Eklektizismus
Als Eklektizismus (von griech. ἐκλεκτός, eklektos, „ausgewählt“) bezeichnet man Methoden, die sich verschiedener entwickelter und abgeschlossener Systeme (z. B. Stile, Disziplinen, Philosophien) bedienen und deren Elemente neu zusammensetzen. Eine ähnliche Bedeutung hat der Begriff Genresynkretismus. Der Ausdruck Synkretismus wird jedoch eher im religiösen Zusammenhang verwendet.
Eklektizismus in den Geisteswissenschaften
Der Begriff ist bereits in der Antike, etwa um Christi Geburt, geprägt worden. Damals existierten verschiedene Philosophenschulen nebeneinander, und es gab Denker und Politiker, die als Eklektiker bezeichnet wurden, weil sie Elemente der unterschiedlichen Positionen miteinander verbanden. Der berühmteste Vertreter dieser Richtung war Cicero. Er übernahm besonders in seinen ethischen Vorstellungen im Wesentlichen die Lehren der Stoiker, wobei er auch Werte der Akademie und des Peripatos einfließen ließ.
In den Geisteswissenschaften charakterisiert der Begriff die Methode, aus Versatzstücken unterschiedlicher Systeme, Theorien oder Weltanschauungen eine neue Einheit zu bilden. Auch hier wird der Terminus in der Regel abwertend verwendet. Dies verrät eine Bevorzugung in sich abgeschlossener, isolierter Theorien gegenüber der Selektion zutreffender Aussagen aus verschiedenen Theorien bei Nichtübernahme widerlegter Elemente. Dass wissenschaftstheoretisch legitimiert dennoch Eklektizismus zu betreiben ist, zeigt Richter (2011).
Eklektizismus in Kunst und Architektur
Der Eklektizismus ist kennzeichnend für die Stilrichtungen der europäischen Kunst seit Beginn des Historismus. Als Kunstverfahren ist Eklektizismus in der Postmoderne für die kritische Reflexion über vorhandenes Material von Bedeutung. Die Bezeichnung eklektisch oder eklektizistisch bezieht sich auf ein einzelnes Kunstwerk, in dem verschiedene vergangene Stile verarbeitet sind.[1] Im Hinblick auf die jeweilige künstlerische Qualität ist zwischen Imitation und eigener Weiterentwicklung zu unterscheiden. Der Begriff kann mit einer negativen Betonung versehen sein, wenn der Künstler anstelle einer eigenen Kreation unschöpferisch Elemente aus anderen Werken auswählt und zu einem neuen Werk zusammenfügt.
In der Architektur ist Eklektizismus das Zitieren von Architekturstil-Elementen mehrerer vergangener Epochen an einem neuen Bauwerk.[2] Diese Methodik findet sich insbesondere im Historismus des 19. Jahrhunderts, aber beispielsweise auch im 11. Jahrhundert in der süditalienischen Romanik, wo ein arabisch-byzantinisch-normannischer Mischstil entstand.[3] Ebenso in der Postmodernen Architektur des 20. Jahrhunderts.[4]
Ein Eklektiker ist derjenige, der aus dem Vorhandenen das ihm Geeignete aussucht und versucht, es seinen Zwecken anzupassen.[5]
Eklektizismus und Historismus
Eklektizismus wird, analog zu Historismus, auch als Epochenbegriff benutzt. Als derartiger Epochenbegriff gilt Eklektizismus aber als ungeeignet, da es damals auch andere Architekturhaltungen gab. Als Ersatzbezeichnung und Abgrenzung kann Eklektizismus gegenüber Historismus benutzt werden um den damals verbreiteten Stilpluralismus besser einzuordnen: So dienten die zahlreichen Neo-Stile in der Architektur (vgl. Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance, Neobarock) nicht nur einem Bezug zur vergangenen Geschichte, sondern auch dazu, einen Ortsbezug, eine Charakterisierung der Bauaufgabe oder eine Stimmigkeit der Konstruktion herzustellen.[6]
Eklektizismus kann, innerhalb des Historismus, auch die Stilmischung des verwendeten Formenapparates an einem Gebäude meinen.[7]
Die Bezeichnung Eklektizismus kann, im Zusammenhang mit dem Historismus und mit abwertender Nebenbedeutung, auch eine Kritik am selektiven Entwurfsverfahren vieler Architekten des 19. Jahrhunderts darstellen.[8]
Eklektizismus als Methodenbegriff
Im Rahmen des architektonischen Entwurfs kann es zu einem Auswahlverfahren aus vorhandenen Stilen und Formen kommen. Dabei können auch Elemente aus verschiedenen Vorbildern miteinander kombiniert werden. Diese Vorbilder stammen mitunter aus ähnlichen Architekturkreisen (römischer Tempeltyp mit griechischen Säulen) oder aber aus völlig unterschiedlichen (Renaissanceportikus neben ägyptischen Säulen und maurischen Fensterrahmen mit gotischer Turmspitze). Beim Auswahlverfahren können zeitliche Bezüge (wie beim Historismus) oder aber räumliche (wie beim Exotismus) eine Rolle spielen.[9]
Eklektizismus als Methodenbegriff kann auch die Verwendung verschiedener Formen und Stile an unterschiedlichen Gebäuden innerhalb des Gesamtwerkes eines Architekten bedeuten, wenn es ihm gilt der jeweiligen, unterschiedlichen, Bauaufgabe gerecht zu werden.[6]
George Gilbert Scott sah die Methode des Eklektizismus positiv:
- „Die Eklektik an sich ist ein gutes Prinzip, das heißt von der Kunst aller Arten die Elemente zu borgen, mit denen wir den Stil, den wir laut unserem Plan als unsere Basis und unseren Kern ausgemacht haben, bereichern und perfektionieren können.“[10]
Gottfried Semper dagegen kritisierte den „Kunstjünger“, der „sein Herbarium voll mit wohlaufgeklebten Durchzeichnungen aller Art“ stopft
- „in der frohen Erwartung, daß die Bestellung einer Walhalla à la Panthenon, einer Basilika à la Monreale, eines Boudoirs à la Pompeji, eines Palastes à la Pitti, einer byzantinischen Kirche oder gar eines Bazars in türkischem Geschmacke nicht lange ausbleiben könne.“[10]
Fritz Schumacher differenzierte den Eklektizismus als Entwurfsmethode:
- „Es gibt einen leichtsinnig-oberflächlichen und einen gewissenhaft-wissenschaftlichen Eklektizismus, es gibt einen Eklektizismus der Bequemlichkeit und einen der Überzeugung, einen Eklektizismus des Verstandes und einen des Gefühls.“[10]
Beispiele
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Sizilianische Romanik, La Zisa (1165–1167): In der süditalien. Romanik wurden normannische mit arabischen Formen gemischt.
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Klassizistischer Barock, St. Étienne du Mont, (1610- 1622): „die Frontfassade [ist] eine Mischung aus einer Fensterrose im gotischen Stil, einem Portikus und Giebelfeld der Klassik, sowie einem Giebel und Obelisken des Manierismus“. [11]
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Historismus, Justizpalast in Brüssel (1866–1883) von Joseph Poelaert: „Die Stilmischung des Formenapparates (Eklektizismus) ist erstaunlich: Barock, Renaissance, Römisches, Griechisches und selbst Assyrisches sind miteinander verbunden.“[7]
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Historismus, Pennsylvania Academy of the Fine Arts, (1872–1876) von Frank Furness: „Der kühne, äußerst eklektische Entwurf weist eine auffallende Fassade mit einer Mischung aus Motiven des Islam, der Gotik und der Renaissance […] auf“. [12]
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Hauptbahnhof von Antwerpen, Historismus, Mischung vieler verschiedener Baustile, u. a. Byzantismus, Neogotik und Jugendstil
Literatur
- Doris H. Lehmann, Grischka Petri (Hrsg.): Eklektizismus und eklektische Verfahren in der Kunst. G. Olms Verlag, Hildesheim 2012, ISBN 978-3487147888.
- Petra Michel: Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712–74) und die Problematik des Eklektizismus. Mäander, München 1984, ISBN 3-88219-295-X.
- Nicolas Pethes, Jens Ruchatz (Hrsg.): Eklektizismus. In: Lexikon Gedächtnis und Erinnerung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, ISBN 3-499-55636-7.
- Ulrich Johannes Schneider: Über den philosophischen Eklektizismus (PDF; 2,0 MB). In: A. Steffens (Hrsg): Nach der Postmoderne. Düsseldorf 1992, S. 201–224.
- Joseph Richter: Freie Fundamente. Wissenschaftstheoretische Grundlagen für eklektische und integrative Theorie und Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011.
- Siegfried Wollgast: Eklektizismus. In: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 3. Argument-Verlag, Hamburg 1997, S. 226–237.
Weblinks
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, 3. Auflage, München, Prestel, 1992, ISBN 978-3-7913-2095-3; Lemma Eklektizismus. Dort wörtlich: „[...] Zitieren von Stilelementen der Architektur mehrerer vergangener Epochen an einem Bauwerk.“
- ↑ Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, 3. Auflage, München, Prestel, 1992, Lemma Eklektizismus. Dort wörtlich „... Zitieren von Stilelementen der Architektur mehrerer vergangener Epochen an einem Bauwerk.“
- ↑
„Sizilien, Kampanien, Kalabrien. Nach der Vertreibung der seit 917 in Sizilien ansässigen Araber im 11. Jh. entwickeln die Normannen einen arabisch-byzantinisch-normannischen Mischstil. Sein Eklektizismus wirkt räumlich bis Neapel, zeitlich bis in die Stauferzeit (seit 1194) [...] Hauptwerke sind die nordsizilian. Dome in Palermo, Cefalù, Monreale [...] Decke flach, offen (Cefalù, Monreale) oder arab. Stalaktitendecke (Palermo, Capella Palatina) [...] reiche Dekoration: [...] Inkrustration mit Lava und farbigen Steinen; Mosaiken (byzantin.); artesonado-artiger Fußboden (arab.)“
– Wilfried Koch:Baustilkunde – Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart, Orbis-Verlag, München 1988, ISBN 3-572-05927-5, S. 136 - ↑ Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, 3. Auflage, München, Prestel, 1992, Lemma Eklektizismus
- ↑ Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma Eklektizismus
- ↑ a b Absatz nach Eklektizismus in Vittorio Magnago Lampugnani (Hrsg.) Hatje-Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, 1998
- ↑ a b vgl. beispielsweise Fritz Baumgart: DuMont's kleines Sachlexikon der Architektur, Köln, 1977, Lemma Historismus. Dort mit Bezug auf den Justizpalast von Brüssel (1866–1883) von Joseph Poelaert: „Die Stilmischung des Formenapparates (Eklektizismus) ist erstaunlich: Barock, Renaissance, Römisches, Griechisches und selbst Assyrisches sind miteinander verbunden.“
- ↑ Satz nach Eklektizismus in Vittorio Magnago Lampugnani (Hrsg.) Hatje-Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, 1998
- ↑ Absatz und Beispiele (diese wörtlich) nach Eklektizismus in Vittorio Magnago Lampugnani (Hrsg.) Hatje-Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, 1998
- ↑ a b c zitiert nach Eklektizismus in Vittorio Magnago Lampugnani (Hrsg.) Hatje-Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, 1998
- ↑ Richard Reid:Bauwerke. Ein Reiseführer. Europa und Nordarmerika. 3500 Bauten – 1700 Zeichnungen. Alle Epochen und Baustile, Weltbild, Augsburg 1980, S. 218
- ↑ Richard Reid:Bauwerke. Ein Reiseführer. Europa und Nordarmerika. 3500 Bauten – 1700 Zeichnungen. Alle Epochen und Baustile, Weltbild, Augsburg 1980, S. 399