Sotalol

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Strukturformel
Struktur von (±)-Sotalol
(R)-Sotalol (oben) und (S)-Sotalol (unten), 1:1-Stereoisomerengemisch
Allgemeines
Freiname Sotalol
Andere Namen
  • (RS)-4'-(1-Hydroxy-2-isopropylaminoethyl)-methansulfonanilid (IUPAC)
  • (±)-4'-(1-Hydroxy-2-isopropylaminoethyl)-methansulfonanilid
Summenformel C12H20N2O3S
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 5253
DrugBank DB00489
Wikidata Q413591
Arzneistoffangaben
ATC-Code

C07AA07

Wirkstoffklasse

Betablocker, Antiarrhythmika

Wirkmechanismus

nicht-selektive Blockade von β-Rezeptoren

Eigenschaften
Molare Masse 272,36 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

206,5–207 °C[1]

pKS-Wert

9,8 (sekundäres Amin), 8,3 (Sulfonamid)[2]

Löslichkeit

Wasser: 5510 mg·l−1 bei 25 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

(±)-Sotalol hydrochlorid

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338[3]
Toxikologische Daten

790 mg·kg−1 (LD50Mausi.p.)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Sotalol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Betablocker, der zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmikum, Klasse III[4]) eingesetzt wird. Chemisch ist es einer der wenigen Betablocker ohne Phenolether-Struktur, daher erhielt Stoff nicht die Endung -olol; strukturell ähnelt er den Beta-Sympathomimetika aus der Gruppe der Phenylethylamine wie z. B. Isoprenalin.

Pharmakologische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sotalol gehört zur Gruppe der nicht-selektiven Betablocker, da es nicht spezifisch an β-Adrenozeptoren bindet. Es weist im Gegensatz zu den Betablockern Acebutolol und Oxprenolol keine intrinsische sympatomimetische Aktivität (ISA) auf. Sotalol liegt als Racemat vor, die zueinander enantiomeren D- und die L-Isomere blockieren Kaliumkanäle. Die L-Form des Sotalols wirkt zusätzlich als Betablocker.

Wirkung der Stereoisomere L-Sotalol D-Sotalol
(R)-(–)-Sotalol (S)-(+)-Sotalol
Hemmung der Kaliumkanäle ja ja
Nicht-selektive β-Rezeptorblockade ja nein

Die relative Wirkstärke von Sotalol im Vergleich zu Propranolol beträgt 0,5.

Sotalol weist eine Bioverfügbarkeit von fast 100 % auf. Eine Plasmaproteinbindung des Sotalols konnte nicht nachgewiesen werden. Sotalol ist schlecht steuerbar, da die Plasmahalbwertszeit, also die Zeit, die der Körper benötigt, um die Hälfte des verabreichten Sotalols auszuscheiden, etwa 15 Stunden beträgt. Die Ausscheidung findet über die Nieren statt, daher sollte die Dosis bei Niereninsuffizienz angepasst werden.

Nebenwirkungen

Im Vergleich zu anderen Betablockern weist Sotalol aufgrund seiner zusätzlichen Wirkung auf Kaliumkanäle einige Besonderheiten auf. Wie alle Antiarrhythmika kann Sotalol selbst auch Rhythmusstörungen auslösen. Besonders gefürchtet ist das Auftreten der Torsade-de-pointes-Tachykardie, die sich zum Kammerflimmern bis hin zum plötzlichen Herztod entwickeln kann. Diese Herzrhythmusstörungen können vor allem bei hohen Dosen, Niereninsuffizienz, Elektrolytstörungen und dem QT-Syndrom (mit Verlängerung der QTc-Zeit) auftreten. In einer großen Studie, bei der mehrere tausend Patienten über 164 Tage untersucht wurden, traten bei 1,9 % der Männer und 4,1 % der Frauen Torsaden auf. Nach Korrektur für andere Risikofaktoren ergibt dies ein dreifach erhöhtes Risiko für Frauen, die mit dem Medikament behandelt werden, als für Männer.[5] Deshalb ist bei langer QT-Zeit Sotalol kontraindiziert.

Klinische Angaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sotalol ist neben Amiodaron und Dronedaron ein Vertreter der Klasse-III-Antiarrhythmika (Kalium-Kanalblocker), da es den repolarisierenden Kaliumstrom verzögert.[6] Durch elektrophysiologische Messungen an isolierten Herzmuskelzellen konnte eine Verlängerung des Aktionspotentials gezeigt werden. Dadurch kommt es ebenfalls zu einer Verlängerung der Refraktärzeit der Herzmuskelzelle. Die Verlängerung des Aktionspotentials der Herzmuskelzelle wird durch eine Blockade der Kaliumkanäle erklärt.[7]

SWORD-Studie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da das rechtsdrehende Enantiomer D-Sotalol kaum betablockierende Wirkung hat, gab es die Hoffnung, dass diese Substanz zur Prophylaxe des plötzlichen Herztods auch bei Patienten mit schwer eingeschränkter Pumpleistung des Herzens eingesetzt werden könnte. In der SWORD-Studie (Survival With Oral D-Sotalol) wurde bei Patienten mit einer eingeschränkten Ventrikelfunktion (EF < 40 %) nach Herzinfarkt D-Sotalol versus eine Placebogruppe getestet. Wegen einer statistisch signifikant höheren Sterblichkeit der Verumgruppe wurde die Studie abgebrochen. Die Übersterblichkeit wurde auf die Auslösung von Herzrhythmusstörungen durch die Kaliumkanal-blockierende Eigenschaft von D-Sotalol zurückgeführt.[8]

Gegenanzeigen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nicht angewendet werden darf Sotalol unter anderem bei bestimmten Erkrankungen des Herzens (Herzinsuffizienz Grad NYHA IV; dekompensierte Herzinsuffizienz, akuter Herzinfarkt, AV-Block II. und III. Grades, SA-Block, Sinusknotensyndrom, vorbestehender QT-Verlängerung), bestimmten Störungen im Elektrolythaushalt (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, metabolische Azidose), Hypotonie, Spätstadien peripherer Durchblutungsstörungen, obstruktiven Atemwegserkrankungen und unbehandeltem Phäochromozytom.

Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine mehrstufige Synthese für Sotalol, ausgehend von Methansulfonsäurechlorid und Anilin, ist in der Literatur beschrieben.[9]

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate

Darob (D), Jutalex (D), Rentibloc (D), Sotalex (D, CH), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • T. Karow / R. Lang-Roth: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2003 S. 62–66.
  • G. Herold: Innere Medizin 2004.
  • Waldo AL et al.: Effect of d-sotalol on mortality in patients with left ventricular dysfunction after recent and remote myocardial infarction. The SWORD Investigators. Survival With Oral d-Sotalol. The Lancet. 1996 Jul 6;348(9019):7-12. Erratum in: Lancet 1996 Aug 10;348(9024):416, PMID 8691967.
  • Pratt CM et al.: Mortality in the Survival With ORal D-sotalol (SWORD) trial: why did patients die? Am J Cardiol. 1998 Apr 1;81(7):869–876, PMID 9555777.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Eintrag zu Sotalol in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  2. Klaus Müller, Helge Prinz, Matthias Lehr: Pharmazeutische/Medizinische Chemie. 13. September 2022, abgerufen am 30. August 2023.
  3. a b Datenblatt (±)-Sotalol hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 23. April 2011 (PDF).
  4. Klaus Müller, Helge Prinz, Matthias Lehr: Pharmazeutische/Medizinische Chemie. 13. September 2022, abgerufen am 30. August 2023.
  5. Connolly SJ, Dorian P, Roberts RS, et al. Comparison of β-Blockers, Amiodarone Plus β-Blockers, or Sotalol for Prevention of Shocks From Implantable Cardioverter Defibrillators: The OPTIC Study: A Randomized Trial. JAMA. 2006;295(2):165-171. doi:10.1001/jama.295.2.165
  6. Mutschler, Ernst, Arzntimittelwirkungen, 6. Auflage 1991., ISBN 3-8047-1118-9
  7. Aktories: Pharmakologie und Toxikologie; 9. Auflage.
  8. Waldo, Albert L et al.: Effect of d-sotalol on mortality in patients with left ventricular dysfunction after recent and remote myocardial infarction. The Lancet, 1996, Volume 348, Issue 9019, 7–12, doi:10.1016/S0140-6736(96)02149-6.
  9. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances 4. Auflage (2000), 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.