Abulcasis

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Zeitgenössische Darstellung vor 1970

Abu l-Qasim Chalaf ibn al-Abbas az-Zahrawi (* 936 in Madīnat az-zahrāʾ; † 1013 dortselbst), arabisch أبو القاسم خلف بن عباس الزهراوي, DMG Abū ʾl-Qāsim Ḫalaf b. ʿAbbās az-Zahrāwī, im Westen als Abulcasis und Abulkasim bekannt, war ein andalusisch-arabischer Arzt und Wissenschaftler. Er war vermutlich der bedeutendste mittelalterliche Arzt muslimischer Herkunft, dessen umfangreiche medizinische Schriften, die arabische und klassisch griechisch-römische Lehren kombinieren, die europäische Medizin bis zur Renaissance geprägt hat. Sein wichtigstes Werk ist at-Tasrif, eine 30-bändige Sammlung medizinischen Wissens.

Biografie

Abu l-Qasim (übersetzt „Vater des Qasim“) wurde in Madīnat az-zahrāʾ geboren, etwa acht Kilometer westlich von Córdoba, Spanien. Er entstammte dem arabischen Ansar-Stamm, der sich einige Zeit vorher in Spanien angesiedelt hatte. Außer seinem Werk ist nur wenig über sein Leben bekannt, da Madīnat az-zahrāʾ während eines Bürgerkrieges 1010 zerstört wurde.

Seinem Vater begegnet man in den Schriften des Abu Muhammad bin Hazm (993–1064), der ihn in einer Liste der größten maurischen Ärzte Spaniens nennt. Die erste ausführliche Biografie von Abu l-Qasim findet man in al-Humaydis Jadhwat al-Muqtabis („Über andalusische Heiden“), das sechzig Jahre nach Abu l-Qasims Tod verfasst wurde.

Die meiste Zeit seines Lebens lebte er in Madīnat az-zahrāʾ. Dort studierte, lehrte und praktizierte er Medizin und Chirurgie bis kurz vor seinem Tod etwa 1013, zwei Jahre nach der Einnahme von Madīnat az-zahrāʾ.

Werk

Chirurgische Instrumente des Abulcasis in einer lateinischen Ausgabe des At-Tasrif von Guy de Chauliac, 1500

Abu l-Qasim war ein Hofarzt des Kalifen al-Hakam II. Er widmete sein gesamtes Leben und sein Genie dem Fortschritt der Medizin als Ganzes und der Chirurgie im Besonderen. At-Tasrif ist eine medizinische Enzyklopädie in 30 Bänden mit Kapiteln über Chirurgie, Medizin, Augenheilkunde, Orthopädie, Pharmakologie, Ernährung und anderes.

Im 14. Jahrhundert zitierte der französische Arzt Guy de Chauliac das at-Tasrif über 200 Mal. Pietro Argallata beschrieb Abu l-Qasim als „ohne Zweifel den Meister aller Chirurgen“. Ihm wird die erste Beschreibung der ektopischen Schwangerschaft 963 zugeschrieben, damals eine tödliche Erkrankung. Abu l-Qasims Einfluss hielt etwa fünf Jahrhunderte an und erstreckte sich bis in die Renaissance, erkennbar an den häufigen Erwähnungen des at-Tasrif durch den französischen Chirurgen Jacques Daléchamps.

At-Tasrif

Abu l-Qasims 30-bändige medizinische Schrift كتاب التصريف / Kitāb at-Taṣrīf behandelt eine Bandbreite an medizinischen Themen, u.a. Zahnmedizin und Geburt. Sein Wissen darüber stammte zum einen Teil aus der Enzyklopädie des byzantinischen Arztes Paulos von Aigina und war andererseits Resultat seiner 50-jährigen Laufbahn als Lehrer, Ausbilder und praktizierender Arzt. Er schrieb darin auch über die Wichtigkeit einer positiven Patient-Arzt-Beziehung und berichtete liebevoll von seinen Schülern, die er als „meine Kinder“ bezeichnet. Er betonte auch, wie wichtig es sei, alle Patienten ohne Ansicht ihrer sozialen Herkunft zu behandeln. Er fordert die aufmerksame Beobachtung von individuellen Fällen, um die bestmögliche Diagnose und die beste Behandlung sicherzustellen.

At-Tasrif wurde im 12. Jahrhundert von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt und illustriert. Etwa fünf Jahrhunderte lang war es die Hauptquelle mittelalterlichen medizinischen Wissens in Europa und diente als Quelle für Ärzte und Chirurgen. Die früheste deutschsprachige Rezeption findet sich in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“.[1]

Obwohl es ihm nicht immer richtig zugeschrieben wird, beschreibt Abu l-Qasims at-Tasrif, was später als „Kocher-Methode“ für die Behandlung einer ausgekugelten Schulter und die „Walcher-Lage“ in der Geburtshilfe bekannt wurde. At-Tasrif beschreibt das Abbinden von Blutgefäßen noch vor Ambroise Paré und war das erste überlieferte Buch, das verschiedene zahnärztliche Apparate dokumentierte und die Erblichkeit von Hämophilie erklärte.

Fortschritte in der Chirurgie

Abu l-Qasim war ein Chirurg und spezialisiert auf Kauterisation. Er erfand außerdem einige chirurgische Instrumente, um

  • das Innere der Harnröhre zu untersuchen,
  • Fremdkörper in die Speiseröhre zu bringen und zu entfernen,
  • das Ohr zu untersuchen.

Literatur

  • Usamah Demeisi: Zur Geschichte der Erforschung von Leben und Werk des Abu l-Qāsim az-Zahrāwī (um 936 – um 1013) : unter besonderer Berücksichtigung der Zahnheilkunde. Berlin 1999, ISBN 3-933346-74-6.
  • Heinz Schott: Meilensteine der Medizin. Dortmund 1996, ISBN 3-611-00536-3.
  • Marianne Engeser: Der „Liber servitoris“ des Abulkasis (936 – 1013). Übers., Kommentar u. Nachdr. d. Textfassung von 1471. Stuttgart 1986, ISBN 3-7692-0967-2 (lateinisch und deutsch).
  • Lutfi Rida: Abulkasim Unfallchirurgie. Düsseldorf 1967.
  • Chirurgia : vollst. Faks.-Ausg. im Orig.-Format von Codex series nova 2641 d. Österr. Nationalbibliothek. ISBN 3-201-01116-9.
  • Sami Khalaf Hamarneh, Glenn Sonnedecker: A pharmaceutical view of Abulcasis al-Zahrāwī in Moorish Spain: with special reference to the „Adhān“. Leiden 1963.
  • Luisa Arvide Cambra: Un tratado de polvos medicinales en Al-Zahrawi. Servicio de Publicaciones Universidad de Almería, Almería 1994, ISBN 84-8240-002-9.
  • Luisa Arvide Cambra: Tratado de pastillas medicinales según Abucasis. Servicio de Publicaciones Universidad de Almería, Almería 1996, ISBN 84-605-5485-6.
  • Luisa Arvide Cambra: Un tratado de oftalmología en Abulcasis. Servicio de Publicaciones Universidad de Almería, Almería 2000, ISBN 84-8240-241-2.
  • Luisa Arvide Cambra: Un tratado de odontoestomatología en Abulcasis. Servicio de Publicaciones Universidad de Almería, Almería 2003, ISBN 84-8240-636-1.
  • Luisa Arvide Cambra: Un tratado de estética y cosmética en Abulcasis. Grupo Editorial Universitario, Granada 2010, ISBN 978-84-9915-342-1.

Weblinks

Volltext des At-Tasrif in Arabisch und Englisch
  • Abū al-Qāsim Khalaf ibn ʻAbbās al-Zahrāwī: Albucasis on surgery and instruments. University of California Press, Gustave E. von Grunebaum Center for Near Eastern Studies, 1973, ISBN 978-0-520-01532-6 (online bei Google Books [abgerufen am 29. Dezember 2015]).
Quellen

Einzelnachweise

  1. Bernhard Dietrich Haage: Studien zur Heilkunde im „Parzival“ Wolframs von Eschenbach (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 565). Kümmerle, Göppingen 1992, ISBN 3-87452-806-5, S. 183–190 (Die Abulkasim-Rezeption bei Wolfram von Eschenbach)