Nachlass

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Nachlass ist die Gesamtheit des aktiven und passiven Vermögens eines Verstorbenen oder die Erbschaft desselben.

Der Begriff Nachlass im archivarischen Sinn bezeichnet die Gesamtheit des überlieferten archivalischen Materials (z. B. Werke, Briefe, Lebensdokumente), das sich auf eine Person als Bestandsbildner bzw. Nachlasser bezieht und aus deren Besitz stammt.

Arten von Nachlässen

Wenn derartige Materialien schon bei Lebzeiten einer Bibliothek, einem Archiv oder Museum zur Verfügung gestellt werden, spricht man von „Vorlass“ (den Begriff prägte der Leiter der Handschriftenabteilung des Deutschen Literaturarchivs Marbach, Jochen Meyer).

Als digitaler Nachlass werden auf Rechnern oder im Internet gespeicherte Daten (Geistiges Eigentum) bezeichnet.

Unter Umständen wird nicht der gesamte Nachlass einer Person in einer Institution aufbewahrt, sondern es finden sich mehrere Teilnachlässe.

Als einen angereicherten Nachlass bezeichnet man einen Nachlass, der nachträglich um Materialien ergänzt wurde, z. B. um Briefe des Nachlassers, die sich zuvor bei dessen Korrespondenzpartnern befanden.

Im übertragenen Sinn wird manchmal auch von einem Firmennachlass oder einem Vereinsnachlass gesprochen. Der Bestandsbildner ist in diesem Fall keine Einzelperson, sondern eine Firma oder ein Verein.

Erschließung

In Archiven gelten für die Erschließung von Nachlässen die gleichen Grundregeln wie für die Erschließung von Beständen aus dem staatlichen Bereich. Das in deutschsprachigen Ländern vor allem im bibliothekarischen Bereich verwendete Regelwerk für die Erschließung von Nachlässen und Autographen sind die so genannten RNA (Regeln für die Erschließung von Nachlässen und Autographen); die Online-Version ist auf der Webseite des Kalliope-Verbunds zu finden.

Nachweis

Es gibt verschiedene Ansätze, Nachlässe übergreifend nachzuweisen. Dies ist besonders wichtig, da es keine Regeln gibt, welche Nachlässe sich in welchen Institutionen befinden. Nachlässe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern finden sich z. B. in großem Umfang im Deutschen Literaturarchiv Marbach, sie können sich aber auch in anderen Bibliotheken, Museen oder Archiven befinden. Nachlässe von Politikern können sich in den Staatsarchiven oder Kommunalen Archiven des Raumes finden, in dem der Erblasser tätig war, oder in dem Archiv der Partei, deren Mitglied der Nachlasser war. Bei der nicht seltenen Aufteilung von Nachlässen ist es allerdings wichtig, dass die einzelnen Teilnachlässe in einer kooperativ geführten Datenbank nachgewiesen werden.[1]

Benutzung

Nachlässe dienen als Quellen für Biographien, für historische, literaturwissenschaftliche und wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten. Aber auch Genealogen nutzen Nachlässe. Das Benutzungsrecht kann in bei Nachlässen sehr unterschiedlich ausfallen. Handelt es sich bei einem Nachlass um eine Schenkung, dann gelten die allgemeinen Benutzungsregeln des betreffenden Archivs. Haben der Erblasser oder dessen Erben den Nachlass jedoch nur als Depositum übergeben, können sie die Benutzung zusätzlich eingeschränkt haben.

Heute sind öffentliche Archive meist bestrebt, Nachlässe ohne vorgegebene Bedingungen zu übernehmen und lediglich ihre eigenen Benutzungsrichtlinien anzuwenden (wobei sich aber auch durch die allgemeinen Bestimmungen wie etwa Datenschutz Einschränkungen bei der Benutzung ergeben können). Hierdurch soll vermieden werden, dass die Kosten für die Erschließung und Aufbewahrung von der Allgemeinheit getragen werden, diese aber keinen Zugang zu dem Archivgut hat. In der Vergangenheit wurde mitunter großzügiger verfahren, so bestimmte etwa der Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus, dass sein Nachlass der Stadtbibliothek Trier übergeben werden sollte, jedoch versiegelt und erst 50 Jahre nach seinem Tod zu öffnen, was auch befolgt wurde.

Rechtsfähigkeit

Der Nachlass ist in Deutschland nicht rechtsfähig, er besitzt daher keine gesetzlichen Vertreter. Er ist also kein Rechtssubjekt, sondern ein Rechtsobjekt. Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter unbekannter Erben. Es kann also auch keine Forderungen gegen den Nachlass geben, sondern nur Forderungen gegen den Erben oder eine Mehrheit von Erben, die als Nachlassverbindlichkeiten bezeichnet werden.

Dies ist allerdings nicht überall so. In den USA ist der Nachlass („Estate)“ eine rechtsfähige Person, besitzt einen Executor und verteilt erst Eigentum, nachdem alle Schulden und Steuern bezahlt sind und auch nur, wenn tatsächlich Eigentum verbleibt; d. h. niemand muss in den USA Schulden erben. Ob so ein rechtsfähiges Konstrukt im letzten Willen einer Person in Deutschland erschaffbar ist, ist unbekannt. Möglich ist es, eine rechtsfähige Körperschaft vor dem Tod zu gründen, diese als einzigen Erben zu bestimmen und mit den obigen Aufgaben zu beauftragen. Die Erben wären dadurch vor dem Erben von Schulden geschützt, aber eventuell zur Doppelversteuerung genötigt, da Deutschland keine Nachlasssteuer, sondern eine Erbschaftssteuer hat und der Beschenkte, nicht der Schenkende, eine Schenkungssteuer zahlen muss.

Zur Situation in Österreich siehe Erbschaft#Österreich.

Siehe auch

Literatur

  • Ludwig Denecke, Tilo Brandis: Die Nachlässe in den Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland. 2. Aufl. Boppard: Boldt, 1981. ISBN 3-7646-1802-7 (Die 1. Aufl. erschien 1969.)
  • Pia Gamon u.a.: Basis Künstlerarchiv: Kunst zwischen Atelier und Museum. Das Archiv für Künstlernachlässe der Stiftung Kunstfonds, Verlag für Moderne Kunst, Wien 2015, ISBN 978-3-903004-16-0.
  • Ewald Grothe: Kooperative Erschließung von Handschriften und Nachlässen, Teil 1: „Ein unverkennbares Bedürfniß der Wissenschaft“. Projekte in deutschen Bibliotheken zwischen 1885 und 1945. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 53 (2006), S. 234-243. als Volltext abrufbar (PDF; 224 kB)
  • Ewald Grothe: Kooperative Erschließung von Handschriften und Nachlässen, Teil 2: Auf dem Weg zu Kalliope. Zur Erschließungssituation in deutschen Bibliotheken und Archiven seit 1945. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 53 (2006), S. 291-299. als Volltext abrufbar (PDF; 222 kB)
  • Ewald Grothe: Die kooperative Erschließung von Autographen und Nachlässen im digitalen Zeitalter. Probleme und Perspektiven. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 30 (2006), S. 283-289. als Volltext abrufbar
  • Wolfgang A. Mommsen: Die Nachlässe in den deutschen Archiven. Boppard: Boldt. Schriften des Bundesarchivs 17/I und 17/I. Teil I, 1971. ISBN 3-7646-1544-3. Teil II, 1983. ISBN 3-7646-1816-7. (Teil II als Volltext in der Google-Buchsuche)
  • Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA) / Deutsche Forschungsgemeinschaft, Unterausschuss für Nachlasserschliessung; Deutsches Bibliotheksinstitut. Berlin 1997. ISBN 3-87068-540-9. 2. Fassung 2010 nur online (PDF; 778 kB)

Weblinks

Wikisource: Digitalisierte Nachlässe – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Grothe, Kooperative Erschließung.
  2. http://opac.obvsg.at/nlv.