„Parallelenaxiom“ – Versionsunterschied

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Literatur+, hyperbolisches Parallelenaxiom (mit Bild) in der Hilbertschen Fassung.
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Dies besagt in moderner Formulierung, dass es zu jeder Geraden <math>g</math> und jedem Punkt <math>S</math> ''nicht mehr als'' eine Parallele zu <math>g</math> durch <math>S</math> geben kann. Dass es ''mindestens'' eine solche Parallele gibt, lässt sich aber aus den übrigen Postulaten und Axiomen des Euklid ''beweisen,'' sodass die eingangs angegebene Formulierung gerechtfertigt ist.
Dies besagt in moderner Formulierung, dass es zu jeder Geraden <math>g</math> und jedem Punkt <math>S</math> ''nicht mehr als'' eine Parallele zu <math>g</math> durch <math>S</math> geben kann. Dass es ''mindestens'' eine solche Parallele gibt, lässt sich aber aus den übrigen Postulaten und Axiomen des Euklid ''beweisen,'' sodass die eingangs angegebene Formulierung gerechtfertigt ist.


Die Benennung des Parallelenpostulats schwankt in der Literatur. Häufig wird es das Fünfte Postulat von Euklid (''Elemente,'' Buch 1) genannt, manchmal wurde es aber auch 11. Axiom oder 13. Axiom genannt.<ref>Stäckel, Engel: ''Die Theorie der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss.'' Leipzig, Teubner 1896, S. 21 im dort wiedergegebenen Text von [[John Wallis]] von 1663. Auch [[Janos Bolyai]] nennt es in seinem Hauptwerk, dem Anhang zum Tentamen seines Vaters, das 11. Axiom.</ref>
Die Benennung des Parallelenpostulats schwankt in der Literatur. Häufig wird es das Fünfte Postulat von Euklid (''Elemente,'' Buch 1) genannt, manchmal wurde es aber auch 11. Axiom oder 13. Axiom genannt.<ref>Stäckel und Engel (1896), S. 21. Im dort wiedergegebenen Text von [[John Wallis]] von 1663. Auch Janos Bolyai nennt es in seinem Hauptwerk, dem Anhang zum Tentamen seines Vaters, das 11. Axiom.</ref>


== Geschichte ==
== Geschichte ==
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So kam es zur Entwicklung der [[nichteuklidische Geometrie|nichteuklidischen Geometrien]], bei denen das Postulat entweder ganz gestrichen oder durch andere ersetzt wurde. Zum Teil verletzen nichteuklidische Geometrien außer dem Parallelenaxiom auch noch andere Axiome der euklidischen Geometrie.
So kam es zur Entwicklung der [[nichteuklidische Geometrie|nichteuklidischen Geometrien]], bei denen das Postulat entweder ganz gestrichen oder durch andere ersetzt wurde. Zum Teil verletzen nichteuklidische Geometrien außer dem Parallelenaxiom auch noch andere Axiome der euklidischen Geometrie.

=== Hyperbolisches Parallelenaxiom nach Hilbert ===
[[Datei:Hyperbolic parallelity.svg|thumb| Hilberts hyperbolisches Parallelenaxiom im (reellen) [[Kleinsches Kreisscheibenmodell|Kleinschen Kreisscheibenmodell]] der hyperbolischen Geometrie. Die Formulierung des Axioms von Hilbert mit ''Halbgeraden'' setzt eine [[Seiteneinteilung|Anordnung]] der hyperbolischen Ebene im Sinn der hilbertschen Axiome voraus. Man beachte, dass die nur die Punkte innerhalb der Kreislinie (grau) Punkte der hyperbolischen Ebene sind.]]
[[David Hilbert]] hat 1903 die folgende Formulierung für ein ''Parallelenaxiom der [[Hyperbolische Geometrie|hyperbolischen Geometrie]]'' gegeben,<ref>Hilbert (1903): ''Neue Begründung der Bolyai-Lobatschefskyschen Geometrie'', in Math. Ann., Band 57, 1903. Abgedruckt als Anhang III in Hilbert (1899)</ref> vergleiche auch die Abbildung rechts:

:Ist <math>b</math> eine beliebige Gerade und <math>A</math> ein nicht auf ihr gelegener Punkt, so gibt es stets durch <math>A</math> zwei Halbgerade <math>a_1, a 2</math>, die nicht ein und dieselbe Gerade ausmachen und die Gerade <math>b</math> nicht schneiden, während jede in dem durch <math>(a_1, a 2)</math> gebildeten Winkelraum <math>\angle (a_1,a_2)</math> gelegene, von <math>A</math> ausgehende Halbgerade die Gerade <math>b</math> schneidet.

Der Winkelraum <math>\angle (a_1,a_2)</math> ist in der Abbildung rechts durch einen Kreisbogen (hellblau) gekennzeichnet. Alle Halbgeraden mit Startpunkt <math>A</math>, die ''nicht'' in diesem Winkelraum liegen, schneiden die Gerade <math>b</math> ''nicht''.


== Äquivalente Formulierungen ==
== Äquivalente Formulierungen ==


Es wurden auch eine Reihe von Aussagen gefunden, die [[Gleichwertigkeit|äquivalent]] zum Parallelenpostulat sind:
Es wurden auch eine Reihe von Aussagen gefunden, die unter der Voraussetzung der übrigen Axiome der ebenen euklidischen Geometrie [[Gleichwertigkeit|äquivalent]] zum euklidischen Parallelenpostulat sind. Die zugrunde gelegten Axiome sind dabei die ebenen Inzidenzaxiome (I1-I3), die Axiome der Anordnung (Gruppe II), die Axiome der Kongruenz (Gruppe III) und die Axiome der Stetigkeit (V1 und V2) in [[Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie]]:
* „Die [[Winkelsumme]] im Dreieck beträgt zwei Rechte (180°).“ (vgl. [[Giovanni Girolamo Saccheri]])
* „Die [[Winkelsumme]] im Dreieck beträgt zwei Rechte (180°).“ (vgl. [[Giovanni Girolamo Saccheri]])
* „Es gibt [[Rechteck]]e.“
* „Es gibt [[Rechteck]]e.“
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*[http://eom.springer.de/f/f040110.htm Fifth Postulate] in der [[Encyclopaedia of Mathematics]]
*[http://eom.springer.de/f/f040110.htm Fifth Postulate] in der [[Encyclopaedia of Mathematics]]


== Fußnoten ==
== Literatur ==
*{{Literatur | Autor= [[David Hilbert]] | Titel= Grundlagen der Geometrie| Auflage= 14 | Verlag= Teubner | Ort= Stuttgart/Leipzig | Jahr=1899 | ISBN= 3-519-00237-X | Online= [http://www.archive.org/details/grunddergeovon00hilbrich Online-Kopie der Ausgabe von 1903] | Zugriff=2013-07-25| Kommentar=Zur Geschichte des Parallelenaxioms}}
Stäckel, Engel: ''.'' Leipzig, Teubner 1896, S. 21
*{{Literatur | Autor= [[Paul Stäckel]] und [[Friedrich Engel (Mathematiker)|Friedrich Engel]] | Titel= Die Theorie der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss | Verlag= Teubner | Ort= Leipzig | Jahr=1895 | Kommentar= Zur Geschichte des Begriffs }}
*{{Literatur | Autor= [[Heinz Lüneburg]] | Titel= Die euklidische Ebene und ihre Verwandten | Verlag= Birkhäuser | Ort= Basel/Boston/Berlin | Jahr= 1999 | ISBN= 3-7643-5685-5 | Zugriff= 2013-06-12 | Online=[http://books.google.de/books?isbn=3764356855 Digitalisierte Leseprobe bei google-books] | Zugriff=2013-07-26 }}

== Einzelnachweise und Anmerkungen ==
<references />
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Version vom 25. Juli 2013, 11:57 Uhr

Das Parallelenaxiom ist ein viel diskutiertes Axiom der euklidischen Geometrie. In einer häufig gebrauchten auf John Playfair zurückgehenden Formulierung besagt es:

In einer Ebene gibt es zu jeder Geraden und jedem Punkt außerhalb von genau eine Gerade, die zu parallel ist und durch den Punkt geht.

Diese Gerade heißt die Parallele zu durch den Punkt . Zwei Parallelen in dieser Ebene haben keinen gemeinsamen Punkt.

Schnittpunkt S von h und k.

In den Elementen des Euklid findet sich dieser Satz als das fünfte Postulat (Parallelenpostulat) in folgender Formulierung: „Gefordert soll sein: …dass, wenn eine gerade Linie [g] beim Schnitt mit zwei geraden Linien [h und k] bewirkt, dass innen auf derselben Seite entstehende Winkel [α und β] zusammen kleiner als zwei Rechte werden, dann die zwei geraden Linien [h und k] bei Verlängerung ins Unendliche sich treffen auf der Seite [von g], auf der die Winkel [α und β] liegen, die zusammen kleiner als zwei Rechte sind.“

Dies besagt in moderner Formulierung, dass es zu jeder Geraden und jedem Punkt nicht mehr als eine Parallele zu durch geben kann. Dass es mindestens eine solche Parallele gibt, lässt sich aber aus den übrigen Postulaten und Axiomen des Euklid beweisen, sodass die eingangs angegebene Formulierung gerechtfertigt ist.

Die Benennung des Parallelenpostulats schwankt in der Literatur. Häufig wird es das Fünfte Postulat von Euklid (Elemente, Buch 1) genannt, manchmal wurde es aber auch 11. Axiom oder 13. Axiom genannt.[1]

Geschichte

Dieses Postulat sticht durch seine Länge und Kompliziertheit aus den anderen Postulaten und Axiomen deutlich hervor. Es wurde schon im Altertum als Makel in der Theorie des Euklid empfunden. Immer wieder gab es Versuche, es aus den anderen herzuleiten und damit zu zeigen, dass es für die Definition der euklidischen Geometrie entbehrlich ist. Historisch ist diese Aufgabe als das Parallelenproblem bekannt und blieb über 2000 Jahre lang ungelöst. Erfolglose Versuche gab es zum Beispiel von

Carl Friedrich Gauß erkannte als erster, dass das Parallelenproblem grundsätzlich unlösbar ist; er veröffentlichte seine Erkenntnisse aber nicht. Er korrespondierte aber mit verschiedenen Mathematikern, die ähnliche Ideen verfolgten (Friedrich Ludwig Wachter, Franz Taurinus, Wolfgang Bolyai).

Nichteuklidische Geometrie

Nikolai Lobatschewski stellte als erster 1826 eine neuartige Geometrie vor, in der alle übrigen Axiome der euklidischen Geometrie gelten, das Parallelenaxiom jedoch nicht. Sie wird als lobatschewskische Geometrie oder hyperbolische Geometrie bezeichnet. Janos Bolyai gelangte unabhängig davon fast gleichzeitig zu ähnlichen Resultaten.

So kam es zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien, bei denen das Postulat entweder ganz gestrichen oder durch andere ersetzt wurde. Zum Teil verletzen nichteuklidische Geometrien außer dem Parallelenaxiom auch noch andere Axiome der euklidischen Geometrie.

Hyperbolisches Parallelenaxiom nach Hilbert

Hilberts hyperbolisches Parallelenaxiom im (reellen) Kleinschen Kreisscheibenmodell der hyperbolischen Geometrie. Die Formulierung des Axioms von Hilbert mit Halbgeraden setzt eine Anordnung der hyperbolischen Ebene im Sinn der hilbertschen Axiome voraus. Man beachte, dass die nur die Punkte innerhalb der Kreislinie (grau) Punkte der hyperbolischen Ebene sind.

David Hilbert hat 1903 die folgende Formulierung für ein Parallelenaxiom der hyperbolischen Geometrie gegeben,[3] vergleiche auch die Abbildung rechts:

Ist eine beliebige Gerade und ein nicht auf ihr gelegener Punkt, so gibt es stets durch zwei Halbgerade , die nicht ein und dieselbe Gerade ausmachen und die Gerade nicht schneiden, während jede in dem durch gebildeten Winkelraum gelegene, von ausgehende Halbgerade die Gerade schneidet.

Der Winkelraum ist in der Abbildung rechts durch einen Kreisbogen (hellblau) gekennzeichnet. Alle Halbgeraden mit Startpunkt , die nicht in diesem Winkelraum liegen, schneiden die Gerade nicht.

Äquivalente Formulierungen

Es wurden auch eine Reihe von Aussagen gefunden, die unter der Voraussetzung der übrigen Axiome der ebenen euklidischen Geometrie äquivalent zum euklidischen Parallelenpostulat sind. Die zugrunde gelegten Axiome sind dabei die ebenen Inzidenzaxiome (I1-I3), die Axiome der Anordnung (Gruppe II), die Axiome der Kongruenz (Gruppe III) und die Axiome der Stetigkeit (V1 und V2) in Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie:

  • „Die Winkelsumme im Dreieck beträgt zwei Rechte (180°).“ (vgl. Giovanni Girolamo Saccheri)
  • „Es gibt Rechtecke.“
  • „Zu jedem Dreieck gibt es ein ähnliches Dreieck beliebiger Größe.“ (John Wallis).
  • Stufenwinkel an Parallelen sind gleich groß.“
  • „Durch einen Punkt im Inneren eines Winkels gibt es stets eine Gerade, die die beiden Schenkel schneidet.“
  • „Durch drei nicht auf einer Geraden liegende Punkte gibt es einen Kreis.“ (Farkas Wolfgang Bolyai)
  • „Drei Punkte, die auf ein und derselben Seite einer Geraden liegen und zu dieser Geraden kongruente Abstände haben, liegen stets auf einer gemeinsamen Geraden.“

Literatur

Stäckel, Engel: . Leipzig, Teubner 1896, S. 21

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Stäckel und Engel (1896), S. 21. Im dort wiedergegebenen Text von John Wallis von 1663. Auch Janos Bolyai nennt es in seinem Hauptwerk, dem Anhang zum Tentamen seines Vaters, das 11. Axiom.
  2. Die einzige Information darüber ist eine Erwähnung eines verlorenen Buches von Archimedes Über Parallellinien in der arabischen Bibliographie von Ibn al-Nadim. Da Thabit Ibn Qurra ein Übersetzer von Archimedes war, wird spekuliert, dass dessen Abhandlung darüber möglicherweise von einer Kenntnis des verlorenen Archimedes-Manuskripts beeinflusst war. Boris Rosenfeld A history of non euclidean geometry, Springer Verlag 1988, S. 40f
  3. Hilbert (1903): Neue Begründung der Bolyai-Lobatschefskyschen Geometrie, in Math. Ann., Band 57, 1903. Abgedruckt als Anhang III in Hilbert (1899)

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