Egon Balas

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Egon Balas (* 7. Juni 1922 in Siebenbürgen) ist ein rumänischer Mathematiker.

Egon Balas

Leben

Als ältester Sohn des Ignác (Ignatius) Blatt und dessen Ehefrau Boriska (Barbara) Blatt, geb. Hirsch, wuchs Egon Balas als Egon Blatt in der rumänischen Provinzhauptstadt Klausenburg auf. Nach seinem Abitur 1941 wurde ihm durch die NS-Gesetzgebung das Studium von Physik und Mathematik verwehrt. Zu dieser Zeit trat Egon Balas auch in die Kommunistische Partei Ungarns ein. Als er mit 21 wehrpflichtig ist, geht er auf Anraten der Partei in den Untergrund. Unter verschiedenen Namen und Identitäten agiert er für die Partei, bis er im August 1944 vom militärischen Generalstab für Spionageabwehr verhaftet und gefoltert wird.[1]

Sein Vater stirbt im ungarischen Arbeitsdienst, einem Programm zur Vernichtung von Juden durch Arbeit. 1944 wird sein jüngerer Bruder Robert zusammen mit der Mutter nach Auschwitz deportiert. Als Mitglied eines Lagerorchesters überlebte der Bruder, bis er bei der Evakuierung des Lagers auf einem Todesmarsch umgebracht wird. Die Mutter wird in der Nähe des Konzentrationslagers Stutthof ermordet. Im Oktober desselben Jahres wird Egon Balas zu 14 Jahren Haft verurteilt. Jedoch gelingt ihm wenige Monate später die Flucht. Mit wechselnden Identitäten, viel Glück und bizarren Zufällen wird Balas zum Kriegsende im März 1945 von der Russischen Armee befreit.

Nach 1945 stürzt er sich als Egon Balázs in die politische Aufbauarbeit und beginnt daneben 1946 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Bolyai-Universität Cluj, das er 1949 abschließt.

Im November 1946 lernt er beim Tanzen seine spätere Frau Edith Lövi kennen, eine junge Auschwitz-Überlebende. 1947 wird Balas in die Landwirtschaftsabteilung des Zentralkomitees der Partei versetzt, doch schon im Januar 1948 bekommt der „Wirtschaftler“ eine neue Aufgabe zugewiesen: Er wird Sekretär der rumänischen Gesandtschaft in London. Erneut ändert er seinen Namen. Nach der Heirat 1949 holt Balas auch Edith nach London, wird jedoch nur Wochen später zur persona non grata erklärt und ausgewiesen.[2]

Nach seiner Rückkehr nach Rumänien wird er Leiter des Direktorats für Wirtschaftsangelegenheiten im rumänischen Außenministerium, lehrt Wirtschaftswissenschaften, verliert 1952 seine Stelle und seine Wohnung, wird festgenommen und erneut gefoltert. 1954 wird Balas freigelassen und nimmt sein Leben wieder auf. Er veröffentlicht Artikel in der rumänischen Wirtschaftszeitschrift Probleme Economice über die Beziehungen zwischen der Herstellung von Produktionsgütern und Verbrauchsgütern und beginnt mit 32 Jahren, sich für Mathematik zu interessieren. Er beschäftigt sich mit linearer Programmierung und nutzt sein Wissen an einer neuen Arbeitsstelle, einem Planungs- und Forschungsinstitut für Forstwirtschaft und Holzindustrie. In der Privatwohnung des Mathematikers Grigore Moisil, eines Mitglieds der rumänischen Akademie der Wissenschaften, wälzt er lineare Probleme und lernt Operations Research.[3]

1962 betritt er in der Mathematik das internationale Parkett: Balas veröffentlicht „On the Transportation Problem. Part I - Part II“ in den Cahiers du Centre d’études de recherche opérationnelle. Kurz darauf stößt er bei der Forstwirtschaftsplanung erstmals auf gemischt ganzzahlige Optimierungsprobleme, Probleme also, deren Lösung in einigen Komponenten ganzzahlig sein muss. Mangels Computerpower zu Kreativität gezwungen, entwickelt er eine eigene Methode, damit algorithmisch umzugehen und veröffentlicht sie 1965 in der Zeitschrift Operations Research unter dem Titel „An Additive Algorithm for Solving Linear Programs with Zero-One Variables“. Es wird ein wissenschaftlicher Bestseller.

Am 26. Juli 1966 zieht Balas mit seiner Familie nach Neapel und erhält ein Forschungsstipendium am Internationalen Rechenzentrum in Rom bei Claude Berge. 1967 promoviert Balas in Wirtschaftswissenschaften und ein Jahr später in Mathematik. Parallel forscht er 1967 an der Stanford University bei George Dantzig, einem der Erfinder der linearen Optimierung.

Im Herbst 1967 zieht dann die ganze Familie nach Pittsburgh, wo Balas seitdem an der Carnegie Mellon University forscht; seine Frau unterrichtet dort Kunstgeschichte. Balas entwickelt die „disjunktive Programmierung“, Lift-and-Project und - im Jahr 1980 als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung an der Universität zu Köln - ein Verfahren zur Nutzung von erweiterten Formulierungen und Projektionen von Polyedern in der Optimierung. Immer noch nimmt er an Tagungen teil.[4]

Werke (Auszug)

  • An Additive Algorithm for Solving Linear Programs with Zero-One Variables. Operations Research, vol. 13, no4, 1965, pp. 517-549.

Literatur

  • Egon Balas: Der Wille zur Freiheit. Eine gefährliche Reise durch Faschismus und Kommunismus. Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-23920-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Egon Balas: Der Wille zur Freiheit. Eine gefährliche Reise durch Faschismus und Kommunismus. Springer, Berlin 2011, S. 45ff.
  2. Die zwei orthogonalen Leben des Egon Balas (PDF; 61 kB), Andreas Loos: Die zwei orthogonalen Leben des Egon Balas, abgerufen am 19. Juni 2012, S. 3.
  3. Egon Balas: Der Wille zur Freiheit. Eine gefährliche Reise durch Faschismus und Kommunismus. Springer, Berlin 2011, S. 334.
  4. Die zwei orthogonalen Leben des Egon Balas (PDF; 61 kB), Andreas Loos: Die zwei orthogonalen Leben des Egon Balas, abgerufen am 19. Juni 2012, S. 4.