Balneologie

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Die Balneologie (von griech.: βαλανεῖον (balaneion) „Bad, Badeanstalt“[1] und -logie) ist Bäderkunde, also die Lehre von der therapeutischen Anwendung natürlicher Heilquellen, Heilgase und Peloide in Form von Bädern, Trinkkuren und Inhalationen. Als Begründer der wissenschaftlichen Balneologie gilt Emil Osann. In Österreich war Johann von Oppolzer einer der ersten führenden Vertreter dieser Lehre.[2] Der deutsche Botaniker und Mediziner Tabernaemontanus prägte bereits ab 1581 erste balneologische Grundlagen mit seinem Werk Neuw Wasserschatz.

Zur Balneologie gehören die Balneotherapie (Bädertherapie), die Balneotechnik, die Balneochemie (Hydrochemie) und die Balneophysik.[2]

Balneotherapie

Die Balneotherapie beschäftigt sich mit der therapeutischen Behandlungsform von Wasser aus Heilquellen insbesondere mit höherem Gehalt von gelösten Stoffen, z. B. an Mineralstoffen wie Kohlendioxid, Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und radioaktiven Stoffen. Der Unterschied zu Anwendungen mit Leitungswasser wie z. B. bei Kneippkuren und generell der Hydrotherapie liegt im höheren Gehalt der im juvenilen Wasser gelösten Stoffe. Neben medizinischen Bädern gehören zur Balneotherapie auch innere Anwendungen wie Trinkkuren und Inhalationen.
Heilwässer müssen gelöste Stoffe (anorganische Stoffe und deren Ionen) in einer Konzentration von mindestens 1 g/kg enthalten.[3]

Eine spezielle Form der Balneotherapie ist die Thalasso-Therapie.[4]

Bei den Bädern unterscheidet man Voll-, Sitz- und Teilbäder sowie Inhalationsbäder (Dampfbäder). Es gibt fünf Temperaturstufen: kalte, halbkalte, lauwarme, warme und heiße Bäder. Die Maximaltemperatur beträgt 40 Grad Celsius. Das Heilwasser wirkt bei warmen und heißen Bädern durch Wärme, durch physikalische und chemische Einflüsse der Zusätze aus dem Heilmittelbereich.

Ein Nutzen der Bäder: Der Auftrieb durch das Wasser soll Muskeln und Gelenke erheblich entlasten, so dass Bewegungen wieder durchgeführt werden können, die dem Patienten auf dem Trockenen auf Grund von Körpergewicht und Schmerzen nahezu unmöglich sind. Außerdem wirkt warmes Wasser generell positiv auf das vegetative Nervensystem und dadurch auch schmerzlindernd bei verschiedenen Symptomen. Thermische Reize werden auch eingesetzt, um Stoffwechsel und Immunsystem anzuregen.[5]

Eine Alternative zu Bädern sind Schlammpackungen (Fango, Parafango).

Medizinische Bäder

Medizinische Bäder werden vor allem in Kureinrichtungen der Kurorte angeboten. Sie gehören jedoch auch zu den Behandlungen der Physiotherapie.[6] In der Regel werden diese Bäder ärztlich verordnet und sind Teil eines umfassenden Behandlungsplanes, zum Beispiel während einer Kur. Besonders häufig werden sie bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt.

Die wichtigsten medizinischen Bäder[7] sind:

  • Bewegungsbad: Beim Bewegungsbad wird der Auftrieb des Wassers genutzt, um die Muskeln zu trainieren und den Kreislauf anzuregen. Indikationen sind u. a. Arthritis, Osteoporose und Haltungsanomalien. Das Wasser ist dabei lauwarm bis warm.
  • Moorbad: Moorbäder sind Voll- oder Teilbäder mit Badetorf. Da Torf die Wärme nur sehr langsam abgibt – im Gegensatz zu Wasser – sind hiermit so genannte Überwärmungsbäder möglich.[8]
  • Kohlensäurebad: Bäder in Kohlendioxid-haltigem Wasser fördern die Durchblutung und regen den Kreislauf an. Lauwarme Kohlensäurebäder senken den Blutdruck und entlasten das Herz.[9]
  • Sauerstoffbad: Sauerstoff wird dem Wasser während des Bades direkt zugeführt; es handelt sich um ein warmes Sprudelbad, das die Durchblutung anregt.
  • Solebad: Das Solebad enthält bis zu sechs Prozent Salze. Salzwasser wird in der Rheumatherapie eingesetzt, aber auch bei verschiedenen Hauterkrankungen, Stoffwechselstörungen und gynäkologischen Krankheiten.
  • Schwefelbad: Bad in einem Schwefelwasserstoff-haltigen Wasser, es soll die Durchblutung fördern und antibakteriell wirken. Indikationen sind zum Beispiel Psoriasis, Neurodermitis und chronische Ekzeme.[10]
  • Jodbad: Bad in einem Jodid-haltigen Wasser, Jodide werden durch die Haut resorbiert. Indikationen sind Furunkulose, Schweißdrüsenabszess, Arteriosklerose.
  • Kleie- und Malzbad: Das Kleie- und Malzbad kann zur Reizstillung bei juckenden Hautkrankheiten beitragen.
  • Eichenrindenbad: Die in Eichenrinde enthaltene Gerbsäure bessert nässende Hautveränderungen.
  • Inhalationsbad: Beim Inhalationsbad werden dem etwa 37 °C warmen Wasser ätherische Öle zugesetzt. Wird bei Erkrankungen der Atemwege eingesetzt.
  • Fichtennadelbad: Die aromatischen Öle aus Fichtennadeln lindern nervöse Störungen und Schlaflosigkeit und unterstützen bei Rekonvaleszenz.
  • Stangerbad: Bei diesem speziellen Bad wird ein geringer elektrischer Strom von 200 – 600 mA im Wasser erzeugt, der als leichtes Kribbeln spürbar wird. Diese Behandlung soll positiv auf die Muskulatur und schmerzlindernd bei Neuralgien und Rheuma wirken.

Balneotechnik

Die Balneotechnik ist die Lehre von der sachgerechten technischen Behandlung (Lagerung, Leitung, Speicherung, Temperierung) der balneologischen Heilmittel. Die Balneotechnik umfasst auch die technische Gestaltung von Badewannen, Gasbädern, Trinkheilwasserausgabeeinrichtungen sowie die Inhalationstechnik (Inhalationsbehandlung) und die Herstellung von Peloidpackungen.[11]

Balneochemie

Die Balneochemie (Bäderchemie) beschäftigt sich mit der chemischen Zusammensetzung von Heilwässern und deren Wirkung auf den Organismus.[12][13][14] Als Übersichtsdarstellung der Wirkung der Mineralwässer wurde im, von der Vereinigung der Bäder- und Klimakunde herausgegebenen, Deutschen Bäderbuch[15] die chemischen Charakteristiken der Mineralwässer der Mineralbäder gegen die Anwendungen in den Mineralbädern aufgelistet.

Forschung

Zur wissenschaftlichen Erforschung des Bäder- und Kurwesens, für klinische Tests und Studien und zur Beratung für Kureinrichtungen unterhielt der Freistaat Sachsen bis Ende 2006 in Bad Elster im Vogtland das einzige staatliche Forschungsinstitut für Balneologie in der Bundesrepublik. In dem Institut, das dem sächsischen Ministerium für Soziales in Dresden zugeordnet war, arbeiteten Ärzte, Psychologen, Therapeuten, Ökonomen und Sozialberufe fachübergreifend.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde u. a. auch an der Universität Gießen ein Lehrstuhl für Balneologie vorgehalten, auf welchen 1943 Arthur Weber berufen wurde.[16] Die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität in Breslau hielt ebenfalls einen Lehrstuhl für Balneologie vor, auf den 1935 der Neurologe Heinricht Vogt berufen wurde.

An der TU München gibt es seit 1951 ein „Institut für Wasserchemie und Chemische Balneologie“.[17][18]

Daneben gibt es einige (vorwiegend kommunal finanzierte) kleine Institute in Kurorten (z. B. in Bad Wildungen und Bad Füssing).[19]

Literatur

  • Alfred Martin: Deutsches Badewesen in vergangenen Tagen. Nebst einem Beitrage zur Geschichte der deutschen Wasserheilkunde. Diederichs, Jena 1906. (Nachdruck: Diederichs, München 1989, ISBN 3-424-00959-8).
  • Irmgard Probst: Die Balneologie des 16. Jahrhunderts im Spiegel der deutschen Badeschriften. (= Münstersche Beiträge zur Geschichte und Theorie der Medizin. Band 4). Institut für Geschichte der Medizin der Universität Münster, Münster 1971, ISSN 0303-4593, (zugleich Dissertation an der Universität Münster 1969).
  • Gerhard Rudolph: Zwei Beiträge zur Geschichte der Balneologie: Die kulturgeschichtlichen und medizinischen Wurzeln des Bäderwesens; 100 Jahre wissenschaftliche Balneologie. Meister, Kassel 1982 (= Schriftenreihe des Deutschen Bäderverbandes, 45), ISBN 3-922047-02-9.
  • K. L. Schmidt (Hrsg.): Kompendium der Balneologie und Kurortmedizin. Steinkopff Dr. Dietrich, Darmstadt 1989, ISBN 3-7985-0794-5.
  • Otto Gillert, Walther Rulffs: Hydrotherapie und Balneotherapie. Theorie und Praxis. (= Fachbuchreihe Krankengymnastik). Neuausgabe, 11. Auflage. Pflaum, München 1990, ISBN 3-7905-0586-2.
  • Helmut G. Pratzel, Wolfgang Schnizer: Handbuch der medizinischen Bäder. Indikationen – Anwendungen – Wirkungen. Haug, Heidelberg 1992, ISBN 3-7760-1228-5.
  • Heinz Maria Lins: Geschichte und Geschichten um Wasser – Ärzte – Bäder vom Altertum bis zum Mittelalter. R. G. Fischer, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-89501-218-1.
  • Christoph Gutenbrunner, G. Hildebrandt (Hrsg.): Handbuch der Balneologie und medizinischen Klimatologie. Springer, Berlin u. a. 1998, ISBN 3-540-60534-7.
  • Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Herausgegeben von der Vereinigung für Bäder- und Klimakunde e. V., Schweizerbart, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9.
  • Markwart Michler: Zur Geschichte der Balneologie. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. 24, 2005, S. 180–194.

Historische Quellen

Weblinks

Wiktionary: Badekur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. GEMOLL: Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch.
  2. a b Balneologie Definition nach Institut für Balneologie und Medizinische Klimatologie, Christoph Gutenbrunner.
  3. Gert Michel: Naturwissenschaftliche Begriffsbestimmungen natürlicher ortgebundener Heilmittel. In: Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 41–44.
  4. Angela Schuh: Thalassotherapie. In: Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 111–113.
  5. Bernd Hartmann, Margarete Hartmann: Das Thermalbad: Faktoren, Wirkungen, Wirksamkeit. In: Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 84–91.
  6. Albrecht Falkenbach: Physikalische Therapie am Kurort. In: Werner Käß, Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 30–33.
  7. Bernd Hartmann, Margarete Hartmann: Pharmakologische Wirkungen des Badens in Heilwässern. In: Werner Käß, Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 92–95.
  8. Gerd Lüttig: Was sind Peloide? In: Werner Käß, Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 160–173.
  9. Bernd Hartmann: Kohlenstoffhaltige Wässer und Mofetten: Evidente Kur- und Heilmittel. In: Werner Käß, Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 146–151.
  10. Gert Michel: Balneogeologie. In: Werner Käß, Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 21–22.
  11. Balneotechnik – Medizinlexikon Elsevier, München; Seitenabruf vom 17. Juli 2011.
  12. Werner Käß: Analytik, Dokumentation und Beschaffenheitsdarstellung von Heilwässern. In: Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 52–54.
  13. Lorenz Eichinger, Gesine Lorenz: Isotopenmethoden zur Charakterisierung von Heilwässern. In: Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 61–67.
  14. Remigius E. Fresenius, Werner Käß: Spurenelemente. In: Werner Käß und Hanna Käß: Deutsches Bäderbuch. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-510-65241-9, S. 55–60.
  15. Vereinigung für Bäder und Klimakunde e.V.: Deutsches Bäderbuch, ISBN 978-3-510-65241-9.
  16. Personalnachrichten. Ernennungen. 1943. Forschungen und Fortschritte. Band 19, 23/24, S. 252.
  17. TU München – Lehrstuhl für Analytische Chemie (englisch).
  18. Jahresbericht 1999 (PDF; 863 kB) des Institut für Wasserchemie und Chemische Balneologie der TU München – Lehrstuhl für Hydrogeologie, Hydrochemie und Umweltanalytik, PDF, 4 Seiten.
  19. Kurorte und Heilbäder in Deutschland, Deutscher Heilbäderverband e. V., Seitenabruf vom 17. Juli 2011.

Siehe auch