Frederic Vester

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Frederic Vester (* 23. November 1925 in Saarbrücken; † 2. November 2003 in München) war ein deutscher Biochemiker, Systemforscher, Umweltexperte und populärwissenschaftlicher Autor.

Leben

Frederic Vester studierte Chemie in Mainz, Paris und Hamburg, war Postdoktorand in Yale, Saarbrücken und München und habilitierte sich 1969 in Biochemie. Er gründete 1970 die „Studiengruppe für Biologie und Umwelt Frederic Vester GmbH“ in München, nach seinem Tod in „frederic vester GmbH“ umfirmiert, die sich durch staatliche und privatwirtschaftliche Beratungsaufträge finanzierte (seit 2006 werden alle Projekte und Produkte Frederic Vesters und der frederic vester GmbH vom Malik Management Zentrum St. Gallen AG weitergeführt). Von 1982 bis 1989 war Vester Professor am Lehrstuhl für Interdependenz von Technik und Gesellschaft der Universität der Bundeswehr München, von 1989 bis 1991 Gastprofessor für angewandte Ökonomie an der HSG in St. Gallen. Als Autor und über seine Präsenz in den Medien hat Vester das Systemverständnis und das „Vernetzte Denken“ im deutschen Sprachraum populär gemacht. Frederic Vester ist Vater der nach seiner Mutter benannten Schauspielerin Saskia Vester und ihrer Schwester Madeleine Vester, die ebenfalls als Schauspielerin tätig ist. Frederic Vester gehörte auch zu den Gründungsmitgliedern des BUND und war im deutschsprachigen Raum einer der Pioniere der Umweltbewegung. Gleichzeitig hat Vester als konkretes Werkzeug und Denkmodell für den Umgang mit Komplexität mit dem computerbasierten Sensitivitätsmodell Prof. Vester® ein praktisch anwendbares und vielfach eingesetztes Management- und Planungswerkzeug entwickelt. Vester ist auf dem Nordfriedhof in München begraben.

Vernetztes Denken

Unter Berufung auf die Kybernetik (bzw. Biokybernetik) hat Vester systemisches („vernetztes“) Denken propagiert, ein Ansatz, in dem die Eigenschaften eines Systems als ein vernetztes Wirkungsgefüge gesehen werden. Die einzelnen Faktoren verstärken oder schwächen andere Größen des Systems (Rückkopplung). Diese den ungeübten („linear denkenden“) Betrachter verwirrende Vernetzung kann mit Hilfe der Methodik des Sensitivitätsmodells Prof. Vester® in mehreren Arbeitsschritten mit Softwareunterstützung analysiert und begreifbar gemacht werden. Auf diese Weise können z. B. positive, selbstverstärkende und negative, selbstregulierende Rückkopplungskreisläufe sicher erkannt werden. Einflussgrößen werden in ihrer Systemqualität sichtbar und bewertet (z. B. als stabilisierend, kritisch, puffernd oder empfindlich für äußere Einflüsse usw.). Durch Simulationen können langfristige oder spezielle Verläufe von Eigenschaften betrachtet werden. Auf der Grundlage eines so erarbeiteten Modells können Fragen nach sinnvollen Eingriffsmöglichkeiten und Steuerhebeln, zukünftiger Entwicklung oder möglichen Systemverbesserungen beantwortet werden. Die von Vester entwickelten Methoden und Bewertungen sind im „Sensitivitätsmodell Prof. Vester®“ zusammengefasst, das in Seminaren und als Software vermarktet wird und seit ca. 1980 in zum Teil umfangreichen Studien eingesetzt worden ist (z. B. Ford-Studie Zukunft des Autos; UNESCO-Studie Ballungsgebiete in der Krise). Die Idee der in diesem Vorgehen zentralen Einflussmatrix wurde von anderen Autoren in der Prioritätenmatrix übernommen. Das „Sensitivitätsmodell Prof. Vester®“ wird seit der Übernahme der Rechte an allen Werken Vesters von Fredmund Malik als „Malik Sensitivitätsmodell® nach Prof. Vester“ weitergeführt und weltweit in Management- und Planungsprojekten eingesetzt.

In seinem Bestseller „Denken, Lernen, Vergessen“ hat Vester postuliert, dass verschiedene Typen von Lernern (Lerntypen) verschiedene „Kanäle“ (auditiv, visuell, haptisch, verbal-abstrakt) bevorzugen. Nach eigenen Untersuchungen stellte Vester eine Theorie der Lernbiologie auf, die die innewohnenden Eigenschaften des Menschen beim Aufnehmen, Verknüpfen und Speichern von Informationen beschreibt. Allerdings treten nach Vester die vier Lerntypen dieses Modells selten als idealtypische Ausprägungen auf, sondern meistens als Mischformen mit schwerpunktmäßiger Veranlagung (so zum Beispiel der audio-visuelle Typ). Diese Klassifikation ist wissenschaftlich umstritten, aber von Pädagogen im deutschen Sprachraum in großem Umfang rezipiert worden. „Denken, Lernen, Vergessen“ ist mit der inzwischen 36. Auflage (2014) eines der zehn meistverkauften Bücher des Deutschen Taschenbuchverlages.

Vester wurde im Jahr 1993 in den Club of Rome aufgenommen. 1999 wurde Vesters Buch "Die Kunst, vernetzt zu denken. Ideen und Werkzeuge für den Umgang mit Komplexität" als "Der neue Bericht an den Club of Rome" veröffentlicht (aktuell 9. Auflage dtv 2013). In dem Buch fasst Vester seine wesentlichen Aussagen zusammen und zeigt das Vorgehen sowie das breite Anwendungsspektrum des Sensitivitätsmodells in praktischen Projekten auf.

Auszeichnungen (Auswahl)

Werke (Bücher, Spiele, Filme, Multimedia)

Bücher

  • Das kybernetische Zeitalter, S. Fischer, 1974/ 1982, ISBN 3-10-087201-0
  • Denken, Lernen, Vergessen – Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann lässt es uns im Stich?, Originalausgabe: dva (Deutsche Verlags-Anstalt), Stuttgart 1975; Taschenbuchausgabe: dtv, München, 1. Auflage 1978, 31. Auflage 2007, 33. Auflage September 2009, 35. Auflage September 2012 ISBN 978-3-423-33045-9
  • Phänomen Stress – Wo liegt sein Ursprung, warum ist er lebenswichtig, wodurch ist er entartet?, dtv, München 1976 / 2002, ISBN 3-423-33044-9
  • Ballungsgebiete in der Krise: Vom Verstehen und Planen menschlicher Lebensräume, Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren im Rahmen des Umweltforschungsprogramms, dtv, München 1976 / 1991, ISBN 3-423-11332-4
  • Krebs – fehlgesteuertes Leben (mit Gerhard Henschel). dtv, München, 1977
  • Neuland des Denkens – Vom technokratischen zum kybernetischen Zeitalter, dtv, München 1984 / 2002, ISBN 3-423-33001-5
  • Ein Baum ist mehr als ein Baum – ein Fensterbuch, Kösel, München 1985, ISBN 3-466-11050-5
  • Bilanz einer Ver(w)irrung, Heyne, 1986, ISBN 3-453-43090-5
  • Der Wert eines Vogels, Kösel, München 1987, ISBN 3-466-11038-6
  • Wasser=Leben, Ein kybernetisches Umweltbuch mit 5 Kreisläufen des Wassers. Ravensburger, 1987, ISBN 3-473-35597-6
  • Leitmotiv vernetztes Denken. Für einen besseren Umgang mit der Welt., Heyne Sachbuch 109, 1990, ISBN 3-453-04020-1
  • Ausfahrt Zukunft: Strategien für den Verkehr von morgen (beinhaltet die Ergebnisse der Ford-Studie) Heyne, 1991, ISBN 3-453-03983-1
  • Crashtest Mobilität. Die Zukunft des Verkehrs. Fakten, Strategien, Lösungen., dtv, München 1999, ISBN 3-423-33050-3
  • Unsere Welt – ein vernetztes System, dtv, München 2002, ISBN 3-423-33046-5
  • Aufmerksamkeit im Unterricht (mit Günther Beyer), Verlag Quelle & Meyer, Aachen 2002, ISBN 3-494-01317-9
  • The Art of Interconnected Thinking. Ideas and Tools for tackling complexity. MCB-Verlag, München 2007
  • Die Kunst vernetzt zu denken – Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität; Der neue Bericht an den Club of Rome, DVA und dtv, München, 1. Auflage 1999, 6. Auflage 2007, 9. Auflage 2012, ISBN 3-423-33077-5
  • Das Ei des Kolumbus. Ein Energiebilderbuch von Frederic Vester
  • Sensitivitätsmodell Prof. Vester® (seit 2006 Malik Sensitivitätsmodell® nach Prof. Vester. Softwarepaket Malik Management Zentrum St. Gallen AG)

Spiele

  • Ökolopoly. Ein kybernetisches Umweltspiel, 1980 als Brettspiel, 1996 als PC-Diskette, heute unter dem Namen "Ecopolicy" auf CD-ROM.

Filme

  • Denken, Lernen, Vergessen; 3-teilige Serie, 130 Minuten.
  • Phänomen Stress; 4-teilige Serie, 52 Minuten.
  • Neuland des Denkens; 2-teilige Serie, 135 Minuten.
  • Meister der Komplexität; Interview, 55 Minuten.

Multimedia

  • Zeitbombe Klimawandel: ein Durchgang durch die Vernetzung der wichtigsten Klimafaktoren; Multimedia-CD-ROM für Windows, 2007, Gazette-Verlags-GmbH, München
  • Ecopolicy® – das kybernetische Strategiespiel; Lehr-Software gemäß JuSchG; (CD-ROM), MCB Publishing House, München, 2011, ISBN 3-939314-12-9 (deutsch-/englischsprachige multimediale CD-ROM für Windows, als Einzel- oder Netzwerkversion)

Siehe auch

Weblinks