Gangsta-Rap in Deutschland

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Der Gangsta-Rap in Deutschland hat seine Wurzeln in den 1990er Jahren und stellt seit 2003/2004 ein erfolgreiches Sub-Genre des deutschen Hip-Hop dar. Inhaltlich und musikalisch ist er an den französischen und US-amerikanischen Gangsta-Rap und Battle-Rap angelehnt. Nicht zu verwechseln ist Gangster-Rap mit Straßen-Rap, welcher sich inhaltlich nur teilweise mit dem Gangster-Rap überschneidet.[1]

Geschichte

Als wichtige Wegbereiter für Gangsta-Rap in Deutschland gelten die seit den 1990er aktiven Rapper Kool Savas und Azad. Sie prägten das Genre mit ihren äußerst expliziten, brachialen und teilweise aggressiven Texten, die in den frühen Anfängen noch viele englische Textelemente enthielten.[2] Dieser Rapstil wurde auch nach der Jahrtausendwende von vielen Gangsta-Rappern in Deutschland übernommen und wird heute unter diesen sehr geschätzt. Savas jedoch distanzierte sich im Nachhinein von diesen expliziten Texten.[3] Erstmals thematisierte der Berliner Charnell 1997 in Mein Leben das Aufwachsen in einem sozialen Brennpunkt, er gilt ebenfalls als einer der Väter des Genres.[4][5] Obwohl (an den Gangsta-Rap anderer Länder angelehnte) Alben des Rödelheim Hartreim Projekts kommerziell erfolgreich waren, waren bis um das Jahr 2000 nur wenige Künstler in diesem Genre in Deutschland aktiv. Ab dann konnten sich diverse Rapper im Berliner Untergrund-Hip-Hop etablieren, die extreme lyrische Härte aufwiesen und den Lebensstil eines Kriminellen klischeehaft schilderten. Zu nennen sind hier insbesondere Bass Sultan Hengzt, Fler, MC Bogy oder MOK. In Frankfurt am Main trug der Rapper Azad dazu bei, den Gangsta-Rap bekannter zu machen. Er thematisiert in seiner Musik unter anderem das raue Leben im Nordwesten Frankfurts.[6]

Logo des Labels Aggro Berlin

Ab 2003 fand eine Kommerzialisierung des Genres statt. Diese hatte ihren Ausgangspunkt im Album Maske des Berliner Rappers Sido, der mit seinem Rap über Gangs, Drogen und Gewalt als erster eine Variante des Gangsta-Rap in Deutschland populär machte. Das Album wurde als erstes des Genres für über 100.000 verkauften Einheiten mit einer Gold-Schallplatte ausgezeichnet. Die beiden Nachfolgealben Sidos Ich und Ich und meine Maske können ebenfalls über 100.000 verkaufte Platten aufweisen und an den Erfolg des Debütalbums anschließen.[7][8][9]

Neben ihm war Bushido, dessen Musik dem Gangsta-Rap im klassischen Sinne am nächsten kam, der wichtigste Vertreter in dieser Zeit. Die vom Berliner Label Aggro Berlin veröffentlichten Alben der beiden Künstler etablierten den Gangsta-Rap in Deutschland ab 2004 als zweite, härtere Gattung des deutschen Hip-Hop. [10] Als Klassiker des Genres gelten das Album Carlo, Cokxxx, Nutten[11] (2002) von Bushido und Fler sowie Bushidos Debütalbum Vom Bordstein bis zur Skyline[12] (2003). Beide Alben sind charakteristisch für ihre düsteren Melodien und den harten, aggressiven Stil, in dem die Texte über Drogenhandel, Prostitution und Waffengewalt vorgetragen werden, wurden kommerziell allerdings wenig erfolgreich.

Der kontinuierliche Erfolg der beiden Künstler hatte zur Folge, dass zahlreiche Nachwuchskünstler, teils mit der Unterstützung von Major-Labels, versuchten, sich im Gangsta-Rap zu etablieren und an die Erfolge von Bushido und Sido anzuknüpfen. Zu medialer Aufmerksamkeit gelangte in erster Linie der Rapper Massiv, der bei Sony BMG unter Vertrag stand und von seinem Label als deutsches Pendant zum Rapper 50 Cent etabliert werden sollte.[13] Dieser erreichte jedoch nicht den kommerziellen Erfolg von 50 Cent. Weitere Künstler des Genres sind Baba Saad oder Kollegah. Seit 2009 haben Newcomer wie Farid Bang, Nate57, Majoe & Jasko und Haftbefehl gewisse Erfolge in deutschen Charts.

Musikalischer Stil

Gangsta-Rap in Deutschland orientiert sich musikalisch in erster Linie am Queensbridge-Rap der 1990er Jahre sowie an französischem Gangsta-Rap. Charakteristisch für diesen Stil sind Melodien, die melancholisch, düster oder bedrohlich wirken. Oft kommen Piano, Streicher oder Chorgesang sowie diverse Synthesizer zum Einsatz, außerdem werden vielfach Samples (z. B. aus der Klassik / Neoklassik oder aus Film-Soundtracks) genutzt. Die Bandbreite der Arrangements variiert von minimalistisch bis komplex und orchestral.

Zielgruppe und öffentliche Diskussion

Obgleich der Gangsta-Rap in Deutschland auch soziale Missstände kritisiert und Kriminalität hinterfragt, dominiert in den Texten die Glorifizierung krimineller Handlungen sowie die Faszination für soziale Verelendung und Gewalt.[14] In Einheit mit der Verwendung von Vulgärsprache bewirkten diese Inhalte in der Vergangenheit die Indizierung von Tonträgern, so z. B. Electro Ghetto von Bushido sowie sämtliche von Bass Sultan Hengzt veröffentlichte Alben (Stand 2014). Eine mögliche Gefährdung von Jugendlichen (sie sind die wichtigste Zielgruppe der Musikrichtung), z. B. durch Gewaltverherrlichung, soll verhindert werden.[15]

Mittlerweile kommen immer mehr Gangster-Rapper aus Nordrhein-Westfalen, unter anderem Majoe & Jasko, Kollegah, Farid Bang und Summer Cem.[16]

Literatur

  • Marc Dietrich, Martin Seeliger: Deutscher Gangsta-Rap - Sozial- und kulturwissenschaftliche Beiträge zu einem Pop-Phänomen, Transcript, 2012, ISBN 978-3-8376-1990-4.
  • Martin Seeliger: Deutscher Gangstarap: Zwischen Affirmation und Empowerment (Schriften zur Popkultur), Posth Verlag, 2012, ISBN 3944298012.

Einzelnachweise

  1. www.16bars.de
  2. Marc Dietrich, Martin Seeliger: Deutscher Gangsta-Rap: Sozial- und kulturwissenschaftliche Beiträge zu einem Pop-Phänomen. transcript Verlag, 2014, ISBN 978-3-8394-1990-8, S. 48 (google.com [abgerufen am 4. Dezember 2015]).
  3. www.hip-hop.de
  4. www.mkzwo.de
  5. Video auf YouTube
  6. www.stern.de
  7. www.musikindustrie.de
  8. Ein Monster lernt zu lieben. In: Spiegel Online. 23. März 2009, abgerufen am 4. Dezember 2014.
  9. Den Faxen entwachsen. In: Spiegel Online. 8. Juni 2008, abgerufen am 4. Dezember 2014.
  10. "Übelst tolerant". In: faz.net. 21. Juli 2007, abgerufen am 7. Dezember 2014.
  11. www.laut.de
  12. www.laut.de
  13. Matthias Gebauer: Schüsse auf Massiv wurden Minuten später im Internet vermeldet. In: Spiegel Online. 15. Januar 2008, abgerufen am 4. Dezember 2014.
  14. www2.cms.hu-berlin.de
  15. www.filmabc.at
  16. Peter Richter: Deutscher Gangsterrap, Kannst du stecken lassen. In: FAZ.NET, Feuilleton. 20. Januar 2008, abgerufen am 26. April 2013.