Alfred-Ingemar Berndt

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Alfred-Ingemar Berndt (* 22. April 1905 in Bromberg (Westpreußen); † vermutlich 28. März 1945 bei Veszprém) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller sowie enger Mitarbeiter von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Er gilt als propagandistischer Schöpfer des „Wüstenfuchs“-Mythos um den deutschen Generalfeldmarschall Erwin Rommel.

Leben

Jugend und erste politische Aktivitäten

1919 kämpfte er beim Grenzschutz-Bataillon III.[1] Berndts Familie wurde 1920 aus der infolge des Versailler Vertrages an Polen gefallenen Provinz Westpreußen ausgewiesen und enteignet. Die Familie übersiedelte nach Berlin-Schöneberg, wo Berndt bereits 1922 (als 17-Jähriger) der NSDAP (Mitgliedsnr. 24.688) und 1924 zunächst dem Frontbann, dann der SA beitrat. Nach der Verbotszeit der NSDAP trat er 1925 kurzzeitig erneut und schließlich im Mai 1932 endgültig in die Partei ein. (Mitgliedsnr. 1.101.961).[2] Im Jahre 1926 war er federführend beim Aufbau der Organisation und der Strukturen der Hitlerjugend in Berlin beteiligt.

Nach abgebrochenem Germanistikstudium und Volontariaten bei diversen Zeitungen erfolgte im Dezember 1928 sein Eintritt als „Experte für Ostfragen“ in Wolffs Telegraphisches Bureau (WTB), der zu dieser Zeit größten und bedeutendsten deutschen Nachrichtenagentur. Berndt verstand es, hier seine fortwährende nationalsozialistische Agitation geschickt hinter einem seriös wirkenden journalistischen Deckmantel zu verbergen. Zu dieser Zeit war er unter verschiedenen Pseudonymen als Kolumnist und Kommentator bereits fester Mitarbeiter von NS-Zeitungen wie dem „Völkischen Beobachter“ oder dem Berliner Parteiorgan „Der Angriff“. 1931 wurde er Leiter der „Fachgruppe Schriftleitung“ beim Kampfbund für deutsche Kultur, einem Sammelbecken nationalsozialistisch gesinnter Schriftsteller, Hochschullehrer, Journalisten und Kulturschaffender. In dieser Funktion saß er im Zentrum eines Netzwerkes, in dem die Fäden zu fast allen NS-nahen Journalisten im In- und Ausland zusammenliefen. Ab 1932 war er Mitglied des Berliner Gaupresseamtes. Wegen politischer Vergehen wurde er in der Spätphase der Weimarer Republik mehrmals zu Geldstrafen und kurzen Haftstrafen verurteilt.[3]

Hitlers Machtergreifung als Karriereschub

Die zentrale Position Berndts im Kampfbund für deutsche Kultur war entscheidend dafür, dass er bereits unmittelbar nach Hitlers „Machtergreifung“ im Januar 1933 mit der Umwandlung des Wolffschen Telegraphenbüros in eine stramm nationalsozialistisch ausgerichtete Presseagentur – das Deutsche Nachrichtenbüro (DNB) – betraut wurde. Parallel dazu war Berndt ebenfalls verantwortlich für die Gleichschaltung des Reichsverbandes der Deutschen Presse (RDP). Nach Erledigung dieser Aufgaben wurde er im Dezember 1933 Hauptschriftleiter des von ihm geschaffenen DNB. Im Februar 1933 wurde Berndt zudem der Stellvertreter des Reichspressechefs der NSDAP, Otto Dietrich. Im Mai 1933 war er Initiator und Mitbegründer des Bund Deutscher Osten (BDO).

Im Zuge der Wirren um den sogenannten Röhm-Putsch verließ Berndt 1934 die SA und trat zur SS über, in der er im April 1943 schließlich den Rang eines SS-Brigadeführers der Allgemeinen SS erreichte (SS-Nr. 242.890).

Aufstieg im Propagandaministerium

Im November 1935 berief Propagandaminister Joseph Goebbels Berndt zum Amtsleiter der Reichspressestelle im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP). Im April 1936 folgte die Ernennung zum Leiter der Presseabteilung des RMVP (Abteilung IV) und die Beförderung zum Ministerialrat. Nach Aufteilung der Presseabteilung im März 1938 wurde Berndt Chef der neugeschaffenen Abteilung Presse-Inland (Abteilung IV-A) und war in dieser Funktion verantwortlich für die propagandistische Unterfütterung des Anschlusses Österreichs und des Sudetenlandes. In Anerkennung hierfür beförderte ihn Goebbels im Oktober 1938 zum Ministerialdirigenten. Auf Betreiben Otto Dietrichs wurde Berndt als Leiter der Presseabteilung durch Hans Fritzsche abgelöst. Im Dezember 1938 übernahm er auf Goebbels’ persönlichen Wunsch hin die Abteilung Schrifttum (Abteilung VIII), die unter anderem die Zensur der Literatur und die ideologische Überwachung von Schriftstellern und Autoren zur Aufgabe hatte.

Als Propagandist im Krieg

Am 30. August 1939, zwei Tage vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurde Berndt als Ministerialdirigent zum Leiter der Abteilung Rundfunk des RMVP (Abteilung III) ernannt. Bereits Anfang November 1939 wurde Goebbels über Konflikte Berndts mit der Reichspost informiert, die ihn als Verhandlungsführer des Propagandaministeriums ablehnte. Im Februar 1940 meldete Berndt, er habe seine Aufgabe, das deutsche Rundfunkwesen an die Erfordernisse des Krieges und der Kriegspropaganda anzupassen, erfüllt, ließ sich von allen Funktionen im RMVP entbinden und meldete sich als Kriegsfreiwilliger zur Wehrmacht.[4] Den Frankreichfeldzug erlebte er als Feldwebel in der Schweren Panzerjäger-Abteilung 605. Er wurde am 27. Mai 1940 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse und am 6. Juni 1940 mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet. Er verfasste über seine Erlebnisse die Schrift Panzerjäger brechen durch! (1940).

Leiter der Propagandaabteilung und Ordonnanzoffizier bei Rommel

Etwa im August 1940 kehrte Berndt in das RMVP zurück, überließ die Amtsführung aber weitgehend seinen bisherigen Stellvertretern. Im Mai 1941 ging er wieder an die Front; diesmal als Leutnant in den Stab des Deutschen Afrikakorps unter Generalleutnant Erwin Rommel. Berndt wurde sein Ordonnanzoffizier und – mit seinen glänzenden Beziehungen – zugleich eine Art „Propagandamanager“ Rommels. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion beorderte Goebbels ihn im August 1941 nach Berlin zurück und übertrug ihm, zum Ministerialdirektor befördert, die Leitung der Abteilung Propaganda (Abteilung II). Trotz seiner umfangreichen Aufgaben im Ministerium pendelte Berndt bis zum Ende von Rommels Einsatz in Nordafrika (April 1943) weiterhin regelmäßig zwischen Berlin und dessen Hauptquartier. In dieser Zeit zog er alle Register des Propagandaapparates, um den Mythos vom „Wüstenfuchs“ populär zu machen und Rommel so zu der Identifikationsfigur schlechthin für viele Deutsche aufzubauen.

Zunehmend kam Berndt in dieser Zeit auch die Rolle des persönlichen Berichterstatters Rommels im Führerhauptquartier zu. Am 17. Juli 1943 wurde er durch Hitler persönlich in Würdigung seiner Verdienste im Afrikafeldzug mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet. In seine Zeit als Leiter der Propagandaabteilung fielen außerdem die Schlacht von Stalingrad, die Kapitulation von Tunis und die Entdeckung der Massengräber des Massakers von Katyn.

Zudem war er ab April 1943 auch Vorsitzender des interministeriellen Luftkriegsschädenausschusses, der für die Erhebung der Schadensbilanz und die Koordination der Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nach Bombenangriffen verantwortlich war.

Ein Mord und Fronteinsatz

Im Spätfrühjahr 1943 planten die Führer des Drittens Reiches, Lynchaktionen an gefangenen alliierten Fliegern durchzuführen zu lassen. Goebbels besprach sich darüber mit Hitler und veröffentlichte am 25. Mai 1943 im Völkischen Beobachter einen Artikel, der darauf hinwies, dass die Regierung nichts gegen Lynchaktionen an alliierten Flieger unternehmen werde, die Zivilpersonen beschossen hatten.[5] Goebbels erhoffte sich von diesem Artikel, dass in Deutschland das „große Pilotenjagen einsetze“ und dass man alliierte Flieger damit abhalten könne, Feindeinsätze gegen Deutschland zu fliegen.[6] Daraufhin kam es zu etwa 350 Lynchmorden an alliierten Fliegern. Auch der enge Goebbelsmitarbeiter Berndt beteiligte sich daran. Am 6. Juni, dem Tag Landung der Westalliierten in der Normandie, ließ der Ministerialdirigent sein Auto an eine Stelle halten, an der sich der gefangengenommene US-Fliegerleutnant Dennis befand, und erschoss ihn.[7][8]

Nach der erfolgreichen Landung der Westalliierten kam es zum Zerwürfnis zwischen Goebbels und Berndt. Goebbels warf Berndt – der sich nach einem Besuch in Rommels Hauptquartier an der Westfront sehr pessimistisch über die Kriegslage äußerte – Defätismus vor, entzog ihm die Propagandaabteilung und suspendierte ihn auf unbegrenzte Zeit vom Dienst. Berndt meldete sich daraufhin freiwillig zum Fronteinsatz und wurde im September 1944 durch Vermittlung Himmlers mit dem militärischen Rang eines SS-Hauptsturmführers zur Waffen-SS einberufen. Nach Aussagen mehrerer Augenzeugen wurde Berndt als Kommandeur der II. Abteilung des zur gleichnamigen Division gehörenden SS-Panzer-Regiments Nr. 5 „Wiking“ am 28. März 1945 nahe Veszprém (Ungarn) bei einem Angriff sowjetischer Tiefflieger getötet. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes führt ihn jedoch nach wie vor als vermisst.

Viele von Berndts Schriften wurden in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[9]

Bücher

  • Wir erleben die Befreiung der Saar (Scherl, Berlin 1935)
  • Vom Arbeitsplatz zum M.-G. Dreyse (Otto Stollberg, Berlin 1936)
  • Vom Kunstrichter zum Kunstdiener (VB-Zeitungsverlag, Berlin 1936)
  • Gebt mir vier Jahre Zeit! - Dokumente zum ersten Vierjahresplan des Führers (Franz Eher Nachf., München 1937)
  • Meilensteine des Dritten Reiches (Franz Eher Nachf., München 1938)
  • Der Marsch ins Großdeutsche Reich (Franz Eher Nachf., München 1939)
  • Der deutsche Osten und die deutsche Kultur (NSDAP-Gauleitung Danzig-Westpreußen, Danzig 1939)
  • Panzerjäger brechen durch! (Franz Eher Nachf., München 1940)
  • Das Lied der Front - Liedersammlung des Großdeutschen Rundfunks (Georg Kallmeyer, Wolfenbüttel 1943)
  • Deutschland im Kampf (Otto Stollberg, Berlin 1944)

Daneben diverse Vor- und Nachworte zu Veröffentlichungen anderer Autoren sowie mehrere hundert Zeitungsartikel in verschiedensten, auch nicht-nationalsozialistischen Zeitungen der Weimarer Republik sowie NS-Parteiblättern. Später auch gelegentliche Betätigung als politischer Kommentator im Programm des Großdeutschen Rundfunks.

Literatur

  • Willi A. Boelcke (Hrsg.): Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichspropagandaministerium. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1966.
  • Ernst Klee: Alfred-Ingemar Berndt, Eintrag in ders.: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Aktualisierte Ausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 42
  • Günter Neliba: Lynchjustiz an amerikanischen Kriegsgefangenen in der Opelstadt Rüsselsheim. Rekonstruktion eines der ersten Kriegsverbrecher-Prozesse in Deutschland nach Prozessakten (1945-1947). Brandes & Apsel, Frankfurt a.M. 2000, ISBN 3-86099-205-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. Willi A. Boelcke: Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichspropagandaministerium. DVA, Stuttgart 1966, S. 76f.
  3. Willi A. Boelcke: Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichspropagandaministerium. DVA, Stuttgart 1966, S. 77.
  4. Willi A. Boelcke: Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichspropagandaministerium. DVA, Stuttgart 1966, S. 78.
  5. Joseph Goebbels: Ein Wort zum Luftkrieg. Laut Peter Longerich: Goebbels - Biographie. München 2010, S. 618.
  6. Peter Longerich: Goebbels - Biographie. München 2010, S. 618.
  7. Ralf Georg Reuth: Goebbels. Piper, München/Zürich 1990, ISBN 3-492-03183-8, S. 540.
  8. Günter Neliba: Lynchjustiz an amerikanischen Kriegsgefangenen in der Opelstadt Rüsselsheim. Rekonstruktion eines der ersten Kriegsverbrecher-Prozesse in Deutschland nach Prozessakten (1945-1947). Brandes & Apsel, Frankfurt a.M. 2000, ISBN 3-86099-205-8, S. 28f.
  9. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-b.html