Emil Schumburg

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Emil Schumburg (* 14. Mai 1898 in Berlin; † 17. Februar 1961 in Hannover) war ein promovierter Volljurist, deutscher Diplomat und Judenreferent im Auswärtigen Amt.

Leben

Emil Schumburg war der Sohn des Medizinprofessors und Generalarztes Wilhelm Schumburg und dessen Ehefrau Emma geb. Behring,[1] einer Schwester des Medizinnobelpreisträgers Emil von Behring.[2] Er hatte mit 18 Jahren das Notabitur erworben und sich anschließend während des Ersten Weltkrieges zum Militärdienst gemeldet, aus dem er 1919 ausschied. Nach Jurastudium, Promotion 1923 an der Universität Göttingen mit einer Arbeit Kaiser und Reichspräsident und verschiedenen Auslandsaufenthalten, wurde er zum 1. Januar 1926 als Attaché in das Auswärtige Amt einberufen, dem er bis 1945 als Berufsdiplomat angehörte. Im Mai 1933 wurde Schumburg als Legationssekretär Assistent Vicco von Bülow-Schwantes, der das Sonderreferat Deutschland leitete.[3] Heinrich Himmlers Aufmerksamkeit zog er auf sich, als er diesen im Oktober 1936 auf einer Reise nach Rom begleitete. Daraufhin wurde er umgehend Untersturmführer in der SS[4] (SS-Nr. 280.150[5]). Ab Juli 1938 war Schumburg Mitglied der NSDAP[6] (Mitgliedsnr. 5.855.545[5]) Schumburg fungierte zwischen 1938 und 1940 als Verbindungsführer zwischen dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler und dem Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop und war erster Judenreferent im Auswärtigen Amt. Im Range eines Legationsrats leitete Schumburg nun das Referat Sonderreferat Deutschland, dessen Aufgabengebiet die Zusammenarbeit mit Dienststellen der SS und der Geheimen Staatspolizei in Fragen der Judenpolitik umriss. Drei Tage nach den Novemberpogromen 1938 nahm er am 12. November 1938 zusammen mit Unterstaatssekretär Ernst Woermann als Vertreter des Auswärtigen Amtes an der von Hermann Göring geleiteten Konferenz teil, in der über antijüdische Maßnahmen beraten wurde.[7] Am Ende der Konferenz entließ Göring die Teilnehmer mit dem Hinweis: „Wenn das Deutsche Reich in irgendeiner absehbaren Zeit in außenpolitischen Konflikt kommt, so ist es selbstverständlich, dass auch wir in Deutschland in erster Linie daran denken werden, eine große Abrechnung an den Juden zu vollziehen.“[8]

In einem Schreiben an alle diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen im Ausland vom 25. Januar 1939 referierte Schumburg über die „Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938“[9] Der „ausgewanderte Jude [sei] als beste Propaganda für die deutsche Judenpolitik“ zu benutzen und könne den Antisemitismus im Ausland schüren: „Je ärmer und damit belastender für das Einwanderungsland der einwandernde Jude ist, desto stärker wird das Gastland reagieren und desto erwünschter ist die Wirkung im deutschen propagandistischen Interesse“.[10] Schumburg führte weiter aus: „Auch für Deutschland wird die Judenfrage nicht die Erledigung gefunden haben, wenn der letzte Juden deutschen Boden verlassen hat.“[11] Die Unabhängige Historikerkommission bewertet diese Aussage als „Aufforderung des AA [...] eine Gesamtlösung in Form eines Judenreservats oder durch physische Vernichtung anzustreben.“[12] Vom Reichssicherheitshauptamt wurde dieses Vorgehen jedoch als derzeit noch nicht zweckmäßig bezeichnet, da dies die Aufnahmebereitschaft im Ausland verringere.[13] Schumburgs Karriere endete als Beauftragter des Auswärtigen Amtes und SS-Obersturmbannführer beim Generalgouverneur in Krakau.

Im Vorfeld des Wilhelmstraßen-Prozesses wurde Schumburg im Juli 1947 von Robert M. W. Kempner verhört.[14] Als dieser ihm sein Memorandum zur Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938 vorhielt, in dem er u.a. vorgeschlagen hatte, die deutschen Juden völlig mittellos abzuschieben, um so in den Gastländern durch eine Masse möglicher Almosenempfänger Antisemitismus zu schüren, behauptete er, in seinem Kompetenzbereich, sei „keine Judenpolitik gemacht worden“, seine Mitarbeiter seien „gewissermaßen die Advokaten des ausländischen Judentums“ gewesen und er selbst habe „die Juden gern gehabt“.[15]

Nach der Entscheidung des Entnazifizierungshauptausschusses der Stadt Hannover vom 10. Januar 1949 galt Schumburg als entlastet. Er sei lediglich passives Mitglied der Partei und SS gewesen.[16] Ab 1954 gelang Schumburg eine zweite Karriere im niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr. Im Range eines Regierungsdirektors avancierte er zum Leiter des Außenhandelskontors Niedersachsen, war ab 1956/57 zudem Referent für Außenwirtschaft und Interzonenhandel sowie ab 1958/59 Referent für internationale Wirtschaftsfragen.[1]

Dokument

  • Emil Schumburg: Die Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938. Auswärtiges Amt. Berlin, den 25. Januar 1939. In: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 14. Oktober 1945 – 1. Oktober 1946. 42 Bde. Nürnberg 1947 ff., hier Bd. 32, S. 237 ff. (= Dok. 3358-PS). Online bei www.ns-archiv.de

Schriften

  • Kaiser und Reichspräsident (Rechts- und staatswissenschaftliche Dissertation, Universität Göttingen 1923)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 4: S. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger. Schöningh, Paderborn u. a. 2012, S. 207 f.
  2. Ruth Hoevel, Karl Otto: "Die Familie des Serumforschers Emil v. Behring", in: Archiv ostdeutscher Familienforscher 3, Herne 1967, S. 226-228; hier S. 227.
  3. Christopher R. Browning: Die „Endlösung“ und das Auswärtige Amt. Das Referat D III der Abteilung Deutschland 1940-1943, S.27.
  4. Christopher R. Browning: Die „Endlösung“ und das Auswärtige Amt. Das Referat D III der Abteilung Deutschland 1940-1943, S. 282, Anm. 7.
  5. a b Emil Schumburg auf www.dws-xip.pl
  6. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, Karl Blessing Verlag, München 2010
  7. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 172.
  8. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 173
  9. [Emil Schumburg]: Die Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938. Auswärtiges Amt. Berlin, den 25. Januar 1939. In: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Bd. 32, S. 237 ff. (= Dok. 3358-PS) / erste Seite als Faksimile abgedruckt in: Norbert Podewin (Hrsg.): „Braunbuch“. Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin. Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz, Wissenschaft. Edition Ost, Berlin 2002. ISBN 3-360-01033-7 (Reprint der 3. Auflage von 1968), Tafel 35.
  10. Dokument 3358-PS, S. 245.
  11. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 174.
  12. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 174.
  13. Norbert Podewin (Hrsg.): „Braunbuch“..., Tafel 35.
  14. Im Protokoll des Hauptprozesses wird er als Botschaftsrat Dr. Schumberg zitiert, 10. Januar 1946, S. 104 Zeno
  15. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 384.
  16. Hans Jürgen Döscher: Emil Schumburg. In: Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Hrsg. von Wolfgang Benz. Band 2. Personen. De Gruyter Saur, München 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 752 f.