Apokalyptische Reiter

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Die apokalyptischen Reiter (Holzschnitt von Albrecht Dürer)

Die apokalyptischen Reiter erwähnt die Bibel im 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes als Boten der nahenden Apokalypse, des Jüngsten Gerichts, eines der vier letzten Dinge.

In einer Vision des himmlischen Thronsaals (Offb 4–5 EU) wird Johannes ein Buch mit sieben Siegeln gezeigt, das weder ein Mensch noch ein Engel, sondern nur das Lamm Gottes zu öffnen für würdig erachtet wird. Der Ausdruck Lamm (ἀρνίον) bezeichnet in der Offenbarung Jesus Christus. In Offb 6 beginnt das Lamm mit der Öffnung der Siegel. Beim Öffnen der ersten vier Siegel erscheint jeweils auf den Ruf „Komm!“ ein Reiter und sucht die Menschheit mit seinen Geißeln heim.

Offenbarung des Johannes

Text der Einheitsübersetzung:

„Dann sah ich: Das Lamm öffnete das erste der sieben Siegel; und ich hörte das erste der vier Lebewesen wie mit Donnerstimme rufen: Komm! Da sah ich ein weißes Pferd; und der, der auf ihm saß, hatte einen Bogen. Ein Kranz wurde ihm gegeben und als Sieger zog er aus, um zu siegen. Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der, der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben. Als das Lamm das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Lebewesen rufen: Komm! Da sah ich ein schwarzes Pferd; und der, der auf ihm saß, hielt in der Hand eine Waage. Inmitten der vier Lebewesen hörte ich etwas wie eine Stimme sagen: Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar. Aber dem Öl und dem Wein füge keinen Schaden zu! Als das Lamm das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Lebewesens rufen: Komm! Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt „der Tod“; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde. (Offb 6,1–8) EU

Auslegung

Insgesamt werden die vier „Komm!“-Rufe, auf die hin die vier Reiter in Erscheinung treten, so gedeutet, dass diese im Einklang mit dem göttlichen Willen und unter Zulassung Gottes auftreten.

Der erste Reiter

Die vier Reiter der Apokalypse (Beatus-von-Osma-Codex, 11. Jahrhundert)

Die weiße Farbe des ersten Pferdes (6,2) symbolisiert den Sieg, Reinheit und Gerechtigkeit. Die Generäle jener Zeit ritten häufig weiße Pferde, wenn sie eine Schlacht oder einen Krieg gewonnen hatten. Die Krone des Reiters ist als Preis zu verstehen für Erfolge im Krieg. Der mitgeführte Bogen ist die weitestreichende Waffe der Antike. Der Aufbruch des weißen Reiters zeigt einen Kriegsausbruch an, auf den in der Offenbarung mehrfach hingewiesen wird (Offb 12,7 EU; Offb 16,14 EU; Offb 19,11 EU).

Auslegungsgeschichte

Altkirchliche Ausleger wie Irenäus von Lyon haben den Reiter auf Christus selbst,[1] oder wie Andreas von Caesarea auf die Verkündigung des Evangeliums[2] gedeutet. Für diese Deutung wird der als Christus erkennbare Reiter in Offb 19,11–16 EU herangezogen.

Umgekehrt verstehen viele Ausleger den ersten Reiter in Analogie zu den anderen Reitern als Negativgestalt. Auch Martin Luther deutete, angeregt durch einen Holzschnitt Albrecht Dürers und beunruhigt durch die Belagerung Wiens durch die Türken, den ersten Reiter als „die erste Plage, die Verfolgung der Tyrannen“.[3] Diese negative Deutung wird auch von der Mehrheit der wichtigen Exegeten des 19. und 20. Jahrhunderts geteilt.[4]

In jüngerer Zeit brachte der evangelische Neutestamentler Michael Bachmann allerdings wieder eine positive Deutung des ersten Reiters in die Diskussion ein.[5]

Der zweite Reiter

Die rote Farbe des zweiten Pferds symbolisiert das Blut und den Tod durch Kriege, und das vom Reiter geführte lange Schwert symbolisiert mächtige Kriegswaffen und Gewalt. Die Weissagung von Kriegen ist ein verbreitetes Motiv apokalyptischer Texte.[6] Für eine zeitgeschichtliche Deutung auf einen bestimmten Krieg oder auf ein Weltreich bietet der Text keine Anhaltspunkte.[7]

Der dritte Reiter

Die schwarze Farbe des dritten Pferdes symbolisiert Tod und Hunger. Sein Reiter trägt eine Waage als Symbol für Teuerung. Eine Stimme kündigt Inflation und Hunger an.

Der vierte Reiter

Das vierte, fahle Pferd bedeutet Furcht, Krankheit, Niedergang und Tod. Die Reihenfolge erfolgt gemäß der Angabe des Propheten Sacharja (Sach 1,8–10 EU bzw. Sach 6,1–8 EU).

Rezeption in Kunst, Psychologie und Literatur

Unter den apokalyptischen Motiven nehmen die Reiter gleich der Hure Babylon und dem Fall Jerichos eine hervorragende Stellung ein.

Die apokalyptischen Reiter (Gemälde von Peter von Cornelius)
Die apokalyptischen Reiter (Gemälde von Wiktor Wasnezow)

Literatur

  • Otto Böcher: Die Johannesapokalypse, Erträge der Forschung 41, Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt 4. Auflage 1998, S. 47–56
  • Michael Bachmann: Die apokalyptischen Reiter. Dürers Holzschnitt und die Auslegungsgeschichte von Apk 6,1–8, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 86 (1989), S. 33–58
  • Michael Bachmann: Noch ein Blick auf den ersten apokalyptischen Reiter, New Testament Studies, 44. Jg., 1998, S. 257–278
  • Jens Herzer: Der erste apokalyptische Reiter und der König der Könige. Ein Beitrag zur Christologie der Johannesapokalypse, New Testament Studies 45/2 (1999), S. 230–249
  • Jens-W. Taeger: Hell oder dunkel? Zur neueren Debatte um die Auslegung des ersten apokalyptischen Reiters, in: Jens-W. Taeger, David C. Bienert, Dietrich-Alex Koch (Herausgeber): Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testamentes 215), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 139–156

Weblinks

Commons: Four Horsemen of the Apocalypse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Offb 6 nach der kritischen griechischen Ausgabe von Nestle-Aland

Einzelnachweise

  1. Adversus haereses („Gegen die Häresien“), IV 21,3 Deutscher Text
  2. Vgl. Wilhelm Bousset, Die Offenbarung Johannis, Göttingen 1906, Offenbarung Johannis/Die späterenAusleger der griechischen_Kirche S. 64.
  3. WA.DB 7,435
  4. Dazu Otto Böcher: Die Johannesapokalypse, S. 47–56
  5. Vgl. Taeger, Hell oder Dunkel? S. 140f.
  6. Vgl. Mk 13,8; Mt 24,7; 4 Esr 6,24; 13,31; 3Bar (syrBar) 70,3
  7. Vgl. Wilhelm Bousset, Die Offenbarung Johannis, Göttingen 1906, Offenbarung Johannis/Kap. 6. Die ersten sechs Siegel S. 267.