Gesundheitsförderung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. Oktober 2016 um 21:19 Uhr durch Chrisandres (Diskussion | Beiträge) (→‎Handlungsfelder: Wikilink). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gesundheitsförderung (engl. Health promotion) umfasst Maßnahmen und Aktivitäten, mit denen die Stärkung der Gesundheitsressourcen und -potenziale der Menschen erreicht werden soll. Sie beschreibt den Prozess der Befähigung von Menschen, ihre Kontrolle über Determinanten der Gesundheit zu erhöhen und somit die Gesundheit zu stärken. Dabei werden nicht nur das Verhalten des Einzelnen, seine Kenntnisse und Fertigkeiten fokussiert, sondern auch soziale, ökonomische und Umweltbedingungen. Gesundheit wird dabei in einer ganzheitlichen Sichtweise als körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden definiert, das durch individuelle, soziale und gesellschaftliche Hintergründe beeinflusst wird. Gesundheit ist also weniger ein Zustand oder Ziel, als vielmehr eine Ressource des täglichen Lebens. Sie ist laut der Bangkok-Charta der WHO aus dem Jahre 2005 der Weg zu einer höheren Lebensqualität.[1]

Abgrenzung von Gesundheitsförderung und Prävention

Während Prävention auf die Vorbeugung oder Früherkennung von Krankheit abzielt und sich dabei z. B. für Impfungen, gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung ausspricht, ist der Ansatz der Gesundheitsförderung auf die Stärkung der Gesundheit der Menschen gerichtet. Die zentrale Frage lautet: Was hält den Menschen gesund? Fokussiert werden also weniger Krankheiten und ihre Entstehung als die Determinanten von Gesundheit (Salutogenese). Durch die Veränderung der Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen sowie des individuellen Verhaltens sollen bessere Bedingungen für gesundes Leben geschaffen werden. Dabei ist die aktive Beteiligung (Partizipation) der Individuen und Gruppen in ihren Lebenswelten essentiell, um nachhaltige Befähigung zu selbstbestimmtem Handeln zu ermöglichen.

Analytisch lassen sich Gesundheitsförderung und Prävention folgendermaßen unterscheiden [2]: Sowohl Krankheitsprävention als auch Gesundheitsförderung wollen einen Gesundheitsgewinn erzielen, aber auf je unterschiedliche Weise. Bei der Krankheitsprävention soll der Gesundheitsgewinn durch das Zurückdrängen von Krankheitslast erzielt werden, bei der Gesundheitsförderung durch die Stärkung von Gesundheitsressourcen. Dem entsprechend richtet die Prävention ihren Akzent vor allem auf Risikofaktoren für Krankheit, die Gesundheitsförderung vor allem auf gesund erhaltende Schutzfaktoren. Die beiden Interventionsformen können deshalb als einander ergänzend verstanden werden, wobei je nach Ausgangslage einmal die eine und einmal die andere Interventionsform die angemessene und erfolgversprechende sein kann.

Handlungsstrategien und Handlungsfelder

Ursprünglich wurde das Konzept der Gesundheitsförderung am 21. November 1986 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) innerhalb der ersten Internationalen Konferenz in Ottawa entwickelt und in der sogenannten Ottawa-Charta zusammengefasst. In weiteren Nachfolgekonferenzen (Adelaide (1988), Sundsvall (1991), Jakarta (1997), Mexiko-Stadt (2000), Bangkok (2005), Nairobi (2009)) wurden einzelne Handlungsbereiche der Ottawa-Charta spezifiziert. Die in der Ottawa-Charta formulierten Grundgedanken gelten noch heute als akzeptierter Orientierungsrahmen für Politik und Praxis der Gesundheitsförderung. Das Konzept enthält die wichtigsten Aktionsstrategien und Handlungsfelder der Gesundheitsförderung. Dabei wird zwischen drei grundlegenden Handlungsstrategien und fünf zentralen Handlungsfeldern unterschieden.

Handlungsstrategien

Um Gesundheit zu stärken will die WHO die gesellschaftlichen Bedingungen für Gesundheit positiv beeinflussen. Dazu fordert sie Gesundheitsförderung, dass Anliegen dieser ist weniger die Modifikation von Risikoverhalten, sondern primär ein Empowerment zur Durchsetzung sozialer und politischer Veränderungen. Als Handlungsstrategien der Gesundheitsförderung werden von der WHO benannt:

  • Anwaltschaftliches Eintreten für Gesundheit: Die in der Gesundheitsförderung Tätigen treten aktiv für Gesundheit ein; im Sinne der Beeinflussung politischer, ökonomischer, sozialer, kultureller, biologischer sowie Umwelt- und Verhaltensfaktoren.
  • Befähigen und Ermöglichen: Diese Handlungsstrategie zielt darauf ab, partnerschaftlich mit Individuen oder Gruppen zu handeln, um diese in die Lage zu versetzen, Kontrolle über ihre Gesundheitsbelange auszuüben sowie ihre Ressourcen zu fördern und zu nutzen (Gesundheitskompetenz, Empowerment). Den Menschen soll unter anderem der Zugang zu allen relevanten Informationen und Ansprechpartnern möglich gemacht werden. Dadurch können auch Unterschiede im Gesundheitszustand, beispielsweise bedingt durch soziale Ungleichheit, verringert werden.
  • Vermitteln und Vernetzen: Unter Vermittlung und Vernetzung versteht man die aktive und permanente Kooperation mit allen Akteuren innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens. Alle Bereiche, die einen Einfluss auf die Gesundheit ausüben (neben Akteuren des Gesundheitssystems also auch beispielsweise die politische Ebene, Arbeitgeber, Verbände und Vereine etc.) sollen vernetzt zusammenarbeiten und somit eine Kontinuität im gesundheitsförderlichen Verhalten des Einzelnen sowie in der Entwicklung gesundheitsförderlicher Lebenswelten gewährleisten können.

Handlungsfelder

Die fünf vorrangigen Handlungsfelder und -ebenen (sog. Mehrebenenmodell der Gesundheitsförderung) sind laut WHO:

  • Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik entwickeln: Das primäre Ziel einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik ist es, dass Gesundheit in allen Politikbereichen und allen Ebenen auf der politischen Tagesordnung steht. Politiker müssen sich der gesundheitlichen Konsequenzen ihrer Entscheidungen und ihrer Verantwortung für Gesundheit bewusst sein. Die politische Ebene in Bund, Ländern und Kommunen beeinflusst in erheblichem Maß die Verhältnisse der Bevölkerung im Umfeld von Arbeit, Ausbildung, Wohnen, Freizeit, Versorgung. Alle Politikbereiche haben somit Einfluss auf die Gesundheit der Bürger und können durch eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik zur Förderung von Wohlbefinden und Lebensqualität beitragen. Eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik wendet dabei sich gegenseitig ergänzende Ansätze an, wie beispielsweise Gesetzesinitiativen, steuerliche Maßnahmen, organisatorisch-strukturelle Veränderungen.[3]
  • Gesundheitsfördernde Lebenswelten schaffen: Durch Gesundheitsförderung sollen Lebenswelten geschaffen werden, die Menschen Schutz vor Gesundheitsgefahren bieten und sie in die Lage versetzen, ihre Fähigkeiten auszuweiten und Selbstvertrauen in Bezug auf gesundheitliche Belange zu entwickeln. Gesundheitsfördernde Lebenswelten umfassen Orte, an denen Menschen leben, arbeiten, spielen und ihre Freizeit verbringen (beispielsweise Stadt, Gemeinde, Wohnung, Arbeitsplatz, Schule, Kindergärten). Lebenswelten schließen den Zugang von Menschen zu Ressourcen und Dienstleistungen für Gesundheit sowie die Wechselbeziehungen zu ihrer Umwelt ein.
  • Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen unterstützen: Ein wesentliches Bestreben der Gesundheitsförderung ist die Unterstützung von Nachbarschaften, Gemeinschaftsaktivitäten von Bürgern, Selbsthilfeaktivitäten und Gemeinden im Sinne einer erhöhten Selbstbestimmung, Autonomie und Kontrolle über die eigenen Gesundheitsbelange.
  • Persönliche Kompetenzen entwickeln: Durch Gesundheitsförderung werden persönliche Kompetenzen und Fähigkeiten entwickelt, die es dem Einzelnen ermöglicht, sein Leben zu gestalten, Herausforderungen zu meistern und Veränderungen der Umwelt zu integrieren. Dies umfasst zum Beispiel Kommunikations- und Entscheidungsfähigkeit, Problemlösekompetenz oder der Umgang mit Stress. Darauf aufbauend können gesundheitsförderliche Verhaltensweisen (wie gesunde Ernährung, Bewegung, soziale Kompetenzen, gesunde Denkmuster) erlernt werden. Entscheidend dabei ist die Partizipation und Selbstbestimmung der Adressaten, um adäquate Verhaltensänderung zu erreichen und in den Alltag zu integrieren. Menschen sollen zu einem lebenslangen Lernen befähigt werden. Es wird dazu aufgerufen, in den verschiedenen Phasen des Lebens sowie eventuellen chronischen Erkrankungen und Behinderungen umgehen zu können. Dazu zählen die gesundheitliche Aufklärung, die Gesundheitserziehung, -bildung, -beratung sowie die Patientenedukation.[3]
  • Gesundheitsdienste neu orientieren: Die Gesundheitsdienste sollen ein Versorgungssystem aufbauen, das sich auf die stärkere Förderung von Gesundheit konzentriert und nicht wie bisher auf medizinisch-kurative Betreuung. Vor allem soll es sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Durch die Neuorientierung soll auch die Möglichkeit der Koordination zwischen dem Gesundheitssektor und den anderen gesundheitsrelevanten sozialen, politischen und ökonomischen Kräften verbessert werden.

Ansätze und Modelle der Gesundheitsförderung

Neben den Handlungsstrategien und -feldern herrschen unterschiedliche Ansätze sowie Modelle der Gesundheitsförderung[3] vor.

Ansätze der Gesundheitsförderung

  • Medizinischer oder präventiver Ansatz: Der medizinische Ansatz zielt auf Maßnahmen zur Verminderung von Krankheiten ab. Die Gesundheitsförderung dient dabei der Verbesserung der medizinischen Intervention. Häufig werden dabei drei Präventionsebenen beschrieben.
  • Ansatz der Verhaltensänderung: Individuen sollen unterstützt werden, gesündere Verhaltensweisen anzunehmen, die als Schlüssel zur Verbesserung der Gesundheit dienen, beispielsweise durch Kampagnen.
  • Ansatz der Gesundheitsaufklärung: Dieser Ansatz versucht, den Menschen das Wissen und die Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die er braucht, um selbst Entscheidungen über dessen Gesundheitsverhalten treffen zu können. Dies kann durch Informationsbroschüren, Ausstellungen, Beratungsgesprächen, Gruppendiskussionen oder Fortbildungsprogramme erfolgen. Allerdings unterscheidet sich dieser Ansatz vom Ansatz der Verhaltensänderung, da der Klient die freie Entscheidung über sein weiteres Vorgehen hat.
  • Ansatz des Empowerments: Individuen sollen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit erhalten. Dabei sollen sie ihren Einfluss auf ihre Lebensführung erkennen und verstehen lernen. Weiterhin müssen sie ihre Lage ernst empfinden, mit der Absicht sie ändern zu wollen. Sie müssen daran glauben, dass sie imstande sind, durch zusätzliche Informationen, Unterstützung und Kompetenzen, ihre Lage auch verändern zu können. Hier liefert die Lebensqualitätsforschung wertvolle Hinweise, um die Handlungsbarrieren, welche einem gesundheitsfördernden Lebensstil entgegenstehen, zu durchbrechen.[4]
  • Ansatz der sozialen und politischen Veränderung: Dieser Ansatz (auch „fundamentale Gesundheitsförderung“) beschreibt die Bedeutung sozioökonomischer Verhältnisse als Determinanten der Gesundheit, wobei er auf die Politik oder die allgemeinen Lebensverhältnisse abzielt, um Veränderungen in den physischen, sozialen und ökonomischen Lebensbedingungen herbeizuführen.

Modelle der Gesundheitsförderung

Das Modell nach Caplan & Holland (1990) besteht aus vier Paradigmen oder Sichtweisen der Gesundheitsförderung, welche sich aus der Art des Wissens (objektiv oder subjektiv) und aus der Art der Gesellschaft (grundlegende Veränderung oder soziale Regulierung) ergeben. Die traditionelle Sichtweise spiegelt die Ansätze der Medizin und Verhaltensänderung mit Vermittlung von Wissen wider. Die humanistische Sichtweise greift auf den Ansatz der Gesundheitsaufklärung und -erziehung zurück. Die fundamental-humanistisch Sichtweise ist mit dem Begriff „Empowerment“ zu verstehen. Die vierte fundamental-gesellschaftsbezogen Sichtweise beschäftigt sich mit dem Zusammenhang der soziale Ungleichheit und der Gesundheit.

Beattie entwickelte 1991 ein Modell, welches aus vier Strategien der Gesundheitsförderung (Information und Aufklärung, gesetzgebende Aktivitäten, persönliche Beratung, Gemeinwesenarbeit) besteht, die sich zum einen aus der Art der Intervention (autoritativ oder basierend auf der Aushandlung) und zum anderen auf den Ausgangspunkt des Denkens (objektiv oder subjektiv)

Das Modell von Tones (1994) beinhaltet das grundlegende Ziel, Empowerment wiederzufinden. Die Gesundheitsförderung ist der Prozess der gesundheitsfördernden Gesamtpolitik multipliziert mit der Gesundheitsaufklärung und -erziehung.

Das praxisnahe Modell von Tannahill (1996), gegliedert in drei vernetzte Interventionsbereiche (Gesundheitsaufklärung und -erziehung, Prävention, Gesundheitsschutz), findet breite Anerkennung innerhalb der im Gesundheitswesen tätigen Personen. Es hält das gesamte Spektrum der Gesundheitsförderung vor Augen.

Setting-Ansatz

Er zielt auf die Veränderung des Alltags durch niederschwellige systemische Interventionen in konkreten Lebenswelten wie Schule, Betrieb oder Stadtteil, die alle Beteiligten einbeziehen. Grundlegende Philosophie der Setting-Intervention ist, dass die Zielgruppen als aktiv handelnde Kompetenzen (Life Skills) zur Wahrnehmung ihrer eigenen gesundheitsbezogenen Interessen erwerben (Empowerment) und nicht Empfänger von gesundheitsförderlichen Botschaften und Angeboten sind. Elemente des Settings-Ansatzes sind die Entwicklung von Life Skills. Partizipation ist die Teilhabe beziehungsweise der Grad der Mitwirkungsmöglichkeit von Einzelnen oder Gruppen an Entscheidungsprozessen und Handlungsabläufen in übergeordneten Organisationen (z. B. Gewerkschaften, Parteien) und Strukturen (Gesellschaft, Staat).

„Settings sind Organisationen, die eine durch ihre Struktur und Aufgabe anerkannte soziale Einheit darstellen“ (Baric, Conrad 2000, S. 18). Es handelt sich also um relativ dauerhafte Sozialzusammenhänge, von denen wichtige Impulse für Gesundheit (Gesundheitsbelastungen, Gesundheitsressourcen) ausgehen.[5] Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit der Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens.

Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz und in Betrieben

Die Beschäftigten in einem Betrieb sind für die Gesundheitsförderung eine in sich geschlossene Adressatengruppe. Es erhöht die Chance der Beteiligung an Gesundheitsprogrammen, da es in den Betrieben bereits etablierte Kommunikationskanäle gibt. Ein Grund zur Förderung von Gesundheit am Arbeitsplatz ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz, also der Schutz der Beschäftigten vor Schädigungen ihrer Gesundheit, die durch bestimmte berufliche Tätigkeiten hervorgerufen werden können. Ziel des Arbeitsschutzes ist die Vermeidung oder Minderung der vom Arbeitsumfeld ausgehenden gesundheitsschädlichen Fehlbelastungen. Die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz beschäftigt sich unter Anderem mit den Bereichen Ersten Hilfe und medizinische Behandlung, Einstellungsuntersuchungen, Unfallschutz, Überwachung von Gesundheits- und Infektionsgefahren, Aufklärung und Beratung zu gesünderen Lebensweisen, Verfahren und Regelungen zur Schaffung gesünderer Arbeitsbedingungen sowie Bereitstellung von Diensten.[3]

Eine ganze Reihe von Forschungsergebnissen zeigt, dass bestimmte Arbeitsformen wie Gleichförmigkeit, mangelnder Handlungs- und Entscheidungsspielraum, fehlende soziale Unterstützung und dauerhafter Stress sich negativ auf die Gesundheit auswirken.

Gesundheitsförderung in Schulen und Kindertagesstätten

Schulen und Kindertagesstätten werden als wichtigste Settings der Gesundheitsförderung gesehen, da durch sie ein großer Teil der Bevölkerung über viele Jahre hinweg erreichbar ist. Die besondere Bedeutung von Schule und Kindertagesstätte basiert auch auf der Erkenntnis, dass das Wissen, die Einstellungen und Verhaltensweisen im Umgang mit Gesundheit und Krankheit bereits im frühen Kindesalter erworben werden. Hierbei wird Wert darauf gelegt, dass die Kinder und Jugendlichen ihr Verständnis für Gesundheit verbessern und bewusstere Entscheidungen über ihr Gesundheitsverhalten treffen.

Gesundheitsförderung im sozialen Wohnumfeld

Der entscheidende Faktor bei der Gesundheitsförderung in diesem Setting ist, dass die Menschen ihr soziales Wohnumfeld selbst definieren und das Gefühl haben, dass sie etwas für ihre gemeinsame Zukunft, die Dienstleistungsangebote und das Erscheinungsbild ihrer Wohngegend tun. Durch eine direkte Auseinandersetzung mit dem Sozialgefüge und der Lebensqualität können die Bewohner mehr Kontrolle über ihre Lebensbedingungen erhalten, ihre Nachbarn kennenlernen, ggf. aus der Isolation treten und mitbestimmen. Die Methoden der Gesundheitsförderung im Wohnumfeld stammen zum großen Teil aus der Gemeinwesenarbeit. Anwendung findet die Theorie zum Beispiel im Quartiersmanagement, einem Instrument des Programms „Soziale Stadt“ des Bundes. Ein zweiter Ansatz, die „Gesunde Stadt“ im Sinne der WHO, ist einem ganzheitlichen Ansatz (Körper, Geist und Seele) verpflichtet und sollte sich auf allen Ebenen (Kindergärten, Schulen, Betriebe, Krankenhäuser und in der allgemeinen Gesundheitsförderung) bemühen, aktiv zu sein. Die besondere Stärke von Gesundheitsförderung im Wohnumfeld ist die Erreichbarkeit auch sozial benachteiligter Menschen und damit die Möglichkeit einen effizienten Beitrag zur Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit zu leisten.

Gesundheitsförderung in der primären Gesundheitsversorgung und im Krankenhaus

Die primären Gesundheitsversorgung ist die erste Stufe der lokalen Gesundheitsversorgung. Das „Gesundheit für alle“ Programm der WHO forderte eine Umorientierung der Gesundheitsdienste. Der Schwerpunkt des Gesundheitssystems sollte auf die primäre Versorgung gelegt werden, da die gesundheitsfördernden Grundsätze der Partizipation, Zusammenarbeit und Chancengleichheit integriert werden können. Die primäre Versorgung bietet ein Setting, in dem die Gesundheitsförderung auf der primären, sekundären und tertiären Ebene stattfindet.[3]

Das Krankenhaus bietet vielfältige Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung, da eine Vielzahl der Beschäftigten im engen Kontakt mit den Patienten stehen. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem sie ein erhöhtes Bewusstsein für Gesundheit und Krankheit haben.[3] Sie sind daher eher motiviert, entscheidende Veränderungen in ihrer Lebensweise vorzunehmen. Gesundheitsförderung in Krankenhäusern umfasst sowohl Maßnahmen für eine ganzheitlichere Versorgung der Patienten als auch Strategien zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des gesamten Krankenhauspersonals.

Gesundheitsberichterstattung

Die Gesundheitsberichterstattung stellt den Gesundheitszustand und die ihn beeinflussenden Grössen einer Bevölkerung dar und interpretiert die Zusammenhänge. Lokal werden einzelne Gesundheitsreports erstellt, z.B. 2010 durch das Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln. 2012 hat die Deutsche Krankenversicherung (DKV) eine zweite Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis zeigt, dass junge Deutsche ungesünder leben als je zuvor. 46 Prozent der Menschen sind übergewichtig und 22 Prozent gehören zu den aktiven Rauchern. Die Bevölkerung soll aufgeklärt werden. Übergewicht und Bewegungsmangel sollte genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt werden wie der AIDS-Vorbeugung, fordert Clemens Muth von der DKV.

Gesetzliche Grundlagen

Für die Gesundheitsförderung gelten in Deutschland verschiedene Rechtsgrundlagen, zu denen grundsätzlichen gehören:

Ergänzende Regelungen

Der Leitfaden Prävention der gesetzlichen Krankenkassen legt die inhaltlichen Handlungsfelder und qualitativen Kriterien fest, die von den Krankenkassen im Rahmen der Prävention nach § 20 und § 20a SGB V gefördert werden können.

  • Handlungsfelder der Primärprävention nach § 20 Abs. 1 SGB V sind: (1) Bewegungsgewohnheiten, (2) Ernährung, (3) Stressmanagement und (4) Suchtmittelkonsum; Handlungsfelder der betrieblichen Gesundheitsförderung nach § 20a SGB V sind: (1) Beratung zur gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung, (2) gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil und (3) überbetriebliche Vernetzung und Beratung.[6]
  • Die qualitativen Kriterien für eine Förderung nach § 20 SGB V. Eines der Kriterien ist die Anbieterqualifikation: Der Anbieter benötigt einen staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss in einer der vorgegebenen Berufsgruppen bzw. Fachrichtungen, eine Zusatzqualifikation durch eine in der Fachwelt anerkannte Fortbildung, Berufserfahrung sowie pädagogische, methodische, didaktische und ggf. sozialpädagogische Kompetenzen.

Innerhalb des durch den Leitfaden Prävention vorgegebenen Rahmens können die örtlichen Krankenkassen geeignete Schwerpunkte setzen.

Ausgaben für die Gesundheitsförderung

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris hat im Juli 2007 Daten über die Ausgaben verschiedener Staaten im Jahr 2005 für „Prävention und öffentliche Gesundheit“ publiziert. Der Durchschnitt der 20 erfassten Länder beträgt 2,5 % der nationalen Gesamtgesundheitsausgaben. Die Extreme sind Kanada (6,1 %) und Island (0,6 %). Einige weitere Länder: Neuseeland 6 %, USA 3,5 %, Deutschland 3,3 %, Frankreich und Schweiz 2,1 %, Österreich 2 %, Italien 0,7 %. Gegenüber 2000 haben die Ausgaben der 20 Länder für Prävention und öffentliche Gesundheit um 6 % zugenommen.[7]

Berufsfeld und Ausbildung

Die Absolventen sind Spezialisten für Gesundheitsförderung und nehmen eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufgaben in Prävention und Gesundheitsförderung, Gesundheitsberichterstattung und Evaluation wahr. Sie erstellen oder analysieren wissenschaftliche Expertisen in unterschiedlichen gesundheitsrelevanten Disziplinen, zum Beispiel Epidemiologie, Ernährungswissenschaft oder Risikofaktorenschutz, um eine optimale Versorgung bei gleichzeitiger Eindämmung der Kosten zu erreichen. Sie entwickeln, organisieren, realisieren und evaluieren gesundheitsorientierte Interventionen mit Individuen und Gruppen. Ihr Vorgehen dabei ist evidenzbasiert, zielgruppenorientiert und nachhaltig. Interventionen sind in der Regel sowohl verhaltens- als auch verhältnisorientiert sowie interdisziplinär und auf intersektorale Zusammenarbeit ausgerichtet.

Gesundheitswirte

Gesundheitswirte üben Tätigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung aus. Dabei konzipieren und betreuen sie öffentlichkeitswirksame Aktionen oder arbeiten an Aufklärungskampagnen mit. Im Rahmen von Projekt- oder Organisationsentwicklungen führen sie beispielsweise die Gesundheitsförderung in Betrieben durch. Auch das Durchführen von Gesundheitstrainings und Gesundheitsberatungen sowie Fortbildungen von Fachkräften aus den Bereichen Ernährung und Bewegung können zu ihren Aufgaben gehören.

Absolventen beschäftigen sich mit der Gesunderhaltung des Verbrauchers oder Patienten. In all ihren Arbeitsbereichen bemühen sie sich, die Rat Suchenden zum Umdenken zu bewegen und sie zu überzeugen, dass eine gesunde Verhaltens- und Lebensweise den besten Gesundheitsschutz darstellt. Da die Gesundheitsvorsorge bis jetzt einen immer noch relativ geringen nachhaltigen Erfolg im Verhaltensbereich bewirken konnte, sind Gesundheitswirte jedoch dem Spannungsfeld zwischen theoretischen Präventionsmöglichkeiten und tatsächlich erreichten Präventionserfolgen ausgesetzt.

Die Einsatzgebiete von Gesundheitswirten sind vielfältig. Sie können Anstellung finden bei: Krankenkassen, Unternehmen, Beratungseinrichtungen, Bildungsträgern, Vereinen und Verbänden, Öffentlichen Institutionen, wissenschaftlichen Einrichtungen.

Nach Abschluss des Studiums erhalten Absolventen unter anderem den akademischen Grad „Bachelor of Arts“. Beispielsweise erfolgt die Ausbildung an der Hochschule Magdeburg-Stendal zum „Bachelor of Arts Gesundheitsförderung und -management“ innerhalb von 6 Semestern. Im Bereich Gesundheitsförderung werden außerdem auch Masterprogramme angeboten, zum Beispiel an der Leuphana Universität Lüneburg[8] oder der Freien Universität Berlin.

Berufsverband Gesundheitsförderung

Der Berufsverband Gesundheitsförderung e.V. ist eine berufspolitische Interessenvertretung von Gesundheitswirten. Er wurde auf Initiative einiger Gesundheitswirte in Magdeburg am 15. Mai 2004 gegründet. Hauptanliegen ist die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Qualifikation von Akteuren im Berufsfeld der Gesundheit und Prävention. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf die Etablierung eines einheitlichen Leitbildes für das Berufsfeld eines Gesundheitswirtes. Heute werden rund 380 Mitglieder in allen berufs- und bildungspolitischen Angelegenheiten vertreten. Der Berufsverband organisiert Weiterbildungen, Mitgliedertreffen und beteiligt sich an Kongressen, Fachtagungen, wie zum Beispiel: der SommerAkademie der Gesundheitsförderung.[9]

Berufsverband Integrative Gesundheitsförderung

Die Absolventen des Studienganges Integrative Gesundheitsförderung der Hochschule Coburg gründeten ebenfalls einen berufspolitischen Interessensverband. Der im Jahr 2007 gegründete Berufsverband Integrative Gesundheitsförderung e.V. vertritt seine Mitglieder in allen berufspolitischen Angelegenheiten und stellt eine Plattform für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Berufsbildes dar. Neben der Förderung von Weiterbildung und Qualitätssicherung arbeitet er an dem stetigen Ausbau der Vernetzung mit relevanten Akteuren der Gesundheitsförderung. Darüber hinaus unterstützt der Berufsverband auch die Studierenden in ihrem Studienalltag. Der Berufsverband ist in seiner Arbeit unabhängig und verfolgt keinerlei wirtschaftliche Interessen.[10]

Netzwerke und Organisationen

Weltweit gibt es verschiedene Netzwerke der Gesundheitsförderung. Unter anderem das Netzwerk Gesunde Städte, das Internationale Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, das Deutsche Netz Gesundheitsfördernder Krankenhäuser, das Deutsches Netzwerk betriebliche Gesundheitsförderung, „Schule & Gesundheit“ oder „Europäische Netzwerk Gesundheitsfördernde Schulen“. Es bilden sich immer mehr Netzwerke heraus, die Ganzheitlichkeit in den Vordergrund stellen und mit effizienten und effektiven Konzepten einen vorausschauenden Ansatz in der Industriegesellschaft prägen. In Deutschland gibt es neben der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e. V. (BVPG) in den meisten Bundesländern Landesarbeitsgemeinschaften für Gesundheitsförderung.

Literatur

  • Stefan Bär: Soziologie und Gesundheitsförderung. Einführung für Studium und Praxis. Beltz Juventa, Weinheim 2016. ISBN 978-3-7799-3407-3.
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Neuausgabe. Verlag für Gesundheitsförderung, Werbach-Gamburg 2011.
  • Gesundheit Berlin (Hrsg.): Aktiv werden für Gesundheit. Arbeitshilfen für Prävention und Gesundheitsförderung im Quartier. Berlin 2008.
  • Klaus Hurrelmann, Theodor Klotz, Jochen Haisch (Hrsg.): Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung. Bern 2010.
  • Klaus Hurrelmann, Oliver Razum (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften. Beltz Juventa Verlag, Weinheim/ München 2012 (5. Auflage).
  • Klaus Hurrelmann, Mathias Richter: Gesundheits- und Medizinsoziologie. Beltz Juventa Verlag, Weinheim 2013 (1. Auflage).
  • Jennie Naidoo, Jane Wills: Lehrbuch der Gesundheitsförderung. 2. überarbeitete Auflage. Verlag für Gesundheitsförderung:, Werbach-Gamburg 2010.
  • Fred Paccaud: Prävention von Krankheiten und öffentliche Gesundheit. In: Gesundheitswesen Schweiz 2007–2009. Verlag Hans Huber, Bern 2007.
  • Christian Schmahl: Betriebliches Gesundheitsmanagement. epubli, 2012, ISBN 978-3-8442-4141-9.
  • Heiko Waller: Gesundheitswissenschaft. Eine Einführung in Grundlagen und Praxis. 2. Auflage. Kohlhammer Verlag, Berlin/ Köln/ Stuttgart 1996.
  • World Health Organization: Glossar Gesundheitsförderung. Gamburg 1998.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Richard Hennessey, Roland Mangold: Die Gesundheitsförderung wirksamer machen. In: Soziale Sicherheit. Heft 11/2009, S. 12–15. (PDF 2,32 MB).
  2. Klaus Hurrelmann, Theodor Klotz, Jochen Haisch: Prävention und Gesundheitsförderung. Huber, Bern 2010. S. 17
  3. a b c d e f Naidoo & Wills, 2003.
  4. Richard Hennessey, Roland Mangold: Die Gesundheitsförderung wirksamer machen. In: Soziale Sicherheit. 11/2009, S. 14.
  5. Rosenbrock 2004, S. 155–159.
  6. Leitfaden Prävention. GKV Spitzenverband, 19. Januar 2015, abgerufen am 15. Juli 2015.
  7. OECD Health Data 2007, Paris 2007.
  8. Master Prävention und Gesundheitsförderung - Leuphana Universität Lüneburg
  9. Berufsverband Gesundheitsförderung e.V.
  10. Berufsverband Integrative Gesundheitsförderung e.V.