„Zustandsgröße (Systemtheorie)“ – Versionsunterschied

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Der Begriff '''Zustandsgröße''' oder alternativ '''Zustandsvariable''' wird in verschiedenen Wissensgebieten benutzt und hat deshalb keine einheitliche Bedeutung.
Eine '''Zustandsgröße''' ist eine [[makroskopisch]]e [[physikalische Größe]], die ggf. zusammen mit anderen Zustandsgrößen den momentanen [[Zustand (Physik)|Zustand]] eines [[Physikalisches System|physikalischen Systems]] beschreibt, aber prinzipiell variabel ist. Dagegen werden Größen, die das System beschreiben, aber bei den betrachteten Zustandsänderungen als konstant angenommen werden, als [[Parameter (Mathematik)|Parameter]] des Systems bezeichnet. In einem [[schwingung]]sfähigen System können z. B. Auslenkung und Geschwindigkeit Zustandsgrößen sein, Masse und Federsteifigkeit dagegen Parameter.
Bei den Zustandsgrößen kann es sich beispielsweise um die [[Aggregatzustand|Aggregatszustände]] der [[Thermodynamik]], um die physikalische oder chemische Stoffbeschaffenheit oder um die in der Systemtheorie benutzte Systembeschreibung der [[Zustandsraumdarstellung]] handeln.


* Bei der Thermodynamik handelt es sich um die '''Zustandsgrößen''': [[Druck (Physik)|Druck]], (absolute) [[Temperatur]], [[Volumen]], [[Teilchenzahl]] bzw. [[Stoffmenge]], [[Dichte (Physik)|Dichte]], [[innere Energie]], [[Enthalpie]], [[Entropie (Thermodynamik)|Entropie]], [[Gibbs-Energie]]. Diese Zustandsgrößen bleiben konstant, wenn sich ein System im [[Gleichgewicht (Physik)|thermodynamischen Gleichgewicht]] befindet.
Zwei Zustände werden dann als verschieden angesehen, wenn die numerischen Werte wenigstens einer der Zustandsgrößen verschieden sind. Den Wechsel zwischen zwei verschiedenen Zuständen bezeichnet man als [[Zustandsänderung]]. Dabei gehorchen die Zustandsgrößen einer [[Zustandsgleichung]].
* Die Oberflächenbeschaffenheit oder chemischen Zusammensetzungen von Werkstoffen in Bezug auf den '''Zustand''' werden in der Werkstoffkunde aber auch in anderen Einzelwissenschaften behandelt.
* Die '''Zustandsvariablen''' der [[Zustandsraumdarstellung]] beschreiben physikalisch den Energiegehalt der in einem technischen dynamischen System enthaltenen Speicherelemente. Sie bedeuten z.&nbsp;B. Spannung an einem Kondensator, Strom in einer Induktivität, bei einem Feder-Masse-Dämpfungssystem die potentiellen und kinetischen Energieanteile. Die Anzahl der Zustandsvariablen <math> x_1(t) \cdots x_n(t) \,</math> des Zustandsvektors <math> \underline {x}(t) \, </math> ist die Dimension des Zustandsraumes. Technische Anwendung: [[Regelungstechnik]].


== Zustandsgrößen in der Thermodynamik ==
== Zustandsgrößen in der Thermodynamik ==
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In der [[Astrophysik]] charakterisieren Zustandsgrößen unter anderem [[Stern]]e, indem beispielsweise ihre [[Oberflächentemperatur]], [[Gravitation|Schwerebeschleunigung]] an der Oberfläche, [[Leuchtkraft]], [[Masse (Physik)|Masse]] und [[Radius]] betrachtet werden.
In der [[Astrophysik]] charakterisieren Zustandsgrößen unter anderem [[Stern]]e, indem beispielsweise ihre [[Oberflächentemperatur]], [[Gravitation|Schwerebeschleunigung]] an der Oberfläche, [[Leuchtkraft]], [[Masse (Physik)|Masse]] und [[Radius]] betrachtet werden.


== Zustandsgrößen in der Systemtheorie ==
== Zustandsgrößen der Zustandsraumdarstellung ==


Die Zustandsraumdarstellung ist eine Systembeschreibung eines meist technischen Systems mit mehreren Energiespeichern und mindestens einer Eingangsgröße und einer Ausgangsgröße. Die Eingangsgröße kann den Wert Null haben, in diesem Fall ist das System mit seinen Anfangswerten der Energiespeicher zum Zeitpunkt t = 0 für t > 0 sich selbst überlassen und strebt mit seiner Ausgangsgröße nach genügend langer Zeit den Wert Null an (Beispiel gedämpftes [[Federpendel]]). Physikalisch betrachtet ist der Zustand eines dynamischen Systems durch den Energiegehalt der im System vorhandenen Energiespeicher bestimmt. Die Zustandsgrößen beschreiben den Energiegehalt der im System enthaltenen Speicherelemente.
Systeme, die durch gewöhnliche Differentialgleichungen (beliebiger Ordnung) beschrieben werden können, lassen sich stets auch durch ein äquivalentes Gleichungssystem von Differentialgleichungen erster Ordnung beschreiben. Die unabhängigen Variablen dieses Gleichungssystems, welches als [[Zustandsdifferentialgleichung]] oder '''Zustandsgleichung''' bezeichnet wird, sind die Zustandsgrößen oder '''Zustandsvariablen''' des Systems.<ref>{{Literatur|Autor=Anton Braun|Titel=Grundlagen der Regelungstechnik|Verlag=Carl Hanser Verlag|Jahr=2005|ISBN=3-446-40305-1|Online={{Google Buch|BuchID=zesCS__Tu4oC|Seite=166}}}}</ref> Sie spannen den [[Zustandsraumdarstellung|Zustandsraum]] auf. Die Zustandsgrößen repräsentieren den Zustand des Systems. Sie werden im Zustandsvektor zusammengefasst.


[[Datei:Zustandsraummodell eines eingrößensystems.gif|miniatur|400px|Symbolisches Blockschaltbild eines Modells eines Übertragungssystems mit Zustandsvariablen <math>x_i(t)</math> in der Zustandsraumdarstellung für ein Eingrößensystem.]]
Größen die von außen auf das System einwirken, werden als ''Eingangsgrößen'' bezeichnet. Größen die nicht den Zustand repräsentieren, aber beobachtet werden sind die ''Ausgangsgrößen''. Weitere Größen, die das System beeinflussen, aber im Wesentlichen als konstant angenommen werden, sind die ''Parameter'' des Systems, bei einem [[Federpendel]] z.&nbsp;B. die Masse.

Zwei Wege führen zu einem Zustandsraummodell eines dynamischen Systems:
* durch Aufstellen des physikalischen Wirkungszusammenhanges mittels Differentialgleichungen 1. Ordnung,
* durch Umwandlung einer [[Differentialgleichung]] höherer Ordnung in ein System gekoppelter Differentialgleichungen 1. Ordnung.

Sämtliche Beziehungen der Zustandsgrößen, der Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen einer Zustandsraummodells werden in Form von Matrizen und Vektoren dargestellt.

Nachfolgend wird die Entstehung, Definition und Anwendung der Zustandsvariablen <math>x_i(t)</math>, die in dem Zustandsvektor <math>\underline {x}(t)</math> zusammengefasst sind, behandelt.

=== Entstehung der Zustandsvariablen ===
Ein lineares dynamisches System wird durch eine gewöhnliche Differenzialgleichung mit konstanten Koeffizienten beschrieben.
: <math>a_n \cdot y^{(n)}(t)+ \ \cdots \ + a_2\cdot \ddot{y}(t)+a_1\cdot \dot{y}(t)+a_0\cdot y(t)= b_0\cdot u(t)+b_1\cdot \dot{u}(t)+b_2\cdot \ddot{u}(t) + \ \cdots \ + b_m\cdot u^{(m)}(t)</math>

Der höchste Grad der Ableitung von <math>y(t)\;</math> gibt die Anzahl der Speicherelemente des Systems wieder. Diese Differenzialgleichung kann mit Hilfe der Laplace-Transformation als Übertragungsfunktion definiert werden:

'''Übertragungsfunktion der Polynomdarstellung und der Zerlegung in die Pol-Nullstellen-Darstellung mit reellen Linearfaktoren:'''

: <math>G_1(s) =\frac{Y(s)}{U(s)} = \frac{b_{m}s^{m} + \ldots + b_2s^2 + b_{1}s + b_{0}}{a_n s^{n} + \ldots + a_2s^2 +a_{1}s + a_{0}} := k \cdot \frac{(s - s_{n1})(s - s_{n2}) \dotsm (s - s_{nm})}{(s -s_{p1})(s - s_{p2}) \dotsm (s - s_{pn})} </math>

Dabei bedeuten m = Anzahl der Nullstellen <math>s_n</math>, n = Anzahl der Pole <math>s_p</math>, s = Laplace-Operator.

'''Zustandsvariablen entstehen aus den Polen des Übertragungssystems:'''

Die Zustandsvariablen eines linearen Systems n-ter Ordnung mit n Energiespeichern entstehen immer aus den Polen der Übertragungsfunktion. Hat das Übertragungssystem auch Nullstellen - also differenzierende Anteile - so werden die Zustandsvariablen mit den Koeffizienten der Ableitungen der Eingangsgröße u(t) zu der Ausgangsgröße y(t) addiert. Die Pole einer Übertragungsfunktion bestimmen die Geschwindigkeit der Systembewegung und der Stabilität. Die Nullstellen einer Übertragungsfunktion haben nur Einfluss auf die Amplituden des Systems.

Die Zustandsvariablen eines mathematischen Modells eines dynamischen Systems, einer Regelstrecke, können aus der gewöhnlichen systembeschreibenden Differentialgleichung bestimmt werden. Grundlage der Lösung der Differenzialgleichung ist der Signalflussplan mit der grafischen Darstellung der Regelungsnormalform. Dabei werden die Terme der Ableitungen der Ausgangsgröße y(t) jeweils integriert und mit den zugehörigen Koeffizienten auf den Systemeingang zurückgeführt.

Für jede Ableitung von y(t) der Differenzialgleichung wird die Bezeichnung der Zustandsgrößen x(t) wie folgt eingeführt:

: <math>x_1(t) = y(t)</math>
: <math>x_2(t) = \frac{dy}{dt} = \dot{y}</math>
: <math>x_3(t) = \ddot{y}</math>
: <math>x_n(t) = \frac {dy^{(n-1)}} {d^{(n-1)}t} = y^{(n-1)}(t)</math>

In dem Zustandsvektor <math>\underline {x}(t)</math> sind alle Zustandsvariablen <math>x_i(t)</math> zusammengefasst. Zu einem beliebigen Zeitpunkt t<sub>(0)</sub> sind in dem Zustandsvektor <math>\underline {x}(t)</math> alle Informationen des dynamischen Übertragungssystems enthalten.

[[Datei:Blockschaltbild_zustandsvariable_regelungsnormalform.png|miniatur|300px|Blockschaltbild des Signalflussplanes eines Übertragungssystems 3. Ordnung in der Regelungsnormalform.]]

=== Regelungsnormalform ===
Bei den Zustandsbeschreibungen mit [[Normalform]]en nehmen die Zustandsgleichungen besonders einfache und zweckmäßige Formen für bestimmte Berechnungen an. Für die Normalformen wird von der Systembeschreibung des linearen Übertragungssystems durch die Differenzialgleichung oder zugehörige Übertragungsfunktion ausgegangen.

Die Signalstruktur der Regelungsnormalform stellt sich als ein analoges zeitkontinuierliches System dar, das mit der Eingangsgröße <math>u(t)</math> die Lösung der Differentialgleichung <math>y(t)</math> wiedergibt und gleichzeitig die Zustandsvariablen <math>x_1(t), x_2(t) \cdots x_n(t)</math> zeigt.

Das Blockschaltbild der Regelungsnormalform zeigt die Umsetzung und Lösung der Differenzialgleichung in die physikalischen analogen Signalflüsse der Zustandsgrößen einschließlich der Ausgangsgröße bei gegebener Eingangsgröße. Die Lösungsstruktur ergibt sich aus der Umformung der Differenzialgleichung mit der Freistellung der höchsten Ableitung <math>a_n \cdot y^{(n)}(t)</math> von y(t). Alle Ableitungen werden in der Reihenfolge der Ordnung durch Integratoren integriert und mit den zugehörigen Koeffizienten wieder auf die höchste Ableitung zurückgeführt und subtrahiert. Die Ausgänge der Integratoren bilden die Zustandsvariablen. y(t) ist neben den Zustandsvariablen die Systemausgangsgröße.

Man kann die Regelungsnormalform als eine Weiterentwicklung der in der Analogrechentechnik bekannten Verfahren zur Lösung einer Differentialgleichung n-ter Ordnung mit n Integratoren betrachten. Die Signalflüsse können bei Kenntnis der Koeffizienten der Zustandsvariablen direkt mittels numerischer Berechnung für beliebige Eingangssignale ermittelt und grafisch dargestellt werden.

[[Datei:Sprungantwort der zustandsvariablen.png|miniatur|300px|Sprungantwort der Zustandsvariablen einer PT3-Regelstrecke.]]

=== Zeitliches Verhalten der Zustandsvariablen in einer Regelstrecke ===
Der zeitliche Verlauf der Zustandsvariablen als Folge eines Eingangssprungs u(t) = 1 an dem Modell zeigt den Vorteil der Behandlung des Systems im Zustandsraum gegenüber einer klassischen "Ausgangsrückführung" des Systems. Die Zustandsvariablen x(t) erscheinen zeitlich früher als die Ausgangsgröße y(t). Dieses Verhalten wird beim Zustandsregelkreis genutzt, indem die Zustandsvariablen auf eine Soll-Ist-Differenz mit der Führungsgröße w(t) zurückgeführt werden.

In dem Blockschaltbild der Regelungsnormalform werden die Ableitungen von <math>\tilde y(t)</math> durch die Zustandsvariablen <math>x_1 \cdots x_n</math> ersetzt, so dass <math> \tilde y(t)</math> nicht mehr in Erscheinung tritt.

'''Voraussetzung zur Rückführung der Zustandsvariablen zu einem Regelkreis:'''

* Die Regelstrecke muss steuerbar sein.
* Alle Zustandsvariablen müssen verfügbar sein. Pol- Nullstellenkompensation im Zustandsraum ist nicht erlaubt, weil Informationsverlust.
* In der Praxis können die Zustandsvariablen an einer Regelstrecke gemessen werden, was nicht immer möglich ist. Abhilfe geben [[Beobachter (Regelungstechnik)|Beobachter]] durch Rekonstruktion der Zustandsvariablen, wenn die Strecke beobachtbar ist.

=== Zustandsregler ===
[[Datei:Zustandsregler für regelstrecke dritter ordnung.gif|miniatur|300px|Blockschaltbild eines Zustandsreglers für eine Regelstrecke 3. Ordnung eines Eingrößensystems.]]

Simulationen eines Zustandsregelkreises können mit einem guten Modell der Regelstrecke an einem programmierbaren Rechner einfach durchgeführt werden. Die Beschreibung des Signalflussplanes der Regelstrecke und des Reglers im Zustandsraum kann sowohl in Form von Matrizen als auch mit [[Regelkreis#Angewandte numerische Berechnung dynamischer Übertragungssysteme|Differenzengleichungen]] erfolgen. Je nach Höhe der Ordnung der Differenzialgleichung werden alle Zustandsgrößen einem [[Regler#Zustandsregler|Zustandsregler]] zugeführt, der auf den Eingang des Zustandsraummodells der Regelstrecke wirkt. Durch die Rückführung sämtlicher Zustandsvariablen entsteht ein mehrschleifiger Regelkreis.

Der lineare Zustandsregler bewertet die einzelnen Zustandsvariablen der Regelstrecke mit Faktoren und summiert die so entstandenen Zustandsprodukte zu einem Soll-Istwert-Vergleich.

: <math>u(t) = w(t) - x_1 \cdot k_1 - x_2 \cdot k_2 - \cdots - x_n \cdot k_n = w(t) - \underline x(t) \cdot \underline k(t) \, </math>

Es handelt sich bei diesem Zustandsregler nicht um einen P-Regler, wenngleich ein solcher Eindruck laut Signalflussplan entstehen könnte. Durch die mit dem Regler zurückgeführten Zustandsvariablen mit Bewertungsfaktoren durchlaufen noch einmal die Rechenschaltung zur Lösung der Differenzialgleichung mit n Integratoren und bilden neue Kreisvariablen, wodurch differenzierendes Verhalten entsteht. Deshalb entspricht die Wirkung der zurückgeführten Zustandsgrößen je nach Höhe der Ordnung n der Differenzialgleichung der Strecke der eines <math>PD_{(n-1)}</math>-Reglers.<ref>''Zustandsregler durch Polvorgabe.'' In: Oliver Nelles: ''Vorlesungsmanuskript Meß- und Regelungstechnik II.'' Universität Siegen, 4. Mai 2010.</ref>

Als Entwurfsstrategie für die Bestimmung der Bewertungsfaktoren des Zustandsreglers gilt die Polzuweisung ([[Polvorgabe]]) des geschlossenen Regelkreises oder auch empirisch. Durch die Hintereinanderschaltung der Integratoren ist nur die Zustandsvariable x1(t) = y(t) eine stationäre Größe >0, wenn die Eingangsgröße u(t) konstant ist. Alle anderen Zustandsvariablen - eine stabile Regelstrecke vorausgesetzt - streben gegen den Wert Null.

Ein Vorfilter vor dem Soll-Ist-Vergleich korrigiert den statischen Fehler zwischen w(t) und y(t), weil es sich hier um eine Zustandsrückführung und nicht um eine Ausgangsrückführung handelt. Das Vorfilter kann entfallen, wenn ein zusätzlicher PI-Regler anstelle des Vorfilters eingesetzt wird, der die statische Regelabweichung minimiert.

Die [[Regelgüte]] einer Regelung mit Zustandsvariablen kann durch kein anderes Regelverfahren erreicht werden.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Thermodynamik#Technische Thermodynamik|Literatur zur Technischen Thermodynamik]]
* [[Thermodynamik#Technische Thermodynamik|Literatur zur Technischen Thermodynamik]]
* {{Literatur|Autor=Jan Lunze|Titel=Regelungstechnik 1: Systemtheoretische Grundlagen, Analyse und Entwurf einschleifiger Regelungen|Auflage=7.|Verlag=Springer|Ort=|Jahr=2008|ISBN=3-540-68907-9}}
* {{Literatur|Autor=H. Lutz, W. Wendt|Titel=Taschenbuch der Regelungstechnik mit MATLAB und Simulink|Verlag=Europa-Verlag|Jahr=2014|ISBN=978-3-8085-5679-5}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 10. Februar 2015, 13:44 Uhr

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Der Begriff Zustandsgröße oder alternativ Zustandsvariable wird in verschiedenen Wissensgebieten benutzt und hat deshalb keine einheitliche Bedeutung. Bei den Zustandsgrößen kann es sich beispielsweise um die Aggregatszustände der Thermodynamik, um die physikalische oder chemische Stoffbeschaffenheit oder um die in der Systemtheorie benutzte Systembeschreibung der Zustandsraumdarstellung handeln.

  • Bei der Thermodynamik handelt es sich um die Zustandsgrößen: Druck, (absolute) Temperatur, Volumen, Teilchenzahl bzw. Stoffmenge, Dichte, innere Energie, Enthalpie, Entropie, Gibbs-Energie. Diese Zustandsgrößen bleiben konstant, wenn sich ein System im thermodynamischen Gleichgewicht befindet.
  • Die Oberflächenbeschaffenheit oder chemischen Zusammensetzungen von Werkstoffen in Bezug auf den Zustand werden in der Werkstoffkunde aber auch in anderen Einzelwissenschaften behandelt.
  • Die Zustandsvariablen der Zustandsraumdarstellung beschreiben physikalisch den Energiegehalt der in einem technischen dynamischen System enthaltenen Speicherelemente. Sie bedeuten z. B. Spannung an einem Kondensator, Strom in einer Induktivität, bei einem Feder-Masse-Dämpfungssystem die potentiellen und kinetischen Energieanteile. Die Anzahl der Zustandsvariablen des Zustandsvektors ist die Dimension des Zustandsraumes. Technische Anwendung: Regelungstechnik.

Zustandsgrößen in der Thermodynamik

Darstellung einer intensiven Zustandsgröße z, die (bei einem homogenen Einphasensystem, z. B. ideales Gas) durch zwei andere, voneinander unabhängige Zustandsgrößen (hier x und y) eindeutig beschrieben werden kann. Die Größe z ist immer dann eine Zustandsgröße, wenn sie ein vollständiges Differential besitzt, mit anderen Worten, sie lässt sich als Punkt auf einer stetig verlaufenden Fläche im Raum darstellen.

In der Thermodynamik erfolgt die eindeutige Beschreibung des aktuellen Zustands eines Systems u. a. mittels der Zustandsgrößen:[1]

Diese Zustandsgrößen bleiben konstant, wenn sich ein System im thermodynamischen Gleichgewicht befindet.

Einige Beziehungen zwischen den verschiedenen Zustandsgrößen hat man unter dem Begriff der Maxwell-Beziehungen zusammengefasst.

Zustandsgrößen sind wegunabhängig, d. h. sie beschreiben nur den aktuellen Zustand eines Systems und nicht, auf welchem Weg es zu diesem Zustand gekommen ist.

Dagegen sind die Prozessgrößen Arbeit und Wärme wegabhängig, d. h. sie hängen wesentlich vom Verlauf der Zustandsänderung ab.

Einteilung

Bei den Zustandsgrößen werden unterschieden:

Bierglas-Beispiel: Die Biermenge im Glas ist eine extensive Größe, da zwei Gläser die doppelte Menge Bier enthalten. Die Temperatur des Bieres hingegen ist eine intensive Größe, da zwei Gläser Bier nicht doppelt so warm sind wie ein einzelnes.

Thermodynamische Zustandsgrößen
intensive Größe extensive Größe
systemeigene Größe -
bezogen auf n, m, V eines Gemischs
bzw. einer Komponente

stoffeigene Größe bezogen auf n, m, V eines Reinstoffs:
Stoffkonstante
molare Größe
=
spezifische Größe
=

bzw. =

Eine weitere Einteilungsmethode teilt die Zustandsgrößen in äußere und innere Zustandsgrößen.

Zustandsgleichungen

Experimentelle Befunde zeigen, dass die genannten Größen nicht unabhängig voneinander geändert werden können, was auch in der Gibbssche Phasenregel bzw. in der Festlegung des Zustands eines Systems auf eine bestimmte Anzahl Freiheitsgrade zum Ausdruck kommt. Die entsprechenden Zusammenhänge zwischen den Zustandsgrößen eines Systems beschreiben Zustandsgleichungen. Die meisten realen Systeme können jedoch nicht durch Zustandsgleichungen beschrieben werden, da zwischen ihren Zustandsgrößen keine mathematische Beziehung formuliert werden kann.

Hingegen lässt sich bei Gasen sehr geringer Dichte ein solcher Zusammenhang unter bestimmten Bedingungen, wie geringem Druck und hoher Temperatur, näherungsweise durch die Annahme eines idealen Verhaltens beschreiben, was in der allgemeinen Gasgleichung ausformuliert wurde:

mit R = 8,3145 J/(mol·K) – allgemeine Gaskonstante

Ebenfalls nur mit einer Näherung, jedoch gültig auch für stärker reale Gase, ist die Van-der-Waals-Gleichung:

Zustandsfunktionen und Zustandsvariablen

Zustandsfunktionen wie die innere Energie oder die Enthalpie eines Systems sind aus den grundlegenderen Zustandsgrößen abgeleitete Größen, welche man als Zustandsvariablen bezeichnet.

Hierbei entscheidet der Einzelfall, welche Größe als Zustandsfunktion und welche als Zustandsvariable genutzt wird. So kann z. B. auch die Enthalpie H als Zustandsvariable genutzt werden, wie bei der Definition der freien Enthalpie G:

Zustandsgrößen in der Astrophysik

In der Astrophysik charakterisieren Zustandsgrößen unter anderem Sterne, indem beispielsweise ihre Oberflächentemperatur, Schwerebeschleunigung an der Oberfläche, Leuchtkraft, Masse und Radius betrachtet werden.

Zustandsgrößen der Zustandsraumdarstellung

Die Zustandsraumdarstellung ist eine Systembeschreibung eines meist technischen Systems mit mehreren Energiespeichern und mindestens einer Eingangsgröße und einer Ausgangsgröße. Die Eingangsgröße kann den Wert Null haben, in diesem Fall ist das System mit seinen Anfangswerten der Energiespeicher zum Zeitpunkt t = 0 für t > 0 sich selbst überlassen und strebt mit seiner Ausgangsgröße nach genügend langer Zeit den Wert Null an (Beispiel gedämpftes Federpendel). Physikalisch betrachtet ist der Zustand eines dynamischen Systems durch den Energiegehalt der im System vorhandenen Energiespeicher bestimmt. Die Zustandsgrößen beschreiben den Energiegehalt der im System enthaltenen Speicherelemente.

Symbolisches Blockschaltbild eines Modells eines Übertragungssystems mit Zustandsvariablen in der Zustandsraumdarstellung für ein Eingrößensystem.

Zwei Wege führen zu einem Zustandsraummodell eines dynamischen Systems:

  • durch Aufstellen des physikalischen Wirkungszusammenhanges mittels Differentialgleichungen 1. Ordnung,
  • durch Umwandlung einer Differentialgleichung höherer Ordnung in ein System gekoppelter Differentialgleichungen 1. Ordnung.

Sämtliche Beziehungen der Zustandsgrößen, der Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen einer Zustandsraummodells werden in Form von Matrizen und Vektoren dargestellt.

Nachfolgend wird die Entstehung, Definition und Anwendung der Zustandsvariablen , die in dem Zustandsvektor zusammengefasst sind, behandelt.

Entstehung der Zustandsvariablen

Ein lineares dynamisches System wird durch eine gewöhnliche Differenzialgleichung mit konstanten Koeffizienten beschrieben.

Der höchste Grad der Ableitung von gibt die Anzahl der Speicherelemente des Systems wieder. Diese Differenzialgleichung kann mit Hilfe der Laplace-Transformation als Übertragungsfunktion definiert werden:

Übertragungsfunktion der Polynomdarstellung und der Zerlegung in die Pol-Nullstellen-Darstellung mit reellen Linearfaktoren:

Dabei bedeuten m = Anzahl der Nullstellen , n = Anzahl der Pole , s = Laplace-Operator.

Zustandsvariablen entstehen aus den Polen des Übertragungssystems:

Die Zustandsvariablen eines linearen Systems n-ter Ordnung mit n Energiespeichern entstehen immer aus den Polen der Übertragungsfunktion. Hat das Übertragungssystem auch Nullstellen - also differenzierende Anteile - so werden die Zustandsvariablen mit den Koeffizienten der Ableitungen der Eingangsgröße u(t) zu der Ausgangsgröße y(t) addiert. Die Pole einer Übertragungsfunktion bestimmen die Geschwindigkeit der Systembewegung und der Stabilität. Die Nullstellen einer Übertragungsfunktion haben nur Einfluss auf die Amplituden des Systems.

Die Zustandsvariablen eines mathematischen Modells eines dynamischen Systems, einer Regelstrecke, können aus der gewöhnlichen systembeschreibenden Differentialgleichung bestimmt werden. Grundlage der Lösung der Differenzialgleichung ist der Signalflussplan mit der grafischen Darstellung der Regelungsnormalform. Dabei werden die Terme der Ableitungen der Ausgangsgröße y(t) jeweils integriert und mit den zugehörigen Koeffizienten auf den Systemeingang zurückgeführt.

Für jede Ableitung von y(t) der Differenzialgleichung wird die Bezeichnung der Zustandsgrößen x(t) wie folgt eingeführt:

In dem Zustandsvektor sind alle Zustandsvariablen zusammengefasst. Zu einem beliebigen Zeitpunkt t(0) sind in dem Zustandsvektor alle Informationen des dynamischen Übertragungssystems enthalten.

Blockschaltbild des Signalflussplanes eines Übertragungssystems 3. Ordnung in der Regelungsnormalform.

Regelungsnormalform

Bei den Zustandsbeschreibungen mit Normalformen nehmen die Zustandsgleichungen besonders einfache und zweckmäßige Formen für bestimmte Berechnungen an. Für die Normalformen wird von der Systembeschreibung des linearen Übertragungssystems durch die Differenzialgleichung oder zugehörige Übertragungsfunktion ausgegangen.

Die Signalstruktur der Regelungsnormalform stellt sich als ein analoges zeitkontinuierliches System dar, das mit der Eingangsgröße die Lösung der Differentialgleichung wiedergibt und gleichzeitig die Zustandsvariablen zeigt.

Das Blockschaltbild der Regelungsnormalform zeigt die Umsetzung und Lösung der Differenzialgleichung in die physikalischen analogen Signalflüsse der Zustandsgrößen einschließlich der Ausgangsgröße bei gegebener Eingangsgröße. Die Lösungsstruktur ergibt sich aus der Umformung der Differenzialgleichung mit der Freistellung der höchsten Ableitung von y(t). Alle Ableitungen werden in der Reihenfolge der Ordnung durch Integratoren integriert und mit den zugehörigen Koeffizienten wieder auf die höchste Ableitung zurückgeführt und subtrahiert. Die Ausgänge der Integratoren bilden die Zustandsvariablen. y(t) ist neben den Zustandsvariablen die Systemausgangsgröße.

Man kann die Regelungsnormalform als eine Weiterentwicklung der in der Analogrechentechnik bekannten Verfahren zur Lösung einer Differentialgleichung n-ter Ordnung mit n Integratoren betrachten. Die Signalflüsse können bei Kenntnis der Koeffizienten der Zustandsvariablen direkt mittels numerischer Berechnung für beliebige Eingangssignale ermittelt und grafisch dargestellt werden.

Sprungantwort der Zustandsvariablen einer PT3-Regelstrecke.

Zeitliches Verhalten der Zustandsvariablen in einer Regelstrecke

Der zeitliche Verlauf der Zustandsvariablen als Folge eines Eingangssprungs u(t) = 1 an dem Modell zeigt den Vorteil der Behandlung des Systems im Zustandsraum gegenüber einer klassischen "Ausgangsrückführung" des Systems. Die Zustandsvariablen x(t) erscheinen zeitlich früher als die Ausgangsgröße y(t). Dieses Verhalten wird beim Zustandsregelkreis genutzt, indem die Zustandsvariablen auf eine Soll-Ist-Differenz mit der Führungsgröße w(t) zurückgeführt werden.

In dem Blockschaltbild der Regelungsnormalform werden die Ableitungen von durch die Zustandsvariablen ersetzt, so dass nicht mehr in Erscheinung tritt.

Voraussetzung zur Rückführung der Zustandsvariablen zu einem Regelkreis:

  • Die Regelstrecke muss steuerbar sein.
  • Alle Zustandsvariablen müssen verfügbar sein. Pol- Nullstellenkompensation im Zustandsraum ist nicht erlaubt, weil Informationsverlust.
  • In der Praxis können die Zustandsvariablen an einer Regelstrecke gemessen werden, was nicht immer möglich ist. Abhilfe geben Beobachter durch Rekonstruktion der Zustandsvariablen, wenn die Strecke beobachtbar ist.

Zustandsregler

Blockschaltbild eines Zustandsreglers für eine Regelstrecke 3. Ordnung eines Eingrößensystems.

Simulationen eines Zustandsregelkreises können mit einem guten Modell der Regelstrecke an einem programmierbaren Rechner einfach durchgeführt werden. Die Beschreibung des Signalflussplanes der Regelstrecke und des Reglers im Zustandsraum kann sowohl in Form von Matrizen als auch mit Differenzengleichungen erfolgen. Je nach Höhe der Ordnung der Differenzialgleichung werden alle Zustandsgrößen einem Zustandsregler zugeführt, der auf den Eingang des Zustandsraummodells der Regelstrecke wirkt. Durch die Rückführung sämtlicher Zustandsvariablen entsteht ein mehrschleifiger Regelkreis.

Der lineare Zustandsregler bewertet die einzelnen Zustandsvariablen der Regelstrecke mit Faktoren und summiert die so entstandenen Zustandsprodukte zu einem Soll-Istwert-Vergleich.

Es handelt sich bei diesem Zustandsregler nicht um einen P-Regler, wenngleich ein solcher Eindruck laut Signalflussplan entstehen könnte. Durch die mit dem Regler zurückgeführten Zustandsvariablen mit Bewertungsfaktoren durchlaufen noch einmal die Rechenschaltung zur Lösung der Differenzialgleichung mit n Integratoren und bilden neue Kreisvariablen, wodurch differenzierendes Verhalten entsteht. Deshalb entspricht die Wirkung der zurückgeführten Zustandsgrößen je nach Höhe der Ordnung n der Differenzialgleichung der Strecke der eines -Reglers.[2]

Als Entwurfsstrategie für die Bestimmung der Bewertungsfaktoren des Zustandsreglers gilt die Polzuweisung (Polvorgabe) des geschlossenen Regelkreises oder auch empirisch. Durch die Hintereinanderschaltung der Integratoren ist nur die Zustandsvariable x1(t) = y(t) eine stationäre Größe >0, wenn die Eingangsgröße u(t) konstant ist. Alle anderen Zustandsvariablen - eine stabile Regelstrecke vorausgesetzt - streben gegen den Wert Null.

Ein Vorfilter vor dem Soll-Ist-Vergleich korrigiert den statischen Fehler zwischen w(t) und y(t), weil es sich hier um eine Zustandsrückführung und nicht um eine Ausgangsrückführung handelt. Das Vorfilter kann entfallen, wenn ein zusätzlicher PI-Regler anstelle des Vorfilters eingesetzt wird, der die statische Regelabweichung minimiert.

Die Regelgüte einer Regelung mit Zustandsvariablen kann durch kein anderes Regelverfahren erreicht werden.

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Dass eine Größe bei einem Zustand des Systems einen festen Wert hat, gilt bis auf wenige Ausnahmen immer, weshalb die Verwendung des Begriffs „Zustandsgröße“ in der Schulphysik nicht unumstritten ist vgl. „Altlasten der Physik“ (Uni Karlsruhe; PDF; 39 kB)
  2. Zustandsregler durch Polvorgabe. In: Oliver Nelles: Vorlesungsmanuskript Meß- und Regelungstechnik II. Universität Siegen, 4. Mai 2010.

Weblinks