Baryzentrische Koordinaten

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Baryzentrische Koordinaten (auch homogene baryzentrische Koordinaten) dienen in der linearen Algebra und in der Geometrie dazu, die Lage von Punkten in Bezug auf eine gegebene Strecke, ein gegebenes Dreieck, ein gegebenes Tetraeder oder allgemeiner ein gegebenes Simplex zu beschreiben. Der Punkt wird dargestellt durch die Koeffizienten einer Affinkombination (also einer Linearkombination von Punkten, bei der die Summe der Koeffizienten 1 ist).

Sie sind ein Spezialfall homogener Koordinaten.

Beispiele

Punkte einer Geraden

Normierte baryzentrische Koordinaten einiger Punkte in Bezug auf die Strecke [AB]
Normierte baryzentrische Koordinaten einiger Punkte in Bezug auf die Strecke [AB]

Gegeben sei eine Strecke [AB]. Für jeden Punkt der Geraden AB lassen sich baryzentrische Koordinaten angeben, wobei diese allerdings nicht eindeutig festgelegt sind. Um Eindeutigkeit zu erreichen, verwendet man oft normierte baryzentrische Koordinaten, das heißt baryzentrische Koordinaten, deren Summe gleich 1 ist. Die in der Skizze für einige Beispielpunkte angegebenen baryzentrischen Koordinaten sind normiert. Verzichtet man auf die Normierung, so könnte man beispielsweise den Punkt A durch (5,0) ausdrücken oder den Mittelpunkt von [AB] durch (1,1). Allgemein führt die Multiplikation aller Koordinaten mit derselben reellen Zahl (ungleich 0) wieder zu baryzentrischen Koordinaten.

Punkte einer Ebene

In einer Ebene beziehen sich die baryzentrischen Koordinaten auf ein gegebenes Dreieck. Die in der Skizze eingetragenen Koordinaten sind normiert.

Normierte baryzentrische Koordinaten einiger Punkte in Bezug auf ein Dreieck ABC
Normierte baryzentrische Koordinaten einiger Punkte in Bezug auf ein Dreieck ABC

Allgemeine Definition

x1, …, xn seien die Eckpunkte eines Simplex im Vektorraum A. Wenn für einen Punkt p aus A folgende Gleichung erfüllt ist,

so nennen wir die Koeffizienten (a1, …, an) baryzentrische Koordinaten von p zu x1, …, xn. Die Eckpunkte haben die Koordinaten (1, 0, 0, …, 0), (0, 1, 0, …, 0), …, (0, 0, 0, …, 1). Baryzentrische Koordinaten sind nicht eindeutig: Für jedes von Null verschiedene b sind (b a1, …, b an) ebenfalls baryzentrische Koordinaten von p.

Falls die Koordinaten positiv sind, so liegt der Punkt p in der konvexen Hülle von x1, …, xn, also dem Simplex mit diesen Eckpunkten. Die Darstellung eines Punktes innerhalb einer konvexen Hülle als Summe von Eckpunkten eines Simplex wird affine Kombination oder baryzentrische Kombination genannt.

Stellen wir uns Massen im Verhältnis a1, …, an an den Eckpunkten des Simplex vor, so liegt der Massenmittelpunkt (das Baryzentrum) in p. Dies ist der Ursprung des Begriffs baryzentrisch, der 1827 von August Ferdinand Möbius eingeführt wurde.

Baryzentrische Koordinaten in der Dreiecksgeometrie

In der Dreiecksgeometrie werden neben trilinearen Koordinaten häufig baryzentrische Koordinaten verwendet, um die Positionen ausgezeichneter Punkte zu beschreiben. Neben der Tripel-Schreibweise ist auch die Notation gebräuchlich.

Berechnung

Die baryzentrischen Koordinaten eines Punktes sind gegeben durch

.

Dabei bedeuten , und orientierte Dreiecksflächen, d. h., die Flächen der genannten Dreiecke erhalten bei positivem Umlaufsinn (Gegenuhrzeiger) ein positives Vorzeichen, andernfalls ein negatives.

Eigenschaften

Drei Punkte mit baryzentrischen Koordinaten , und liegen genau dann auf einer Geraden, wenn

gilt. Diese Beziehung ermöglicht auch die Aufstellung von Geradengleichungen für baryzentrische Koordinaten. Solche Gleichungen haben die Form

,

wobei mindestens einer der reellen Koeffizienten , und von 0 verschieden sein muss.

Drei Geraden mit den baryzentrischen Gleichungen , und schneiden sich genau dann in einem Punkt oder sind parallel, wenn die Bedingung

erfüllt ist.

Die Parallelität zweier Geraden mit den Gleichungen und lässt sich überprüfen mit dem Kriterium

.

Umrechnungsformeln

Zwischen trilinearen und baryzentrischen Koordinaten besteht ein einfacher Zusammenhang: Hat der gegebene Punkt die trilinearen Koordinaten , so sind baryzentrische Koordinaten dieses Punktes. , und bezeichnen dabei die Seitenlängen des Dreiecks.

Die Umrechnung in kartesische Koordinaten erfolgt durch Bestimmung des gewichteten Mittels. Sind baryzentrische Koordinaten eines Punktes und , , die kartesischen Koordinaten der Ecken des gegebenen Dreiecks, so gilt:

Verallgemeinerte baryzentrische Koordinaten

Baryzentrische Koordinaten (a1, …, an), die mit Bezug auf ein Polytop statt mit Bezug auf ein Simplex definiert sind, werden verallgemeinerte baryzentrische Koordinaten genannt. Hierbei wird weiterhin verlangt, dass die Gleichung

erfüllt wird, wobei x1, …, xn hier die Eckpunkte des gegebenen Polytops sind. Die Definition ist also formal unverändert, allerdings muss ein Simplex mit n Eckpunkten in einem Vektorraum mit einer Dimension von mindestens n−1 enthalten sein, während Polytope auch in Vektorräume von niedrigerer Dimension eingebettet sein können. Das einfachste Beispiel ist ein Viereck in der Ebene. Als Konsequenz sind sogar die normierten verallgemeinerten baryzentrischen Koordinaten für ein Polytop im Allgemeinen nicht eindeutig bestimmt, obwohl dies für normierte baryzentrische Koordinaten mit Bezug auf ein Simplex der Fall ist.

Verallgemeinerte baryzentrische Koordinaten werden insbesondere in der Computergrafik bzw. der geometrischen Modellierung verwendet. Dort können dreidimensionale Objekte oft durch Polyeder approximiert werden, sodass die verallgemeinerten baryzentrischen Koordinaten eine geometrische Bedeutung haben und die weitere Bearbeitung dieser Objekte erleichtern.

Baryzentrische Interpolation

Auf baryzentrischen Koordinaten basiert ein Interpolationsverfahren, das die lineare Interpolation für Funktionen mehrerer Variablen verallgemeinert.

Im Falle einer Funktion von zwei Variablen und sind für drei Punkte , und die Funktionswerte gegeben. Dabei dürfen , und nicht auf einer Geraden liegen. Sie müssen also ein Dreieck aufspannen. Ist nun ein beliebiger Punkt gegeben, so definiert man

,

wobei die normierten baryzentrischen Koordinaten von sind. Diese Interpolation funktioniert auch für Punkte außerhalb des Dreiecks.

Literatur

  • Gerald Farin, Diane Hansford: Lineare Algebra: Ein geometrischer Zugang. Springer 2003, ISBN 3540418547, S. 138–143 (Auszug (Google)).
  • Peter Knabner, Lutz Angermann: Numerik partieller Differentialgleichungen. Eine anwendungsorientierte Einführung. Springer 2000, ISBN 3642571816, S. 108–111 (Auszug (Google)).
  • Abraham A. Ungar: Barycentric Calculus in Euclidean and Hyperbolic Geometry. World Scientific 2010, ISBN 9789814304931.
  • John Vince: Mathematics for Computer Graphics. Springer 2010, ISBN 9781849960328, S. 208–236.

Weblinks