„Mittelalterliche Klimaanomalie“ – Versionsunterschied

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Es gab während der mittelalterlichen Warmzeit mit hoher Sicherheit einige Regionen, die damals in etwa so warm waren wie gegen Mitte, teilweise auch Ende des 20. Jahrhunderts. Die Wärmeperioden waren aber im Mittelalter uneinheitlicher. Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Erde weiter erwärmt, die gemittelten nordhemisphärischen Bodentemperaturen der letzten drei Dekaden sind laut fünftem Sachstandsbericht des Weltklimarats wahrscheinlich höher als die gleichlanger Zeiträume im Mittelalter.<ref>{{Literatur | Autor=Valérie Masson-Delmotte u.&nbsp;a. | Titel=Information from Paleoclimate Archives | Sammelwerk=Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change | Herausgeber=IPCC | Kapitel=5.3.5 | Jahr=2013 | Seiten=409–414}}</ref>
Es gab während der mittelalterlichen Warmzeit mit hoher Sicherheit einige Regionen, die damals in etwa so warm waren wie gegen Mitte, teilweise auch Ende des 20. Jahrhunderts. Die Wärmeperioden waren aber im Mittelalter uneinheitlicher. Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Erde weiter erwärmt, die gemittelten nordhemisphärischen Bodentemperaturen der letzten drei Dekaden sind laut fünftem Sachstandsbericht des Weltklimarats wahrscheinlich höher als die gleichlanger Zeiträume im Mittelalter.<ref>{{Literatur | Autor=Valérie Masson-Delmotte u.&nbsp;a. | Titel=Information from Paleoclimate Archives | Sammelwerk=Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change | Herausgeber=IPCC | Kapitel=5.3.5 | Jahr=2013 | Seiten=409–414}}</ref>


== Entwicklung der Forschung ==
Der Begriff ''mittelalterlichen Warmzeit'' wurde in erster Linie vom englischen Klimatologen [[Hubert Lamb|Hubert H. Lamb]] in den 1960er Jahren geprägt. Er bezeichnet damit eine Klimaerwärmung, die Lamb mit 1-2 °C angab und deren Höhepunkt er zwischen den Jahren 1000 und 1300 vermutete.<ref>Lamb, Hubert H.: Klima und Kulturgeschichte: der Einfluß des Wetters auf den Gang der Geschichte, Reinbek 1989, S. 189–206.</ref>


Eine mittelalterliche Klimaanomalie – besonders im europäischen Raum – war zunächst vor allem Forschungsfeld der [[Historische Klimatologie|Historischen Klimatologie]]. Denn für das Europa des Mittelalters, lange vor dem Beginn instrumenteller Messungen, ließen sich aus historischen Dokumenten Rückschlüsse auf klimatische Verhältnisse und ihre Folgen ziehen, schon bevor seit den 1990er Jahren die [[Paläoklimatologie]] vermehrt hochqualitative Rekonstruktionen aus natürlichen [[Klimaarchiv|Klimaarchiven]] bereitstellte. So gibt es für den Zeitraum ab etwa 1300 einigermaßen vollständige historische Berichte über Sommer- und Winterwitterung. Es waren die Pionierarbeiten auf diesem Feld, etwa des englischen Klimatologen [[Hubert Lamb]] oder des französischen Historikers [[Emmanuel Le Roy Ladurie]], die Indizien höherer Temperaturen für den Nordatlantikraum lieferten.<ref name "brazdil2005">{{Literatur | Titel=Historical Climatology in Europe | Kapitel=Kapitel 5.3 Defining the Medieval Warm Period and the Little Ice Age | Online=[ftp://144.122.146.136/pub/iklim/klimet/climdyn_2004_brazdiletal.pdf PDF]}}</ref> Der Begriff ''mittelalterlichen Warmzeit'' wurde denn auch in erster Linie durch die Arbeiten Lambs in den 1960er Jahren geprägt<ref>{{Literatur | Autor=Hubert Lamb | Titel=The Medieval Warm Epoch and its Sequel | Sammelwerk=Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology | Jahr=1965 | Monat=1 | DOI=10.1016/0031-0182(65)90004-0 | Online=[http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.455.9147&rep=rep1&type=pdf PDF]}}</ref> und später von anderen Forschungsfeldern übernommen.<ref name "brazdil2005"/> Lamb bezeichnete damit eine Klimaerwärmung, die er regional mit bis zu 1–2 °C angab und deren Höhepunkt er zwischen den Jahren 1000 und 1300 vermutete. Lamb fand Hinweise auf eine solche Erwärmung vor allem um den [[Nordatlantik]] während sie für den [[Nordpazifik]] auf relativ kühlere Temperaturen deuteten. Als Ursache nahm er Verlagerungen des arktischen [[Polarwirbel]]s an.<ref>Lamb, Hubert H.: Klima und Kulturgeschichte: der Einfluß des Wetters auf den Gang der Geschichte, Reinbek 1989, S. 189–206.</ref>
Mit dem Aufkommen der [[Kontroverse um die globale Erwärmung]] wurde Lambs These leidenschaftlich diskutiert. Den [[Klimaskeptiker]]n gilt die MWP als Beleg für die natürliche Schwankungsbreite des Klimas und als Argument gegen eine vom Menschen verursachte Klimaveränderung in der Gegenwart. Im vierten Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2007 ist dazu zu lesen, dass die Klimaerwärmung im Hochmittelalter weit weniger ausgeprägt (max. 0,2 bis 0,4 °C) und vor allem nur in Teilen Nordwesteuropas zu beobachten war.<ref name="IPCC">Eystein Jansen, Jonathan Overpeck et al. (Working Group I) for the IPCC: Fourth Assessment Report, Chapter 6.6: Palaeoclimate, 2007, [http://www.ipcc.ch/publications_and_data/ar4/wg1/en/ch6s6-6.html Online]</ref> Belegt ist sie aber auch im [[Alpenraum]].

Scott Stine veröffentlichte 1994 paläoklimatologische Analysen, denen zufolge es ab ca. 900 bis 1350 in der [[Sierra Nevada (Vereinigte Staaten)|Sierra Nevada]] Kaliforniens und in [[Patagonien]] mehrere Jahrhunderte dauernde extreme Dürreperioden gegeben hatte. Stine vermutete, dass [[Hydrologie|hydrologische]] Abweichungen im Mittelalter noch bedeutsamer als Temperaturabweichungen gewesen sein könnten. Um auch solche hydrologischen Anomalien einzuschließen, schlug er für das Zeitintervall den allgemeineren Begriff ''mittelalterliche Klimaanomalie'' vor.<ref>{{Literatur | Autor=Scott Stine | Jahr=1994 | Monat=6 | Band=369 | Titel=Extreme and persistent drought in California and Patagonia during mediaeval time | Sammelwerk=Nature | Seiten=546–549 | Online=[http://www.phrelin.com/blog/stine_1993.pdf PDF]}}</ref> Dieser Begriff ist in der Wissenschaft mittlerweile gebräuchlicher.<ref name="diaz2011">{{Literatur | Autor=Henry F. Diaz | Titel=Spatial and Temporal Characteristics of Climate in Medieval Times Revisited | Jahr=2011 | Monat=11 | Sammelwerk=Bulletin of the American Meteorological Society | DOI=10.1175/BAMS-D-10-05003.1 | Online=[http://short.climates.com/cc/MCA.pdf PDF]}}</ref>

Etwa zur gleichen Zeit kamen Hughes and Diaz (1994) in einer Übersichtsarbeit zu dem Ergebnis, dass es noch keine klaren Belege für eine hemisphärische oder globale Wärmeanomalie gab. Zu diesem Zeitpunkt waren hochaufgelöste [[Proxy (Klimaforschung)|Proxydaten]], die großräumig Aufschluss über den Temperaturverlauf vor 1500 hätten geben können, nur spärlich vorhanden. Solche Proxydaten gab es vermehrt erst ab Mitte der 1990er Jahre auch für weitere Regionen, so dass bis 2011 für die mittleren und hohen Breiten zahlreiche Rekonstruktionen möglich wurden, während die Tropen und die Südhemisphäre nach wie vor nur von relativ wenig Datenreihen abgedeckt sind.<ref name="diaz2011"/> Der Weltklimarat kam in seiner Zusammenfassung des Forschungsstands im Jahr 2001 zu dem Ergebnis, dass es zu diesem Zeitpunkt keine klaren Belege für global synchrone Perioden ungewöhnlicher Kälte oder Wärme gab.

Fragen nach Ursachen, Einzigartigkeit und potentiellen Folgen der gegenwärtigen [[Globale Erwärmung|globalen Erwärmung]] lenkten einige Aufmerksamkeit auf die mittelalterliche Klimaanomalie als Vergleichsmaßstab.<ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Brázdil, Christian Pfister, Heinz Wanner, Hans von Storch, Juerg Luterbacher | Titel=Historical Climatology in Europe | Jahr=2005 | Sammelwerk=Climatic Change | Kapitel=Kapitel 5.3 ''Defining the Medieval Warm Period and the Little Ice Age'' | Online=[ftp://144.122.146.136/pub/iklim/klimet/climdyn_2004_brazdiletal.pdf PDF]}}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Henry F. Diaz u.&nbsp;a. | Titel=Spatial and Temporal Characteristics of Climate in Medieval Times Revisited | Jahr=2011}}</ref> Die gesellschaftlichen Indizien und Folgen einer mittelalterlichen Wärmeanomalie im Nordatlantikraum wurden in populärwissenschaftlichen Darstellungen aufgegriffen. Mit dem Aufkommen der medialen und politischen [[Kontroverse um die globale Erwärmung]] argumentierten [[Klimaskeptiker]], vor allem anhand Lambs Darstellung der mittelalterlichen Warmzeit, dass die Temperaturen der letzten Dekaden noch innerhalb innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite des Klimas liegen und deshalb Treibhausgase keine großen Einfluss auf das Klima haben würden.<ref>{{Literatur| Autor=Thomas J. Crowley und Thomas S. Lowery | Titel=How Warm Was the Medieval Warm Period? | Jahr=2000 | Monat=2 | Sammelwerk=AMBIO: A Journal of the Human Environment | Band=29 | Nummer=1 | Seiten=51-54 | DOI=10.1579/0044-7447-29.1.51}}</ref> Auch in der Wissenschaft wurden das Ausmaß einer mittelalterlichen Warmzeit und ihre räumliche Ausdehnung zu Beginn des 21. Jahrhunderts kontrovers diskutiert. <ref>[[Raymond S. Bradley]], Malcolm K. Hughes, Henry F. Diaz: [http://www.geo.umass.edu/faculty/bradley/bradley2003d.pdf ''Climate in Medieval Time.''] (PDF 77,6 KB) In: ''[[Science]]''. Vol.&thinsp;302, Nr.&thinsp;5644, 17. Oktober 2003, S.&thinsp;404&thinsp;–&thinsp;405, {{DOI|10.1126/science.1090372}}.</ref><ref>{{Literatur|Autor=[[Wallace S. Broecker]]|Titel=[http://faculty.fgcu.edu/twimberley/EnviroPol/EnviroPhilo/Medieval.pdf Was the Medieval Warm Period Global?] (PDF 462 KB)|Sammelwerk=[[Science]]|Band=Vol.&thinsp;291|Nummer=5508|Tag=23|Monat=Februar|Jahr=2001|Seiten=1.497&thinsp;–&thinsp;1.499|DOI= 10.1126/science.291.5508.1497}}</ref><ref name="crowley_lowery(2000)">{{cite journal |doi=10.1579/0044-7447-29.1.51 |title=How Warm Was the Medieval Warm Period? |year=2000 |last1=Crowley |first1=Thomas J. |last2=Lowery |first2=Thomas S. |journal=AMBIO: A Journal of the Human Environment |volume=29 |pages=51}}</ref>

Weitere Rekonstruktionen, zum Beispiel aus dem ''Pages 2k''-Projekt<ref name="pages2k"/>, mit einer zunehmend besseren regionalen Abdeckung erlauben mittlerweile eine klarere Einordnung zumindest der nordhemisphärischen Temperatuen. Im Jahr 2013 kam der fünfte Sachstandsbericht des Weltklimarats zu dem Schluss, dass es eine regional und zeitlich uneinheitliche mittelalterliche Klimaanomalie gab, die in einigen Regionen so warm gewesen sein könnte wie Teile des 20. Jahrhunderts, die gemittelten nordhemisphärischen Bodentemperaturen der letzten drei Dekaden sind aber wahrscheinlich höher als die gleichlanger Zeiträume im Mittelalter.<ref>{{Literatur | Autor=Valérie Masson-Delmotte u.&nbsp;a. | Titel=Information from Paleoclimate Archives | Sammelwerk=Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change | Herausgeber=IPCC | Kapitel=5.3.5 | Jahr=2013 | Seiten=409–414}}</ref>

Gelegentlich wurde eine mittelalterliche Warmzeit auch anhand der Ausdehnung von Gletschern definiert. In dieser Sichtweise war die MWP durch einen vermuteten weiträumigen Gletscherrückgang zwischen ca. 900 und 1300 gekennzeichnet.<ref>{{Literatur | Titel=Historical Climatology in Europe | Kapitel=Kapitel 5.3 Defining the Medieval Warm Period and the Little Ice Age | Online=[ftp://144.122.146.136/pub/iklim/klimet/climdyn_2004_brazdiletal.pdf PDF]}}</ref>

Rudolf Brázdil u.&nbsp;a. (2005) warnten vor der Verwendung des Begriffs ''Mittelalterliche Warmzeit'' in Vergleichen klimatischer Bedingungen mit geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Bezeichnung sei nicht sehr hilfreich, weil sie Komplexität überdecke und zu voreiligen Schlüssen verleite.<ref>{{Literatur | Autor=Ruddolf Brázdil, Christian Pfister, Heinz Wanner, Hans von Storch und Jürg Luterbacher | Titel=Historical Climatology in Europe | Jahr=2005 | Sammelwerk=Climatic Change | Band=70 | Nummer=3 | Seiten=404 | Online=[ftp://144.122.146.136/pub/iklim/klimet/climdyn_2004_brazdiletal.pdf PDF]}}</ref>


== Argumente gegen eine mittelalterliche Warmzeit (bzw. für eine nur geringe Erwärmung) ==
== Argumente gegen eine mittelalterliche Warmzeit (bzw. für eine nur geringe Erwärmung) ==
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Im Vergleich zu heute wird die damalige Situation vom IPCC im vierten Sachstandsbericht von 2007 wie folgt beschrieben:
Im Vergleich zu heute wird die damalige Situation vom IPCC im vierten Sachstandsbericht von 2007 wie folgt beschrieben:
{{Zitat-en|Text=''The evidence currently available indicates that NH mean temperatures during medieval times (950-1100) were indeed warm in a 2-kyr context and even warmer in relation to the less sparse but still limited evidence of widespread average cool conditions in the 17th century (…). However, the evidence is not sufficient to support a conclusion that hemispheric mean temperatures were as warm, or the extent of warm regions as expansive, as those in the 20th century as a whole, during any period in medieval times (…).''|Autor=[[Intergovernmental Panel on Climate Change|IPCC]]|lang=en|Übersetzung=Die derzeit verfügbaren Belege lassen darauf schließen, dass die mittleren Temperaturen der Nordhemisphäre während der mittelalterlichen Warmzeit<!-- das ist aber eine sehr freie Übersetzung von "medieval times" --> (950&thinsp;–&thinsp;1100 n.&thinsp;Chr.), im Vergleich der letzten 2000 Jahre, tatsächlich warm waren. Erst recht gilt dies im Vergleich zu den weniger lückenhaften, aber nach wie vor nur begrenzt vorhandenen Zeugnissen für weitverbreitete durchschnittlich kalte Bedingungen im 17. Jahrhundert (…). Trotzdem sind die Nachweise nicht ausreichend, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass die hemisphärischen Durchschnittstemperaturen zu irgendeiner Zeit des Mittelalters so warm waren oder das Ausmaß warmer Regionen so groß war, wie dies im gesamten 20. Jahrhundert der Fall gewesen ist (…).|Quelle=''Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate''|ref=<ref name="IPCC"/>}}
{{Zitat-en|Text=''The evidence currently available indicates that NH mean temperatures during medieval times (950-1100) were indeed warm in a 2-kyr context and even warmer in relation to the less sparse but still limited evidence of widespread average cool conditions in the 17th century (…). However, the evidence is not sufficient to support a conclusion that hemispheric mean temperatures were as warm, or the extent of warm regions as expansive, as those in the 20th century as a whole, during any period in medieval times (…).''|Autor=[[Intergovernmental Panel on Climate Change|IPCC]]|lang=en|Übersetzung=Die derzeit verfügbaren Belege lassen darauf schließen, dass die mittleren Temperaturen der Nordhemisphäre während der mittelalterlichen Warmzeit<!-- das ist aber eine sehr freie Übersetzung von "medieval times" --> (950&thinsp;–&thinsp;1100 n.&thinsp;Chr.), im Vergleich der letzten 2000 Jahre, tatsächlich warm waren. Erst recht gilt dies im Vergleich zu den weniger lückenhaften, aber nach wie vor nur begrenzt vorhandenen Zeugnissen für weitverbreitete durchschnittlich kalte Bedingungen im 17. Jahrhundert (…). Trotzdem sind die Nachweise nicht ausreichend, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass die hemisphärischen Durchschnittstemperaturen zu irgendeiner Zeit des Mittelalters so warm waren oder das Ausmaß warmer Regionen so groß war, wie dies im gesamten 20. Jahrhundert der Fall gewesen ist (…).|Quelle=''Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate''|ref=<ref name="IPCC">Eystein Jansen, Jonathan Overpeck et al. (Working Group I) for the IPCC: Fourth Assessment Report, Chapter 6.6: Palaeoclimate, 2007, [http://www.ipcc.ch/publications_and_data/ar4/wg1/en/ch6s6-6.html Online]</ref>}}


[[Proxy (Klimaforschung)|Proxydaten]] für bestimmte Regionen – z.&thinsp;B. Teile Grönlands – lassen darauf schließen, dass manche Gebiete zumindest zeitweise wärmer waren als heute.<ref>{{Literatur|Autor=D. Dahl-Jensen, K. Mosegaard, N. Gundestrup, G. D. Clow, S. J. Johnsen, A. W. Hansen, N. Balling|Titel=[http://courses.washington.edu/pcc589/2009/readings/Dahl_Jensen.pdf Past Temperatures Directly from the Greenland Ice Sheet] (PDF 617 KB)|Sammelwerk=Science|Band=Vol.&thinsp;282|Nummer=5387|Tag=9.|Monat=Oktober|Jahr=1998|Seiten=268&thinsp;–&thinsp;271|DOI=10.1126/science.282.5387.268|Online=}}</ref>
[[Proxy (Klimaforschung)|Proxydaten]] für bestimmte Regionen – z.&thinsp;B. Teile Grönlands – lassen darauf schließen, dass manche Gebiete zumindest zeitweise wärmer waren als heute.<ref>{{Literatur|Autor=D. Dahl-Jensen, K. Mosegaard, N. Gundestrup, G. D. Clow, S. J. Johnsen, A. W. Hansen, N. Balling|Titel=[http://courses.washington.edu/pcc589/2009/readings/Dahl_Jensen.pdf Past Temperatures Directly from the Greenland Ice Sheet] (PDF 617 KB)|Sammelwerk=Science|Band=Vol.&thinsp;282|Nummer=5387|Tag=9|Monat=Oktober|Jahr=1998|Seiten=268&thinsp;–&thinsp;271|DOI=10.1126/science.282.5387.268|Online=}}</ref>
Aus Eiskernen, Baumringen und Seesedimenten gewonnene Temperaturrekonstruktionen zeigten, dass es zur Zeit der mittelalterlichen Warmzeit global leicht kühler war (um ca. 0,03 °C) als während des frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhunderts.<ref name="bradley(2003)">{{cite web | last=Bradley | first=Raymond S. | authorlink=Raymond S. Bradley | publisher=Climate System Research Center | title=Climate of the Last Millennium | year=2003 | url=http://stephenschneider.stanford.edu/Publications/PDF_Papers/Bradley.pdf | format=PDF; 230&nbsp;kB| accessdate=2013-10-14}}</ref><ref name="crowley_lowery(2000)">{{cite journal |doi=10.1579/0044-7447-29.1.51 |title=How Warm Was the Medieval Warm Period? |year=2000 |last1=Crowley |first1=Thomas J. |last2=Lowery |first2=Thomas S. |journal=AMBIO: A Journal of the Human Environment |volume=29 |pages=51}}</ref><ref>{{cite journal | author = PAGES 2k Consortium | year = 2013 | month = 5 | title = '''Continental-scale temperature variability during the past two millennia''' | journal = Nature Geoscience | volume = 6 | issue = 5 | pages = 339-346 | bibcode = | doi = 10.1038/ngeo1797 | pmid = | arxiv = | id = | url = http://www.nature.com/ngeo/journal/v6/n5/full/ngeo1797.html | format = html | accessdate = 2013-05-13 | language = en}}</ref>
Aus Eiskernen, Baumringen und Seesedimenten gewonnene Temperaturrekonstruktionen zeigten, dass es zur Zeit der mittelalterlichen Warmzeit global leicht kühler war (um ca. 0,03 °C) als während des frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhunderts.<ref name="bradley(2003)">{{cite web | last=Bradley | first=Raymond S. | authorlink=Raymond S. Bradley | publisher=Climate System Research Center | title=Climate of the Last Millennium | year=2003 | url=http://stephenschneider.stanford.edu/Publications/PDF_Papers/Bradley.pdf | format=PDF; 230&nbsp;kB| accessdate=2013-10-14}}</ref><ref name="crowley_lowery(2000)">{{cite journal |doi=10.1579/0044-7447-29.1.51 |title=How Warm Was the Medieval Warm Period? |year=2000 |last1=Crowley |first1=Thomas J. |last2=Lowery |first2=Thomas S. |journal=AMBIO: A Journal of the Human Environment |volume=29 |pages=51}}</ref><ref name="pages2k">{{cite journal | author = PAGES 2k Consortium | year = 2013 | month = 5 | title = ''Continental-scale temperature variability during the past two millennia'' | journal = Nature Geoscience | volume = 6 | issue = 5 | pages = 339-346 | bibcode = | doi = 10.1038/ngeo1797 | pmid = | arxiv = | id = | url = http://www.nature.com/ngeo/journal/v6/n5/full/ngeo1797.html | format = html | accessdate = 2013-05-13 | language = en}}</ref>


== Argumente, die für eine (stärkere) mittelalterliche Warmzeit sprechen ==
== Argumente, die für eine (stärkere) mittelalterliche Warmzeit sprechen ==
<!-- ergänzen: Jones (2008) http://logocom.be/technisch/opwarming/JonesClimatology.pdf zur Bedeutung anekdotischer Hinweise -->
Die gewachsenen Gletscher in vielen Teilen der Welt zwischen 1050 und 1150 sieht speziell Pierre Alexandre nicht als Argument gegen eine MWP an. Zum einen spricht er, anders als Lamb, von einer gesicherten Dokumentation für eine Erwärmung erst ab dem Jahre 1200. Zum anderen postuliert er die These, dass die längsten warmen Phasen zwischen 1261 und 1361 gelegen hätten.<ref>Behringer Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, Bonn 2007,S. 103–115.</ref>
Die gewachsenen Gletscher in vielen Teilen der Welt zwischen 1050 und 1150 sieht speziell Pierre Alexandre nicht als Argument gegen eine MWP an. Zum einen spricht er, anders als Lamb, von einer gesicherten Dokumentation für eine Erwärmung erst ab dem Jahre 1200. Zum anderen postuliert er die These, dass die längsten warmen Phasen zwischen 1261 und 1361 gelegen hätten.<ref>Behringer Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, Bonn 2007,S. 103–115.</ref>
Für eine MWP sprechen aber eine Vielzahl andere Argumente. Angefangen mit der Entdeckung eines Erdbegräbnisses in Grönland in heutigem [[Permafrostboden]]<ref>Rösener Werner: Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive, in Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 1, 2010, S. 26–38.</ref> über die Besiedlung Islands bis hin zu einem Anstieg der Baumgrenze in den Alpen auf über 2000 Meter.<ref>Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 103–104.</ref> Dass die Warmzeit nicht nur eine auf den europäischen Kontinent bezogene Erscheinung war, zeigt die „Nordwanderung“ der Vegetation in Asien bei subtropischen Gewächsen wie Zitrusfrüchten, die 1264 einige hundert Kilometer weiter nördlich wuchsen als im 20. Jahrhundert.<ref>Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 110–114.</ref> Weiter gilt es als nachgewiesen, dass die Gletscher seit 1200 weltweit abnahmen. So kann noch davon berichtet werden, dass die Malaria übertragende Anopheles-Mücke in weiten Teilen Europas verbreitet war und dass selbst Heuschreckenplagen bis ins 14. Jahrhundert in Mitteleuropa belegt sind.<ref>Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 111–114.</ref><ref>O.Muszkat, ''Überblick über die Probleme und Methoden der Forschung nach der Geschichte des Klimas'': Rocznik Historyczno-Archiwalny (pol), Przemyśl 2014, {{ISSN|1232-7263}}.</ref>
Für eine MWP sprechen aber eine Vielzahl andere Argumente. Angefangen mit der Entdeckung eines Erdbegräbnisses in Grönland in heutigem [[Permafrostboden]]<ref>Rösener Werner: Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive, in Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 1, 2010, S. 26–38.</ref> über die Besiedlung Islands bis hin zu einem Anstieg der Baumgrenze in den Alpen auf über 2000 Meter.<ref>Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 103–104.</ref> Dass die Warmzeit nicht nur eine auf den europäischen Kontinent bezogene Erscheinung war, zeigt die „Nordwanderung“ der Vegetation in Asien bei subtropischen Gewächsen wie Zitrusfrüchten, die 1264 einige hundert Kilometer weiter nördlich wuchsen als im 20. Jahrhundert.<ref>Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 110–114.</ref> Weiter gilt es als nachgewiesen, dass die Gletscher seit 1200 weltweit abnahmen. So kann noch davon berichtet werden, dass die Malaria übertragende Anopheles-Mücke in weiten Teilen Europas verbreitet war und dass selbst Heuschreckenplagen bis ins 14. Jahrhundert in Mitteleuropa belegt sind.<ref>Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 111–114.</ref><ref>O.Muszkat, ''Überblick über die Probleme und Methoden der Forschung nach der Geschichte des Klimas'': Rocznik Historyczno-Archiwalny (pol), Przemyśl 2014, {{ISSN|1232-7263}}.</ref>
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Die milderen Temperaturen während des mittelalterlichen Optimums können auf eine deutlich verstärkte [[Sonnenaktivität]] und weltweit ungewöhnlich geringe [[Vulkanismus|Vulkanaktivitäten]] zurückzuführen sein. Letzteres würde bewirken, dass weniger [[Aerosol]]e das Sonnenlicht reflektierten und ihre kühlende Wirkung somit reduziert würde.
Die milderen Temperaturen während des mittelalterlichen Optimums können auf eine deutlich verstärkte [[Sonnenaktivität]] und weltweit ungewöhnlich geringe [[Vulkanismus|Vulkanaktivitäten]] zurückzuführen sein. Letzteres würde bewirken, dass weniger [[Aerosol]]e das Sonnenlicht reflektierten und ihre kühlende Wirkung somit reduziert würde.


Andere Theorien verweisen auf periodische Schwankungen (ca. 1000&thinsp;–&thinsp;2000 Jahre) des [[Nordatlantikstrom]]s als Ursache. Durch Verdunstung von 0,25&thinsp;×&thinsp;10<sup>6</sup>&thinsp;m³/s Wasser, welches in den Pazifik verfrachtet wird, steigt der [[Salzgehalt]] des Atlantiks an. Die Zirkulation des globalen Förderbandes soll ca. alle 1500&nbsp;Jahre stark ansteigen, um den Salzgehalt auszugleichen. Dies sei mit Temperaturschwankungen des Meerwassers in der Größenordnung von 4 bis 5&thinsp;[[Kelvin|K]] verbunden, wodurch sich auch die Temperaturen an Land ändern könnten.<ref>{{Literatur|Autor=[[Wallace S. Broecker]]|Titel=[http://faculty.fgcu.edu/twimberley/EnviroPol/EnviroPhilo/Medieval.pdf Was the Medieval Warm Period Global?] (PDF 462 KB)|Sammelwerk=[[Science]]|Band=Vol.&thinsp;291|Nummer=5508|Tag=23.|Monat=Februar|Jahr=2001|Seiten=1.497&thinsp;–&thinsp;1.499|DOI= 10.1126/science.291.5508.1497}}</ref>
Andere Theorien verweisen auf periodische Schwankungen (ca. 1000&thinsp;–&thinsp;2000 Jahre) des [[Nordatlantikstrom]]s als Ursache. Durch Verdunstung von 0,25&thinsp;×&thinsp;10<sup>6</sup>&thinsp;m³/s Wasser, welches in den Pazifik verfrachtet wird, steigt der [[Salzgehalt]] des Atlantiks an. Die Zirkulation des globalen Förderbandes soll ca. alle 1500&nbsp;Jahre stark ansteigen, um den Salzgehalt auszugleichen. Dies sei mit Temperaturschwankungen des Meerwassers in der Größenordnung von 4 bis 5&thinsp;[[Kelvin|K]] verbunden, wodurch sich auch die Temperaturen an Land ändern könnten.<ref>{{Literatur|Autor=[[Wallace S. Broecker]]|Titel=[http://faculty.fgcu.edu/twimberley/EnviroPol/EnviroPhilo/Medieval.pdf Was the Medieval Warm Period Global?] (PDF 462 KB)|Sammelwerk=[[Science]]|Band=Vol.&thinsp;291|Nummer=5508|Tag=23|Monat=Februar|Jahr=2001|Seiten=1.497&thinsp;–&thinsp;1.499|DOI= 10.1126/science.291.5508.1497}}</ref>


== Wissenschaftliche Kontroverse ==
== Wissenschaftliche Kontroverse ==
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Der für seine klimaskeptischen Positionen bekannte Historiker [[Wolfgang Behringer]] sieht die in Europa beobachteten Auswirkungen der mittelalterlichen Warmzeit als Beleg dafür, dass eine globale Erwärmung positiv für die Menschheit sei. Er argumentiert, dass es der Menschheit in kälteren Phasen schlechter und in wärmeren Phasen besser gegangen sei.<ref>Wir Menschen profitieren von der Erderwärmung [http://www.welt.de/wissenschaft/article108940013/Wir-Menschen-profitieren-von-der-Erderwaermung.html die Welt, Zeitungsartikel vom 3. September 2012]</ref>
Der für seine klimaskeptischen Positionen bekannte Historiker [[Wolfgang Behringer]] sieht die in Europa beobachteten Auswirkungen der mittelalterlichen Warmzeit als Beleg dafür, dass eine globale Erwärmung positiv für die Menschheit sei. Er argumentiert, dass es der Menschheit in kälteren Phasen schlechter und in wärmeren Phasen besser gegangen sei.<ref>Wir Menschen profitieren von der Erderwärmung [http://www.welt.de/wissenschaft/article108940013/Wir-Menschen-profitieren-von-der-Erderwaermung.html die Welt, Zeitungsartikel vom 3. September 2012]</ref>


Dem kann entgegengehalten werden, dass man die Auswirkungen der mittelalterlichen Warmzeit nur für einige Regionen der Erde kennt, für viele Regionen fehlen Belege; im tropischen Südchina<ref>{{cite journal | author = Guoqiang Chu | year = 2002 | month = Juli | title = '''The ‘Mediaeval Warm Period’ drought recorded in Lake Huguangyan, tropical South China''' | journal = The Holocene | volume = 12 | issue = 5 | pages = 511-516 | bibcode = | doi = 10.1191/0959683602hl566ft | pmid = | arxiv = | id = | url = http://ruby.fgcu.edu/courses/twimberley/EnviroPol/EnviroPhilo/Holocene.pdf | format = pdf | accessdate = 2013-05-12| language = en}}</ref> war dies eine Zeit einer ausgeprägten, in Nordamerika<ref>{{cite journal | author = Edward R. Cook et al. | year = 2004 | month = November | title = '''Long-Term Aridity Changes in the Western United States''' | journal = Science | volume = 306 | issue = 5698 | pages = 1015-1018 | bibcode = | doi = 10.1126/science.1102586 | pmid = | arxiv = | id = | url = http://www.sciencemag.org/content/306/5698/1015.short | format = html | accessdate = 2013-05-12|language = en }}</ref> sogar einer extremen Dürre. Somit ist es keinesfalls sicher, dass zu dieser Zeit bei globaler Betrachtung günstigere Lebensverhältnisse geherrscht haben.
Dem kann entgegengehalten werden, dass man die Auswirkungen der mittelalterlichen Warmzeit nur für einige Regionen der Erde kennt, für viele Regionen fehlen Belege; im tropischen Südchina<ref>{{cite journal | author = Guoqiang Chu | year = 2002 | month = Juli | title = ''The ‘Mediaeval Warm Period’ drought recorded in Lake Huguangyan, tropical South China'' | journal = The Holocene | volume = 12 | issue = 5 | pages = 511-516 | bibcode = | doi = 10.1191/0959683602hl566ft | pmid = | arxiv = | id = | url = http://ruby.fgcu.edu/courses/twimberley/EnviroPol/EnviroPhilo/Holocene.pdf | format = pdf | accessdate = 2013-05-12| language = en}}</ref> war dies eine Zeit einer ausgeprägten, in Nordamerika<ref>{{cite journal | author = Edward R. Cook et al. | year = 2004 | month = November | title = ''Long-Term Aridity Changes in the Western United States'' | journal = Science | volume = 306 | issue = 5698 | pages = 1015-1018 | bibcode = | doi = 10.1126/science.1102586 | pmid = | arxiv = | id = | url = http://www.sciencemag.org/content/306/5698/1015.short | format = html | accessdate = 2013-05-12|language = en }}</ref> sogar einer extremen Dürre. Somit ist es keinesfalls sicher, dass zu dieser Zeit bei globaler Betrachtung günstigere Lebensverhältnisse geherrscht haben.


Als die Diskussion um die mittelalterliche Warmzeit Mitte der 1960er Jahre begann, war dies eine Phase der [[Globale Abkühlung|globalen Abkühlung]], die sich bis Mitte der 1970er Jahre erstreckte. Eine damalige Erwärmung auf das Niveau der mittelalterlichen Warmzeit wäre in dieser Zeit wohl tatsächlich in einigen Regionen vorteilhaft gewesen. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass es Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auch in Europa bereits wärmer als während der mittelalterlichen Warmzeit war.
Als die Diskussion um die mittelalterliche Warmzeit Mitte der 1960er Jahre begann, war dies eine Phase der [[Globale Abkühlung|globalen Abkühlung]], die sich bis Mitte der 1970er Jahre erstreckte. Eine damalige Erwärmung auf das Niveau der mittelalterlichen Warmzeit wäre in dieser Zeit wohl tatsächlich in einigen Regionen vorteilhaft gewesen. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass es Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auch in Europa bereits wärmer als während der mittelalterlichen Warmzeit war.
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* [[Ulrich Willerding]]: ''Über Klimaentwicklung und Vegetationsverhältnisse im Zeitraum Eisenzeit bis Mittelalter'', in: Herbert Jankuhn u.a. [Hrsg.]: ''Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters''. Göttingen 1977, S. 357–405.
* [[Ulrich Willerding]]: ''Über Klimaentwicklung und Vegetationsverhältnisse im Zeitraum Eisenzeit bis Mittelalter'', in: Herbert Jankuhn u.a. [Hrsg.]: ''Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters''. Göttingen 1977, S. 357–405.
* [[Intergovernmental Panel on Climate Change]], Working Group I (2007): [http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/wg1/ar4-wg1-chapter6.pdf ''Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate''.] (PDF 7,7 MB) S.&thinsp;466&thinsp;–&thinsp;481.
* [[Intergovernmental Panel on Climate Change]], Working Group I (2007): [http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/wg1/ar4-wg1-chapter6.pdf ''Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate''.] (PDF 7,7 MB) S.&thinsp;466&thinsp;–&thinsp;481.
* [[Raymond S. Bradley]], [[Malcolm K. Hughes]], Henry F. Diaz: [http://www.geo.umass.edu/faculty/bradley/bradley2003d.pdf ''Climate in Medieval Time.''] (PDF 77,6 KB) In: ''[[Science]]''. Vol.&thinsp;302, Nr.&thinsp;5644, 17. Oktober 2003, S.&thinsp;404&thinsp;–&thinsp;405, {{DOI|10.1126/science.1090372}}.
* [[Raymond S. Bradley]], Malcolm K. Hughes, Henry F. Diaz: [http://www.geo.umass.edu/faculty/bradley/bradley2003d.pdf ''Climate in Medieval Time.''] (PDF 77,6 KB) In: ''[[Science]]''. Vol.&thinsp;302, Nr.&thinsp;5644, 17. Oktober 2003, S.&thinsp;404&thinsp;–&thinsp;405, {{DOI|10.1126/science.1090372}}.
* [[Werner Rösener]]: ''Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive''. In: ''[[Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie]]''. Nr. 1, 2010, S. 26–38.
* [[Werner Rösener]]: ''Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive''. In: ''[[Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie]]''. Nr. 1, 2010, S. 26–38.



Version vom 19. Mai 2016, 01:06 Uhr

Temperaturvariationen im Holozän

Die mittelalterliche Warmzeit (engl. Medieval Warm Period, MWP oder auch mittelalterliches Klimaoptimum), allgemeiner mittelalterliche Klimaanomalie (engl. Medieval Climate Anomaly, MCA), war ein Intervall vergleichsweise warmen Klimas und anderer Klimaabweichungen, wie umfassenden kontinentalen Dürren. Die MWP lässt sich regional und zeitlich nur unscharf einordnen, den meisten Rekonstruktionen zufolge dürfte sie nach 900 begonnen und vor 1400 geendet haben, mit einem wärmsten Zeitraum in der Nordhemisphäre zwischen 950 und 1250.

Es gab während der mittelalterlichen Warmzeit mit hoher Sicherheit einige Regionen, die damals in etwa so warm waren wie gegen Mitte, teilweise auch Ende des 20. Jahrhunderts. Die Wärmeperioden waren aber im Mittelalter uneinheitlicher. Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Erde weiter erwärmt, die gemittelten nordhemisphärischen Bodentemperaturen der letzten drei Dekaden sind laut fünftem Sachstandsbericht des Weltklimarats wahrscheinlich höher als die gleichlanger Zeiträume im Mittelalter.[1]

Entwicklung der Forschung

Eine mittelalterliche Klimaanomalie – besonders im europäischen Raum – war zunächst vor allem Forschungsfeld der Historischen Klimatologie. Denn für das Europa des Mittelalters, lange vor dem Beginn instrumenteller Messungen, ließen sich aus historischen Dokumenten Rückschlüsse auf klimatische Verhältnisse und ihre Folgen ziehen, schon bevor seit den 1990er Jahren die Paläoklimatologie vermehrt hochqualitative Rekonstruktionen aus natürlichen Klimaarchiven bereitstellte. So gibt es für den Zeitraum ab etwa 1300 einigermaßen vollständige historische Berichte über Sommer- und Winterwitterung. Es waren die Pionierarbeiten auf diesem Feld, etwa des englischen Klimatologen Hubert Lamb oder des französischen Historikers Emmanuel Le Roy Ladurie, die Indizien höherer Temperaturen für den Nordatlantikraum lieferten.[2] Der Begriff mittelalterlichen Warmzeit wurde denn auch in erster Linie durch die Arbeiten Lambs in den 1960er Jahren geprägt[3] und später von anderen Forschungsfeldern übernommen.Referenzfehler: Ungültige <ref>-Verwendung: „ref“ ohne Inhalt muss einen Namen haben. Lamb bezeichnete damit eine Klimaerwärmung, die er regional mit bis zu 1–2 °C angab und deren Höhepunkt er zwischen den Jahren 1000 und 1300 vermutete. Lamb fand Hinweise auf eine solche Erwärmung vor allem um den Nordatlantik während sie für den Nordpazifik auf relativ kühlere Temperaturen deuteten. Als Ursache nahm er Verlagerungen des arktischen Polarwirbels an.[4]

Scott Stine veröffentlichte 1994 paläoklimatologische Analysen, denen zufolge es ab ca. 900 bis 1350 in der Sierra Nevada Kaliforniens und in Patagonien mehrere Jahrhunderte dauernde extreme Dürreperioden gegeben hatte. Stine vermutete, dass hydrologische Abweichungen im Mittelalter noch bedeutsamer als Temperaturabweichungen gewesen sein könnten. Um auch solche hydrologischen Anomalien einzuschließen, schlug er für das Zeitintervall den allgemeineren Begriff mittelalterliche Klimaanomalie vor.[5] Dieser Begriff ist in der Wissenschaft mittlerweile gebräuchlicher.[6]

Etwa zur gleichen Zeit kamen Hughes and Diaz (1994) in einer Übersichtsarbeit zu dem Ergebnis, dass es noch keine klaren Belege für eine hemisphärische oder globale Wärmeanomalie gab. Zu diesem Zeitpunkt waren hochaufgelöste Proxydaten, die großräumig Aufschluss über den Temperaturverlauf vor 1500 hätten geben können, nur spärlich vorhanden. Solche Proxydaten gab es vermehrt erst ab Mitte der 1990er Jahre auch für weitere Regionen, so dass bis 2011 für die mittleren und hohen Breiten zahlreiche Rekonstruktionen möglich wurden, während die Tropen und die Südhemisphäre nach wie vor nur von relativ wenig Datenreihen abgedeckt sind.[6] Der Weltklimarat kam in seiner Zusammenfassung des Forschungsstands im Jahr 2001 zu dem Ergebnis, dass es zu diesem Zeitpunkt keine klaren Belege für global synchrone Perioden ungewöhnlicher Kälte oder Wärme gab.

Fragen nach Ursachen, Einzigartigkeit und potentiellen Folgen der gegenwärtigen globalen Erwärmung lenkten einige Aufmerksamkeit auf die mittelalterliche Klimaanomalie als Vergleichsmaßstab.[7][8] Die gesellschaftlichen Indizien und Folgen einer mittelalterlichen Wärmeanomalie im Nordatlantikraum wurden in populärwissenschaftlichen Darstellungen aufgegriffen. Mit dem Aufkommen der medialen und politischen Kontroverse um die globale Erwärmung argumentierten Klimaskeptiker, vor allem anhand Lambs Darstellung der mittelalterlichen Warmzeit, dass die Temperaturen der letzten Dekaden noch innerhalb innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite des Klimas liegen und deshalb Treibhausgase keine großen Einfluss auf das Klima haben würden.[9] Auch in der Wissenschaft wurden das Ausmaß einer mittelalterlichen Warmzeit und ihre räumliche Ausdehnung zu Beginn des 21. Jahrhunderts kontrovers diskutiert. [10][11][12]

Weitere Rekonstruktionen, zum Beispiel aus dem Pages 2k-Projekt[13], mit einer zunehmend besseren regionalen Abdeckung erlauben mittlerweile eine klarere Einordnung zumindest der nordhemisphärischen Temperatuen. Im Jahr 2013 kam der fünfte Sachstandsbericht des Weltklimarats zu dem Schluss, dass es eine regional und zeitlich uneinheitliche mittelalterliche Klimaanomalie gab, die in einigen Regionen so warm gewesen sein könnte wie Teile des 20. Jahrhunderts, die gemittelten nordhemisphärischen Bodentemperaturen der letzten drei Dekaden sind aber wahrscheinlich höher als die gleichlanger Zeiträume im Mittelalter.[14]

Gelegentlich wurde eine mittelalterliche Warmzeit auch anhand der Ausdehnung von Gletschern definiert. In dieser Sichtweise war die MWP durch einen vermuteten weiträumigen Gletscherrückgang zwischen ca. 900 und 1300 gekennzeichnet.[15]

Rudolf Brázdil u. a. (2005) warnten vor der Verwendung des Begriffs Mittelalterliche Warmzeit in Vergleichen klimatischer Bedingungen mit geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Bezeichnung sei nicht sehr hilfreich, weil sie Komplexität überdecke und zu voreiligen Schlüssen verleite.[16]

Argumente gegen eine mittelalterliche Warmzeit (bzw. für eine nur geringe Erwärmung)

Rekonstruierter Temperaturverlauf der letzten 2000 Jahre nach verschiedenen Quellen, im Vergleich dazu auch die direkt gemessenen Temperaturen bis einschließlich 2004

Von Michael Mann, Raymond S. Bradley und Malcom Hughes, den drei Autoren des Hockeyschläger-Diagramms, wird die Höhe des Temperaturanstieges in Zweifel gezogen. So wird der einseitige Bezug von Lamb auf Nordwesteuropa kritisiert und somit die weltweite Gültigkeit der Beobachtung angezweifelt. Außerdem wuchsen in vielen Hochgebirgsregionen der Welt wie den Alpengebieten, Kanada, Patagonien sowie Alaska u.a. die Gletscher im Untersuchungszeitraum zwischen 1050 und 1150.[17]

Im Vergleich zu heute wird die damalige Situation vom IPCC im vierten Sachstandsbericht von 2007 wie folgt beschrieben:

The evidence currently available indicates that NH mean temperatures during medieval times (950-1100) were indeed warm in a 2-kyr context and even warmer in relation to the less sparse but still limited evidence of widespread average cool conditions in the 17th century (…). However, the evidence is not sufficient to support a conclusion that hemispheric mean temperatures were as warm, or the extent of warm regions as expansive, as those in the 20th century as a whole, during any period in medieval times (…).

„Die derzeit verfügbaren Belege lassen darauf schließen, dass die mittleren Temperaturen der Nordhemisphäre während der mittelalterlichen Warmzeit (950 – 1100 n. Chr.), im Vergleich der letzten 2000 Jahre, tatsächlich warm waren. Erst recht gilt dies im Vergleich zu den weniger lückenhaften, aber nach wie vor nur begrenzt vorhandenen Zeugnissen für weitverbreitete durchschnittlich kalte Bedingungen im 17. Jahrhundert (…). Trotzdem sind die Nachweise nicht ausreichend, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass die hemisphärischen Durchschnittstemperaturen zu irgendeiner Zeit des Mittelalters so warm waren oder das Ausmaß warmer Regionen so groß war, wie dies im gesamten 20. Jahrhundert der Fall gewesen ist (…).“

IPCC: Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate[18]

Proxydaten für bestimmte Regionen – z. B. Teile Grönlands – lassen darauf schließen, dass manche Gebiete zumindest zeitweise wärmer waren als heute.[19] Aus Eiskernen, Baumringen und Seesedimenten gewonnene Temperaturrekonstruktionen zeigten, dass es zur Zeit der mittelalterlichen Warmzeit global leicht kühler war (um ca. 0,03 °C) als während des frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhunderts.[20][12][13]

Argumente, die für eine (stärkere) mittelalterliche Warmzeit sprechen

Die gewachsenen Gletscher in vielen Teilen der Welt zwischen 1050 und 1150 sieht speziell Pierre Alexandre nicht als Argument gegen eine MWP an. Zum einen spricht er, anders als Lamb, von einer gesicherten Dokumentation für eine Erwärmung erst ab dem Jahre 1200. Zum anderen postuliert er die These, dass die längsten warmen Phasen zwischen 1261 und 1361 gelegen hätten.[21] Für eine MWP sprechen aber eine Vielzahl andere Argumente. Angefangen mit der Entdeckung eines Erdbegräbnisses in Grönland in heutigem Permafrostboden[22] über die Besiedlung Islands bis hin zu einem Anstieg der Baumgrenze in den Alpen auf über 2000 Meter.[23] Dass die Warmzeit nicht nur eine auf den europäischen Kontinent bezogene Erscheinung war, zeigt die „Nordwanderung“ der Vegetation in Asien bei subtropischen Gewächsen wie Zitrusfrüchten, die 1264 einige hundert Kilometer weiter nördlich wuchsen als im 20. Jahrhundert.[24] Weiter gilt es als nachgewiesen, dass die Gletscher seit 1200 weltweit abnahmen. So kann noch davon berichtet werden, dass die Malaria übertragende Anopheles-Mücke in weiten Teilen Europas verbreitet war und dass selbst Heuschreckenplagen bis ins 14. Jahrhundert in Mitteleuropa belegt sind.[25][26]

Art der Beweisführung

Die Belege für eine hochmittelalterliche Warmphase sind vielfältig: So wurde sowohl durch naturwissenschaftliche Verfahren wie z. B. die Radiokarbonmethode zur Altersbestimmung von organischen Stoffen, die Sedimentationsanalyse oder die Eisbohrkerntechnik ein signifikanter Anstieg der Temperaturen bestätigt,.[27] als auch bei der Auswertung von schriftlichen Quellen wie Chroniken oder Witterungstagebücher deutliche Hinweise gefunden.[28] Eine besondere Rolle spielen hierbei noch die Proxydaten, die sich z. B. aus Ernteertragszahlen, Vereisungsbelege oder Hochwasserangaben ergeben. Sie sind nahezu flächendeckend vorhanden. Der deutsche Geograph Rüdiger Glaser hat auf Grundlage solcher Daten eine Datenbank für die vergangenen 1000 Jahre erstellt.

Folgen der mittelalterlichen Warmzeit in Europa

In der Zeitspanne, in der die mittelalterliche Warmperiode verortet wurde, kam es in Europa zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion. Dieses ist sicherlich auch auf die günstige Klimaentwicklung zurückzuführen, aber keineswegs ausschließlich. Zwar kam es infolge des wärmeren Klimas in Europa zu einer Expansion der Agrarwirtschaft, der Getreideanbau war nun sowohl in wesentlich nördlicheren als auch in höher gelegenen Gebieten möglich. So wurde Getreidewirtschaft bis nach Norwegen und in den Bergen Schottlands nachgewiesen, die in der nachfolgenden Kleinen Eiszeit und der damit verbundenen Abkühlung des Klimas wieder eingestellt wurde.[29]

Die Klimabedingungen waren allerdings keineswegs die alleinigen Gründe für den rasanten Anstieg der Bevölkerung und der damit verbundenen Expansion mit ihrem Landesausbau. Wilhelm Abel nennt als Gründe dafür den agrikulturellen Fortschritt sowohl bei der Nutzung technischer Geräte, wie z. B. dem Kummet für Zugpferde, als auch bei der Bodennutzung sowie der Diversifizierung von Getreide.[30] Dieses Zusammenspiel machte es möglich, eine rasch wachsende Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen. So wird angenommen, dass sich die Bevölkerung in Europa zwischen 1100 und 1400 fast verdreifacht hat. In der Folge kam es zu einer Wechselwirkung zwischen Bevölkerungswachstum und der Gewinnung von neuem Ackerland. Die Bevölkerung begann mit einem Ausbau des Siedlungsgebietes, bei dem riesige Waldflächen zu Ackerland verwandelt wurden (z. B. im Zug der Deutschen Ostsiedlung). Im Gunstklima Europas veränderten sich die Siedlungsgebiete durch Entstehen zahlreicher Städte als neue Zentren des Handels und des Gewerbes, die sich die Arbeit mit den agrarischen Gebieten teilten.

Ursachen

Die milderen Temperaturen während des mittelalterlichen Optimums können auf eine deutlich verstärkte Sonnenaktivität und weltweit ungewöhnlich geringe Vulkanaktivitäten zurückzuführen sein. Letzteres würde bewirken, dass weniger Aerosole das Sonnenlicht reflektierten und ihre kühlende Wirkung somit reduziert würde.

Andere Theorien verweisen auf periodische Schwankungen (ca. 1000 – 2000 Jahre) des Nordatlantikstroms als Ursache. Durch Verdunstung von 0,25 × 106 m³/s Wasser, welches in den Pazifik verfrachtet wird, steigt der Salzgehalt des Atlantiks an. Die Zirkulation des globalen Förderbandes soll ca. alle 1500 Jahre stark ansteigen, um den Salzgehalt auszugleichen. Dies sei mit Temperaturschwankungen des Meerwassers in der Größenordnung von 4 bis 5 K verbunden, wodurch sich auch die Temperaturen an Land ändern könnten.[31]

Wissenschaftliche Kontroverse

Die mittelalterliche Warmzeit wird von Klimaskeptikern bisweilen als Beleg angeführt, dass es keinesfalls sicher sei, dass die gegenwärtige Erwärmung durch vom Menschen emittierte Treibhausgase verursacht sei. Da die Treibhausgaskonzentration zur Zeit der mittelalterlichen Warmzeit nicht höher als davor oder danach war, können nur andere Ursachen dafür verantwortlich sein. Sie argumentieren weiter, dass dieselben Ursachen für die Erwärmung des 20. Jahrhunderts verantwortlich sein können.[32][33]

Der Wissenschaftler Stefan Rahmstorf hält diesem Argument entgegen, dass kein seriöser Klimaforscher bezweifele, dass neben den Treibhausgasen auch andere Faktoren das Klima der Erde beeinflussen und diese Faktoren in der Vergangenheit auch für viele Klimaschwankungen verantwortlich waren. Aus der Tatsache, dass diese Faktoren im Mittelalter eine Erwärmung verursacht haben, sei nicht abzuleiten, dass Treibhausgase für die seit dem 20. Jahrhundert zu beobachtende Erwärmung nicht ursächlich sein können. Vielmehr sei es so, dass sich von allen bekannten Faktoren, die eine globale Klimaerwärmung verursachen können, im 20. Jahrhundert lediglich die Konzentration der Treibhausgase so stark verändert habe, dass damit die beobachtete Erwärmung erklärt werden kann.[34]

Der für seine klimaskeptischen Positionen bekannte Historiker Wolfgang Behringer sieht die in Europa beobachteten Auswirkungen der mittelalterlichen Warmzeit als Beleg dafür, dass eine globale Erwärmung positiv für die Menschheit sei. Er argumentiert, dass es der Menschheit in kälteren Phasen schlechter und in wärmeren Phasen besser gegangen sei.[35]

Dem kann entgegengehalten werden, dass man die Auswirkungen der mittelalterlichen Warmzeit nur für einige Regionen der Erde kennt, für viele Regionen fehlen Belege; im tropischen Südchina[36] war dies eine Zeit einer ausgeprägten, in Nordamerika[37] sogar einer extremen Dürre. Somit ist es keinesfalls sicher, dass zu dieser Zeit bei globaler Betrachtung günstigere Lebensverhältnisse geherrscht haben.

Als die Diskussion um die mittelalterliche Warmzeit Mitte der 1960er Jahre begann, war dies eine Phase der globalen Abkühlung, die sich bis Mitte der 1970er Jahre erstreckte. Eine damalige Erwärmung auf das Niveau der mittelalterlichen Warmzeit wäre in dieser Zeit wohl tatsächlich in einigen Regionen vorteilhaft gewesen. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass es Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auch in Europa bereits wärmer als während der mittelalterlichen Warmzeit war.

Sollten massive Reduktionen der Treibhausgasemissionen unterbleiben, wären die am Ende dieses Jahrhunderts mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten globalen Durchschnittstemperaturen aber höher, als sie während der letzten mehreren hunderttausend Jahre global waren und womöglich sogar höher als sie je waren, seit es Homo sapiens gibt. Die am Ende der letzten Eiszeit beobachtete schnelle globale Erwärmung war eine Erwärmung um etwa ein Grad Celsius pro 1000 Jahre.[38][39] Selbst wenn das 2-Grad-Ziel erreicht würde (was für wenig wahrscheinlich gehalten wird), liefe die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erwartete globale Erwärmung also auch mehr als zwanzigmal schneller ab.

Die Diskussion um Ausmaß und Folgen der laufenden und der wahrscheinlich zu erwartenden menschengemachten globalen Erwärmung bezieht sich somit sowohl was Geschwindigkeit wie auch was Ausmaß der Erwärmung anbetrifft auf einen historisch einzigartigen Vorgang, für den Erfahrungswerte weitestgehend fehlen und nur sehr spärlich in paleoklimatologischen Klimaproxys zu finden sind.[40]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Valérie Masson-Delmotte u. a.: Information from Paleoclimate Archives. In: IPCC (Hrsg.): Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. 2013, 5.3.5, S. 409–414.
  2. Historical Climatology in Europe. Kapitel 5.3 Defining the Medieval Warm Period and the Little Ice Age (PDF).
  3. Hubert Lamb: The Medieval Warm Epoch and its Sequel. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Januar 1965, doi:10.1016/0031-0182(65)90004-0 (PDF).
  4. Lamb, Hubert H.: Klima und Kulturgeschichte: der Einfluß des Wetters auf den Gang der Geschichte, Reinbek 1989, S. 189–206.
  5. Scott Stine: Extreme and persistent drought in California and Patagonia during mediaeval time. In: Nature. Band 369, Juni 1994, S. 546–549 (PDF).
  6. a b Henry F. Diaz: Spatial and Temporal Characteristics of Climate in Medieval Times Revisited. In: Bulletin of the American Meteorological Society. November 2011, doi:10.1175/BAMS-D-10-05003.1 (PDF).
  7. Rudolf Brázdil, Christian Pfister, Heinz Wanner, Hans von Storch, Juerg Luterbacher: Historical Climatology in Europe. In: Climatic Change. 2005, Kapitel 5.3 Defining the Medieval Warm Period and the Little Ice Age (PDF).
  8. Henry F. Diaz u. a.: Spatial and Temporal Characteristics of Climate in Medieval Times Revisited. 2011.
  9. Thomas J. Crowley und Thomas S. Lowery: How Warm Was the Medieval Warm Period? In: AMBIO: A Journal of the Human Environment. Band 29, Nr. 1, Februar 2000, S. 51–54, doi:10.1579/0044-7447-29.1.51.
  10. Raymond S. Bradley, Malcolm K. Hughes, Henry F. Diaz: Climate in Medieval Time. (PDF 77,6 KB) In: Science. Vol. 302, Nr. 5644, 17. Oktober 2003, S. 404 – 405, doi:10.1126/science.1090372.
  11. Wallace S. Broecker: Was the Medieval Warm Period Global? (PDF 462 KB). In: Science. Vol. 291, Nr. 5508, 23. Februar 2001, S. 1.497 – 1.499, doi:10.1126/science.291.5508.1497.
  12. a b Thomas J. Crowley, Thomas S. Lowery: How Warm Was the Medieval Warm Period? In: AMBIO: A Journal of the Human Environment. 29. Jahrgang, 2000, S. 51, doi:10.1579/0044-7447-29.1.51.
  13. a b PAGES 2k Consortium: Continental-scale temperature variability during the past two millennia. In: Nature Geoscience. 6. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2013, S. 339–346, doi:10.1038/ngeo1797 (englisch, nature.com [abgerufen am 13. Mai 2013]).
  14. Valérie Masson-Delmotte u. a.: Information from Paleoclimate Archives. In: IPCC (Hrsg.): Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. 2013, 5.3.5, S. 409–414.
  15. Historical Climatology in Europe. Kapitel 5.3 Defining the Medieval Warm Period and the Little Ice Age (PDF).
  16. Ruddolf Brázdil, Christian Pfister, Heinz Wanner, Hans von Storch und Jürg Luterbacher: Historical Climatology in Europe. In: Climatic Change. Band 70, Nr. 3, 2005, S. 404 (PDF).
  17. Raymond S. Bradley, Malcolm K. Hughes, Henry F. Diaz: Climate in Medieval Time. (PDF 77,6 KB) In: Science. Vol. 302, Nr. 5644, 17. Oktober 2003, S. 404 – 405, doi:10.1126/science.1090372.
  18. Eystein Jansen, Jonathan Overpeck et al. (Working Group I) for the IPCC: Fourth Assessment Report, Chapter 6.6: Palaeoclimate, 2007, Online
  19. D. Dahl-Jensen, K. Mosegaard, N. Gundestrup, G. D. Clow, S. J. Johnsen, A. W. Hansen, N. Balling: Past Temperatures Directly from the Greenland Ice Sheet (PDF 617 KB). In: Science. Vol. 282, Nr. 5387, 9. Oktober 1998, S. 268 – 271, doi:10.1126/science.282.5387.268.
  20. Raymond S. Bradley: Climate of the Last Millennium. (PDF; 230 kB) Climate System Research Center, 2003, abgerufen am 14. Oktober 2013.
  21. Behringer Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, Bonn 2007,S. 103–115.
  22. Rösener Werner: Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive, in Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 1, 2010, S. 26–38.
  23. Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 103–104.
  24. Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 110–114.
  25. Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas, 5. Aufl.,München 2010, S. 111–114.
  26. O.Muszkat, Überblick über die Probleme und Methoden der Forschung nach der Geschichte des Klimas: Rocznik Historyczno-Archiwalny (pol), Przemyśl 2014, ISSN 1232-7263.
  27. Willerding, Ulrich: Über Klimaentwicklung und Vegetationsverhältnisse im Zeitraum Eisenzeit bis Mittelalter, in: Herbert Jankuhn u.a. [Hgg.], Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, Göttingen 1977, S. 357–405.
  28. Rösner, Werner: Das Wärmeoptimum des Hochmittelalters. Beobachtungen zur Klima- und Agrarentwicklung des Hoch- und Spätmittelalters, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 58, 2010, S. 13–30.
  29. Rösner, Werner: Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive, in: Bundeszentrale für politische Bildung. (http://www.bpb.de/apuz/32996/landwirtschaft-und-klimawandel-in-historischer-perspektive?p=all) Abgerufen 26. April 2012.
  30. Abel, Wilhelm: Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert,Stuttgart 1967, S. 43–44.
  31. Wallace S. Broecker: Was the Medieval Warm Period Global? (PDF 462 KB). In: Science. Vol. 291, Nr. 5508, 23. Februar 2001, S. 1.497 – 1.499, doi:10.1126/science.291.5508.1497.
  32. Biokurs.de Klimaänderungen in der Vergangenheit
  33. Der Treibhaus-Schwindel Online
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  40. Climate Change 2007: Working Group I: The Physical Science Basis; FAQ 6.2 Is the Current Climate Change Unusual Compared to Earlier Changes in Earth’s History? Online