Charta von Paris

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Europäische OSZE-Staaten

Die Charta von Paris (offiziell Charta von Paris für ein neues Europa) ist ein grundlegendes internationales Abkommen über die Schaffung einer neuen friedlichen Ordnung in Europa nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Einstellung der Ost-West-Konfrontation. Sie wurde am 21. November 1990 in Paris als Schlussdokument der KSZE-Sondergipfelkonferenz von 32 europäischen Ländern sowie den USA und Kanada unterschrieben. Die Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten erklärten die Spaltung Europas für beendet, verpflichteten sich zur Demokratie als einziger Regierungsform und sicherten ihren Völkern die Gewährleistung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu. Die Charta von Paris dokumentierte das Ende der Konfrontation des Kalten Krieges und der Teilung Europas. Durch die Krimkrise und den kriegerischen Konflikt in der Ostukraine sehen einige Politiker und Publizisten das Ergebnis in Frage gestellt.[1][2]

Teilnehmerstaaten

Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Europäische Gemeinschaft, Finnland, Frankreich, Griechenland, Heiliger Stuhl, Irland, Island, Italien, Jugoslawien, Kanada, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechische und Slowakische Föderative Republik, Türkei, Ungarn, Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika, Zypern.

Geschichte

Die Schlussakte von Helsinki 1975 war der Versuch der Mitglieder der beiden Militärallianzen und der neutralen Staaten in Europa, Regeln für die Austragung des Ost-West-Konflikts mit nicht-militärischen Mitteln zu vereinbaren.

Anfang der 1990er Jahre spielte die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) eine zentrale Rolle bei der Neugestaltung der gesamteuropäischen Sicherheit, was einem Bedürfnis der neuen Demokratien in Ostmitteleuropa, aber auch von Deutschland und Russland entsprach.

Mit der Charta von Paris vom November 1990 wurde der Ost-West-Konflikt auf der normativen Ebene beendet. Damit hat auch die KSZE ihre bisherige Funktion verloren. Der Streit über Menschenrechte und Demokratie war mit dem Sieg der westlich-liberalen Ideen (einschließlich des Schutzes der Minderheiten) auf der Grundlage einer kapitalistischen Marktwirtschaft beendet worden.

Als die Staats- und Regierungschefs der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) die Charta für ein neues Europa in Paris verabschiedeten, waren sie voller Hoffnung über das Ende des Kalten Krieges und die Zukunft eines demokratischen, solidarischen und friedlichen Europas. Trotz des Sieges der westlichen Ideen, der sich in der Programmatik der Charta von Paris als der Dreiklang von Demokratie, Marktwirtschaft und Kooperation in internationalen Organisationen manifestierte, rückte der Krieg (Jugoslawienkriege) – unter Verletzung der Charta von Paris – wieder auf die Tagesordnung der europäischen Politik.

Präambel der Charta

„Wir, die Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, sind in einer Zeit tiefgreifenden Wandels und historischer Erwartungen in Paris zusammengetreten. Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ist zu Ende gegangen. Wir erklären, daß sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden. Europa befreit sich vom Erbe der Vergangenheit. Durch den Mut von Männern und Frauen, die Willensstärke der Völker und die Kraft der Ideen der Schlußakte von Helsinki bricht in Europa ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit an.“

Inhalt der Charta

Die Charta ist in die Kapitel Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Freiheit und Verantwortung, freundschaftliche Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten, Sicherheit und Einheit aufgeteilt:

Sie enthält die Verpflichtung der Teilnehmerstaaten zur Einhaltung der Demokratie als Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Meinungsfreiheit. Der Schutz und die Förderung der unveräußerlichen und durch das Recht gewährleisteten Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen von Geburt an sind Pflicht jeder Regierung. Ihre Achtung ist wesentlicher Schutz gegen staatliche Übermacht. Demokratische Regierung gründet sich auf den Volkswillen, der seinen Ausdruck in regelmäßigen, freien und gerechten Wahlen findet. Die Staaten verpflichten sich zum Schutz ihrer nationalen Minderheiten, zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern, zur friedlichen Beilegung von Streitfällen sowie zur Fortsetzung des Abrüstungsprozesses. Die Charta verpflichtet die Unterzeichnerstaaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen und der Schlussakte von Helsinki, sich jeder gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichteten Androhung oder Anwendung von Gewalt oder jeder sonstigen mit den Grundsätzen oder Zielen dieser Dokumente unvereinbaren Handlung zu enthalten.

Die grundlegenden Prinzipien sind in den Leitsätzen Menschliche Dimension, Sicherheit, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Umwelt, Kultur, Wanderarbeiter, Mittelmeerraum und nichtstaatliche Organisationen festgehalten:

Politischer Pluralismus soll ebenso gefördert werden wie die Marktwirtschaft, die Sicherstellung eines ständigen Wirtschaftswachstums, des Wohlstandes, der sozialen Gerechtigkeit und der rationalen Nutzung der ökonomischen Ressourcen. Der Umweltschutz soll in der gemeinsamen Verantwortung aller Nationen liegen, die die Charta von Paris unterzeichneten.

Die Charta enthält auch den Beschluss, neue Strukturen und Institutionen des KSZE-Prozesses zu schaffen: einen Rat der Außenminister zu bilden, ein Sekretariat in Prag, ein Konfliktverhütungszentrum in Wien und ein Büro für freie Wahlen in Warschau einzurichten.

Im Kapitel Einheit heißt es hinsichtlich des Zwei-plus-Vier-Vertrages:

„Wir nehmen mit großer Genugtuung Kenntnis von dem am 12. September 1990 in Moskau unterzeichneten Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland und begrüßen aufrichtig, dass das deutsche Volk sich in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und in vollem Einvernehmen mit seinen Nachbarn in einem Staat vereinigt hat. Die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ist ein bedeutsamer Beitrag zu einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung für ein geeintes demokratisches Europa, das sich seiner Verantwortung für Stabilität, Frieden und Zusammenarbeit bewusst ist.“

Literatur

  • Charta von Paris für ein neues Europa, in: Bulletin, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 137, 24. November 1990, S. 1409–1415.
  • Curt Gasteyger, Europa von der Spaltung zur Einigung: Darstellung und Dokumentation 1945-1997. - Bonn : Bundeszentrale für Politische Bildung, 1997, ISBN 3-89331-296-X
  • Gemeinsame Erklärung von 22 Staaten, in: Bulletin, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 137, Bonn, den 24. November 1990.
  • Wolfgang Kubiczek, Das Pariser Treffen der KSZE - Beginn einer neuen Ära?, in: Aufbruch nach Gesamteuropa : die KSZE nach der Wende im Osten / Michael Staack (Hrsg.), Lit-Verlag, Münster, Hamburg 1993, ISBN 3-89473-309-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Was würde Willy Brandt tun?, Die Zeit, 28. November 2014
  2. Putin reagiert Internationale Politik und Gesellschaft