Gisela Steineckert

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Gisela Steineckert während des XII. DFD-Bundeskongresses 1987 im Palast der Republik
Gisela Steineckert, 2017

Gisela Steineckert (* 13. Mai 1931 in Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie wurde besonders durch Liedtexte wie Als ich fortging bekannt. Gisela Steineckert war Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst der DDR und Zensorin für Liedtexte in den 1980er Jahren.

Leben und Wirken

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Kindheit und Ausbildungen

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Gisela Steineckert wurde als zweites von vier Kindern eines Dienstmädchens und eines Schneiders in Berlin geboren und wuchs dort unter ärmlichen Verhältnissen auf. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie nach Österreich evakuiert und besuchte dort eine Volksschule.

1946 kehrte Gisela Steineckert nach Berlin zurück und arbeitete zunächst als Sozialhelferin in Kindergärten. Später machte sie eine kaufmännische Lehre und arbeitete als Sprechstundenhilfe.

Freischaffende Autorin

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Seit 1957 war Gisela Steineckert mit kurzen Unterbrechungen freischaffend tätig. 1962 bis 1963 war sie Kulturredakteurin bei dem Satire-Magazin Eulenspiegel.

1965 war Gisela Steineckert Mitbegründerin des Oktoberklubs und der Singebewegung der DDR (Mutter des Oktoberklubs), in der sie als Mentorin auch einen Einfluss auf junge Künstler wie Kurt Demmler ausübte (bis 1973). In den 1970er Jahren unterrichtete sie im Zirkel schreibender Tschekisten des Ministeriums für Staatssicherheit und führte „vertrauliche Gespräche“ mit hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS.[1] Nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 lehnte sie eine Unterschrift unter die Protestresolution dagegen ab, äußerte sich aber auch nicht öffentlich zustimmend dazu.[2]

Komitee für Unterhaltungskunst

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Gisela Steineckert wurde 1979 Mitglied des Komitees für Unterhaltungskunst der DDR und Vorsitzende von dessen Arbeitskreis Liedermacher/Chanson und war auch Mitglied des Zentralen Lektorats beim Staatlichen Komitee für Rundfunk der DDR. Sie war in dieser Zeit die verantwortliche Zensorin für Liedtexte, auch von Rock- und Popmusik (Oberzensorin).[3] Ihre Autorität war so groß, dass ihre Einschätzungen von SED-Chefideologe Kurt Hager und Kulturminister Hoffmann in der Regel ohne weiteres Nachprüfen akzeptiert wurden.[4]

Sie bewertete zum Beispiel die ersten Texte der Rockband Pankow negativ[5], während sie das Liederduo Görnandt & Rönnefarth erfolgreich gegen die Ablehnung des MfS, der SED-Bezirksleitung und des Rates des Bezirkes Gera unterstützen konnte.[6]

1984 wurde Gisela Steineckert Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst. 1987 erteilte sie dem erfolgreichen Liedtexter und Liedermacher Kurt Demmler nach einem Streit Hausverbot für den Rundfunk der DDR, was für diesen erhebliche Einschränkungen mit sich brachte.

Ab 1990 veröffentlichte Gisela Steineckert weitere Bücher und Artikel.

Weitere Mitgliedschaften

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Gisela Steineckert lebt in Berlin-Mitte. Sie war dreimal verheiratet. Aus der ersten Ehe stammt die Schriftstellerin Kirsten Steineckert. Danach war sie kurzzeitig mit dem Lyriker Heinz Kahlau verheiratet, mit dem sie einige Texte gemeinsam veröffentlichte. Zuletzt war sie bis 2016 mit Wilhelm Penndorf verheiratet, dem ehemaligen Chefredakteur für Musik beim Rundfunk der DDR.

Schriftstellerisches Schaffen

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Gisela Steineckert wurde vor allem durch zahlreiche Liedtexte für Schlager, Chansons, Kinderlieder und Rockmusik für verschiedene Interpreten bekannt. Am erfolgreichsten wurde 1987 Als ich fortging für die Rockband Karussell. Außerdem veröffentlichte sie Gedichtbände, Kurzprosa und Briefe (als Herausgeberin), und arbeitete an Filmen der DEFA mit.

Sie publizierte auch in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften der DDR. Nach 1990 schrieb sie unter anderem für die linke Tageszeitung junge Welt und gehörte zu den ständigen Autoren der linkssozialistischen Zeitschrift RotFuchs.

Einige ihrer Veröffentlichungen für Frauen wurden geschätzt

„(...) und Frauen vor allem fühlen sich davon angesprochen, wie sie mit Witz und Verstand zwischenmenschliche Beziehungen untersucht und darstellt. Vielfältig sind ihre Ausdrucksformen; sie sagt, es gebe außer dem Roman keine literarische Form, in der sie sich nicht versucht habe. Am bekanntesten ist sie als Lyrikerin – klare, unverschnörkelte, aber feinfühlige und tiefgründige Gedichte und Lieder sind ihr Markenzeichen.“[7]

Ihre Erinnerungsbände von 2016 und 2021 lösten dagegen einige Kritik aus, vor allem wegen einer vorgeworfenen Geschichtsverklärung und ihrer einseitigen Sicht auf die DDR.[8][9]

„Ich habe eine andere DDR erlebt, als sie mir von genervten Bürgern der DDR geschildert wurde.“[10]

  • Alt genug um jung zu bleiben. Das Neue Berlin, Berlin 2006.
  • Aus der Reihe tanzen. Ach Mama. Ach Tochter. Verlag Neues Leben, Berlin 1992.
  • Brevier für Verliebte. Verlag Neues Leben, Berlin 1972.
  • Briefe 1961–1983. Verlag Neues Leben, Berlin 1984.
  • Das Schöne an den Frauen. Das Neue Berlin, Berlin 1999.
  • Das Schöne an den Männern. Das Neue Berlin, Berlin 1998, ISBN 3-360-01232-1.
  • Das Schöne an der Liebe. Das Neue Berlin, Berlin 2000
  • Der Mann mit der goldenen Nase. (gemeinsam mit Arndt Bause) Das Neue Berlin, Berlin 1986, ISBN 3-360-00949-5.
  • Die blödesten Augenblicke meines Lebens. Verlag Neues Leben, Berlin 1996.
  • Eines schönen Tages. Erinnerungen, (Autobiografie). Verlag Neues Leben, Berlin 2016
  • Einfach Zuneigung. 22 Beispiele in Prosa. Verlag Neues Leben, Berlin 1986.
  • Er hat gesagt. EheDialoge. Verlag Neues Leben, Berlin 1993.
  • Erkundung zu zweit. Verlag Neues Leben, Berlin 1974.
  • Erster Montag im Oktober. Gedichte. Verlag Neues Leben, Berlin 1986.
  • Gedichte. Poesiealbum Nr. 199, Verlag Neues Leben, Berlin 1984.
  • Gesichter in meinem Spiegel. Porträts. Verlag Neues Leben, Berlin 1977.
  • Ich umarme dich in Eile. Briefe an Frauen. Verlag Neues Leben, Berlin 1992.
  • Langsame Entfernung Gedanken, Gedichte und Voraussichten. Verlag Neues Leben, Berlin 2021 ISBN 978-3-355-01899-9.
  • Laß dich erinnern. Lieder. Verlag Neues Leben, Berlin 1987.
  • Lieber September. Gedichte. Verlag Neues Leben, Berlin 1981.
  • Liebesgedichte. (Hrsg. G. Steineckert), Volk und Welt, Berlin 1962.
  • Liederbriefe. Henschel-Verlag, Berlin 1984. ISBN 978-3-362-00372-8
  • Mehr vom Leben. Gedichte. Verlag Neues Leben, Berlin 1983. ISBN 978-3-355-00714-6
  • Musenkuß und Pferdefuß. Verse, vorwiegend heiter. (Hrsg. G. Steineckert), Verlag Neues Leben, Berlin 1964.
  • Nachricht von den Liebenden. Gedichte und Photos. (Hrsg. G. Steineckert), Aufbau-Verlag, Berlin 1964.
  • Neun-Tage-Buch. Die X. Weltfestspiele. (gemeinsam mit Joachim Walther), Verlag Neues Leben, Berlin 1974.
  • Nun leb mit mir. Weibergedichte. Verlag Neues Leben, Berlin 1976, ISBN 978-3-355-00269-1
  • Presente. Gedichte. Verlag Neues Leben, Berlin 1988. ISBN 978-3-355-00672-9
  • Und dennoch geht es uns gut. Briefe 1992–1998. Das Neue Berlin, Berlin 1998, ISBN 978-3-360-00866-4.
  • ... und mittendrin das dumme Herz. Das Neue Berlin, Berlin 2005, ISBN 3-360-01269-0.
  • Unsere schöne Zeit mit dem bösen Rudi. Verlag Volk und Wissen, Berlin 1988, ISBN 3-06-272780-2.
  • Veronika Fischer, diese Sehnsucht nach Wärme. Das Neue Berlin, 2001, ISBN 978-3-360-00956-2
  • Vor dem Wind sein. Lieder. Verlag Neues Leben, Berlin 1980.
  • Wie ein Waisenkind. Fernseh-Erzählung. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1970.
  • Wild auf Hoffnung. Verlag Neues Leben, Berlin 1990. ISBN 978-3-355-01056-6
Commons: Gisela Steineckert – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Vertrauliche Äußerungen staatsnaher Schriftsteller zum VIII. Schriftstellerkongreß (1) Bundesarchiv, BStU, ZAIG 2760, Nr. 700/77 (viertletzter Absatz); "Von einer Reihe Autoren wird die »großzügige Behandlung« der »Unterzeichner« als persönliche Benachteiligung angesehen. In der Diskussion zu solchen Fragen gab es vertrauliche Äußerungen wie z. B. die von Genossin Gisela Steineckert (stellvertretende Vorsitzende des Berliner Schriftstellerverbandes): »Ich glaube, man muss unbedingt erst ein ›Ding drehen‹, damit die Parteiführung auf einen aufmerksam wird und man nicht als parteiverbundener Genosse gegenüber den ›Unterzeichnern‹ benachteiligt ist.«" (es ging um die angebliche Bevorzugung von kritischen DDR-Schriftstellern, die die Protestresolution gegen die Biermann-Ausbürgerung unterschrieben hatten) Eine aktive Mitarbeit von Gisela Steineckert für das MfS konnte bisher nicht nachgewiesen werden, die anderen zitierten Autoren, wie Peter Edel und Jan Koplowitz, und auch der Zirkel schreibender Tschekisten-Kollege Uwe Berger waren aber äußerst aktive Inoffizielle Mitarbeiter (IM); vgl. Joachim Walther, Sicherungsbereich Literatur, 1996, Personenverzeichnis!
  2. Manfred Krug, Abgehauen; berichtete, dass er vergeblich versucht hatte, sie zur Unterschrift zu bewegen; sie legte ihm dies danach als Druck ausüben aus.
  3. Oktoberklub feierte 30jähriges Jubiläum, in Berliner Zeitung vom 19. Februar 1996 Text; Und die Steineckert? "Das war die Oberzensorin" sagt Bettina Wegner lakonisch
  4. Matthias Braune, Dramaturgie der Repression. Der ZOV "Bühne", in Lutz Niethammer; Roger Engelmann (Hrsg.): Bühne der Dissidenz und Dramaturgie der Repression. Ein Kulturkonflikt in der späten DDR. Göttingen 2014, S. 121–236, hier S. 169
  5. Michel Rauhut: Schalmei und Lederjacke, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1996, S. 259; zitiert in Florian Lipp, Punk und New Wave im letzten Jahrzehnt der DDR, 2021, S. 176; besonders den Text von Paule Panke: „Das Werk, das sich die jungen Künstler vorgenommen haben, krankt daran, daß der Entwurf „Mensch“ zu klein geraten ist und insgesamt nicht einmal durchschimmert. Die Reflexionswelt dieses jungen Mannes, der mir hier an der Peripherie langgeführt wird, läßt mich kalt. Was wäre denn, wenn er „aus dem Arsch“ käme? Was wäre denn dann, wonach würde er streben, wen denn könnte seine Käsigkeit beglücken? Man muss ja noch froh sein, dass dieser chronische Miesmacher, Nörgler und Muffel nicht aktiver ist, sonst wäre er gänzlich unerträglich“ Pankow; eine inoffizielle Einschätzung von Gisela Steineckert in einem Brief, abgedruckt in Briefe 1984; das Lied und das darauf aufbauende Rockspektakel Paule Panke konnte aber trotzdem aufgeführt werden (wahrscheinlich mit einigen Abmilderungen)
  6. Matthias Braune., Dramaturgie der Repression. Der ZOV "Bühne", in Lutz Niethammer; Roger Engelmann (Hrsg.): Bühne der Dissidenz und Dramaturgie der Repression. Ein Kulturkonflikt in der späten DDR. Göttingen 2014, S. 212–236, hier S. 169; in den Archivunterlagen wurde über eine vergebliche Reise von Vertretern der SED-Bezirksleitung und des Rates des Bezirkes Gera nach Berlin zu Gisela Steineckert berichtet, die gegen das Liedermacherduo erhebliche Einwände hatten, bei ihr aber keine Sanktionen erreichen konnten, auch das MfS unternahm danach nichts gegen die negativen Künstler
  7. Gisela Steineckert, fembio
  8. Andreas Montag, Damals im Honecker-Land. Erinnerungen der DDR-Schriftstellerin Gisela Steineckert, in Mitteldeutsche Zeitung vom 13. Mai 2016 Text
  9. Miriam N. Reinhard, Erzählband "Langsame Entfernung". Ungerührte Erinnerung, in taz vom 8. Juli 2021 Text
  10. Gisela Steineckert, Langsame Entfernung, 2021; zitiert in taz vom 8. Juli 2021