zu bürgerkriegsähnliche Situationen wie der Erhebung Prometheus'.
In seinem Werk Das Gastmahl ergänzt Platon den fatalen Ausgang dieser Erzählung durch einen Mythos eventuell eigener Urheberschaft: den Aufstand der Kugelmenschen wider den 'Himmel' der Götter um Zeus und den Beschluss dieser Partei, die Aufständischen auf dem Wege einer gekonnt durchgeführten Zerschneidung wehrlos zu machen. Bezeichnend ist, dass Platon den Bericht dieser strategisch chirurgischen Maßnahme ('Zerteile und Herrsche') zwar dem Komödiendichter Aristophanes in den Mund legt, den Dialog jedoch ausklingen lässt mit einer zur Diskussion gestellten These Sokrates: Dass ein wahrhaft großer Mann fähig sein müsse, dasselbe Ereignis sowohl als Komödie wie als Tragödie erscheinen zu lassen.
Groß heißt für Platon ein Mensch, der sich im Sport (siehe Olympdiaden) und im Krieg, in der Politik und beim Philosophieren gleichermaßen bewährt, sich somit bei Bedarf auch mit Geschick der Lüge bedienen kann. Denn wer effektiv lügen will (Trugbilder konstruieren zwecks Täuschung der Feinde oder zum Wohle der die ganze Tragweite der Realität ggf. zu ihrem Schaden missverstehenden Freunde), muss unbedingt die Wahrheit kennen. Bezüglich des idealen Staates erörtern die Teilnehmer des Dialoges eine legitime Täuschung der jungen Bürger hinsichtlich des Losverfahrens, anhand dessen die Reproduktion im Staate kulturell (friedlich) gelenkt werden soll: Offiziell handelt es sich um eine Zufallsverteilung; tatsächlich aber begünstigt das angebliche Losverfahren heimlich die Goldenen Wächter (vgl. Darwins Entdeckung des Gesetzes der Natürlichen Zuchtwahl).
In der Zwiefalt des menschlichen Daseins liegt nun die Ursache für den Menschen als politisches Wesen: Der physisch-triebhafte Anteil seiner Seele drängt ihn zur Ernährung und Sorge um die Nachkommenschaft (Kampf um das Dasein), während die göttlich-metaphysische Herkunft seiner Vernunft ihn befähigt, dem tatsächlich nachzukommen, auch unter höchst erschwerten Bedingungen (Überbevölkerung; Kriege; Naturkatastrophen). Der Einzelne (Staatenlose) kann sich gegen die Widrigkeiten des Daseins nicht behaupten.
Zoon politikon bei Aristoteles[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Konzeption des Zoon politikon basiert auf der aristotelischen Vorstellung der Teleologie. Das jedem Dinge innewohnende Telos beschreibt seinen von der ersten Ursache her bedingten Daseinszweck und den Weg zur Vervollkommnung desselben. Bezogen auf das Zoon politikon ist das Telos die Erreichung des „guten Lebens“, das nur in der Polis verwirklicht werden kann. Dieses Ziel wohnt jedem Menschen von Natur aus inne, so ist er zur Staatenbildung determiniert. Sich als Individuum diesen Sinnes entwickeln zu können (ohne Freundschaften) ist nach Aristoteles unvereinbar mit seiner Definition des Zoon politikon.
„Wie im Samen der ganze Baum veranlagt ist, so ist im Menschen der Staat veranlagt.“ Der Staat liegt demnach als (metaphisches) Potential bereits dem Naturzustand zugrunde und wird dadurch ausgebildet, dass sich der Mensch gemäß seines immanenten Telos zum Zoon politikon entwickelt und verwirklicht.[14]
Der Wille zur Staatenbildung ist bei Aristoteles begründet durch den Willen zum Leben, da sich der Mensch trotz aller Widrigkeiten im Leben Glück und Freunde erhofft. Die Voraussetzung zur Staatenbildung ist der Besitz von Logos, anhand dessen der Mensch als sprachbegabtes sowie zum rationalen Denken befähigtes Lebewesen (zōon logon echon) Gutes/Gerechtes und Schlechtes/Ungerechtes benennen kann. Die Fähigkeit zum „Benennen“ schließt Erkenntnisfähigkeit und Sprachfähigkeit ein, durch die der Mensch sich (neben seiner Lebensdauer, dem aufrechten Gang und der Asymmetrie der Hälften) vom Tier unterscheidet.
Die Formel von der politischen Natur des Menschen bedeutet für Christof Rapp, „dass der Mensch durch seine Kooperationsbedürftigkeit, durch das Streben nach Autarkie und durch die sprachliche Kommunikationsfähigkeit seine natürlichen Anlagen am besten im Rahmen einer gesetzlich geregelten Gemeinschaft, dem Staat, verwirklichen kann.“[15]
Eine gewisse Klarstellung erfährt die Auffassung des Menschen als zoon politikon durch Aristoteles selbst, indem er ausführt: „Die Liebe zwischen Mann und Frau besteht gemäß der Natur. Denn der Mensch ist von Natur aus ein mehr auf die Paarbeziehung* als auf das Zusammenleben in der Polis angelegtes Wesen. (* zoon syndyastikón, wörtlich: „ein für eine Gemeinschaft zu Zweien bestimmtes Lebewesen“.) Insofern ist das (familiäre) Hauswesen älter und notwendiger als die Polis.“[16]
Moderne Anthropologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Moderne Verhaltensforscher und Anthropologen haben sich mit dem gleichen Komplex beschäftigt. Die nächsten genetischen Verwandten des Menschen leben zwar in hochsozialen Gemeinschaften, aufgrund ihres minder entwickelten Bewusstseins und fehlenden Sprachvermögens blieben sie aber außerstande, mit fremden Gruppen politische Vereinbarungen zu treffen. Lokale Daseinskrisen (Überbevölkerung; fehlende Möglichkeiten der Emigration) führen zum Ausbruch eines kriegsähnlichen Verhaltens. In der Betrachtung dieses Extrems des instinktiven Territorialverhaltens[17] weist der Primatenforscher Frans de Waal darauf hin, dass die Bildung militärischer oder zum Zwecke des Handels kooperierender Superstrukturen erst eine artspezifische Besonderheit des Homo sapiens sei.[18]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Otfried Höffe: zôon politikon. In: ders. (Hrsg.): Aristoteles-Lexikon (= Kröners Taschenausgabe. Band 459). Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-45901-9.
- Wolfgang Kullmann: Der Mensch als politisches Lebewesen bei Aristoteles. In: Hermes 108 (1980), S. 419–443.
- Wolfgang Kullmann: Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-06620-9, S. 334–363.
- Fleischer, Margot: Hermeneutische Anthropologie, Berlin-New York 1976.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Duden online Zoon politikon. Abgerufen am 10. Januar 2012.
- ↑ Aristot. Pol. 1253a1-11
- ↑ Eckart Schütrump: Philosophische Bibliothek. Band 616. Meiner, Hamburg 2012, S. 6 (Aristoteles: Daraus geht nun klar hervor, dass der Staat zu den Dingen zu zählen ist, die von Natur sind, und dass der Mensch von Natur ein Lebewesen ist, das zum staatlichen Verband gehört, und dass derjenige, der aufgrund seiner Natur, und nicht durch eine Schicksalsfügung, außerhalb des staatlichen Verbandes steht, entweder minderwertig oder übermenschlich ist, wie derjenige, der von Homer geschmäht* wurde: «ohne Geschlechterverband, ohne Recht, ohne Herd». Denn wer von Natur aus so ist, der sucht zugleich Streit, da er ohne Verbindung dasteht wie (ein Stein) auf dem Spielbrett. Dass aber die Bezeichnung «zu einem staatlichen Verband gehörend» eher für den Menschen als für jede Biene und jedes Herdentier zutrifft, ist klar. Denn die Natur schafft, wie wir sagen, nichts ohne Zweck. Nun hat der Mensch als einziges Lebewesen Sprache; die Stimme gibt zwar ein Zeichen von Schmerz und Freude, deswegen ist sie auch den übrigen Lebewesen verliehen, denn ihre Natur gelangte bis zu der Stufe, dass sie Empfindung von Lust und Schmerz haben und sich diese untereinander anzeigen; die Sprache aber dient dazu, das Nützliche und Schädliche, und daher auch das Gerechte und Ungerechte, darzulegen. Denn dies ist den Menschen gegenüber den anderen Lebewesen eigentümlich, allein ein Empfinden für Gut und Schlecht, Gerecht und Ungerecht und anderes zu haben. Die Gemeinschaft in diesen Dingen begründet aber Haushalt und Staatsverband. (* Anmerkung vom Wiki: Der Zyklop Polyphem mit seinem Sprachverständnisproblem und Unwillen oder Unvermögen zur politischen Sitte der Gastfreundschaft)).
- ↑ Vgl. z. B. Karen Piepenbrink: Politische Ordnungskonzeptionen in der attischen Demokratie des vierten Jahrhunderts v. Chr. Eine vergleichende Untersuchung zum philosophischen und rhetorischen Diskurs, Steiner, Stuttgart 2001 ISBN 3-515-07848-7. S. 59–61.
- ↑ Tiergesellschaft. Abgerufen am 7. September 2022.
- ↑ Rank von Graves: Griechische Mythologie. 39. Atlas und Prometheus.
- ↑ Rainer Albertz: Geschichte und Theologie. In: Ingo Kottsieper (Hrsg.): Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft. Nr. 326. de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017633-5.
- ↑ Wer baute die babylonische Arche? Ein neues Fragment der mesopotamischen Sintfluterzählung aus Assur. Abgerufen am 4. November 2022.
- ↑ Platon, Politeia 443b–444d. Vgl. Thomas Szlezák: Psyche – Polis – Kosmos. In: Enno Rudolph (Hrsg.): Polis und Kosmos, Darmstadt 1996, S. 26–42. Für Einzelheiten der Analogie zwischen Polis und Seele siehe Norbert Blößner: Dialogform und Argument, Stuttgart 1997, S. 152–213 und Otfried Höffe: Zur Analogie von Individuum und Polis (Buch II 367a–374d). In: Otfried Höffe (Hrsg.): Platon: Politeia, 3. Auflage, Berlin 2011, S. 51–69. Für den Zusammenhang zwischen kosmischer und menschlicher Ordnung siehe Tatjana Alekniene: Kosmios kai theios. In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 46, 1999, S. 369–387.
- ↑ Zum kosmischen Vorbild seines idealen Staats-Modells siehe Platon, Timaios 89d–90d.
- ↑ Platon, Politeia 433a–435a.
- ↑ Platon, Politeia 412b–414b.
- ↑ Platon, Politeia 433a–435a.
- ↑ Fleischer, Margot: Hermeneutische Anthropologie : Platon, Aristoteles. De Gruyter, Berlin 1976, ISBN 3-11-006714-5.
- ↑ Christof Rapp: Aristoteles zur Einführung, Junius-Verlag, Hamburg 2001, S. 55.
- ↑ Nikomachische Ethik, 1162 a.
- ↑ Territorialverhalten. Abgerufen am 12. Juli 2019.
- ↑ Philip Bethgen, Rafaela von Bredow: : Hippie oder Killeraffe? In: Spiegel Online. Band 34, 21. August 2006 (spiegel.de [abgerufen am 1. Juli 2019]).